Das Lächeln des Schicksals - Ibrahim al

Transcription

Das Lächeln des Schicksals - Ibrahim al
Deutsch-Arabische Gesellschaft
Das Lächeln des Schicksals - Ibrahim al-Koni zum Sturz Ghadhafi
Der in der Schweiz lebende Tuareg-Schriftsteller Ibrahim al-Koni ist der international bekannteste Autor Libyens; er
wurde in der arabischen Welt vielfach ausgezeichnet und ist Träger des Literaturpreises der Stadt Bern. Der folgende
Beitrag ist ein poetischer Tribut an die bevorstehende Befreiung seiner Heimat.
«Den Jungen lächelt das Schicksal» Horaz
Wenn die Gewehre sprechen, so sagt man, müssen die Musen schweigen. Und die Musen schweigen, um endlich dem
Gewissen Platz zu machen, damit es sein letztes Wort sagen kann.
Die Kunst ist zwar ihrer Natur nach nicht darauf verpflichtet, die Dinge als solche anzusprechen, das heisst, sich für ihr
sichtbares Vorhandensein zu interessieren. Doch sie ist gezwungen, dann klare Worte zu finden, wenn ein Land sich
einer Heimsuchung ausgesetzt sieht, deren Beseitigung einer heiligen Entscheidung gleichkommt – derjenigen für
die Freiheit.
Nun ist man auch in Libyen dem Ruf nach Freiheit gefolgt!
Vor fünfundvierzig Jahren habe ich es mir zur Mission gemacht, mein Heimatland kulturell zu rehabilitieren und es aus
einer unverdienten historischen Entfremdung zurückzuholen. Was nun in Libyen geschehen ist und geschieht, markiert
einen historischen Schritt, der im Wesentlichen die politische Rehabilitierung eines Landes bedeutet, das auch in dieser
Hinsicht lange Zeit abseits stand. Praktisch heisst das, dass der Freiheitsdurst, dass der Wille zur Freiheit trotz dem
langen und schmerzlichen inneren Exil im Empfinden dieser Generation nicht gestorben ist. Beklagen wir also die Opfer,
die dieses Wunder mit ihrem Blut erkauft haben, und beglückwünschen wir sie zu ihrem zweifachen Gewinn: erstens
demjenigen einer Freiheit, die noch grossartiger ist als die irdische Freiheit, der Freiheit der ewigen Erlösung; zweitens
demjenigen der Freiheit dessen, der um den Preis seines Lebens andere befreit hat. Gewinnen wir doch im Allgemeinen
nur das, was wir geben, und verlieren nur das, was wir gewinnen.
Nun dürfen sich die Musen vor der Seele dieses Willens verneigen, dem das Schicksal zulächelt – dem das
Schicksal zulächelt, weil er das einzige Amulett ist, das die Wirkung eines Zaubers brechen kann, dessen unmoralische
Natur die Überlieferungen aller Völker konstatieren: der Macht. Dieser Macht, die wir umso mehr missbilligen, weil es sich in
Wahrheit um einen verwerflichen Angriff auf die Allmacht des Schöpfers handelt.
Revolutionen an sich sind kein Angriff auf die Macht des Herrn des Himmels und der Erde. Zum Angriff auf das Reich
des Herrn werden Revolutionen erst dann, wenn sie ihre wahre Mission verraten und sich in Machtkämpfe verwandeln.
Denn die Macht ist eine Geliebte, die ihre Jünger immer nur als Tote zurücklässt.
Dieser Tage aber kann Libyen, diese entfremdete Oase, seine Erlösung feiern; die Erlösung von einem weltfernen und
brutalen Regime, die freilich um einen hohen Blutzoll erkauft werden musste.
Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich.
Der Dichter der Wüste
H. F . Ibrahim al-Koni wurde 1948 in Libyen geboren und wuchs in einem Tuareg-Stamm in der Wüste auf. Er studierte
Literatur in Moskau und war anschliessend als Journalist in Warschau und Moskau tätig; seit 1993 lebt er in der Schweiz
und widmet sich ausschliesslich seiner literarischen Arbeit. Seine Bücher, mittlerweile ein Dutzend Titel, trugen ihm in der
arabischen Welt ein hohes Renommee ein und sind beim Lenos-Verlag in deutscher Übersetzung erschienen. In seinen
Romanen versucht der Schriftsteller, anhand des Lebens der Tuareg in der Wüste Existenzfragen zu behandeln. Das
Leben des Menschen schildert er als Durchquerung der Wüste, beseelt vom Wunsch, den stets zurückweichenden
Horizont zu erreichen. So ist der wahre Mensch der Wanderer, der Nomade, während das sesshafte Leben in der Oase,
weil stagnierend, schliesslich tödlich für ihn wird. In seinen neueren Werken interessiert sich al-Koni zunehmend für die
historische Dimension gesellschaftlichen Zusammenlebens, besonders die Frage der Machtgewinnung und -erhaltung.
Der 2010 erschienene Roman «Das Herrscherkleid» zeigt das mit beissender Schärfe: In einer Oase kann sich der
http://d-a-g.dienstleistungen.ws
Powered by Joomla!
Generiert: 15 January, 2017, 22:26
Deutsch-Arabische Gesellschaft
Herrscher nicht mehr vom Symbol seiner Rolle, dem Herrscherkleid, lösen, es haftet wie ein Geschwür an seinem Körper.
Den vollständigen Artikel finden Sie auf der Homepage der NZZ.
http://d-a-g.dienstleistungen.ws
Powered by Joomla!
Generiert: 15 January, 2017, 22:26

Documents pareils