Predigt über den Perspektivsatz - Unsere Gemeinde ist eine-205

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Predigt über den Perspektivsatz - Unsere Gemeinde ist eine-205
Predigt über den Perspektivsatz
Liebe Gemeinde,
I
„Unsere Gemeinde ist eine blühende Oase, die viele Menschen anzieht. Wir feiern mit Gott, achten
aufeinander, finden Heil und Stärkung und kommen zur Entfaltung.“
Dieser Perspektivsatz, den wir mit Ältesten und Mitarbeitern bei der Perspektiventwicklung im
November erarbeitet haben, ist heute unser Predigttext – genauer gesagt der erste Teil. Bis zum
Sommer wird dieser Perspektivsatz immer wieder im Gottesdienst zum Tragen kommen – damit
sich vor unseren Augen und in unseren Herzen entfalten kann, was das für eine Vision ist, die Gott
uns für unsere Gemeinde geschenkt hat. Heute also der erste Teil:
„Unsere Gemeinde ist eine blühende Oase, die viele Menschen anzieht.“
Als wir an diesem Perspektiventwicklungs-Wochenende zusammen saßen, wurden wir am
Samstagmorgen zunächst auf eine Traumreise geschickt. Wir sollten uns vorstellen, wir gehen für
längere Zeit ins Ausland, und nach fünf Jahren kommen wir wieder in unsere Gemeinde zurück.
Wie wollen wir unsere Gemeinde dann vorfinden? Wie soll sie dann aussehen?
Die Traumbilder, die dabei vor unserem geistigen Auge entstanden sind, haben wir dann versucht,
in einen Satz zu fassen – das Ergebnis war der Perspektivsatz, den sie vorne an der Wand lesen
können. Er drückt also eine Vision aus, wie unsere Gemeinde in fünf Jahren aussehen soll. Dennoch
ist er bewusst in der Gegenwart formuliert – also nicht: „Unsere Gemeinde wird in fünf Jahren eine
blühende Oase sein“, sondern: „Unsere Gemeinde ist eine blühende Oase“! Diese Formulierung in
der Gegenwart will uns dazu animieren, uns jetzt schon nach dieser Vision auszustrecken: Gott jetzt
schon in den Ohren zu liegen; ihn zu bitten, dass er unsere Gemeinde zum Blühen bringt; auf ihn zu
hören und uns von ihm zeigen zu lassen, wie unsere Gemeinde eine solche blühende Oase werden,
sein und bleiben kann.
II
In Israel, Jordanien und Ägypten habe ich verschiedene Wüstenwanderungen
unternommen – von einer möchte ich Ihnen kurz erzählen:
Das Gelände war unwegsam, der Weg zeitweise steil und steinig, und wir
hatten eine recht lange Wanderung vor uns. Ende März brennt die Sonne
schon ziemlich heiß in dieser Gegend, in der Wüste Juda, auf dem Weg
zwischen Jericho und Jerusalem. Zum Glück hatten wir alle mehrere volle
Flaschen mit Trinkwasser dabei. Manche Kletterpartie war unterwegs zu
bewältigen, und mehrmals mussten wir den Bach überqueren, der durch das
Wadi fließt.
Am späteren Nachmittag war die Hitze schon fast unerträglich. Der Bach war
längst vertrocknet, unsere Trinkflaschen waren fast leer. Quälender Durst in
der Wüste – diese Erfahrung vergisst man nicht mehr. Schließlich kamen wir am Georgskloster
(Bild) vorbei, wo schon seit 1500 Jahren orthodoxe Mönche wohnen. Sehr gastfreundlich öffneten
sie uns die Tür, und an ihren Wasserhähnen konnten wir uns erst einmal erfrischen und uns vor
allem nach Herzenslust satt trinken. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir schlichtes Wasser aus
dem Hahn jemals so köstlich geschmeckt hat. Der teuerste Champagner hätte da nicht mithalten
können. Den wahren Wert des Wassers lernt man erst in der Wüste
kennen. Sechzehn Jahre ist das her, und trotzdem ist mir diese
Erfahrung noch so gegenwärtig, als wäre es gestern gewesen.
Wie gut tut es, wenn man auf einer Wüstenwanderung an einem
solchen Ort oder an einer natürlichen Oase vorbeikommt – wie hier
auf dem Bild an der Oase Ain Umm Ahmed auf der Halbinsel Sinai.
Solche Oasen sind für Menschen in der Wüste überlebensnotwendig.
Das gilt auch für die Wüste im übertragenen Sinn. Mancher Mensch empfindet seinen Lebensweg
als Wüstenwanderung. Nicht nur globale und gesellschaftliche Ereignisse wie Klimawandel,
Wirtschaftskrise oder Amokläufe können eine Wüstenerfahrung sein. Auch gescheiterte
Beziehungen, der Verlust des Arbeitsplatzes, schwere Krankheit oder der Tod eines geliebten
Menschen machen den Lebensweg zur Wüstenwanderung.
Menschen, die in ihrem Leben durch die Wüste gehen, suchen händeringend nach einer Oase, wo
sie ausruhen und neue Kraft schöpfen können. Nach dem 11. September 2001 oder nach dem
Amoklauf von Winnenden und Wendlingen waren die Kirchen voller als sonst. Und nicht wenige
gehen nach dem Verlust eines Angehörigen wieder öfter in die Kirche. Da gibt es offenbar noch ein
Gespür dafür, dass die Kirchen solche Oasen in der Wüste des Lebens sind. Warum gehen
Menschen mit solchen Wüstenerfahrungen in die Kirche? Weil sie einen Ort suchen, an dem sie
Gemeinschaft erleben, Trost finden, neue Kraft tanken und Werte entdecken, an denen sie sich im
Leben orientieren können.
Und deshalb soll auch unsere Gemeinde eine solche Oase sein. Wohlgemerkt heißt es in unserem
Perspektivsatz: „Unsere Gemeinde ist eine blühende Oase, die viele Menschen anzieht.“ „Eine
blühende Oase“ – nicht „die Oase“! Wir sind uns bewusst und auch sehr dankbar, dass es allein in
Konstanz viele evangelische, katholische, orthodoxe und freikirchliche Gemeinden gibt, die solche
Oasen sind, wo lebensdurstige Menschen sich satt trinken können. Mit unserem Perspektivsatz
wollen wir nicht anderen Gemeinden ihr Oasesein absprechen, sondern das Augenmerk darauf
richten, wie wir in unserer Gemeinde eine solche Oase sein und bleiben können.
III
Die Oase auf dem Sinai, die sie jetzt an der Wand sehen, heißt Ain Umm
Ahmed. Die Oase auf dem nächsten Bild liegt in Dubai und heißt Al-Ain.
In beiden Oasen-Namen steckt das arabische Wort „Ain“ – zu deutsch
„Quelle“. Eine Oase blüht nur, wenn sie eine Quelle hat, aus der sich alles
Leben speist. Nur dort, wo eine Quelle fließt, können Pflanzen wachsen,
können Menschen und Tiere trinken. Nur in einer Oase, die von einer
Quelle getränkt wird, ist Leben möglich.
Das Gegenbeispiel sehen Sie auf dem nächsten Bild: Ziemlich weit draußen in der Wüste
Jordaniens, nicht weit von der Grenze zu Saudi-Arabien und dem Irak, bahnt sich ein Desaster an.
Al Azraq, ein uralter Rastplatz für Karawanen, Nomaden und
Zugvögel, droht zu vertrocknen. Der Tod einer Oase.
Wenn man heute nach Azraq fährt, landet man im Gegenteil von
1001 Nacht. Dreckige Buden, Reifenfetzen, Schrott. Öl-Kolonnen
auf dem Weg durch die Wüste. Wer aus Saudi-Arabien kommt,
hat einen sehr weiten, wer aus dem Irak kommt, einen ziemlich
gefährlichen Weg hinter sich.
Aber das Problem von Azraq liegt eine Ebene tiefer. Die riesigen
Grundwasservorräte, aus denen einst die Quellen der Oase gespeist wurden, gehen zur Neige. 1992
ist die letzte der drei großen Quellen von Azraq versiegt. Kaum drei Jahrzehnte Großstadtdurst und
Landwirtschaft haben das einst gewaltige Feuchtgebiet mitten in der Wüste trocken gepumpt.
Mittlerweile wird doppelt so viel Grundwasser verbraucht, wie jedes Jahr wieder neu dazu kommt –
schätzungsweise, genau weiß das niemand. Die eine Hälfte geht als Trinkwasser in die Hauptstadt
Amman, die andere Hälfte in die Landwirtschaft. Von der Oase selbst ist ein trauriger Tümpel
geblieben, der künstlich feucht gehalten wird. Ein Museumstümpel.
Wie kann verhindert werden, dass auch unsere Gemeinde irgendwann nur noch ein Museumstümpel
ist? Eine Oase, die vertrocknet ist – weil Gemeindeglieder und Mitarbeiter nicht mehr aus der
Quelle trinken, sondern sich in Aktionismus verlieren, bis sie völlig ausgebrannt sind?
Liebe Gemeinde, das müssen wir uns sagen lassen: Von nichts kommt nichts! Wenn wir unsere
Wurzeln nicht tief in Gottes Grundwasser hinabwachsen lassen, wenn wir nicht aus seiner Quelle
trinken, dann ist die Oase unserer Gemeinde schnell verdorrt.
Wie können wir in unserer Gemeinde-Oase immer wieder aus Gottes Quelle trinken, um nicht zu
verdursten und zu vertrocknen? Zwei Beispiele möchte ich dazu nennen:
Eine der wichtigsten Gelegenheiten, aus Gottes Quelle zu trinken, ist der Gottesdienst. Beim Hören
auf Gottes Wort, beim gemeinsamen Singen und Beten und nicht zuletzt beim Abendmahl können
wir sonntags einen tiefen Schluck aus der Quelle in der Mitte unserer Oase trinken, die Christus ist.
Das gibt uns Kraft und Orientierung für die neue Woche – und wir werden in Schule und Beruf, in
Familie und Gemeinde nicht nur überleben, sondern können durch unser Reden und Tun
glaubwürdig andere Menschen auf Gott als die Lebensquelle hinweisen.
Der zweite wichtige Quellort in unserer Oase namens Gemeinde ist für mich das Gemeindegebet.
Mittwochabends ab 20.15 Uhr beten wir dort nicht nur für aktuelle Anliegen wie z.B. die
Vorbereitung unseres Kinder- und Jugendzeltlagers im Sommer oder für kranke Menschen in der
Gemeinde. Sondern wir fragen auch Gott danach, was er für unsere Gemeinde auf dem Herzen hat,
wie und wohin er uns leiten möchte, damit wir unseren Auftrag erfüllen können, eine blühende
Oase in der Wüste unserer Zeit zu sein. Deshalb lade ich Sie und Euch alle ganz herzlich ein, am
Mittwochabend eine Dreiviertelstunde mit uns zu beten. Und als Fußballfan füge ich hinzu: Ich
weiß, dass mittwochabends oft Fußball im Fernsehen kommt, und da schalte ich auch gerne ein.
Aber weil es mir noch wichtiger ist, dass unsere Gemeinde eine Oase ist und bleibt, lasse ich
notfalls auch einmal für das Gemeindegebet die erste Halbzeit sausen. Und wir haben schon einmal
nach dem Gebet das Fußballspiel im Pfarrhaus gemeinsam zu Ende geschaut.
Dass wir in der Gemeinde im Hören auf Gottes Wort und im Gebet gemeinsam aus Gottes Quelle
trinken, im Gottesdienst und in den Gruppen und Kreisen, das ist der Schlüssel dafür, dass unsere
Gemeinde eine blühende Oase sein kann. Nur dann wird beispielsweise das Sommerzeltlager nicht
nur eine abwechslungsreiche Ferienaktion sein, sondern kann für Kinder und Jugendliche eine
Initialzündung ihres Glaubenslebens werden. Für
viele war es das in der Vergangenheit schon, und es
soll auch in Zukunft so sein – auch bei anderen
Veranstaltungen unserer Gemeinde für Jung und Alt.
Nutzen wir alle Gelegenheiten, aus der Quelle zu
trinken, wie Jesus es sagt: »Wer von dem Wasser
trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit
nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben
werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers
werden, das in das ewige Leben quillt.«1 Dann grünt
und blüht die Oase unserer Gemeinde wie auf dem
Bild in Oase Ghabroun in Libyen.
IV
„Unsere Gemeinde ist eine blühende Oase, die viele
Menschen anzieht.“ In einer Oase treffen sich Menschen
auf der Suche nach Wasser und einem Rastplatz. Und
manche bleiben auch dort, schlagen Wurzeln und siedeln
sich an. So entsteht dann an einer Oase ein Dorf oder
eine Stadt wie hier auf dem Bild die Stadt Jericho. In der
Bibel wird Jericho wegen seiner Oase auch
"Palmenstadt" genannt2 - hier sieht man, warum. Die
Stadt Jericho hält mehrere Rekorde: Nach Archäologen
ist sie die älteste Stadt der Welt, und da sie 250 Meter
unter dem Meeresspiegel liegt, ist sie auch die
tiefstgelegene Stadt der Welt. Der blaue Streifen am Horizont ist übrigens das Tote Meer. Es heißt
bekanntlich deshalb „Totes Meer“, weil das Wasser so salzhaltig ist, dass es darin kein Leben wie
1
2
Johannes 4,14.
5. Mose 34,3; Richter 3,13; 2. Chronik 28,15.
Fische gibt und auch keine Pflanzen wachsen können. Dass Jericho eine blühende Oase und eine
grüne Palmenstadt ist, hat einen anderen Grund: Trotz des geringen Niederschlags ist Ackerbau
wegen der nahe gelegenen Elischa-Quelle möglich. An diesem fruchtbaren Ort wurden schon in der
Antike Dattelpalmen und Balsam angebaut.3
Ein solcher Ort zieht Menschen an. Und wenn wir uns als Gemeinde an Jesus halten, der unsere
Quelle ist, dann werden auch Menschen in unserer Oase einen Rastplatz finden, wo sich sich
ausruhen können, ihre Seele ausstrecken, ihren Lebensdurst löschen und Heimat finden. Und ich
bin dankbar, dass das in unserer Gemeinde auch geschieht.
Eine Oase ist auch ein Ort, wo Menschen Gemeinschaft erleben wie
hier auf dem Bild in der Oase Ein Gedi in der israelischen NegevWüste. Solche Gemeinschaft geschieht im Jugendkreis oder bei der
Radtour am 1. Mai ebenso wie im Frauenkreis oder beim
Seniorennachmittag. Hier kann man sich nicht nur an gemeinsamen
Unternehmungen freuen, sondern auch mit Freunde und
Glaubensgeschwistern ins Gespräch kommen. Und dabei können wir
voneinander auch Überlebensstrategien lernen, um in der Wüste des Lebens zu bestehen.
Die Beduinen in der Wüste kennen übrigens ein Verbrechen, das in ihren
Augen noch schlimmer ist als Mord: Wenn jemand eine Wasserquelle in
der Wüste kennt, aber anderen Wanderern in der Wüste nichts davon
sagt. Manfred Siebald hat dazu einmal ein Lied gedichtet, in dessen
Refrain es heißt: „Wer das Wasser in der Wüste kennt und es
verschweigt, der ist schuld, wenn Sterbende es überseh’n.“ Dass
Menschen nicht geistlich absterben, sondern in Jesus die Quelle des
Lebens finden, dazu sind wir als Gemeinde da! Das ist unser Auftrag, die Menschen auf diese
Quelle hinzuweisen, ihnen den Weg zu ihr zu zeigen! Das ist unsere Mission, deshalb wollen und
sollen wir missionarische Gemeinde sein! Deshalb bieten wir in der Gemeinde nicht nur Kinderund Jugendveranstaltungen an, sondern auch Taufseminare für junge Familien oder den Kurs
„Abenteuer Glauben“ ab Oktober. Nehmen Sie sich am Ausgang Prospekte dafür mit, und kommen
sie selbst oder laden Sie andere dazu ein – Sie haben damit schon mindestens einem Menschen den
Weg zur Lebensquelle gezeigt!
Halten wir uns selbst an Jesus, unsere Lebensquelle, und laden wir andere Menschen zu ihm ein –
dann wird die Vision Wirklichkeit: „Unsere Gemeinde ist eine blühende Oase, die viele Menschen
anzieht. Wir feiern mit Gott, achten aufeinander, finden Heil und Stärkung und kommen zur
Entfaltung.“
Amen.
3
Vgl.
http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/zeichen/j/referenz/22344///cache/9525c50e6a/.

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