Dekolleté oder Scharia - Frauen in arabischen Ländern

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Dekolleté oder Scharia - Frauen in arabischen Ländern
Dekolleté oder Scharia - Frauen in arabischen Ländern
Was Anfang 2011 in Tunesien begann, fand in Ägypten und
weiteren arabischen Ländern seine Fortsetzung.
Bürgerinnen und Bürger gehen auf die Straße und fordern mehr
Demokratie, Wohlstand und Freiheit.
Doch ob sich auch die Arbeitsmöglichkeiten für europäische Frauen
in islamischen Ländern in absehbarer Zeit verbessern werden, ist
trotz der unerwarteten Aufbruch-Stimmung im Nahen Osten und in
Nordafrika fraglich.
von Harald Schiller - Fix International Services - Newsletter Juni 2011
Als Angela Merkel 2010 Saudi-Arabien besuchte, hielten viele Beobachter den Atem an, die
deutsche Bundeskanzlerin führte in aller Öffentlichkeit ein modisches Jackett vor.
Obligatorisch für europäische Frauen wäre die Abaya gewesen, das mantelartige, vom Hals
bis zu den Füßen reichende Übergewand. Durfte die Dame aus Berlin das? Experten für
interkulturelle Etikette gaben Entwarnung: Als hochrangiger politischer Gast – oder als
Mitglied einer Delegation – durfte sich die ostdeutsche Pfarrerstochter bei der Ausübung
ihrer Amtspflichten unverhüllt zeigen. Doch saudische Sittenwächter hätten gewarnt sein
müssen: 2008 hatte es die deutsche Kanzlerin noch spärlicher bekleidet auf die Titelblätter
zahlloser Tageszeitungen gebracht „Merkels Dekollete verblüfft alle“ ging ein Foto um die
Welt, Angela Merkel hatte sich zur Eröffnung der Oper im norwegischen Oslo mit einem tief
ausgeschnittenen Abendkleid gezeigt, auch die türkische Tageszeitung „Hürriyet“ offerierte
ihrer Leserschaft – aus dokumentarischen Gründen – die freizügige Kanzlerin.
“Frauen sind nicht geschäftsfähig!“
Wie sieht die Realität, jenseits laufender Kameras, in Saudi Arabien aus? Das Auswärtige
Amt erläutert: „Die Situation der Frau in Saudi-Arabien und der ihr auferlegte
Verhaltenskodex wird durch die wahhabitisch-konservative Auslegung des Islams bestimmt.
Rechtlich sind Frauen in Saudi-Arabien nicht geschäftsfähig. D.h. sie können
Rechtsgeschäfte ohne den männlichen Vormund nicht tätigen.“ Manal al-Sharif, eine
saudische IT-Beraterin, wollte wissen, was für Frauen in ihrer Heimat am Steuer möglich ist.
Sie setzte die Frage per Gaspedal auf die Agenda und durchkreuzte die saudi-arabische
Stadt Khobar röhrend: Autofahren ist hier für Frauen gesetzlich verboten, Al-Sharif,
internetaffin und clever, ließ ihre Fahrt filmen. Anschließend startete sie eine erfolgreiche
Facebook-Kampagne. „Es kann nicht sein, dass Frauen einen Doktortitel haben, aber nicht
Autofahren dürfen!“ erklärte die 32-jährige Software-Expertin der Netzgemeinde zwischen
Wuppertal und San Francisco. Da Ergebnis war nahe liegend, sie wurde wegen
Aufwiegelung der Öffentlichkeit gegen den Staat verhaftet.
Die Frauen unter der Scharia
Was sollen Unternehmen tun, die deutsche Expats in arabische Länder schicken? Wenn es
bei Personalchefs um die Frage geht, ob Frauen in islamischen Ländern eingesetzt werden
können, herrscht Ratlosigkeit. Im Westen fehlt Wissen über den Islam. Die Scharia ist noch
in vielen islamischen Ländern und in Teilen von Afrika und Südostasien die Grundlage der
Rechtsprechung. Nur die Türkei schaffte sie 1926 ab. In der islamischen Welt wird die
Gültigkeit der Scharia in der Ehe- und Familiengesetzgebung weder von theologischen
Autoritäten, noch von de Bevölkerung in Frage gestellt. Hier gab es keine Aufklärung, die in
Westeuropa, gegen den Widerstand des Adels und des Klerus, in Jahrhunderte langen
Kämpfen die heutige Zivilgesellschaft hervorgebracht hat. Kulturelle Traditionen machen es
Frauen in islamischen Ländern noch immer schwer, ihren beruflichen oder privaten Alltag frei
zu bestimmen. In einigen islamischen Ländern wurden gesetzliche Veränderungen
durchgeführt, die Heraufsetzung des Mindestheiratsalters etwa. Doch in anderen Staaten ist
eine andere Entwicklung zu beobachten. In Nigeria, dem Iran oder dem Sudan fanden
Schauprozesse - insbesondere wegen Ehebruch - als öffentliche Demonstration der
Wiedereinführung der Scharia statt.
Hat die arabische Welt ein weibliches Gesicht?
Die bekannte marokkanische Schriftstellerin Fatema Mernissi ist in Interviews genervt. Alle
wollen mit ihr über Terror und Schleier reden: „Niemand erkennt, was wirklich vor sich geht in
der arabischen Welt!“ ärgert sie sich, „in der arabischen Welt findet die digitale Revolution
statt! Vom digitalen Chaos profitieren vor allem die Frauen“, erklärt sie seit Jahren auf
Diskussionsveranstaltungen: „Kommunikation ist die einzige Waffe, von der Frauen wirklich
etwas verstehen“, lautet ihr Credo.
“Frauen wollen selbst über ihr Schicksal bestimmen!“
„Nach den Umbrüchen in der arabischen Welt wollen die Frauen selbst über ihr Schicksal
bestimmen.“ Es sei wichtig, die Frauen in diesen Ländern zu stärken und nicht einfach
westliche Vorstellungen zu verpflanzen“, glaubt die Direktorin des Instituts für
Menschenrechte, Beate Rudolf. „Das, was in Nordafrika, was in arabischen Staaten passiert,
ist ein starkes Zeichen für die Universalität von Menschenrechten. Sie straft all die Lügen,
die glauben, dass arabische Staaten, dass islamisch geprägte Staaten nicht
Menschenrechte schützen könnten, nicht demokratiefähig seien.“
Ansprechpartnerin:
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