Noor Islamic Center

Transcription

Noor Islamic Center
Noor Islamic Center
Im Noor Islamic Center predigt ein in Pakistan ausgebildeter Imam, der gleichzeitig
auch Religionslehrer ist. Da das Noor Islamic Center der islamischen transnationalen
Missionsbewegung Tablighi Jama’at (Gemeinschaft der Verkündigung und Mission)
nahe steht und mit deren Europazentrum in Dewsbury, New Yorkshire, in
Großbritannien kooperiert, werden häufig Wanderprediger der Tablighi Jama’at
Bewegung zu Gastpredigten eingeladen.
Tablighi Jama’at (TJ)
Die TJ wurde 1926 vom Deobandi-Schüler (mehr zur Dar ul-Ulum Deoband weiter
unten) Muhammad Ilyas Al-Kandhalawi in Indien vor dem Hintergrund der
wachsenden politischen Streitigkeiten zwischen Hindus und Muslimen, welche 1947
zur Teilung des indischen Subkontinents in einen indischen und einen pakistanischen
Teil führte, gegründet. Hauptziel der TJ ist die Rückführung der Muslime auf den
„rechten islamischen Glauben“, wobei in den Anfangsjahren in Indien vor allem an
eine „Reinigung“ des Glaubens von volksreligiösen Elementen, einer damals weit
verbreiteten Synthese muslimischer und hinduistischer Elemente, sowie an die
Verehrung von Sufigrabmählern, gedacht wurde. Muhammad Ilyas Al-Kandhalawi
begründete den Niedergang der glanzvollen islamischen Periode damit, dass
Muslime den ursprünglichen, reinen Weg des Islam durch den Einfluss von
Materialismus und Säkularismus verlassen hätten. Daher gehört die wörtliche
Auslegung des Koran sowie das strikte Befolgen der Sunna, der Verhaltens- und
Lebensweise des Propheten Muhammad, zum Kernpunkt der Bewegung. Nach
Ansicht der Tablighis ist es nicht nur die Pflicht eines jeden Muslims, die Lehre des
Islam zu kennen und zu praktizieren, sondern sie auch zu propagieren. Zu diesem
Zweck reisen Anhänger der TJ für eine gewisse Zeit des Jahres auf eigene Kosten als
Missionare durch die Welt, um die reine Lehre des Islam zu predigen. Die wenigsten
Wanderprediger verfügen über eine theologische Ausbildung, meistens werden sie in
vorwiegend pakistanischen Koranschulen in viermonatigen Kursen auf diese
Missionsarbeit vorbereitet.
Die Wanderprediger nutzen vor allem die Netzwerke pakistanischer und muslimischer
Inder, die sich im Ausland niedergelassen haben. In Österreich sind die Anhänger der
TJ Pakistanis und haben keinen festen Sitz. Die Wanderprediger predigen daher vor
allem in pakistanischen Moscheen (Ibrahim, Noor und Makki Moschee), doch sind sie
manchmal auch in türkischen Moscheen tätig. Die Prediger kooperieren eng mit der
europäischen Tablighi Jama’at-Zentrale in Dewsbury, West Yorkshire, in
Großbritannien. Die TJ sieht sich selbst als apolitische Bewegung ohne Anspruch auf
politische Partizipation. Jedoch zeigt das politische Engagement einiger prominenter
Anhänger der Tablighis vor allem in Pakistan ein gegenteiliges Bild: Der Tablighi
Mohammad Rafiq Tarar, welcher bis 2001 amtierender Präsident Pakistans war, galt
als Hauptvertreter eines damals neuen Gesetzesentwurfs zur rigoroseren gesetzlichen
Vollstreckung des islamischen Rechts, der Scharia. Der pakistanische muslimische
Kleriker Mufti Mahmud, Nachfolger des führenden Tablighi Ideologen Muhammad
Zakariya, wurde zum Ministerpräsidenten von Pakistans nordwestlicher Grenzprovinz
gewählt und spielte so eine Schlüsselrolle in der Agitation für ein „prophetisches
System“ welches zum Sturz von Zulfikar Bhutto führte.
Mit ihrer wörtlichen Auslegung des Koran und der strikten Befolgung der Sunna sowie
der scharfen Unterscheidung zwischen „Gläubigen“ und „Ungläubigen“, wirkt die
Lehre der TJ für die Integration ihrer Anhänger hemmend. Wenn die TJ auch nicht
unmittelbar zur Errichtung eines auf der Scharia basierenden islamischen Staates
(einem solchen Staat sollte nach Vorstellung der TJ erst die Islamisierung und damit
die Reife der Gesellschaft für einen islamischen Staat vorausgehen) und zum Jihad
aufruft, so gilt sie doch aufgrund der ähnlichen ideologischen Basis als
Anziehungspunkt und Katalysator für Anhänger extremer Positionen: Der
„Schuhbomber“ Richard Reid, der amerikanische Taliban John Walker Lindh, Lyman
Faris, der 2002 einen Anschlag auf die Brooklyn Bridge in New York unternehmen
wollte, zwei der Terroristen von London, die 2005 Anschläge auf die Londoner U-Bahn
verübten, und der in Bayern geborene türkisch-stämmige Cüneyt Cifti, der sich 2008
sich in Afghanistan mit einer Bombe in die Luft sprengte, durchliefen die Schulung der
TJ, um sich danach radikaleren Gruppierungen zu zuwenden.
Dar ul-Ulum Deoband
Der oben erwähnte Gründer der Tablighi Jama’at, Muhammad Ilyas Al-Kandhalawi,
war ein Schüler islamischen Hochschule Dar ul-Ulum Deoband, welche 1866 in Indien
mit dem Ziel, eine islamische Erweckungsbewegung zu starten, gegründet wurde:
Der britischen Kolonialherrschaft sollte widerstanden und den in Britisch-Indien
praktizierten Islam auf „seine Wurzeln“ zurück geführt werden. Die Dar ul-Ulum
Deoband steht für eine strenge und klassische Auslegung des sunnitischenhanafitischen Islam und gilt nach der al-Azhar Universität in Kairo als zweitgrößtes
sunnitisches theologisches Zentrum der Welt, deren Lehren Anhänger vor allem in
Pakistan, Indien, Bangladesh, Afghanistan, Malaysia, Indonesien und Südafrika fand.
Obwohl die theologische Hochschule selbst im religiösen Bildungsbereich tätig blieb,
ging aus ihrem Umfeld eine Reihe von politischen islamischen Parteien hervor, unter
anderen die Jamiat-ul-Ulama-i-Hind (JUH) im kolonialen Indien, Abul-Ala Maududis
Jamaat-e-Islami (JI) sowie die Jamiat-ul-Ulama-i-Islam (JUI) in Pakistan.
Generell ist zu den pakistanischen Moscheen zu sagen, dass diese erst in den letzten
Jahren entstanden sind. Wirtschaftliche Gründe verhindern oft die Anstellung von
formal ausgebildeten Vollzeitimamen, als Folge davon wird diese Lücke häufig von
Wanderpredigern ohne fachliche theologische Ausbildung gefüllt. Um den
kontextfremden Einfluss von Wanderimamen auf diese neuentstehenden
muslimischen Gemeinden einzuschränken, sollten diese Gemeinden zum Dialog mit
der Gesellschaft motiviert werden.
Unsere Kurzanalysen erheben nicht den Anspruch der Vollständigkeit und werden je nach aktuellen
Entwicklungen ständig ergänzt bzw. korrigiert. Auf Auftrag erstellen wir gerne detaillierte Langanalysen
von einzelnen muslimischen Institutionen oder islamischen theologischen Bewegungen. Info und
Feedback unter [email protected]