Miteinander lernen, mehr erfahren

Transcription

Miteinander lernen, mehr erfahren
10
OSNABRÜCK IN BEWEGUNG
Durch diese Brille können die Teilnehmer ihr
Umfeld nur noch schemenhaft erkennen.
Hanan Ammar versetzt sich in die Rolle und den Blickwinkel
des Busfahrers und sieht die Wirkung des Zusatzspiegels.
Miteinander lernen, mehr erfahren
Busfahrer und Fahrgäste mit Behinderung fahren gut mit
gemeinsamer Schulung
„Festhalten!“, ruft Ralf Haunhorst, Busfahrer bei
mal am eigenen Leib erfährt, oder immer nur aus un-
den Stadtwerken Osnabrück. Gebärdendolmet-
serer sonstigen Position als Fahrer“, ist sich Ralf Unland
scherin Sandra Janetzki gibt ein Zeichen, schon
sicher. „Aber auch der Austausch mit den anderen hat
stoppt der Bus mit einem Ruck.
VOTWJFMHFCSBDIUŏFSLM SUFSXFJUFS
Ein Kanister schliddert einmal durch den Mittelgang, um mit voller Wucht im Fußraum neben
Manche Behinderungen sind nicht offensichtlich
dem Fahrersitz aufzuschlagen, begleitet von
einem Aufschrei.
%FSLPNNUWPOEFSHFI²SMPTFO)BOBO"NNBSEJF
später in Gebärdensprache erklärt: „So groß hatte ich
NJSEJF8VDIUOJDIUWPSHFTUFMMUljŏ%FS5FTUNJUEFN
Am Vormittag hatten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen unter anderem über ihre Erfahrungen im
Umgang miteinander gesprochen. So zeigte sich,
auch in den Ausführungen des Psychologen Joseph
Strunk, dass es für die Fahrer schwierig ist, die
rutschenden Kanister gehört zur Praxisphase einer
4JUVBUJPOEFT'BISHBTUFTNJU#FIJOEFSVOHFJO[V
DLFS4UBEUXFSLFVOE'BISH TUFONJU#FIJOEFSVOHFO
„Sprecht uns an!“ bat Ralf Unland die Teilnehmer
HFNFJOTBNFO4DIVMVOHWPO#VTGBISFSOEFS0TOBCS¸;VWPSIBUUFOEJFTFCFSFJUTFSMFCUXBSVNTJFOJDIU[V
nahe an die ausschwenkenden Türen treten sollen
TDI U[FOXFOOEJFTFOJDIUPŢFOTJDIUMJDIJTU
mit Handicap. „Schon bei der Vorbereitung ist uns
klar geworden, dass es jede Menge Klärungsbedarf
und wie sich der tote Winkel auswirkt: „Kannst du
BVGCFJEFO4FJUFOHJCUŏTBHU,BUKB4DIPN LFSWPO
uns sehen?“ fragt Ralf Haunhorst die am Steuer sitzen-
der Heilpädagogischen Hilfe in Osnabrück. Diese,
EF)BOBO4JFWFSOFJOU&STUBMTFSEFO;VTBU[TQJFHFM
frei macht, hat sie freie Sicht auf die Gruppe: „Den hat
BCFSMFJEFSOJDIUKFEFS#VT%FTIBMCJTUJNNFS7PSTJDIU
geboten!“, mahnt Haunhorst. Während die Fahrgäste
OPDIFJOJHF%JOHFBVTEFS1SBYJTFSGBISFO[VN#FJ-
TQJFMXJFTJFTJDIJN-JOJFOQMBO[VSFDIUţOEFOUFTUFO
EJF#VTGBISFSJOFJOFN[XFJUFO#VTXJFNBOTJDIBMT
die „Hilfe für Hörgeschädigte“ und die Stadtwerke
hatten gemeinsam ein Schulungskonzept erarbeitet, das alle Teilnehmer überzeugte: Fahrgäste mit
#FIJOEFSVOHFOVOE#VTGBISFSMFSOFOJOFJOFSHF-
meinsamen Schulung, wie man ohne Ängste besser
miteinander fährt.
Fahrgast mit Einschränkungen so fühlt: „Es ist ganz
Gegenseitige Hemmungen abbauen
TUFJHFOŏţOEFU$ISJTUJOF5FJDIMFSEJFJOFJOFN"MUFST
„In der Vorbereitung fragte eine Rollifahrerin,
simulationsanzug steckt.
warum es bis zum Ausklappen der Rampe so lange
TDI²OBOTUSFOHFOENJUEFN3PMMBUPSJOEFO#VT[V
ő6OEEBOOOPDIEBT(FMEIFSBVTţTDIFOXFOOEJF
dauere. Als sie erfuhr, dass der Fahrer erst den
Hände zittern“, ergänzt ihr Kollege Karl-Heinz Obrock,
;VTUFJHFOEFO'BISBVTXFJTFWFSLBVGUVOEEBOO#VT
der die Handschuhe getestet hat, die ein Zittern simu-
und Kasse sichern muss, leuchtete ihr das ein“,
lieren. „Es ist schon ein Unterschied, ob man das alles
hier
Dezember 2013
Karl-Heinz Obrock simuliert Sehund Hörbehinderungen.
FSJOOFSUTJDI'SBOL4DIBMMEBDIWPOEFO4UBEUXFSLFO
Ganz schön kippelig:
Andreas Markmeyer
wird von Ralf Unland
in den Bus geschoben.
11
Christine Teichler fühlt
sich um Jahrzehnte
gelaltert und erfährt,
wie anstrengend es ist,
in einen Bus zu steigen.
„Die Schulung hilft, gegenseitige Hemmungen abzu-
CBVFOTPEBTT#VTGBISFSVOE'BISH TUFTJDIX ISFOE
EFS'BISUXPIMFSG¸IMFO%FOOG¸SWJFMFVOTFSFS.JUBSCFJ-
UFSNJU#FIJOEFSVOHCFEFVUFUEBT#VTGBISFOFJOIPIFT
Maß an Unabhängigkeit und Lebensqualität“, erklärt
Katja Schomäker.
Fahrpläne müssen eingehalten werden
(FOUJKBOB#BLJKBFSLM SU[VN#FJTQJFMő*DIOVU[F
EFO#VTJNNFSG¸SQSJWBUF6OUFSOFINVOHFOJOEFS
Stadt.“ Victoria Sandkämper weiß einiges über das
#VTGBISFOVOELFOOUEJF/VNNFSOEFS-JOJFOEJF
sie nach Hause bringen, genau. Viele ihrer Kollegen
nutzen den Linienbus, um zur Arbeit in die Werkstatt
Sutthausen zu fahren. Einige der Fahrgäste würden
dann gerne etwas länger mit dem Fahrer sprechen.
Ausgezeichnetes Azubi-Projekt
#FSFJUTTFJU"OGBOHBCTPMWJFSFOKVOHF.FOTDIFO
die bei den Stadtwerken eine Ausbildung zur Fachkraft
JN'BISCFUSJFCNBDIFOGSFJXJMMJHFJOWJFSX²DIJHFT4P[JBMpraktikum in Einrichtungen der Heilpädagogischen Hilfe.
„Die sechs Azubis, die bislang dabei waren, sind alle
hellauf begeistert. Durch den engen Kontakt zu Menschen
NJU#FIJOEFSVOHFOIBCFOTJFJISF€OHTUFVOE6OTJDIFS
heiten abgebaut. Das stärkt die Sozialkompetenz im
"MMHFNFJOFOLPNNUEFO"[VCJTBCFSBVDIJN#FSVGTBMMUBH
[VHVUF4JFL²OOFOWJFMCFTTFSFJOTDI U[FOXFSXFMDIF
„Manchmal müssen wir ihnen dann einfach klar
6OUFSTU¸U[VOHCFO²UJHUVOEIBCFOXFOJHFS#FS¸ISVOHT-
machen, dass wir uns auf den Verkehr konzentrieren
ängste“, erklärt Cynthia Kode,
müssen, damit alle sicher und pünktlich an ihr Ziel
Teammanagerin Fahrdienst/
kommen“, so Frank Schalldach über ein Thema, das
Kommunikation bei den
ebenfalls in der Vorbereitung angesprochen wurde.
Stadtwerken. Das Praktikum,
Ebenso wie die anderen Organisatoren und die
für das die Auszubildenden
Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist er überzeugt,
im zweiten Lehrjahr
dass das Konzept der gemeinsamen Schulung
CFJWPMMFS"VTCJMEVOHT
funktioniert. Kollege Andreas Markmeyer, der auch
WFSH¸UVOHBCHFTFIFO
sich schon am Schulungsnachmittag sicher: „Einiges
freigestellt werden, wurde
BMT-FISGBISFSVOE#VTMPUTFOBVTCJMEFSU UJHJTUXBS
WPN#FSVGTTDIVMVOUFSSJDIU
sollten wir auf jeden Fall so bald wie möglich in
JOEJFTFN+BISWPN7FSCBOEEFVUTDIFS7FSLFISTVOUFSOFINFO
unsere Schulungsprogramme übernehmen!“
mit einem Projektpreis ausgezeichnet.