Grenzüberschreitende Erbfälle

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Grenzüberschreitende Erbfälle
Grenzüberschreitende Erbfälle
Rechtsanwältin Sibylle Brodkorb, Winterthur
Gerne verschliessen wir vor dem Thema Tod und seinen Folgen die Augen. Gerade bei
grenzüberschreitenden Erbfällen kann dies weitreichende Auswirkungen haben. Anhand einiger Beispiele soll aufgezeigt werden, wie unterschiedlich die rechtlichen und
steuerlichen Folgen dabei ausfallen können, wenn die Besonderheiten des jeweiligen
Landes zu wenig beachtet werden.
Beispiel 1:
Ein Ehepaar, er ist Schweizer, sie ist Deutsche, lebt seit über 20 Jahren gemeinsam in
der Schweiz. Die Ehefrau ist noch Eigentümerin des elterlichen Wohnhauses in
Deutschland, welches sie vermietet. Der erbschaftsteuerliche Wert des Hauses beträgt
EUR 500.000. Alles übrige Vermögen befindet sich in der Schweiz. Als die Ehefrau
verstirbt, wird sie aufgrund einer testamentarischen Regelung von ihrem Ehemann
beerbt. Das deutsche Finanzamt setzt eine Erbschaftsteuer von EUR 67.200 fest und
gewährt dem schweizer Ehemann nur den beschränkten Erbschaftsteuerbetrag von
EUR 2000. Keine Erbschaftsteuer in Deutschland wäre dagegen entstanden, wäre die
Immobilie vor dem Erbfall veräussert und der Kaufpreis auf einem Konto einer deutschen Bank angelegt worden.
Beispiel 2:
Unser obiges Ehepaar hat nunmehr zwei bereits volljährige Kinder. Eines der Kinder
lebt in Deutschland, das andere in der Schweiz. Das Vermögen besteht aus einer Immobilie in Deutschland sowie aus weiteren Immobilien und Kontoguthaben in der
Schweiz. Der Ehemann verstirbt. Laut Testament erben die Ehefrau und die Kinder je
die Hälfte. Das deutsche Finanzamt setzt die Erbschaftsteuer für die deutsche Immobilie für alle Beteiligte fest und berücksichtigt für die in der Schweiz ansässigen Angehörigen nur den eingeschränkte Freibetrag von je EUR 2.000. Für das in Deutschland
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Bei den vorgestellten Fällen handelt es sich um eine vereinfachte Berechnung, die dazu dient den Sachver-
halt und seine Folgen in den Grundzügen darzustellen.
Stiftung als Instrument der Unternehmensnachfolge
lebende Kind wird neben der deutschen Immobilie auch das in der Schweiz befindliche
Kontovermögen für die Ermittlung der Erbschaftsteuer einbezogen. Eine steuerliche
Optimierung wäre durch die Zuweisung der deutschen Immobilie an das deutsche Kind
möglich gewesen, da diesem uneingeschränkt die Freibeträge des deutschen Erbschaftsteuergesetzes zustehen. Eine schweizer Immobilie wäre darüber hinaus aus
deutscher Sicht komplett steuerfrei vererbbar, da aufgrund des deutschschweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens schweizer Immobilien eines schweizer Erblassers von der deutschen Erbschaftsbesteuerung ausgenommen sind.
Beispiel 3:
Ein deutsches Ehepaar lebt in der Schweiz und hat Grundvermögen in der Schweiz
und in Deutschland. Als der Ehemann ohne Testament verstirbt, stellt sich die Frage,
wo ein Erbschein beantragt werden muss. Darauf ergeben sich zwei gegensätzliche
Antworten: Aus schweizer Sicht wird der Erbschein in der Schweiz beantragt, richtet
sich nach schweizer Recht und gilt für den gesamten Nachlass. Aus deutscher Sicht
wird der Erbschein in Deutschland beantragt, richtet sich nach deutschem Recht und
gilt ebenso für den gesamten Nachlass.
Dieser Konflikt wäre zu vermeiden gewesen, wenn sich das Ehepaar gegenseitig per
Testament unter Wahl des deutschen Heimatrechtes als Erben eingesetzt hätte.
Die Beispiele verdeutlichen, wie stark es sich auch auf das Erb- und Steuerrecht auswirkt, wenn mehrere Länder berührt werden. Wird grenzüberschreitend vererbt, werden
mehrere Rechtssysteme tangiert. So richtet sich das Erbrecht aus deutscher Sicht stets
nach dem Recht der Staatsangehörigkeit des Verstorbenen, die schweizer Sicht dagegen nach dem Ort des letzten Wohnsitzes. Aus schweizer Sicht ist darüber hinaus
möglich, durch Rechtswahl das Recht des Heimatstaates zu wählen, die deutscher
Sicht sieht eine solche Wahl nicht vor.
Dies bedeutet, dass wenn ein Deutscher in der Schweiz verstirbt, wird er nach schweizer Sicht nach schweizer und nach deutscher Sicht nach deutschem Recht beerbt.
Eine gewisse Erleichterung wird Mitte 2015 durch die Einführung der Europäischen
Erbrechtsverordnung erreicht. Dann wird auch aus deutscher Sicht das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort angewandt. Ein Deutscher, der in der Schweiz lebt und verstirbt, wird dann auch nach deutscher Sicht nach schweizer Erbrecht beerbt werden.
Eine Wahl des Heimatrechts ist aber auch dann noch möglich.
Neben der Frage nach welchem Recht vererbt wird, stellt sich die Frage der Besteuerung. In Deutschland bemisst sich dies nach dem Erbschaft- und
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Stiftung als Instrument der Unternehmensnachfolge
Schenkungsteuergesetz, in der Schweiz ist die Erbschaftsteuer kantonal geregelt. Um
Nachteile einer Doppelbesteuerung abzufedern, wurde zwischen Deutschland und der
Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. Dieses regelt, in welchem
Land die Besteuerung vorgenommen wird, ob bestimmte Vermögenswerte freigestellt
werden oder ob Erbschaftsteuer des jeweils anderen Landes anrechenbar ist.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Überschreitung von Landesgrenzen
auch auf Erbfälle Einfluss nimmt. Aber durch Planung und rechtzeitige Vorsorge lassen
sich diese Grenzen durchaus überwinden.
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