1_Gastbeitrag_Die Tücken des Eigenheimkaufes_Büchler Urs_D

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1_Gastbeitrag_Die Tücken des Eigenheimkaufes_Büchler Urs_D
Die Tücken des Eigenheimkaufes
Urs Andreas Büchler
Ist der Kauf eines Eigenheimes günstiger als die Miete? Günstige Hypothekarzinssätze lassen dies vermuten. Dies gilt jedoch nicht für alle Objekte und Situationen.
Die seit Monaten sehr tiefen Hypothekarzinssätze verleiten immer mehr Personen dazu, darüber nachzudenken, ob sie nicht besser ein Eigenheim kaufen sollen, als jeden Monat einen zum Teil erheblichen
Mietbetrag leisten zu müssen. Der reine Vergleich Hypothekarzins zu Miete ist jedoch nicht einmal die
halbe Wahrheit, welche bei einer Vergleichsrechnung betrachtet werden muss. Eine kürzlich erschienene Studie der UBS zeigt auf, dass der Kauf einer Immobilie nicht in allen Gemeinden attraktiv ist. In Gemeinden mit relativ tiefem Preisniveau sind die jährlichen Ersparnisse beim Kauf einer Immobilie höher
als im Vergleich zur Miete eines vergleichbaren Objektes. Ein wichtiger Faktor ist bei diesen Vergleichen
die Höhe und Besteuerung des Eigenmietwertes. Das Immobilien-Beratungsunternehmen Wüest &
Partner (W&P) kommt in seiner Studie zum Resultat, dass schweizweit in 800 Gemeinden, das heisst in
jeder dritten Gemeinde, Mieten günstiger ist als Kaufen.
Bei der Beratung zum Kauf einer Immobilie sollte das Augenmerk auf die Entwicklung der Immobilienpreise der entsprechenden Region gerichtet werden. Besteht die Finanzierung einer Immobilie aus 20
Prozent Eigen- und 80 Prozent Fremdkapital und verringern sich die Immobilienpreise in dieser Gemeinde um 20 Prozent, verliert der Hausbesitzer sein gesamtes Eigenkapital. Dies kann zum Verlust des
Wohneigentums führen, wenn nicht genügend weiteres Eigenkapital zur Verfügung steht, um das Finanzierungsverhältnis wieder ins Lot bringen zu können.
Richtlinien und Standesregeln von SwissBanking
Die günstigste Immobilie ist nicht immer die billigste. Es ist empfehlenswert, vor dem Kauf einer Immobilie eine Liste mit den Merkmalen zu erstellen, welche unbedingt oder nur bedingt erfüllt sein müssen.
Diese Punkte sollten sich auf die Immobilie und deren Umgebung und Infrastruktur beziehen. Bei der
Immobilie sind dies zum Beispiel Lage, Anzahl Zimmer und deren Grösse, Anzahl Stockwerke, Ausbaustandard, elektrische Installationen und Geräte, Küche, Bäder, Grundbuchauszüge, Nutzungs- und
Verwaltungsordnungen etc. Bei der Umgebung sollte man zum Beispiel die Infrastruktur der Gemeinde,
Bau- und Umbauprojekte in der Nähe der Immobilie, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Steuersätze und
eventuell geplante Veränderungen dieser Sätze, Fahrten zur Arbeit mit dem Auto und den öffentlichen
Verkehrsmitteln etc. berücksichtigen.
Beim Kauf einer älteren Liegenschaft lohnt es sich, eine professionelle Besichtigung durchführen zu lassen, bei welcher sämtliche Installationen, das Mauerwerk, die Keller, das Dach, die Feuchtigkeit und
eventueller Schimmelbefall etc. geprüft und ein detaillierter Bericht erstellt wird.
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Für die meisten Menschen ist der Erwerb einer Immobilie der Entscheid mit den weitreichendsten finanziellen Konsequenzen. Wenn nun, nach langem Suchen und vielen Besichtigungen, das Traumobjekt
gefunden wurde, erstaunt es immer wieder, wie viele Käufer die Finanzierung ohne einen genauen Blick
auf die Finanzierungsverträge oder Einholung von Zweitmeinungen und Offerten durchziehen.
Gemäss den per 1. September 2014 in Kraft getretenen, revidierten SwissBanking-Richtlinien betreffend
den Mindestanforderungen bei Hypothekarfinanzierungen, muss bei einer Immobilienfinanzierung folgendes beachtet werden:
Bei Hypothekarfinanzierung ist ein Mindestanteil an Eigenmitteln am Belehnungswert, welche nicht aus
dem Guthaben der 2. Säule (Berufliche Vorsorge) in Form eines Vorbezuges oder einer Verpfändung
stammen, Voraussetzung. Dieser Mindestanteil beträgt 10 Prozent. Ohne Einbezug allfälliger Guthaben
aus der 2. Säule beträgt der Mindestanteil der Eigenmittel 20 Prozent. Zusätzlich ist eine allfällige Differenz zwischen einem höheren Kaufpreis und einem tieferen Belehnungswert vollständig aus eigenen
Mitteln zu finanzieren. Diese dürfen nicht aus der 2. Säule stammen. Diese Anwendung kann bereits bei
Luxusimmobilien ab einem Kaufpreis von ca. 2 Mio. Franken zur Anwendung kommen. Wer nun ein verzinstes oder rückzahlungspflichtiges Darlehen von seinen Eltern oder Dritten erhält, wird dieses nicht als
Eigenmittel geltend machen können. Anders sieht es bei unverzinslichen und nicht rückzahlungspflichtigen Darlehen sowie der Belehnung von Kontoguthaben, Wertschriften und Guthaben der gebundenen
Vorsorge Säule 3a und rückkaufsfähigen Versicherungspolicen aus.
Die Hypothekarschuld muss innert maximal 15 Jahren, spätestens bis zum Erreichen des Pensionsalters
auf zwei Drittel des Belehnungswertes amortisiert werden und hat linear, beginnend spätestens 12 Monate nach der Auszahlung der Hypothek, zu erfolgen. Die Amortisation kann direkt oder indirekt über
die Verpfändung von Guthaben der Säule 3a oder anderen Vermögenswerten erfolgen.
Tragbarkeitsrechnung und Finanzierung
Die von der Bank erstellte Tragbarkeitsrechnung gibt Auskunft, ob die Bank das Traumobjekt finanziert.
Die Bankregel besagt, dass die Tragbarkeit einer Finanzierung gegeben ist, wenn das Total der Belastung
nicht mehr als ein Drittel der Einkommen ausmacht. Das Beispiel zeigt sowohl die Berechnung der Bank
als auch die effektive/reale Situation auf. Zu beachten ist, dass die Bank bei der Tragbarkeitsrechnung
mit einem festen Zinssatz von 5 Prozent rechnet. Je nach Finanzierungsinstitut werden diese Berechnungen auf dem Brutto- bzw. Nettolohn gemacht. Des Weiteren wenden einige Institute einen tieferen
Prozentsatz beim Unterhalt an. Diese unterschiedlichen Berechnungsarten sollte sich der Hauskäufer zu
Nutze machen, in dem er von einem ausgewiesenen Spezialisten Offerten von verschiedenen Instituten
vergleichen lässt.
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Tragbarkeit vor der Pensionierung
Ehepaar 45 Jahre alt
Kaufpreis / Belehnungswert
Eigenmittel
1. Hypothek
2. Hypothek
Bank
1'000'000
200'000
67.00%
670'000
130'000
Effektiv / Real
1'000'000
200'000
670'000
130'000
Einkommen (Bruttolohn)
Nebeneinkommen (brutto)
Total
150'000
40'000
190'000
150'000
40'000
190'000
Hypothekarzins
Amortisation
Unterhalt in % des Kaufpreises
Total Belastung
5.00%
15 Jahre
1.00%
Tragbarkeit im Verhältnis zum Einkommen
40'000
8'667
10'000
58'667
1.90%
15'200
8'667
10'000
33'867
31%
Real sieht die Rechnung für den Hauskäufer im Moment ganz anders aus. Unter der Annahme eines
aktuellen Hypothekarzinses von 1.9 Prozent (z.B. Laufzeit 10 Jahre), einem entgangenen Zinsertrag von 2
Prozent auf den Eigenmitteln, einem Eigenmietwert von 30'000 Franken, einem Grenzsteuersatz von 35
Prozent und einem heutigen Mietzins inklusive Mehrkosten von 39'000 Franken, ist die Mehrbelastung
als Käufer immerhin noch 1'600 Franken im Jahr. Zu bemerken ist, dass die jährlichen Amortisationskosten von 8'667 Franken keine Kosten sind, sondern Eigenkapital darstellen. Dies im Unterschied zum Mieter, bei dem sämtliche Mietausgaben Kosten sind.
Oftmals nicht beachtet, weil nicht verstanden, sind die in den Verträgen vereinbarten Zinsusanzen. Zu
unterscheiden ist die internationale (365/360) von der nationalen Zinsusanz (360/360). Bei der internationalen Zinsusanz wird der Zinssatz mit der Anzahl Tage des Kalenderjahres (365/366 Tage) multipliziert
und durch 360 Tage geteilt. Bei der nationalen Zinsusanz wird der Zinssatz mit 360 Tagen multipliziert
und durch 360 Tage geteilt. Im Beispiel spart der Kunde bei Anwendung der nationalen Zinsunsanz mehr
als 200 Franken pro Jahr.
Im Alter droht die Tragbarkeitslücke
Mit dem Eintritt ins Pensionsalter ändert sich vieles, nicht nur der Tagesablauf, sondern ebenfalls die
Fähigkeit, die Immobilie auch in Zukunft gemäss den Berechnungen der Bank finanzieren zu können. Das
Finanzierungsinstitut berechnet die Tragbarkeit mit der gleichen Formel wie bereits vorgängig beschrieben. Im Unterschied zu vorher, muss nun die Finanzierung auf zwei Drittel des Belehnungswertes amortisiert sein. Anstelle der Lohneinkommen werden die AHV- und Pensionskassenrenten einbezogen. Einige Banken berücksichtigen das freie Vermögen (z.B. Bankdepots, Sparhefte, Lebensversicherungen)
indem sie dieses bei ihren Berechnungen in eine lebenslange Rente umwandeln. Obwohl die Hypothek
auf zwei Drittel des Belehnungswertes amortisiert ist, ist es nicht unüblich, dass weiterhin eine Amortisation von zirka 1 Prozent in die Tragbarkeitsrechnung für Rentner einberechnet wird. Das Beispiel zeigt
auf, dass die Tragbarkeit gemäss der Berechnung der Bank nicht gegeben ist, obwohl die effektive/reale
Berechnung eine andere Antwort liefern würde.
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Tragbarkeit nach der Pensionierung
Ehepaar im Rentenalter
Kaufpreis / Belehnungswert
Eigenmittel
1. Hypothek
2. Hypothek
AHV-Renten
Pensionskassenrente
Vermögen CHF 500'000
Total
Hypothekarzins
Amortisation in % der Hypothek
Unterhalt in % des Kaufpreises
Total Belastung
Bank
1'000'000
330'000
67.00%
670'000
0
Effektiv / Real
1'000'000
330'000
670'000
0
43'000
60'000
20'000
123'000
43'000
60'000
4.00%
5.00%
1.00%
1.00%
Tragbarkeit im Verhältnis zum Einkommen
33'500
6'700
10'000
50'200
123'000
1.90%
12'730
0
10'000
22'730
41%
In jedem Fall ist es zu empfehlen, rechtzeitig, das heisst ab Alter 58, die Finanzierung der Immobilie mit
der Bank zu besprechen. Besprochen werden sollte auch eine eventuelle Veränderung des Belehnungswertes der Bank. Eine Erhöhung des Belehnungswertes hat zur Folge, dass sich das Finanzierungsverhältnis (Hypothek/Belehnungswert) verbessert. Der Nachteil ist, dass sich die Unterhaltskosten in der
Tragbarkeitsrechnung erhöhen. Bei einer Verminderung des Belehnungswertes könnte allenfalls das
Finanzierungsverhältnis gestört werden, was zu einer zusätzlichen Amortisation der bestehenden Hypothek führen kann.
Konklusion
Trotz Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank sind Hypothekarfinanzierungen so günstig wie
selten zuvor. Zusätzlich haben sich die Immobilienpreise im laufenden Jahr stabilisiert oder sind gar etwas günstiger geworden. Beides Indikatoren, durch die ein Immobilienkauf eher in Betracht gezogen
werden kann. Zu empfehlen ist jedoch, diesen einmaligen und wichtigen Entscheid professionell und
unabhängig begleiten zu lassen.
Urs Andreas Büchler, eidg, dipl. Finanzplanungsexperte, ist Partner bei der Private Finance AG in Zürich und spezialisiert auf die Beratung von
Kader- und Geschäftsleitungsmitglieder und KMU-Inhaber. Er ist Dozent an der FHNW, ZHAW und IFZ sowie Hauptprüfungsexperte Finanzplaner mit eidg. Fachausweis.
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