Diplomarbeit

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Diplomarbeit
Diplomarbeit
René Respondek
IFRS 5:
Die Bilanzierung zur Veräußerung
gehaltener Vermögenswerte und
aufgegebener Geschäftsbereiche
Diplom.de
René Respondek
IFRS 5: Die Bilanzierung zur Veräußerung gehaltener Vermögenswerte und
aufgegebener Geschäftsbereiche
ISBN: 978-3-8366-1575-4
Herstellung Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Universität Osnabrück, Osnabrück, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis
Seite
Inhaltsverzeichnis .....................................................................................................I
Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................... III
Abbildungs-, Tabellen- und Beispielverzeichnis.................................................... V
1. Einleitung........................................................................................................... 1
1.1 Überblick und Bedeutung der Thematik ..................................................... 1
1.2 Problemstellung........................................................................................... 2
1.3 Zielsetzung und Verlauf der Untersuchung................................................. 2
2. Das Konvergenzprojekt des IASB und FASB ................................................ 5
2.1 Grundlagen des Konvergenzprojektes......................................................... 5
2.2 Konvergenzbestreben am Beispiel der Bilanzierung
aufzugebender Geschäftsbereiche ............................................................... 7
2.2.1 IAS 35: Aufgabe von Geschäftsbereichen ........................................ 7
2.2.2 SFAS 144: Accounting for the Impairment or
Disposal of Long-Lived Assets...................................... 8
2.2.3 IFRS 5 als Ergebnis des Konvergenzprojektes ............................... 10
3. Grundlagen und Hintergrund der Bilanzierung nach IFRS 5 ................... 13
3.1 Zweck und Grundsätze der IFRS-Rechnungslegung ................................ 13
3.1.1 Die Informationsfunktion der IFRS ................................................ 13
3.1.2 Der Zielkonflikt zwischen entscheidungsnützlichen und
verlässlichen Informationen in der IFRS-Rechnungslegung .......... 15
3.2 Desinvestitionen als Hintergrund des IFRS 5 ........................................... 17
4. Klassifikation, Bewertung und Ausweis von zur Veräußerung
gehaltenem Vermögen .................................................................................... 19
4.1 Die Klassifikation als zur Veräußerung gehalten...................................... 19
4.1.1 Grundlagen der Klassifizierung ...................................................... 19
4.1.2 Klassifizierung einzelner langfristige Vermögenswerte ................. 23
4.1.3 Zum Verkauf gehaltene Veräußerungsgruppen ............................. 26
4.1.4 Aufgegebene Geschäftsbereiche .................................................... 30
4.1.5 Beurteilung im Kontext der Informationsfunktion ......................... 33
4.2 Erst- und Folgebewertung nach IFRS 5 .................................................... 38
4.2.1 Grundlagen der Bewertung ............................................................. 38
4.2.2 Einzelne langfristige Vermögenswerte ........................................... 43
4.2.3 Veräußerungsgruppen und aufgegebene Geschäftsbereiche .......... 46
I
Inhaltsverzeichnis
4.2.4 Mit Weiterveräußerungsabsicht erworbene
langfristige Vermögenswerte oder Veräußerungsgruppen ............. 51
4.2.5 Beurteilung im Kontext der Informationsfunktion ......................... 52
4.3 Ausweis nach IFRS 5 ................................................................................ 57
4.3.1 Einzelne Vermögenswerte und Veräußerungsgruppen................... 57
4.3.2 Aufgegebene Geschäftsbereiche ..................................................... 58
4.3.3 Beurteilung im Kontext der Informationsfunktion ......................... 67
4.4 Reklassifizierung von Vermögenswerten und Veräußerungsgruppen ...... 70
4.5 Zusammenfassung und kritische Würdigung ............................................ 71
5. Die Bilanzierung nach IFRS 5 aus Unternehmenssicht............................... 75
5.1 Grundlagen der Bilanzpolitik .................................................................... 75
5.2 Gründe für eine Beeinflussung der Informationsdarstellung
durch Ausnutzung von Ermessensspielräumen ......................................... 77
5.3 Darstellung und Beurteilung bilanzpolitischer Spielräume in IFRS 5 ...... 81
5.3.1 Spielräume bei der Klassifikation ................................................... 81
5.3.2 Spielräume bei der Bewertung ....................................................... 84
5.3.3 Spielräume beim Ausweis aufgegebener Geschäftsbereiche.......... 86
6. Empirische Analyse der Bilanzierung nach IFRS 5 .................................... 89
6.1 Anwendung des IFRS 5 in den DAX-30-Unternehmen............................ 89
6.2 Beispiele zur Anwendung des IFRS 5 in der Praxis ................................. 92
6.2.1 EO.N AG......................................................................................... 92
6.2.2 METRO AG.................................................................................... 94
6.2.3 Henkel KGaA.................................................................................. 94
6.2.4 Lufthansa AG.................................................................................. 95
6.2.5 Merck KGaA................................................................................... 97
6.2.6 Siemens AG .................................................................................... 97
6.3 Fallbeispiel: Der Verkauf von Chrysler .................................................... 98
7. Zusammenfassung......................................................................................... 105
Verzeichnis der Literaturquellen ......................................................................... 109
Verzeichnis der Internetquellen........................................................................... 113
Verzeichnis der Rechtsquellen ............................................................................ 116
Verzeichnis der Geschäftsberichte ...................................................................... 118
II
Abkürzungsverzeichnis
A
F
Abb.
Abbildung
ABl.
Amtsblatt
Abs.
Absatz
f.
folgende
AG
Aktiengesellschaft
FAS
Financial Accounting
F&E
Forschung und
Entwicklung
Standard
FASB
B
BB
BFuP
Der Betriebs Berater
Financial Accounting
Standards Board
(Fachzeitschrift)
ff.
fortfolgende
Betriebswirtschaftliche
FSP
FASP Staff Position
Forschung und Praxis
FVLCS
fair value less cost to sell
(Fachzeitschrift)
Bsp.
Beispiel
G
bzw.
beziehungsweise
GAAP
Generally Accepted
Accounting Principles
D
GB
Geschäftsbericht
gegebenenfalls
d. h.
das heißt
ggf.
DAX
Deutscher Aktienindex
gegenüber gegenüber
DBW
Die Betriebswirtschaft
GoF
(Fachzeitschrift)
DCF
Discounted-Cash-Flow
Diss.
Dissertation
DRSC
Deutsche Rechnungslegungs
Standards Committee e. V.
E
ebd.
ebenda (lateinisch) =
Geschäfts- oder
Firmenwert
GuV
Gewinn-und
Verlustrechnung
H
HFA
Hauptfachausschuss
Hrsg.
Herausgeber
http
Hypertext Transfer
Protocol
genauso, ebenso
ED
Exposure Draft
et al.
et alii (lateinisch) =
I
etc.
et cetera (lateinisch) = und so
i. d. R.
in der Regel
weiter
i. H. v.
in Höhe von
EG
Europäische Gemeinschaft
i. V. m.
in Verbindung mit
EU
Europäische Union
i. S.
im Sinne
III
Abkürzungsverzeichnis
IAS
IASB
IASC
International Accounting
S
Standards
s. o.
siehe oben
International Accounting
S.
Seite(n)
Standards Board
SEC
Securities Exchange
International Accounting
Standards Committee
IDW
SFAS
Institut der Wirtschaftsprüfer
in Deutschland e. V.
IFRS
Commission
Statement of Financial
Accounting Standard
sog.
so genannte
International Financial
Reporting Standards
T
Tab.
Tabelle
K
Kap.
Kapitel
U
KGaA
Kommanditgesellschaft auf
u. a.
unter anderem
Aktien
u. U.
unter Umständen
Zeitschrift für
URL
Uniform Resource Locator
Kapitalmarktorientierte
US
United States (of America)
KoR
Rechnungslegung
V
Vgl.
M
M&A
Merger & Acquisition
Mio.
Million(en)
W
MoU
Memorandum of
WPg
Understanding
Mrd.
Vergleiche
Die Wirtschaftsprüfung
(Fachzeitschrift)
Milliarde(n)
Z
N
Nr.
Nummer
z. B.
zum Beispiel
z. V. g.
zur Veräußerung gehalten
ZfB
Zeitschrift für
Betriebswirtschaft
P
p. a.
pro anno
PS
Prüfungsstandard
ZGE
generierende Einheit(en)
zzgl.
R
Rn.
Randnummer
Rz.
Randziffer
IV
zahlungsmittel-
zuzüglich
Abbildungs-, Tabellen- und Beispielverzeichnis
Abbildungen:
Abb. 3-1: Rechnungslegungsgrundsätze nach IFRS
S. 14
Abb. 3-2: Phasen des Desinvestitionsprozesses
S. 17
Abb. 3-3: Desinvestitionsarten und deren Relevanz für die Rechnungslegung S. 18
Abb. 4-1: Berechnung des zurechenbaren GoF gemäß IFRS 5
S. 29
Abb. 4-2: Beispiel eines hierarchischen Aufbaus
S. 32
zahlungsmittelgenerierender Einheiten im Konzern
Abb. 4-3: Wertbestimmung einer Veräußerungsgruppe nach IFRS 5
S. 38
Abb. 4-4: Ergebnis vor bzw. nach Abgang des Geschäftsbereichs, wenn die S. 62
Lieferungs- und Leistungsbeziehungen nicht fortgeführt werden
Abb. 4-5: Ergebnis vor bzw. nach Abgang des Geschäftsbereichs bei
Fortführung der Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
S. 63
Abb. 5-1: Bilanzpolitische Maßnahmen
S. 75
Tabellen:
Tab. 6-1:
Zum Verkauf gehaltene Vermögenswerte der DAX-30Unternehmen
S. 90
Tab. 6-2:
Unternehmen, die weder im GB 2006 noch im aktuellen
Quartalsbericht Vermögenswerte als zum Verkauf gehalten
klassifiziert haben
S. 91
Tab. 6-3:
Der Ausweis aufgegebener Geschäftsbereiche durch die DAX-30 S. 92
Unternehmen
Tab. 6-4:
Zur Veräußerung bestimmte Vermögenswerte und Schulden
der Chrysler-Aktivitäten
S. 102
Tab. 6-5:
Ergebnis aus aufgegebenen Aktivitäten
S. 103
Bsp. 4-1:
Bewertung eines einzelnen Vermögenswerts gemäß IFRS 5 bei
vorheriger Neubewertung
S. 44
Bsp. 4-2:
Bewertung eines einzelnen Vermögenswerts gemäß IFRS 5 bei
vorheriger Anwendung der Cost-Methode
S. 45
Bsp. 4-3:
Bewertung einer Veräußerungsgruppe gemäß IFRS 5
S. 47
Bsp. 4-4:
Ausweis eines aufgegebenen Geschäftsbereichs gemäß IFRS 5
S. 63
Beispiele:
V
Einleitung
1. Einleitung
1.1 Überblick und Bedeutung der Thematik
In den 60er bis 80er Jahren war die Strategie vieler Großkonzerne auf eine laterale
Diversifikation1 ausgerichtet, um so Risiken und die Abhängigkeit von einzelnen
Märkten zu minimieren. Die negativen Eigenschaften solch einer Risikostreuung
führten jedoch langfristig zu einer zunehmend ineffizienten Konzernsteuerung.
Deshalb haben viele ehemalige Konglomerate seit Beginn der 90er Jahre ihre
Strategie dahingehend geändert, dass sie sich nun verstärkt auf ihre Kerngeschäftsfelder konzentrieren.2 Vorrangig werden hierfür solche Geschäftsbereiche im
Rahmen einer Desinvestitionsstrategie verkauft bzw. stillgelegt, die weitestgehend
Randaktivitäten darstellen. Solche Bereichsabgänge haben jedoch einen wesentlichen
Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft und sind daher besonders
relevant für einen IFRS-Abschluss. Deshalb beschäftigte sich schon das IASC
frühzeitig mit der Aufgabe wesentlicher Geschäftsbereiche. Die ersten Regelungen
hierzu enthielt zunächst der IAS 8. Im Jahr 1998 wurde der IAS 35 veröffentlicht,
der sich eigenständig mit der Thematik befasst hat. Dieser wurde wiederum in 2005
durch den IFRS 5 ersetzt. Im Unterschied zu seinen Vorgängern erfasst dieser
jedoch, analog zum amerikanischen SFAS 144, zusätzlich den Verkauf langfristiger
Vermögenswerte und sog. Veräußerungsgruppen.
Der Verkauf einzelner Tochtergesellschaften oder ganzer Geschäftsbereiche kann,
alternativ zu dem internen Grund einer Strategieänderung, auch von außen veranlasst
sein.3 Solch ein externer Beweggrund ist z. B. ein konkretes Kaufangebot für eine
Tochter. Auch kann bei einer M&A-Transaktion der Plan zum Verkauf von Teilbereichen des Zielunternehmens einen wesentlichen Bestandteil der Übernahme
darstellen. Als Beispiel hierfür ist u. a. der im Jahr 2007 stattgefundene Übernahmekampf zwischen dem Bieterkonsortium unter Führung der Royal Bank of Scotland
und Barclays um ABN zu nennen. So enthielt etwa das Angebot von Barclays die
Bedingung, die für den amerikanischen Markt zuständige ABN-Tochter LaSalle an
die Bank of America zu verkaufen. Der Verkauf sollte hierbei auch der Finanzierung
des M&A-Geschäfts dienen.4
Neben der Desinvestition aufgrund von Strategieänderungen existieren weitere
interne Faktoren, die gerade im Rahmen des IFRS 5 zu einer Aufgabe von Geschäfts1
Laterale Diversifikation bezeichnet das Eindringen eines Anbieters in fremde Marktsegmente.
Vgl. Löffler, Y. (Desinvestitionen), S. 76-88.
3
Vgl. Gusinde, P. (Discontinuing Operations), S. 28-33.
4
Vgl. Barclays (Revised offer).
2
1
Einleitung
bereichen oder zum Verkauf einzelner Vermögenswerte führen können. Gründe sind
z. B. eine mangelnde Rentabilität des Bereichs, fehlende Managementkapazitäten
oder Liquiditätsprobleme der Mutter.5 Als Weiterentwicklung des IAS 35 kann auch
die Erfassung von beabsichtigten Verkäufen langfristiger Vermögenswerte angesehen werden, weil Adressaten hierdurch zusätzliche Informationen erhalten, die für
ihre Entscheidungen relevant sein können.
1.2 Problemstellung
Der IFRS 5, als Nachfolger des IAS 35, regelt die Bewertung und den Ausweis von
zur Veräußerung gehaltenen langfristigen Vermögenswerten und Veräußerungsgruppen sowie die Darstellung aufgegebener Geschäftsbereiche. Zentrales Element
des Standards stellt die Klassifikation „zur Veräußerung gehalten“ dar, die im
Rahmen der Konvergenz von IFRS und US-GAAP innerhalb der internationalen
Rechnungslegung implementiert wurde. Diese bereitete dem IASB jedoch einige
konzeptionelle Schwierigkeiten und wurde in zahlreichen Kommentaren von der
Praxis in Frage gestellt. Ein Kritikpunkt war u. a., dass die Klassifikationskriterien in
einem offensichtlichen Widerspruch zu den bisherigen, tendenziell prinzipienorientierten Regelungen der IFRS stehen würden.
Neben den konzeptionellen Besonderheiten enthält der neue Standard zusätzliche
Ermessensspielräume für das Management, um Informationen des Abschlusses im
Sinne der Unternehmenspolitik zu beeinflussen. Diese ergeben sich insbesondere bei
der Auslegung der Klassifikationskriterien, da deren Erfüllung ausschließlich
subjektiv durch die Unternehmensleitung beurteilt werden kann.6
1.3 Zielsetzung und Verlauf der Untersuchung
Zielsetzung dieser Arbeit ist, die spezifischen Eigenschaften des IFRS 5 unter
Berücksichtigung bilanzpolitischer Gestaltungsmöglichkeiten darzustellen und
darüber hinaus die praktische Relevanz des Standards zu untersuchen. Hierfür wird
eine qualitative Analyse vorgenommen die auf einer Auswertung der Berichte über
das Geschäftsjahr 2006 aller 30 DAX-Unternehmen basiert. Die Prinzipien des IFRS
Framework, insbesondere der Verlässlichkeit und Entscheidungsrelevanz, stellen
hierbei einen allgemeinen Beurteilungsmaßstab dar. Außerdem steht im Vordergrund
5
6
Vgl. Gusinde, P. (Discontinuing Operations), S. 29.
Vgl. IFRS 5, DO 10.
2
Einleitung
der Untersuchung, ob bilanzpolitische Ermessensspielräume durch eine Auswertung
von Anhangsangaben oder Presseinformationen identifiziert werden können.
Ausgangspunkt des zweiten Kapitels ist das Konvergenzprojekt von IASB und
FASB, gefolgt von einer Übersicht über den Vorgänger des IFRS 5, den IAS 35, und
den amerikanischen SFAS 144. Unter Bezugnahme auf die angestrebten Zielsetzungen des Konvergenzprojektes erfolgt anschließend eine erste kritische Auseinandersetzung mit dem IFRS 5.
Im Mittelpunkt des dritten Kapitels stehen die Grundsätze der IFRS-Rechnungslegung, die als konzeptioneller Rahmen der nachfolgenden Analyse zugrunde liegen.
Daneben wird aufzeigt, dass zwischen der Relevanz und der Verlässlichkeit von
Informationen ein Zielkonflikt besteht. Außerdem wird der Standard im Kontext des
Desinvestitionsprozesses betrachtet. Im vierten Kapitel erfolgt die Darstellung des
IFRS 5. Hierbei wird auf die Klassifikation, die Bewertung und den Ausweis von zur
Veräußerung gehaltenem Vermögen und aufgegebenen Geschäftsbereichen eingegangen. Die einzelnen Unterpunkte enden mit einer kritischen Würdigung unter
Bezugnahme auf die konzeptionellen Besonderheiten ab.
Die praktischen Auswirkungen des IFRS 5 werden ab dem fünften Kapitel verdeutlicht. Hierbei wird zunächst auf die Frage eingegangen, warum Unternehmen
überhaupt bilanzpolitische Spielräume im Interesse der Unternehmensziele nutzen
sollten und welche Möglichkeiten der IFRS 5 hierzu konkret bietet. Anschließend
wird im sechsten Kapitel die praktische Relevanz des Standards anhand einer
Geschäftsberichtsauswertung der 30 DAX-Unternehmen analysiert. Neben der
Darstellung der Ergebnisse werden hierbei bestimmte Aspekte des Standards mittels
einzelner Praxisbeispiele veranschaulicht. Im Anschluss wird anhand des Verkaufs
von Chrysler als Fallbeispiel untersucht, auf welche Art und Weise Ermessensspielräumen innerhalb des IFRS 5 für eine zielorientierte Gestaltung des Abschlusses
genutzt werden können. Außerdem wird erläutert, inwiefern sich bilanzpolitische
Maßnahmen auf die Relevanz und Verlässlichkeit der darzustellenden Informationen
auswirken.
Als Abschluss werden die wesentlichen Elemente des IFRS 5 und die Ergebnisse der
empirischen Analyse zusammengefasst. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf die
zukünftige Entwicklung des Standards gegeben.
3
Das Konvergenzprojekt des IASB und FASB
2. Das Konvergenzprojekt des IASB und FASB
2.1 Grundlagen des Konvergenzprojektes
Seit dem 1. Januar 2005 sind kapitalmarktorientierte Unternehmen in der EU dazu
verpflichtet, ihren Konzernabschluss nach den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) aufzustellen. Diese Harmonisierung auf europäischer Ebene stellt
zugleich einen bedeutsamen Meilenstein der IFRS hin zu einer globalen Einheitssprache der Rechnungslegung dar. Deren Akzeptanz beschränkt sich aber nicht nur
auf den europäischen Raum, wie u. a. die internationale Studie GAAP Convergence
aus dem Jahr 2002 belegt. Demnach haben zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits
95 % der 59 analysierten Länder signalisiert, die IFRS als primäres Rechnungslegungssystem zu übernehmen bzw. sich diesen im Rahmen einer weltweiten
Konvergenz mit ihren nationalen Standards anzunähern.7 Trotz der globalen Akzeptanz wurden die IFRS jedoch noch nicht vollständig durch die Securities Exchange
Commission (SEC) als qualitativ gleichwertiges Rechnungslegungssystem gegenüber den US-GAAP anerkannt.8 Dies hat zur Folge, dass am US-Kapitalmarkt
gelistete ausländische Unternehmen zumindest noch bis 2009 nach dem Regelwerk
des SEC Form 20-F9 eine Überleitungsrechnung auf US-GAAP zu erstellen haben.
Solch eine doppelte Rechnungslegung nach IFRS und US-GAAP ist jedoch weder
für international agierende Unternehmen noch für Investoren vorteilhaft. Aus diesem
Grund verpflichteten sich das FASB und das IASB am 18. September 2002 im sog.
„Norwalk Agreement“10 zur gemeinsamen Entwicklung von „[…] high quality,
compatible accounting standards that could be used for both domestic and cross
border financial reporting“11. Mit der späteren Veröffentlichung eines „Memorandum
of Understanding“ am 29. Oktober 2002 wurde folglich der Grundstein der formellen
Zusammenarbeit gelegt. Seitdem besteht das erklärte Ziel und gemeinsame Bestreben darin, bereits verabschiedete Standards weitestgehend anzugleichen und
verbleibende Differenzen durch eine koordinierte Zusammenarbeit an zukünftigen
Projekten zu beseitigen.12 Um dieses Vorhaben zu realisieren haben die Boards
beschlossen, ein „short-term convergence project“ auf deren jeweilige Agenda zu
setzen. Zweck dieses Projekts ist vor allem, offensichtliche Differenzen in absehbarer Zeit zu beseitigen.
7
8
9
10
11
12
Vgl. BDO et al. (GAAP Convergence), S. 7.
Vgl. Ernst & Young (International GAAP), S. 31.
Vgl. SEC (Form 20-F), S. 56-58.
Benannt nach dem Ort des Meetings beider Boards in Norwalk, Connecticut, USA.
FASB/IASB (Memorandum of Understanding).
Vgl. ebd.
5
Das Konvergenzprojekt des IASB und FASB
Am 27. Februar 2006 erneuerten und konkretisierten13 beide Boards ihre Zielvorstellung der gemeinsamen Entwicklung qualitativ hochwertiger Standards, um zukünftig
die Vergleichbarkeit für Investoren und die Effizienz der Rechnungslegung weiter zu
erhöhen.14 Erstmalig bezogen sich beide Boards auch explizit auf die von der SEC
veröffentlichte Roadmap15, die das Ergebnis eines Meetings von SEC Chairman
Donaldson und EU Internal Market Commissioner McCreevy im April 2005 darstellt. Die Roadmap enthält zum einen Bedingungen zur Anerkennung der IFRS
durch die SEC, zum anderen wurde erstmals das Ziel vereinbart, bis spätestens 2009
auf eine Überleitungsrechnung zu verzichten.16 Voraussetzung hierfür ist jedoch,
dass ausländische Unternehmen explizit nach den originären, vom IASB verabschiedeten IFRS bilanzieren.17 Solch ein Verzicht hänge darüber hinaus nicht nur von der
Qualität der IFRS und dem Grad der Konvergenz ab, sondern vor allem von deren
Anwendung und der Mitwirkung sämtlicher Beteiligter in der Praxis.18 Ein weiteres
Element des erneuerten Memorandums bilden die vereinbarten Grundsätze bezüglich
der weiteren Zusammenarbeit am Konvergenzprojekt. Eine Feststellung der Boards
ist dabei, dass sich eine Konvergenz langfristige am besten durch die gemeinsame
Entwicklung hochqualitativer Standards erreichen lässt. Des Weiteren sollten
„weaker standards with stronger standards“19 ersetzt werden, um den Bedürfnissen
von Investoren besser gerecht werden zu können. Die Beseitigung von Differenzen
zwischen einzelnen Standards, die selbst noch verbesserungswürdig sind, stellt
demgegenüber eine ineffiziente Nutzung von Ressourcen dar.
Derzeit bestehen zwischen den Rechnungslegungssystemen grundsätzlich noch
fundamentale Unterschiede, die eine Konvergenz in strenger Form20 verhindern. So
sind die IFRS tendenziell prinzipienorientiert und daher weniger detailliert als die
regelbasierten US-GAAP, weshalb Standards beider Systeme nur begrenzt zueinander kompatibel sind. Obwohl nun die Zusammenarbeit an einem gemeinsamen
Framework zwar nicht explizit in der Roadmap des Memorandums festgeschrieben
wurde so ist sie als Basis für die Entwicklung zukünftiger Projekte dennoch unerläss13
14
15
16
17
18
19
20
6
Die joint projects des MoU sind auf den jeweiligen Internetseiten der Boards zu finden.
IASB: http://www.iasb.org/Current+Projects/IASB+Projects/IASB+Work+Plan.htm,
FASB: http://www.fasb.org/project/index.shtml.
Vgl. FASB/IASB (A Roadmap for Convergence).
Vgl. SEC (IFRS Roadmap).
Vgl. SEC (press release 2005-62); vgl. zur Anerkennung der IFRS durch die SEC auch Erchinger,
H./Melcher, W. (Stand der Konvergenz).
Vgl. SEC (press release 2007-145).
Vgl. FASB/IASB (A Roadmap for Convergence); vgl. hierzu auch Ernst & Young (International
GAAP), S. 33.
FASB/IASB (A Roadmap for Convergence).
Im Sinne einer nahezu vollständigen Angleichung von IFRS und US-GAAP. Vgl. auch Erchinger,
H./Melcher, W. (Stand der Konvergenz), S. 246 ff.
Das Konvergenzprojekt des IASB und FASB
lich für die langfristige Zielerreichung.21 Ausgehend von den aktuellen Pressemeldungen der SEC und der Veröffentlichung eines Proposing Release22 scheint
unterdessen mit der Anerkennung der IFRS und Aufgabe der Überleitung ein erwünschtes Ziel der Konvergenz erreicht zu sein. Spätestens ab 2009 wird ferner der
Wettbewerb zeigen, welches Rechnungslegungssystem global die größte Akzeptanz
erfährt.23
2.2 Konvergenzbestreben am Beispiel der Bilanzierung
aufzugebender Geschäftsbereiche
2.2.1 IAS 35: Aufgabe von Geschäftsbereichen
Der International Accounting Standard (IAS) 35 wurde im April 1998 vom damaligen IASC Board genehmigt und war erstmals in der Berichtsperiode ab dem
1. Januar 1999 anzuwenden. Zum ersten Mal existierte damit ein eigener Standard,
der sich ausschließlich mit der Aufgabe von Geschäftsbereichen befasste. Hieraus
lässt sich wiederum ableiten, welch außerordentliche Bedeutung das IASC solchen
Sachverhalten für den Informationsgehalt eines IAS-Abschlusses beigemessen hat.
Dennoch wurde eine Aufgabe, welche die Definition dieses Standards erfüllt, relativ
selten erwartet.24 Ziel des Standards war es nun, Informationen über die Aufgabe
eines relativ großen Geschäftsbereichs gesondert darzustellen. Hierdurch sollte die
Fähigkeit der Bilanzadressaten verbessert werden, zukünftige Cashflows, das Ertragspotential sowie die Vermögens- und Finanzlage der fortzuführenden Geschäftsbereiche besser abschätzen zu können.25 Der IAS 35 regelte jedoch explizit nur den
Ausweis aufzugebender Geschäftsbereiche (Discontinuing Operations), nicht aber
deren Ansatz und Bewertung. Stattdessen wurde hierzu auf die Grundsätze anderer
Standards, etwa des IAS 36 und IAS 37, verwiesen.26
Ein aufzugebender Geschäftsbereich war, nach der Definition des IASC, ein Bestandteil eines Unternehmens, der im Rahmen eines einzelnen Plans in seiner
Gesamtheit oder stückweise veräußert bzw. eingestellt werden sollte.27 Voraussetzung eines stückweisen Verkaufs war dabei, dass dieser stets auf Basis eines
21
22
23
24
25
26
27
Vgl. Ernst & Young (International GAAP), S. 35.
Vgl. SEC (Proposing Release).
Vgl. allgemein zum Wettbewerb der Rechnungslegungssysteme Berndt, T./Hommel, M. (Konzernrechnungslegung).
Vgl. IAS 35.13.
Vgl. IAS 35, Zielsetzung.
Vgl. IAS 35.18.
Vgl. IAS 35.2.
7