1 Arterielle Hypertonie – Der Hypertensive Notfall: Definitionen
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1 Arterielle Hypertonie – Der Hypertensive Notfall: Definitionen
Arterielle Hypertonie – Der Hypertensive Notfall: Priv.-Doz. Dr. med. M. Hausberg, Univ.-Prof. Dr. med. H. Pavenstädt, Medizinische Klinik und Poliklinik D, UKM. 28.04.2004 Definitionen: Hypertensive Entgleisung („hypertensive urgency“): • Akut auffälliger Blutdruckanstieg • oft sehr hohe Blutdruckwerte (>200 mmHg systolisch, >110 mmHg diastolisch) • Fehlen von Symptomen, die auf eine Zielorganschädigung hinweisen (z.B. Kopfschmerzen, Sehstörungen, Erbrechen, Krampfanfall, Dyspnoe, Angina Pectoris) • daher Blutdrucksenkung innerhalb einiger Stunden ausreichend • stationäre Behandlung nicht zwingend notwendig, anzuraten aber bei RR > 210/110 Hypertensiver Notfall („hypertensive emergency“) • Akut auffälliger Blutdruckanstieg • meist sehr hohe Blutdruckwerte • Symptome, die auf eine Zielorganschädigung hinweisen (z.B. Kopfschmerzen, Sehstörungen, Erbrechen, Krampfanfall, Dyspnoe, Angina Pectoris) mit unmittelbar lebensbedrohlichen Konsequenzen • daher sofortige Blutdrucksenkung erforderlich • stationäre Aufnahme dringend zu empfehlen Hypertensive Krise – kein eindeutiger Begriff, wird sowohl synonym für die hypertensive Entgleisung als auch für den hypertensiven Notfall benutzt Maligne Hypertonie • Im allg. deutliche Steigerung des systolischen und diastolischen Blutdrucks mit schwergradiger, rasch progredienter Organschädigung (ZNS, Herz, Nieren) • nekrotisierende Arteriolitis mit fibrinoiden Nekrosen und intravasaler Thrombenbildung • neuroretinales Ödem / Papillenödem • ebenfalls sofortige Blutdrucksenkung erforderlich • stationäre Behandlung zwingend erforderlich Papillenödem: Maligne Nephrosklerose: 1 Ursachen von hypertensiven Notfällen: • Renal parenchymatöse Erkrankungen, darunter auch Systemerkrankungen mit renaler Beteiligung • Renovaskuläre Erkrankungen • Endokrine Hochdruckformen • Medikamente/Drogen (Kokain, Amphetamine, Ciclosporin, Clonidin-Entzug, Interaktion mit MAO-Hemmern) • Paraneoplastisch (Nierenzellkarzinom, Wilms-Tumor) • Präeklampsie/Eklampsie • aber sehr häufig Verschlechterung einer essentiellen Hypertonie (mindestens 30% der Fälle) Pathophysiologische Faktoren bei der Entwicklung eines hypertensiven Notfalls: • Gesteigerte Renin-Sekretion o (v.a. bei Nierenparenchymschädigung, Nierenarterienstenose) • Vasospasmen o (v.a. bei Sklerodermie, anderen Vaskulitiden, (Prä-)Eklampsie) • gesteigerter Sympathikotonus o (ZNS-Schädigung, sympathomimethische Drogen, Phäochromocytom, MAO-Hemmer, Stress z.B. bei Trauma und Schmerz) Pathophysiologisches Modell für die Entwicklung einer malignen Hypertonie Blutdruckanstieg überschreitet Autoregulationsschwelle Drucknatriurese und Volumendepletion Tubuloglomeruläre Rückkopplung mit erhöhter Reninsekretion im JGA Angiotensin II Bildung endokrin parakrin Aldosteronausschüttung AT1 Rezeptoraktivierung in Gefäßen und Mesangium Volumenüberladung, weiterer Blutdruckanstieg Zellschädigung und Ausschüttung von proinflammatorischen Cytokinen akutes Linksherzversagen maligne vaskuläre Schädigung Baroreflexversagen im hypertensiven Notfall: Stressituation mit Überwiegen des zentralen Einflusses mit resultierender starker Sympathikusstimulation bei ungenügender inhibitorischer Wirkung des Baroreflexes 2 Therapie des hypertensiven Notfalls: • Sofortige medikamentöse Blutdrucksenkung erforderlich • Zielblutdruck individuell festlegen • in der Regel Senkung des systolischen Blutdrucks um 30-60 mmHg in der ersten halben Stunde ausreichend • innerhalb der ersten 48 Stunden 160-180 / <110 mmHg anstreben • Vorsicht bei Patienten mit cerebrovaskulären Ereignissen Therapie des hypertensiven Notfalls bei zerebrovaskulären Ereignissen: • oft spontanes Absinken des Blutdrucks • daher medikamentöse Blutdrucksenkung bei sehr hohen Werten o RR > 200/110 mmHg länger als 2-3 Tage (Deutsche Hochdruckliga) o RR > 220/120 mmHg bei zwei Messungen (neurologische AdHoc Konsensgruppe) • bei Vorliegen einer Stauungspapille • bei progressivem Blutdruckanstieg • bei blutdruckbedingten kardialen Komplikationen • Blutdrucksenkung nur sehr langsam und um nicht mehr als 20% der Ausgangswerte, zunächst nicht unter 160/90 mmHg Medikamentöse Differentialtherapie des hypertensiven Notfalls: • Hypertensive Encephalopathie o günstig Urapidil, Nitroglycerin, (Nitroprussid), (Nitrendipin) o ungünstig Clonidin • Akutes Linksherzversagen / Myokardischämie o günstig Nitroglycerin, (Nitroprussid), Furosemid o ungünstig Nifedipin (bei Myokardischämie kontraindiziert), Dihydralazin • Aortendissektion o günstig ß-Blocker, (Nitroprussid) o ungünstig Nifedipin, Dihydralazin • Hypertensive Krise beim Phäochromocytom o günstig Urapidil, o ß-Blocker ohne a-Blockerschutz kontraindiziert • Eklampsie o günstig Urapidil, Dihydralazin (nicht in der Frühschwangerschaft) • Hochdruckkrise bei Niereninsuffizienz o günstig Dihydropyridin-Calciumantagonisten, Furosemid, ggf. Hämofiltration • Cerebrovaskuläres Ereignis (Therapie nur bei sehr hohen RR-Werten) o günstig Urapidil, o ungünstig Clonidin übliche Dosierungen: Urapidil 5-20 mg Bolus i.v., dann 150 mg/50 ml Perfusor Stufe 2–10 ml/h Nitroglycerin 0,4-0,8 mg s.l., dann Perfusor 50 mg/ 50 ml Stufe 2-10 ml/h Nichtretardiertes Nifedipin IST OUT, allenfalls noch als Perfusor als Teil einer Kombinationstherapie, 5 mg/50 ml Stufe 2-10 ml/h Falls CCB erwünscht, Nitrendipin-Phiole sublingual, besser Amlodipin 5-10 mg oral Furosemid 40 bis 120 mg i.v. Bolus, dann ggf. Perfusor bis max. 500 mg i.v. pro Tag 3 Metoprolol i.v. 5 mg, Injektionsgeschwindigkeit möglichst nicht mehr als 1-2 mg/min, ggf. nach 5-10 min. Wdh., max. Dosis 15 mg, dann orale Therapie max. 200 mg/24h, Injektion unter EKG-Monitorkontrolle!!! Clonidin 0,15 – 0,3 mg i.v., ggf. dann Perfusor im allgemeinen nicht mehr als 1,5 mg/24h, cave Rebound-Effekt bei plötzlichem Absetzen • • • • • • Quellen: Guidelines Comittee. 2003 European Society of Hypertension – European Society of Cardiology guidelines for the management of arterial hypertension. J Hypertens 21: 1011-1053, 2003 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&list _uids=12777938&dopt=Abstract Chobanian AV et al. The seventh report of the Joint National Committee on prevention, detection, evaluation, and treatment of high blood pressure. The JNC VII report. JAMA 289: 2560-2572, 2003 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&list _uids=12748199&dopt=Abstract Seiten der Hochdruckliga o http://www.paritaet.org/hochdruckliga/indexv4.htm Leitlinien-Seiten der Universität Witten-Herdecke o http://www.evidence.de o http://www.evidence.de/Leitlinien/leitlinienintern/Hypertonie_Start/hypertonie_start.html (Stand 01/2003) Seiten der NIH o http://www.nlm.nih.gov/medlineplus/highbloodpressure.html o http://health.nih.gov/result.asp?disease_id=329 Kolloch, Rosenthal, Arterielle Hypertonie, 4. Auflage, Springer Verlag 2003 Die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr, die Verantwortung liegt bei der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt. 4