05/2014 „Keiner will schlecht dastehen“ - Steuer

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05/2014 „Keiner will schlecht dastehen“ - Steuer
Ein Beitrag aus der Immobilien Zeitung Nr. 20/2014 vom 22.5.2014
www.immobilien-zeitung.de
„Keiner will
schlecht dastehen“
Der Umsatzsteuerspezialist
Carsten Nesemann berät seit
der Veröffentlichung des Urteils
des Bundesfinanzhofs im
November Mandanten bei
dem Antrag auf Rückerstattung
der Umsatzsteuer.
Immobilien Zeitung: Herr Nesemann, das
Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH), mit
dem er die bisherige Praxis bei der Zahlung
von Umsatzsteuer bei Bauträgern über den
Haufen wirft (Az. V R 37/10), kann manch
einem Unternehmen Millionen Euro einbringen und die Bundesrepublik viel Geld kosten.
Es ist also ordentlich Musik drin. Wie kommt
es, dass es trotzdem sehr ruhig um diese Entscheidung mit weitreichenden Folgen ist?
Carsten Nesemann: Es hat verschiedene
Gründe, warum das Urteil von keiner Seite an
die ganz große Glocke gehängt wird. Zum
einen ist natürlich die Finanzverwaltung
daran interessiert, dieses Thema klein zu halten. Auf der anderen Seite sind aber auch die
betroffenen Unternehmen unsicher: Keiner
will in den Ruf geraten, sich auf Kosten der
Steuergemeinschaft zwar rechtmäßig, aber
trotzdem in den Augen mancher vielleicht
ungerechtfertigt zu bereichern und damit
schlecht dazustehen.
IZ: Allerdings müssen dann Unternehmenschefs, die die Möglichkeit zur Steuererstattung nicht wahrnehmen, womöglich dafür
haften.
Nesemann: In der Tat. Sie sind zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung verpflichtet.
Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach,
könnten sie sich persönlich schadenersatzpflichtig machen. Davon abgesehen: Wir
betreuen einen Fall, da kann die Summe, die
die Umsatzsteuer ausmacht, das Unternehmen vor der Insolvenz retten.
IZ: Wieso gibt es also diese Zurückhaltung
seitens der Unternehmen?
Nesemann: Für den einen oder anderen fühlt
es sich nicht „richtig“ an, wenn bei einem
Geschäft plötzlich gar keine Umsatzsteuer
anfällt. Auch weil das zurückgeholte Geld
dann in der Staatskasse fehlt.
IZ: Es wird demnach nicht laut gejubelt, dennoch die Rückerstattung nebst Zinsen beantragt. Sie beraten jedoch auch Bauunternehmen. Das sind die, von denen das Finanzamt
versuchen könnte, das Geld zurückzuholen.
Frei nach dem Motto: Einer der Vertragspartner des Bauvertrags ist unser Umsatzsteuerschuldner. Und die Bauträger sind verpflichtet, ihre Vertragspartner zu benennen.
Nesemann: Aus meiner Sicht sollten sich
Bauunternehmen auf den Vertrauensschutz
nach § 176 Abs. 2 Abgabenordnung berufen.
Hier wird geregelt, dass ein Steuerbescheid
wegen des Urteils eines obersten Gerichtshofs des Bundes, und das ist der BFH, nicht
mit Rückwirkung zuungunsten eines Steuerpflichtigen geändert werden darf. Handwerker und Bauunternehmer sollten sich nicht
unter Druck setzen lassen.
IZ: Vielen Dank, Herr Nesemann.
Die Fragen stellte Brigitte Mallmann-Bansa.