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Milena Oda - www.milenaoda.com Copyright © Milena Oda 2009 ?? Ich habe meine Seele in Deutschland verloren - von Milena Oda ________________________________________________________________________________ Ein Ungeheuer ist jeder Mord. Eine Dichtung über Berlin, Deutschland, die Menschen. Mit rasender Geschwindigkeit bewege ich mich weg. Durcheinanderstürzende Gefühle, ein gewaltsamer Akt der Flucht vor der Lieblosigkeit dieses Landes. Die Seele der Dichterin, die deutsche Sprache zu sehr liebt, ist aus Mangel an erwiderter Liebe in Deutschland erloschen. Sie ist Fremde dieses Landes. Das Dichten wurde zerschmettert, fremd fremd fremd ist sie nun hier. Wieder fremd, immer fremd. Als Fremde angenommen, als Fremde verstoßen. Es geschah mehrmals. Als ob die Bewohner dieser Sprache keine Seele, kein Herz und Mitgefühl hätten. Was ist das Gefühl gegen die Realität? Weg…. Wo ist der Weg? Die Vögel … das Gegenteil von Menschen, zeigen mir, wie ich wegfliehen muss, in sonnige Höhen, unter die Sterne, zum Leben der Freude und Liebe. Das ist der Weg hinaus aus dem ver-rückten Berlin. Aus Deutschland. Ich fliehe, berühre mich nicht, Mörder. Lieblosigkeit. Menschenkälte. Totenstille. Seine irre Suche nach dem Selbst. Der Liebe Verschollen ist in diesem Land die Liebe. Edelmut und Güte. Verdammt, verhasst, vergessen, vergiftet. Sehnsuchtsvoll breiten die Lieblosen ihre Arme aus und wünschen sich nach Mordjahren die Herzenswärme und die Liebe. Die Hände sind immer noch kalt, die Berührung ist kalt, kein Fingerspitzengefühl. Amor und Eros sind tot. Einsam, so nahe du bist, so entfernt du bist, der Ruf nach menschlicher Wärme erschallt aus dem Zerfall. Alle sind einsam hier. Einsamkeit, Zweisamkeit, Dreisamkeit, Viersamkeit. Sehnsüchtig nach Erregung, Anregung zu besserem Leben. Möge die Lust der sehnsüchtigen Verdammten nicht verdammen. Die Sehnsüchtigsten sind die Ausländer. Die Fremden dieses Landes. Das Land als Friedhof. Die Toten lieben nicht mehr. Begraben sind hier viele. Begraben ist die deutsche Seele. Sie liegt in ihren Friedhöfen, die sie für andere geschaffen haben. Begraben bin ich. Die Symphonie, der Rhythmus der Liebe sind verklungen. Die Seele der Dichterin ist plötzlich tot aufgefunden worden. Ich verachte, ich hasse Euch, die seelenlosen Deutschen, die mir meine Seele gestohlen habt, aus Neid, damit keiner in diesem Land Seele habe. Ich liebe nicht diejenigen, die Liebe nehmen, und sie nicht zurückgeben wollen. Können sie das überhaupt? Ich fürchte nicht. Sie ängstigen sich davor, die Liebe zu schenken. Das ist ein Verbrechen! Wie der Tod jedes Menschen, den sie mit ihrer seelenlosen Härte kaltmachen. 1/4 Milena Oda - www.milenaoda.com Copyright © Milena Oda 2009 Ich spüre es, unglücklich ist die Seele der Deutschen geworden, seitdem sie wissen, sie waren einst verhasst. So vielleicht verlor die deutsche Seele die Liebe. Aber er ist vorbei. Eiskaltes Schweigen nach all den Ereignissen steckt die Seele schuldig an. Ein Wintermärchen, nannte es schon Heinrich Heine. Was ist wahr dran? Verschollen im Eis sind die Deutschen. Besondere Menschen sind die Deutschen. Verloren haben sie den Glauben an die Selbst-Liebe. Sie lieben sogar auch sich selbst - untereinander - nicht, zueinander verhalten sie sich fremd. Sie sind so hart, so unmenschlich zueinander, als ob die Härte der Ausdruck der Liebe wäre… Sie härten sich an ihrer gegenseitigen Härte ab. Sie vervollkommnen furchtbare Strenge und Gefühlsrohheit, die aus ihren Tiefen sprudelnd entspringt. Alle werden stumpf in ihrem Hartkampf gegeneinander, bis sie tot umfallen. Ich beobachte sie und merke, wie unnatürlich für sie es ist, die Liebe ohne Geldaustausch zu schenken; die besten Kunden der tschechischen Huren waren immer die Deutschen. Sie stehlen die Liebe, nach der sie sich so sehnen. Sie brauchen die Wärme, ihr Körper produziert keine Wärme. Ihre Natur ist im Eis erfroren. Ein Wintermärchen beginnt damit wie das Nehmen und Geben in diesem Land zum Geschäftsund Lebensprinzip wird. Es ist, solange die Menschen leben, kein Menschenprinzip. Werden die menschlichen Qualitäten jetzt auch geschätzt, außer der geschäftlichen? Nach 10 Jahren bin ich in diesem Land l(i)eblos geworden. Ihre Krankheit der Lieblosigkeit hat mich angesteckt. Soll ich weinen? Waren 10 Jahre ein Irrtum? Ich blicke auf die vergangenen 10 Jahre und entbehre meine Seele. Sie haben meine Seele gestohlen. Ich suche nach ihr. Ich will doch eine schöne, glückliche Zukunft haben, ich will diese Krankheit nicht mehr teilen. Ich erschrecke mich vor mir selbst, wie ungut ich zu mir war, mich anstecken zu lassen. Warum habe ich mir so was Schlimmes angetan? Warum war ich so böse zu mir? 10. Jahre! Du musst weg, Milena O. Wo ist der Weg?, gerate ich in Panik. Der Weg geht durch den Tunnel, am Ende ist hoffentlich das berühmte Licht, das dich in seinem Land, im neuen Land begrüßt. Du bist Ausländer. Fremd. Du kannst deutsch sprechen, schreiben, ein Lob. Doch du bist verdächtig. Bin ich herzlich willkommen? Als Ausländer hast du nur die Sprache gemeinsam, nicht die Nationalität, nicht die Lebenserfahrungen, nicht das Trauma. Fühle dich ein. Es geht um ein Ausländerdasein. Die Sehnsüchtigsten und Mutigsten sind sowieso die Ausländer in einer ihnen fremden Sprache und in einem fremden Land. Sie sollten von der übrigen Welt eine große Beachtung und Anerkennung bekommen – wie mutig, sie schaffen mehr als die anderen. Bald kommt die Zeit. Eine Ausländerin, eine Dichterin in einem bin ich. M.O. Anfangsbuchstaben deines Namens, der nicht gehört wird, der ignoriert wird. Die Tätowierung, Omen Nomen. Dunkel und fern fühle ich mich, nach 10 Jahren in diesem Land dieser fremden Menschen, vertraut und nah fühle ich mich in der Sprache der Deutschen. Ganz am Anfang meines Fremdseins war die Liebe zu Fremdsprachen. Zu Deutsch. Ich hatte von klein auf einen tiefen Bezug zu dieser geordneten Sprache. Jetzt will ich aber gar nicht in dieser Sprache sprechen, es reicht nur, wenn ich in dieser Sprache schreibe, das bedeutet mir schon viel. Aber man muss sprechen. Mit einem Akzent bist du immer erkennbar, als Ausländerin. Ich musste begreifen, 2/4 Milena Oda - www.milenaoda.com Copyright © Milena Oda 2009 dass die Sympathie und mein Mitgefühl für die Deutschen wichtig sind, um im Land zu leben, sie zu lieben und zu akzeptieren, dass sie sich selber und die anderen nicht lieben können. Eine große Herausforderung. Ich bin müde und krank nach 10 Jahren geworden. Verdammt, ich kann in diesem lieblosen Land nicht leben! Sie lieben mich nicht, den fremden Schriftsteller, sie fürchten sich vor mir? Ich fürchte mich, mich vor ihnen ich selbst zu sein… Als Dichterin darf ich es nicht sein, wurde mir gesagt. Einmal, zweimal. Danach nicht mehr. Und schließlich bin ich mit meinem Werk nicht nützlich, mit meinem nicht-osteuropäischen Werk. Sie brauchen mich nicht. Eine komische Berufung habe ich, gestehe ich. Ich wünschte mir den natürlichen Einklang mit diesen Menschen und deren Natur. Aber sie versperren alle Wege zum gemeinsamen Universum durch die Regeln, Mustern, Vorurteilen, Engstirnigkeit, Ordnung. Sie schränken ein, sie sperren sich selbst mit ihren Mitmenschen in Perfektion ein, die utopisch ist. Es stimmt, die Welt, die Menschen brauchen die Ordnung und die Regeln. Aber ordnen sie nicht ihre Seele. Ist man nicht glücklicher, wenn man dem chaotischen und ungleichen Universum, in dem wir geboren sind als genau solche ungleiche, spontane, kreative und natürliche Individuen zuhören und angehören? Sei du selbst, rufe ich aus. Welches Unterfangen. Ich will es werden, aber wie in diesem Land als Dichterin fremder Sprache? Es scheint hier, etwas ganz Unerreichbares für mich zu sein. In die Stadt – Berlin – kommt der Ausländer mit Idealen und Überzeugungen an. Ungezwungene Träume, die hier gelebt werden wollen, sind nur anscheinend schön und möglich. Erfindungsgabe jedes Künstlers, der hier die Kunst als Lebensform anschaut. Lebhaft, reizvoll, angeregt und aufgeregt, länglich lächelnde Gesichter wollen hier leben und lieben. Alles nur ein Traum, eine vage Vorstellung. Man muss sich wieder verabschieden. Die Sonne fehlt am Himmel, am Horizont der Herzen. Die schöne Fassade des Landes, der traurige Zustand der zerstörten deutschen Seele. Wie hochästhetisch, bezaubernd ist diese deutsche Seele, die die Kunst, Literatur und Musik liebt, alle Grazien der Kreativität bewundert und unterstützt, warum aber liebt und bewundert sie sich selbst nicht? Warum unterstützen sich nicht die Deutschen in ihrer Liebe, in ihrer Schönheit und Menschlichkeit? Tagtäglich nehme ich traurig den Zustand des entstellten, gepeinigten und irregeleiteten deutschen Menschen wahr, es tut mir leid. Ich weiß, es sind nicht alle, aber die Mehrheit. Ich will nicht generalisieren, aber so ist die Atmosphäre im Land. Das Land des Irrsinns, des Wahnsinns, der Krankheit. Die Ambulanz, das Krankenhaus, die Orte der Toten, toten Körper, Hände, Beine, Köpfe. Die Leblosen leben mit den Lieblosen. Sei wieder Mensch, sei glücklich, lebendig. Als ob ich hier nicht leben lieben würde? NICHT? Die schmerzlichen Verwicklungen, in denen ich meine Lebenskräfte vergeudete, will ich vergessen, nicht mehr wiederholen. Das Leben ist nicht einfach, sagt man banal, man kann aber glücklich leben. Im widrigen Ganzen transformiere ich Gedanken, um aus der surrealen Wirklichkeit eine tragbare Illusion zu schaffen. Ist das Glück in dir oder in den Menschen um dich herum? Es ist verbunden, gleichzeitig. Ich bin immer noch hier – in Deutschland. Die Zeit steht still im Schlaf. Ich schaffe mir meine eigene Welt. Ich wandere durch den Schlaf. Im Schlaf durch die Stadt, durch das Land, durch den Charakter dieser unbegreiflich leidenschaftslosen deutschen Seelen. Schlafwanderin. Schlafwandlerin will aber 3/4 Milena Oda - www.milenaoda.com Copyright © Milena Oda 2009 keinen Selbstmord begehen. Ich träume davon: Lust und Trauer, Unsagbares, Unerreichbares, die Stunden der Einkehr, des Abschieds, der Besinnung, des Erstaunens und des Schmerzes. In der Wunde kratzen, es blutet. Das Glück sowohl wie das Erstarren vor dem Unglück, ständige Prüfung und Berücksichtigung der fremden Bedürfnisse. Charakteränderung. Zahlreiche Gestalten, die das Leben schwer machen, musst du hier im fremden Land vorsichtiger behandeln, denn du bist Ausländer. Bin ich herzlich willkommen? In der Fremde sind die Narben viel schmerzhafter, tiefer und spürbarer als in der Heimat. In der Fremde bist du viel sensibler, weil du Fremde bist und du „das Zuhause“ suchst, aber dies gibt’s nur in deinem Inneren, in klaren Überzeugungen und innerer Stärke. Sei stark, so stark, dass du nicht an den Schwächen der anderen scheiterst. Die Frage ist: Wo ist man als Ausländer in Europa herzlich willkommen? Europa leidet unter Klaustrophobie des Ausländerseins. Auch wenn alle Ausländer werden. Ausländersein. Deutschland. Ein Alptraum für mich. Traumatraum. Auch wenn die junge fremde Frau nach 10 Jahren schon alle Bedingungen des Lebens als deutschsprachige Dichterin in diesem Land erfüllt hatte, ist sie nur unter den Fremden vertraut und gern gesehen. Die „anderen“ schließen die Augen, Dämmerung, es ist zu dunkel, eine Chimäre ist diese tschechische Autorin, die auf Deutsch schreibt. Deutsche Literatur gehört den Deutschen, sagen die alten Generationen der deutschen Seele. Werden die Jungen das Gleiche sagen? Sie zerstören, was fremd ist, was nicht passt. Sie dulden keine Ausländer in ihrer Sprache? Sie schauen sie schief an, als einen Dieb, Verbrecher… ja Ausländer, aber vor allem Osteuropäer sind Verbrecher! Die Autorin kommt doch aus Osteuropa, aber wo liegt denn überhaupt dieses absonderliche Osteuropa? Wo genau sieht man solche Menschen oder Tiere?, 2. Klasse. 3. Klasse, gemeint wird kein Zug, sondern der Mensch. Die Autorin als Osteuropäerin – das passt, aber nur das, mehr nicht. Und wenn es nicht passt? Es muss osteuropäisch sein. Nichts anderes. Uninteressant. Das war (oder ist noch?) die Zeit der Stempel. Sie bekam einen. - Wie einen Judasstern. Omen Nomen Amen - du bist Osteuropäer, auch wenn du dich für etwas anderes hältst, etwas Wertvolleres und Respektvolleres. Respekt vor dem Fremden. Herzlich willkommen in unserer Sprache. Was ist das für ein Leben, wenn man fremd ist…? Ein Kampf. - Doch jeder ist Ausländer und Fremder, nicht nur für die Anderen, auch für sich selbst. Lieben muss man sich selbst und das allmächtige Fremde in der Seele, das unausweichlich ist. Es ist die Wahrheit, auch in Berlin, auch in Deutschland. Auf dieser Erde. 4/4