Kino

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Kino
DONNERSTAG, 20. NOVEMBER 2014
Kino
NUMMER 267
Die
Wohnung
ist besetzt
Kino kompakt
LEGENDE DER PRINZESSIN KAGUYA
Das Fräulein aus
dem Bambussprössling
Der alte Bambussammler traut seinen Augen kaum. Vor ihm auf der
Lichtung beginnt ein Bambussprössling wie von Zauberhand zu
leuchten. Als er sich der Pflanze nähert, entdeckt er, dass eine kleine
Prinzessin darin sitzt: Kaguya. Der
Name bedeutet „Vom strahlenden
Bambus“. Dem Alten werden im
Wald nun Gold und wertvolle
Stoffe dargebracht. Er nimmt die
Offenbarungen als Wink des Himmels, dass er das Mädchen zur Prinzessin erziehen soll. Als Kaguya
zur jungen Frau heranwächst,
bringt er sie in die große Stadt, wo
bald die mächtigsten Männer um sie
werben. Doch Kaguya ist ein Freigeist. In dem Palast, den der Alte für
sie baut, überkommt sie Traurigkeit. Reichtümer sind ihr einerlei.
Wie soll sie ihrem Ziehvater das
bloß zu verstehen geben? (dpa) ***
Filmstart in Augsburg, Neu-Ulm
„My Old Lady“
VON MARTIN SCHWICKERT
O
DER BAUER UND SEIN PRINZ
Charles betreibt seine
britische Ökofarm
Der britische Thronfolger Prinz
Charles ist ein Pflanzenfreund.
Seine Liebe zur Natur scheint dabei
weit über sein Hobby als Gärtner
hinauszureichen. Die Doku „Der
Bauer und sein Prinz“von Bertram
Verhaag zeigt Charles auf seinem
Bauernhof Duchy Home Farm.
1985 beschloss der Prinz, die Farm
auf eine ökologisch nachhaltige
Landwirtschaft umzustellen, er engagiert David Wilson als Verwalter. Der Thronfolger will auch andere davon überzeugen, ihre Höfe
naturgerecht und umweltschonend
zu betreiben. Und er packt auch
mal selbst mit an. (dpa)
***
Filmstart in Augsburg, Neu-Ulm
O
KEINE GUTE TAT
Der Kidnapper
klingelt an der Tür
Colin ist ein brutaler und skrupelloser Verbrecher. Eines Tages gelingt dem Mann während eines Gefangenentransports die Flucht.
Colin klingelt an der Tür der ehemaligen Justizangestellten Terry.
Sie ist mit ihren beiden Kindern allein zu Haus, ihr Mann verreist.
Terry will Colin helfen, der erklärt,
er habe einen Autounfall gehabt
und wolle nur telefonieren. Ein folgenschwerer Fehler, wie sich bald
herausstellt. Denn einen wie Colin
sollte man lieber nicht ins Haus
lassen. Idris Elba, Golden GlobeGewinner („Luther“, „Mandela“,
„Thor“), gibt den angsteinflößenden Kidnapper. Mutter Terry
wird gespielt von Taraji P. Henson
(„Denk wie ein Mann“). (dpa) **
Filmstart in Kaufbeuren, Neu-Ulm,
Penzing
O
Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) hat bewiesen, dass ein Aufbegehren gegen das Kapitol möglich ist. Nun hat sie es aber richtig schwer.
Foto: Murray Close/Studiocanal
Die entschlossene Rebellin
Die Tribute von Panem – Mockingjay 1 Die Gladiatorenkämpfe im totalitären Zukunftsstaat
wenden sich gegen ihre perversen Erfinder. Doch es fällt schwer, eine Heldin zu inszenieren
VON ANDRÉ WESCHE
Die Revolution hat begonnen und
der Spotttölpel (Englisch: Mockingjay) ist ihr Symbol. Die Einwohner
der unterdrückten Distrikte des totalitären Zukunftsstaates Panem lassen sich nicht länger mit wenig Brot
und vielen Spielen bei Laune halten.
Die medienwirksamen Kämpfe auf
Leben und Tod nach dem Vorbild
römischer Gladiatoren haben sich
gegen ihre perversen Erfinder gewandt. Eine junge Frau aus dem 12.
Distrikt hat gleich zweimal bewiesen, dass ein Aufbegehren gegen die
in Saus und Braus lebenden Oberen
unter der Führung des sinisteren
Präsidenten Snow (Donald Sutherland) möglich ist. Der kennt nur
eine Antwort auf den aufkeimenden
Widerstand: brachiale Gewalt gegen
das eigene Volk.
Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) schreitet durch die Trümmer
ihrer Welt. Die Gebäude sind zerbombt und Leichenberge türmen
sich auf den Straßen. Für einen Augenblick verliert die mutige Kämpferin völlig die Fassung. Katniss
wurde von Rebellen in den unterirdisch gelegenen Distrikt 13 gebracht, dessen Existenz stets bestritten wurde. Hier gibt Präsidentin
Coin (Julianne Moore) den Ton an,
die bereits eine konkrete Vorstel-
lung von der zukünftigen Rolle des
prominenten Neuzugangs hat. Katniss soll die Revolution zusätzlich
anheizen und zu ihrer Galionsfigur
werden. Auch die Rebellen wissen
sich geschickt der Medien zu bedienen. Erste Versuche, Katniss als
Heldin zu inszenieren, schlagen allerdings kläglich fehl. Währenddessen sendet die Regierung aus dem
Kapitol Interviews mit Katniss’ bestem Freund und Kampfgefährten
Peeta (Josh Hutcherson), der bei
den Despoten zurückblieb und nun
überraschenderweise zur Waffenru-
he aufruft. Katniss muss sich in der
neuen Umgebung und ihrer neuen
Rolle erst zurechtfinden. Wer meint
es gut mit ihr, wer will sie benutzen
und wer möchte sie am liebsten tot
sehen? Im Krieg stirbt die Wahrheit
immer zuerst. Und die große
Schlacht rückt näher ...
Die Fans hatten Grund zur Skepsis, als bekannt wurde, dass man
auch den letzten Teil von Suzanne
Collins’ Romantrilogie „Die Tribute von Panem“ zu gleich zwei Kinofilmen verarbeiten würde. Die Erfahrungen mit „Harry Potter“,
Die Hauptdarstellerin
● Jennifer Lawrence (*15. August
1990 in Louisville/Kentucky) hat
trotz ihres jugendlichen Alters schon
eine steile Karriere als Schauspielerin hingelegt. Sie war die bisher jüngste
oscarnominierte Hauptdarstellerin
und gewann 2013 einen Oscar und einen Golden Globe als beste Hauptdarstellerin in „Silver Linings“ und
2014 den Golden Globe als beste
Nebendarstellerin in „American Hustle“. Schon ihre Rolle an der Seite
von Charlize Theron und Kim Basinger
im Spielfilm „Auf brennender Erde“
wurde 2008 in Venedig für beste Nachwuchsleistung ausgezeichnet.
● Mit 14 begeisterte sie beim Vorsprechen in New York, sie sei die beste
Vorleserin, sagte der Agent. Ihre Karriere begann 2006 mit Fernsehrollen. Ihren Durchbruch hatte sie 2010
als Ree in „Winter’s Bone“. In
„X-Men“ spielte sie 2011 die Mystique.
● Am bekanntesten wurde sie in der
Rolle der Katniss Everdeen in der
Trilogie „Die Tribute von Panem“, die
2012 erstmals ins Kino kam. Mit deren Regisseur Francis Lawrence, 43, ist
sie übrigens nicht verwandt. Vom
„Forbes Magazine“ wurde sie dieses
Jahr als die mächtigste Schauspielerin Hollywoods bezeichnet. (loi)
„Twilight“ oder dem „Hobbit“, die
dieses Schicksal teilten, waren gemischter Natur. Die Handlung wurde oft unnötig gestreckt und das erste der beiden Finales hatte kein
wirklich befriedigendes Ende. Auch
der Schluss von „Mockingjay – Teil
1“ kommt abrupt. Das Warten auf
den letzten Akt wird auch deshalb
schier unerträglich, weil man einmal
mehr einen guten Film gesehen hat,
in dem großartige Schauspieler ihr
Publikum intelligent und spannend
unterhalten.
Besonders berührend ist es, endgültig vom verstorbenen Philip Seymour Hoffman Abschied zu nehmen, dessen schmerzerfüllter Blick
mit dem Wissen um sein Schicksal
direkt in die Seele trifft. Regisseur
Francis Lawrence arbeitet mit Bildern, die auch Zeitgeschichte spiegeln. Etwa, wenn das Kapitol vor
laufenden Kameras Rebellen exekutieren lässt, so wie man es aus den
Propagandavideos des „Islamischen
Staates“ kennt. Lawrence hat in besinnlichen und actionreichen Sequenzen ganze Arbeit geleistet und
wird diese bemerkenswerte Filmreihe ohne Zweifel auch zu einem
würdigen Abschluss bringen. ****
Ein Porträt der Romanautorin Suzanne Collins lesen Sie auf Seite 2.
O Filmstart in vielen Kinos der Region
Der
erfolglose
amerikanische
Schriftsteller Mathias Gold (Kevin
Kline) sieht sich schon als Millionär,
als ihm sein Vater eine 500 Quadratmeter große Wohnung mitten im
Pariser Nobelviertel Marais vererbt.
Sein letztes Geld investiert er in den
Flug, nur um festzustellen, dass die
Räume von der 92 Jahre alten Engländerin Mathilde Girard (Maggie
Smith) bewohnt werden, der lebenslanges Wohnrecht und eine monatliche Immobilienleibrente zustehen. Die rüstige Dame ist aus der
Wohnung nicht herauszubekommen, zumal ihr die kratzbürstige
Tochter Chloé (Kristin Scott Thomas) beisteht. Großzügig bietet sie
Mathias eine Kammer zur Miete an.
Das ist der Ausgangpunkt für eine
Komödie, die einen materiellen Interessenkonflikt auf engstem Raum
austrägt, dann aber allmählich in ein
Psychodrama kippt, als lang gehütete Familiengeheimnisse und traumatische
Kindheitserinnerungen
zum Vorschein kommen. Mit 75
Jahren liefert der amerikanische
Bühnenautor Israel Horovitz mit
„My Old Lady“ sein Kinodebüt ab.
Die theatrale Vergangenheit des
Stücks wie des Regisseurs merkt
man dem Film deutlich an, der immer wieder zu langen dramatischen
Dialogszenen ausholt. Hier können
die Schauspieler ihre Muskeln zeigen: Kevin Kline hat man lange
nicht mehr so gut gesehen wie in der
Rolle des desillusionierten Schriftstellers, der mit Ende fünfzig nichts
vorzuweisen hat. Und Maggie Smith
darf in aller Süffisanz an ihre Paraderolle in „Downton Abbey“ anknüpfen („Ich bin 90. Subtilität interessiert mich nicht mehr“). ****
O
Filmstart in Augsburg, Kempten,
Neu-Ulm
Mathias Gold (Kevin Kline) hat seine Not
mit der kratzbürstigen Chloé (Kristin
Scott Thomas).
Foto: Ascot Elite
Weiterhin sehenswert
● Interstellar **** Zwei Astronauten
suchen eine außerirdische Heimat
● Im Labyrinth des Schweigens
**** Ein junger Anwalt bringt den
Auschwitz-Prozess ins Rollen
● Die Boxtrolls **** Anarchischer
Zeichentrickspaß für Kinder
Unsere Wertungen
* sehr schwach
** mäßig
*** ordentlich
**** sehenswert
***** ausgezeichnet
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Ein Naturtalent im Killergewerbe Nichts zu Opa sagen
Einer nach dem Anderen Großartige skandinavische Thriller-Komödie Originell Ein Schotte macht noch keinen Sommer
VON GÜNTER H. JEKUBZIK
Ein über alle Maßen sorgfältiger
Schneeräumer kommt von der Bahn
ab und zieht eine blutige Spur durch
den Schnee. So sieht es aus, wenn
Tarantino mit den Coen-Brüdern in
den Ski-Urlaub fährt. „Bürger des
Jahres“ ist er, der umsichtige
Schneeräumer Nils Dickman (Stellan Skarsgård). Die Ehrung ist dem
stillen Norweger unangenehm, wohl
fühlt er sich auf seiner Monster-Maschine im Angesicht von vielen
Tonnen Schnee. Ein paar Gramm
vom anderen Schnee stellen sein Leben auf den Kopf: Aus heiterem
Himmel wird sein Sohn ermordet,
er ist auf dem kleinen Provinzflughafen in einen Drogenschmuggel
geraten. Was nun folgt, lässt blutige
Rache-Filme blass aussehen und
coolste Killer wie nervöse Anfänger.
„Einer nach dem Anderen“ lässt
gleich eine ganze Branche aussterben und unterhält nach der Devise
„Jeder Schuss ein Lacher“. Trockener und tiefschwarzer Humor passen hier sehr gut zusammen.
Wenig zimperlich forscht Nils
nach den Hintergründen des Mordes. Dabei zeigt er ein wahres Naturtalent im Killergewerbe. Doch
niemand bei den Profis vermutet
den effektiven Sensemann hinter
der Fassade eines braven Schneeschippers. So beginnt parallel ein
heftiger Bandenkrieg. Die skandinavische Produktion von Hans Pet-
ter Moland („The Beautiful Country“, „Ein Mann von Welt“) zeigt
einen großartig aufspielenden Stellan Skarsgård als gnadenlosen Rächer. Neben der klasse Story beeindruckt die Thriller-Komödie mit
schönem Schneepflügen und dem
Spiel von Bruno Ganz.
****
O Filmstart in Augsburg, Neu-Ulm
Schneepflugfahrer Dickman (Stellan Skarsgård) rächt seinen Sohn. Foto: Neue Visionen
VON FRED DURAN
Doug (David Tennant) und Abi
(Rosamund Pike) leben schon eine
Weile getrennt, aber die Wunden
sind noch frisch. Wenn die beiden
sich mit ihren drei reizenden Kindern von London nach Schottland
aufmachen, dauert es keine halbe
Autostunde, bis sie sich wieder in
die Haare kriegen. Dabei wollten sie
wenigstens für dieses eine Wochenende noch einmal so tun, als wären
sie eine heile Familie. Dougs Vater
wird 75, ist schwer an Krebs erkrankt und keiner weiß, ob er seinen
nächsten Geburtstag noch erleben
wird. Die Kinder werden auf Verschwiegenheit eingeschworen, aber
natürlich können sie das traurige
Familiengeheimnis nicht für sich
behalten. Opa Gordie (Billy Connolly) weiß die Ehrlichkeit seiner Enkel
zu schätzen und seilt sich am Morgen vor der Party mit den Kindern
zu einem Strandausflug ab. Als sie
am Nachmittag ohne den Alten zurückkehren, gerät die penibel vorbereitete Festivität aus den Fugen.
Wie ihre Familienserie „Outnumbered“, die sich im britischen
Fernsehen sieben Jahre lang großer
Beliebtheit erfreute, lebt auch der
erste Kinofilm von Andy Hamilton
und Guy Jenkin von der Prämisse,
dass Kinder vielleicht weniger Lebenserfahrung, aber oft mehr Verstand haben als die Erwachsenen.
Mit komödiantischer Effizienz prallen diese beiden Parallelwelten in
„Ein Schotte macht noch keinen
Sommer“ aufeinander. Der Großvater, der im Angesicht des herannahenden Todes zu einer ganz eigenen
Aufrichtigkeit findet, wird für die
Kinder zum Verbündeten gegen die
Erwachsenenwelt, die in ihre Lügen
und Neurosen verstrickt ist. Hamilton und Jenkin beweisen ein gutes
Gespür für die Kindercharaktere,
die hier zu einer eigenen Nachdenklichkeit und originellen Sicht auf die
Welt finden. Das verhilft dieser
sympathisch-chaotischen Familienkomödie zu unvermuteter Tiefe und
überraschenden Wendungen. ****
O Filmstart in Augsburg, Neu-Ulm