Auch Frauen können Bond Spy – Susan Cooper Undercover
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Auch Frauen können Bond Spy – Susan Cooper Undercover
Kino NUMMER 125 Erbe und Erinnerung Film-Geflüster Fast 179 000 Besucher im Film „San Andreas“ Helen Mirren glänzt in „Die Frau in Gold“ Der Katastrophenthriller „San Andreas“ hat am Startwochenende mit knapp 179 000 Besuchern die Spitze der deutschen Kinostarts übernommen. Darin spielt Dwayne Johnson den Rettungspiloten Ray, der nach dem großen Erdbeben in Kalifornien versucht, von Los Angeles nach San Francisco zu gelangen, um seiner Tochter beizustehen. Auch in Nordamerika liegt der Film ganz vorn. Die Trash-Komödie „Pitch Perfect 2“ landete laut media control mit 150 000 Zuschauern auf dem zweiten Platz. Auf der Drei folgt „Poltergeist“. Die Neuverfilmung des legendären GruselKlassikers von 1982 schauten sich 125 000 Kinofans an. Der Jugendfilm „Ostwind 2“ von Katja von Garnier rutschte mit gut 117 000 Besuchern von der Drei auf die Vier. VON FRED DURAN Til Schweiger bekommt Lola für Publikumserfolg Der Regisseur und Schauspieler Til Schweiger, 51, bekommt für seinen Film „Honig im Kopf“ den Deutschen Filmpreis für den „besucherstärksten Film des Jahres“. Die Deutsche Filmakademie wolle sich damit für die große Aufmerksamkeit bedanken, die der deutsche Film durch die Tragikomödie erhalten habe, erklärte Präsidentin Iris Berben. Die Alzheimer-Geschichte mit Schweiger und Dieter Hallervorden in den Hauptrollen hat seit Dezember 2014 mehr als 6,8 Millionen Besucher angezogen. Der undotierte Preis wird mit den anderen Lolas am 19. Juni vergeben. Schauspieler Ulrich Tukur mit Käutner-Preis geehrt Für seine außerordentlichen Charakterdarstellungen in deutschen und internationalen Filmproduktionen ist Schauspieler Ulrich Tukur mit dem Helmut-Käutner-Preis der Stadt Düsseldorf geehrt worden. Der 57-jährige Musiker, Autor und Schauspieler („Rommel“, „John Rabe“) ist bekannt auch als „Tatort“Ermittler Felix Murot (Hessischer Rundfunk) und spielte den Tierschützer Bernhard GrziUlrich Tukur mek in einer aufals Felix Murot wendigen ARDProduktion. Regisseur Michael Verhoeven verschaffte dem jungen Schauspielschüler Tukur einst die erste Rolle im Film „Die Weiße Rose“. Tukur selbst bezeichnete sich als „perfektionistisch“. (dpa) Unsere Wertungen * sehr schwach ** mäßig *** ordentlich **** sehenswert ***** ausgezeichnet MITTWOCH, 3. JUNI 2015 Mitte Vierzig, mollig, aber der Schrecken aller Spione: Susan Cooper (Melissa McCarthy) auf Verfolgungsjagd mit dem Motorroller durch Rom. Foto: 20th Century Fox Auch Frauen können Bond Spy – Susan Cooper Undercover Die Schauspielerin Melissa McCarthy fegt durch Filme als komödiantische Urgewalt. Ihrem Ruf bleibt sie in dieser Satire eines Spionagethrillers treu VON MARTIN SCHWICKERT An Satiren auf den Spionagefilm ist die Filmgeschichte reich. Die stark reglementierte Gattung und deren überzeichnete Helden bieten sich geradezu für eine Ironisierung an. Dennoch fehlte bisher eine Verballhornung dieses von James Bond bis Jason Bourne ausgewiesenen Macho-Genres aus einem feministischen Angriffswinkel heraus. Diese Versorgungslücke schließt nun Paul Feigs „Spy“ mit Melissa McCarthy in der Rolle der CIA-Agentin Susan Cooper. Feig gilt seit „Brautalarm“ in Hollywood als Spezialist für Komödien, in denen Frauen auch einmal richtig auf den Putz hauen können, und Melissa McCarthy fegt durch seine Filme weniger als Muse denn als komödiantische Naturgewalt. Sie war der Super-GAU im Chor der illustren Brautjungfern und machte vor keiner noch so derben Geschmacklosigkeit halt. Mit ihrer Extrem-Performance hat sie sich einen festen Platz im popkulturellen Gedächtnis erobert. In Feigs „Taffe Mädels“ spielte sie eine knallharte Großstadtpolizistin, vor der nicht nur die Bostoner Kleinkriminellenszene zitterte, sondern auch die männlichen Kollegen und Vorgesetzten auf dem Revier. Auch wenn sie hier mit bewährter Schonungslo- sigkeit ans Werk ging, trat McCarthy in ein paar Szenen aus dem komödiantischen Dauerfeuer heraus und verlieh der korpulenten Witzfigur eine gewisse Würde und Tiefe. Auf diesem Weg bewegt sie sich nun in „Spy – Susan Cooper Undercover“ weiter, ohne auch nur einen Moment den Humor zu verlieren. Während der Superagent Bradley Fine (Jude Law) im Nahkampf eine Übermacht von mordlustigen Finstermännern erledigt, sitzt diese Susan Cooper im CIA-Hauptquartier in Langley am Überwachungsmonitor und versorgt den Kämpfenden per Funkkontakt mit den notwendigen Informationen. Fine und Cooper sind ein eingespieltes Team, aber die Lorbeeren erntet natürlich immer der smarte Agent und nicht die unscheinbare Schreibtischkollegin. Aber als Fine im Einsatz getötet wird und die Nuklearwaffenhändlerin Rayna (Rose Byrne) bekannt gibt, dass sie die Identitäten aller aktiven CIA-Agenten kennt, schlägt Susan Coopers Stunde. Nur zur Observation wird sie nach Europa geschickt, aber schon bald nimmt die resolute Agentin die Sache selbst in die Hand. Strahlendes Schwergewicht ● Melissa McCarthy (*26. August 1970 in Plainfield/Illinois) spaltet die Cineasten. Das Magazin „Cosmopolitan“ lobt die 44-jährige Schauspielerin überschwänglich dafür, dass sie ihren coolen Style gefunden hat: Fransen, Heels, roter Lippenstift. Um ihren Wohlfühl-Modus zu erzielen, ließ sie 23 Kilo Gewicht purzeln. Dabei betörte sie schon bei der Emmy-Verleihung im August 2014 mit ihrem „unübersehbaren Strahlen“ in einer romantisch-eleganten Abendrobe. ● Das Feuilleton der Tageszeitung „Die Welt“ indes vermisst die hintersinnige Botschaft der amerikanischen Schauspielerin, die weder als dick noch als freundlich gekennzeichnet werde und die Quotenfrau Hollywoods für Übergewichtige sei. In ihren überdrehten Filmkomödien wie „Hangover 3“, „Taffe Mädels“ und „Voll abgezockt“ gehe es jedoch nicht um eine „auch nur ansatzweise ernsthafte Auseinandersetzung mit Leben und Nöten von übergewichtigen Menschen“. ● Für den Film „Brautalarm“ erhielt sie eine Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin. Amerikanische Frauen hielten diese Komödie für einen „feministischen Meilenstein“. Lustig und listig geht eben auch. (loi) Der Plot ist so dünn, wie sich das in diesem Genre gehört. Aber die komödiantische Detailfreude, mit der Feig seine Spionage-Satire feminisiert, entfaltet eine hochinfektiöse Wirkung. Hat man sich erst einmal eingekichert, entwickelt sich „Spy“ zu einer äußerst vergnüglichen Angelegenheit, weil sich der Film mit unverbissener Lässigkeit durch die cineastische Männerdomäne stichelt. Dabei kommen auch die Action-Schauwerte nicht zu kurz, auch wenn die Verfolgungsjagd mit dem Motorroller durch Rom auf einer frisch betonierten Straße erst einmal im Niedriggeschwindigkeitsmodus ausgetragen wird. Mit souveräner Selbstironie legt McCarthy ihre Figur an, die von der grauen Schreibtischtäterin zur kompetenten Heldin reift. Nebenbei werden hier süffisant die Ressentiments mitverhandelt, die auf eine übergewichtige Mittvierzigerin im Agentenalltag herunterregnen – lauter Vorurteile, die sich eins zu eins auf den Hollywood-Betrieb selbst übertragen lassen. Besondere Erwähnung verdient Rose Byrne, die mit okkulter Turmfrisur und eiskaltem Blick mörderischen Zickenterror verbreitet und die zahlreichen Bösewichte des Genres mühelos in die Tasche steckt. **** O Filmstart in vielen Kinos der Region „Sie ist die Mona Lisa Österreichs“, sagt der Journalist Hubertus Czernin (Daniel Brühl) und ihm ist klar, dass sein Land das unrechtmäßig erworbene Gemälde niemals freiwillig hergeben wird. Gustav Klimts „Die Frau in Gold“ – eines der bekanntesten Gemälde des Wiener Jugendstils – zeigt Adele Bloch-Bauer als eine mondäne, in Gold eingefasste Dame mit glitzernden Collier. Ihr Bild hing im Wohnzimmer der jüdischen Fabrikantenfamilie, bis es die Nazis beschlagnahmten. Erst 1998 begann ein Rechtsstreit, denn die in den USA lebende Erbin Maria Altman machte ihren Anspruch auf das Bild geltend. Von dem zähen Kampf um ein wertvolles Gemälde – und um ein Stück Erinnerung erzählt Simon Curtis in „Die Frau in Gold“. Die wunderbare Helen Mirren spielt die 81-jährige Maria Altman, die 1938 vor den Nazis in die USA flüchtete und einen großen Teil ihrer Familie im Holocaust verloren hat. Ihr gegenüber steht Ryan Reynolds in der Rolle des jungen, unerfahrenen Anwalts Randy Schoenberg, und die beiden geben ein spielfreudiges und warmherzig gezeichnetes Paar ab. Die Exkursion nach Wien wird für Maria eine Reise in die Vergangenheit. So gut die persönliche wie politische Dynamik auf der Gegenwartsebene des Rechtsstreites funktioniert, so schablonenhaft sind die Rückblenden ins Wien der späten 30er Jahre. Es sind doch stets dieselben Bilder, mit denen Hollywood das Dritte Reich visualisiert. Dennoch macht dieser konventionell gestrickte Film deutlich, dass es bei Raubkunst nicht nur um materielle Werte geht, sondern oft auch um Erinnerungsstücke. *** O Filmstart in Augsburg, Kempten, Ulm Vor dem Prozess: Anwalt Randy Schoenberg (Ryan Reynolds) und Erbin Maria Altman (Helen Mirren). Foto: Square One Die Rettung lauert im Tierkostüm Mord auf Staatsbefehl Hirschen Eine skurrile Heimatkomödie im gemächlichen Tiroler Tempo Sonst noch angelaufen VON ALOIS KNOLLER ● Camino de Santiago Ein Weg, tausend Schicksale, Lebens- und Leidensgeschichten, Suchende und Aussteiger, Hoffnungsvolle und Verzweifelte: Der Jakobsweg lockt jedes Jahr unzählige Menschen auf eine Reise zu sich selbst. Der Dokumentarfilm „Camino de Santiago“ von Manuel Schweizer und Jonas Frei zeigt, dass es auf dem Jakobsweg um weit mehr als nur um eine Pilgerreise geht. (Filmstart in Augsburg, Aichach, Kaufbeuren, Königsbrunn, Landsberg, Memmingen, Penzing, Ulm) ● Parcours d’Amour Wie viele Runden muss man auf dem Tanzparkett drehen, bis alle Träume sich erfüllt haben? Eugène, Gino, Christiane und ihre Freunde haben die besten Jahre bereits hinter sich. Das hindert sie aber nicht daran, in Paris beim Tanztee in schummrigen Klubs nach Liebe und Sex zu heischen. (Filmstart in Augsburg). Hirschen ist ein Dorf in den Tiroler Alpen. Das Leben ist beschaulich – bis die Fabrik, der große Arbeitgeber am Ort, urplötzlich zumacht. Was tun? Etliche packen ihre Sachen, der Pfarrer fällt tot um, der Stammtisch ist zum Bleiben entschlossen. Dann passiert vor dem Dorf dieser Unfall: Ein Hirsch springt ins Auto, dem Fahrer muss geholfen werden – und die Dörfler kommen auf eine verruchte, aber einträgliche Geschäftsidee. Im Hirschkostüm lauern sie fortan am Straßenrand – und der Arzt, der Mechaniker, der Gastwirt haben alle Hände voll zu tun, die Verunglückten zu versorgen. Schwarzer Humor und skurriler Witz durchtränken diesen Film, den George Inci und Beatrice von Moreau völlig unabhängig produzierten und sich jahrelang vom Mund absparten. Dazu treten bizarr-absurde Szenen, die an abgedrehte finnische Filme erinnern. Wo auch die gedankenschweren Dialoge der Dörfler versagen, drücken Tanz und Traum weitere Gefühle und Stimmungen aus, etwa wenn der Abgeordnete ein fiktives Orchester dirigiert oder der gemütliche Ortspolizist die Amazone auf dem Poster verliebt anbetet. Der Zuschauer muss sehr viel Geduld mitbringen für 126 teils langatmige Filmminuten. Denn die Dorfbewohner, die als Laiendarsteller mitspielten, brauchen ihre Zeit, die Dinge zu bedenken, zu einem Entschluss zu gelangen und ihren Plan in der Tat auszuführen. Und ehe der hereingeschneite Fremde (Inci) zum Glücksfall für das Dorf wird. *** O Filmstart in Augsburg, Füssen, Kempten, Penzing, Ulm Die Dörfler von Hirschen wissen sich zu helfen, um an neue Einnahmen zu kommen – und sei es mit verruchten Methoden. Foto: Hirschen Filmverleih Kind 44 Thriller aus Stalins Sowjetunion VON GÜNTER H. JEKUBZIK Anfang der Fünfziger überzieht Stalin die Sowjetunion mit einer letzten „Säuberungswelle“, der vor allem auch die Kinder unerwünschter Personen zum Opfer fallen. Doch als der Sohn des Geheimdienst-Offiziers Alexei Andreyev (der Schwede Fares Fares) in Moskau ermordet wird, muss es ein Unfall gewesen sein, weil es im Arbeiterparadies keine Verbrechen geben darf. Der loyale Offizier Leo Demidow (Tom Hardy) vom inneren Geheimdienst NKWD unterstützt die Lüge wider besseres Wissen und aus Angst. Wenig später wird jedoch auch seine Frau Raisa (Noomi Rapace) denunziert. Den Verrat an der Geliebten verweigert der Held der Sowjetunion. Das Paar wird in eine ferne Arbeiterstadt deportiert, Raisa von Lehrerin zur Putzfrau und Leo zum Hilfspolizisten degradiert. Doch die Kindermorde setzen sich auch am Ort der Verbannung fort. Was für eine gute Idee, die Gewalt eines unfassbar grausamen Staates in den Gewalttaten gegenüber wehrlosen Kindern zu spiegeln! Nur dumm, dass der Historienfilm „Kind 44“ diese Historie aus den Augen verliert. Der schwedische Regisseur Daniel Espinosa („Safe House“, 2012) erzählt mit einer nicht stringenten Überfülle von ziellos eindringlichen Szenen vom Staats-Terror, von der Jagd auf einen Serien-Mörder und von einer schwierigen Liebesgeschichte unter Terror-Angst. Doch so wie die Gewalt im äußerlich düsteren Filmdrama „Kind 44“ auffällig unübersichtlich montiert wird, verlieren sich die großen Gedanken und Themen im Gewühl der Ereignisse. So ist das Interessanteste an „Kind 44“ letztlich, wie viele gute Schauspieler (Tom Hardy, Noomi Rapace, Gary Oldman, Vincent Cassel), eine außerordentliche Epoche, ein historischer Mordfall und eine besondere Liebesgeschichte den Zuschauer letztlich unbewegt und ratlos zurücklassen. ** O Filmstart in vielen Kinos der Region