Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland

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Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland
Pflicht oder Kür?
Nachhaltigkeitsberichterstattung in
Deutschland: Standortbestimmung
Über die Studie und die Autoren
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie basieren auf
einer EY-­A
‐ uswertung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in DAX-­S
‐ egmenten zum 31. Juli 2014 sowie
auf einer telefonischen Befragung von 200 deutschen
Unternehmen im Zeitraum von Juli bis August 2014.
Befragt wurden Unternehmen aus dem MDAX, SDAX
und TecDAX sowie weitere Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern und 500 Millionen Euro
Umsatz aus den Branchen Energie, Transportwesen,
Finanzwesen und anderen Industriezweigen.
Die Interviews wurden von dem unabhängigen
Meinungsforschungsinstitut Valid Research, Bielefeld durchgeführt. Die Inhalte der Studie wurden
durch das EY-­T
‐ eam (Nina Müller, Alexander Paeck,
Michaela Proißl und Nicole Richter) erarbeitet.
2
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
Inhaltsverzeichnis
1
Noch eine Studie?
4
2
Zusammenfassung: 8 Trends
5
Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmensleistung und -kommunikation
6
Nachhaltigkeit in DAX-­Segmenten:
Die „Großen“ machen es vor
8
3
4
5
Motivation zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
10
Berichtsstandards:
Was hätten Sie gerne?
12
Integrierte Berichterstattung
als neuer Denkansatz
13
Entwicklung auf europäischer
Ebene
14
Geschäftsbericht:
Potenziale und Grenzen
16
10
Der Weg zu einem Bericht
18
11
Die Zukunft in der Glaskugel
20
12
Fazit
21
6
7
8
9
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
3
1
Noch eine Studie?
Nicole Richter
Executive Director Climate
Change & Sustainability
Services (CCaSS),
verantwortlich bei EY für
Sustainability Assurance
und Reporting.
Ja, noch eine Studie – und sie war aus unserer Sicht
notwendig. Der Standort Deutschland ist weltweit
bekannt für seine vielfältige Unternehmenslandschaft
– von mittelständischen Unternehmen bis hin zu
globalen Konzernen. Jedoch wurde der Status quo
der Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland
abseits von den DAX-­3
‐ 0-­U
‐ nternehmen bisher kaum
im Detail untersucht.
Nachhaltige Unternehmensführung ist heute weitestgehend selbstverständlich. Bei der Beantwortung
der Frage, ob und wie man dieses Selbstverständnis
managt, dokumentiert und kommuniziert, haben wir
allerdings in vielen Kundengesprächen einige Unterschiede festgestellt. Der Wettbewerbsdruck auf die
Unternehmen nimmt aber auch hier zu, die Nachfrage nach verlässlichen Informationen zur Nachhaltigkeit durch Investoren steigt, große industrielle
Kunden verlangen Auskunft und die regulatorischen
Anforderungen werden strenger.
In der nachfolgenden Studie gehen wir den Fragen
der Motivation und den Herausforderungen der
Nachhaltigkeitskommunikation nach. Ebenso gehen
wir auf die Einschätzungen der neuen EU-­Regelung
im Rahmen der Richtlinie zur Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen und auf den Mehrwert integrierter Berichterstattung ein.
Die Studie ist eine Standortbestimmung. 200 Unternehmen haben uns umfangreich Auskunft über den
aktuellen Stand ihrer Nachhaltigkeitskommunikation
und über ihre weiteren Pläne gegeben. Die daraus
gewonnenen Ergebnisse und abgeleiteten Trends
teilen wir nun gerne mit Ihnen.
Wir wollen mit dieser Studie zur Versachlichung der
Diskussion beitragen und eine bessere Orientierung
geben. Gerne können Sie die Ergebnisse und deren
Bedeutung für Ihr Unternehmen auch direkt mit uns
diskutieren. Am Ende der Studie finden Sie unsere
Kontaktdaten.
Mit herzlichen Grüßen
4
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
2
Zusammenfassung: 8 Trends
Diese Studie gibt einen Überblick, wie große deutsche Unternehmen derzeit über ihre ökologischen
und sozialen Unternehmensleistungen berichten
und wie sie mit den damit verbundenen Herausforderungen umgehen. Aus den Ergebnissen der EY-­‐
Analyse der Nachhaltigkeitsberichterstattung in vier
DAX-­S
‐ egmenten zum 31. Juli 2014 und der anschließenden Unternehmensbefragung von 200
Unternehmen im Sommer 2014 ergeben sich
vielfältige Tendenzen. Aus ihnen lässt sich ableiten,
dass die Nachhaltigkeit für viele große deutsche Unternehmen und ihre Stakeholder bereits zum festen
Bestandteil der Unternehmensleistung und -­k‐ ommunikation und damit zu einem „freiwilligen Pflichtprogramm“ geworden ist. Gleichwohl erwartet uns in
den nächsten Jahren eine interessante Entwicklung
der Berichtslandschaft.
Die acht Trends im Überblick
€
Marktkapitalisierung und Börsenumsatz sind ein Indiz für den Umfang und die Tiefe
der Nachhaltigkeitskommunikation.
?
Informationsbedürfnisse der Stakeholder und die Nachhaltigkeitsberichterstattung
der Wettbewerber sind wesentliche Treiber für die Nachhaltigkeitskommunikation.
GRI
Die Anwendung etablierter Rahmenwerke für die Nachhaltigkeitskommunikation wird
zunehmen.
‹IR›
Das vorhandene Interesse der Unternehmen für die integrierte Berichterstattung
spiegelt sich noch nicht in der derzeitigen Berichtslandschaft wider.
EU
Trotz der vorhandenen Erfahrungen in der Nachhaltigkeitskommunikation bestehen
in der Praxis Unsicherheiten bezüglich der Anwendung der neuen EU-­R
‐ egelung.
Eine eingeschränkte Verfügbarkeit nichtfinanzieller Kennzahlen zum Zeitpunkt der
Geschäftsberichterstellung stellt ein Hindernis für eine kombinierte Darstellung der
Unternehmensleistung im Geschäftsbericht dar.
KPI?
In Anbetracht der Vielzahl möglicher Rahmenwerke für Nachhaltigkeitsmanagement
und -­k‐ ommunikation stellt die Auswahl geeigneter Kennzahlen eine Herausforderung
für Unternehmen dar.
Die Berichterstattung über Nachhaltigkeit bleibt in Deutschland auch in den nächsten
zwei Jahren vielfältig.
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
5
3
Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmensleistung
und -kommunikation
Anfangs immer wieder als Modetrend belächelt, entwickelte sich die Nachhaltigkeit zum festen Bestandteil der Unternehmensleistung und -kommunikation.
Nicht nur die Sorge um negative Auswirkungen auf
die Unternehmensleistung und -reputation oder
Nachteile bei der Kapitalbeschaffung und Investorensuche bei fehlender Nachhaltigkeitskommunikation veranlassen Unternehmen dazu, über Nachhaltigkeit zu berichten. Auch die Aussicht auf ein
verbessertes Risikomanagement oder die Steigerung von Kundenloyalität und Mitarbeiterzufriedenheit sind wichtige Faktoren.1
Vielfalt der Rahmenwerke
Es gibt gegenwärtig diverse Initiativen, deren Anliegen es ist, die Nachhaltigkeitsberichterstattung
durch die Ausgestaltung von Rahmenwerken und
Leitlinien zu lenken. Die international am weitesten
verbreiteten Leitlinien wurden von der Global Reporting Initiative (GRI)2 entwickelt, deren Grundsätze
und Indikatoren Unternehmen helfen sollen, ihre
ökonomische, ökologische und soziale Leistung
transparent zu machen. Daneben dienen die Prinzipien und Kriterien des United Nations Global Compact (UNGC)3 und des Deutschen Nachhaltigkeitskodex4 als Orientierungspfeiler und Ansatzpunkte
für die freiwillige Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen.
Verstärkte Regulierung – der Druck auf Unternehmen steigt
In Europa ist die Forderung vonseiten nationaler
Regulierungsbehörden und Börsen nach mehr Transparenz bezüglich ökologischer und sozialer Fragestellungen immer stärker zu spüren. Bereits heute
müssen Unternehmen eine Reihe von gesetzlichen
Anforderungen bezüglich der Darstellung ihrer
nichtfinanziellen Leistungsindikatoren erfüllen.
Neben dem Handelsgesetzbuch (HGB) regelt in
Deutschland der im Jahr 2012 vom Deutschen
Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC)5
veröffentlichte Standard DRS 20 die Konzernlageberichterstattung und stellt einen Bezug zur Nachhaltigkeitsberichterstattung her. Weitere Regularien
sollen im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie zur
Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität
betreffender Informationen hinzukommen. Diese
Richtlinie sieht vor, dass für Unternehmen, die im
öffentlichen Interesse stehen – das sind im Regelfall
börsennotierte Unternehmen und Unternehmen aus
6
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
dem Finanz- und Versicherungssektor – und mehr
als 500 Mitarbeiter haben, erweiterte Berichtspflichten bezüglich ökologischer und sozialer Aspekte
gelten sollen.
Eine interessante Entwicklung ist auch in den USA
zu beobachten. Dort entwickelt das Sustainability
Accounting Standards Board (SASB)6 branchenspezifische Rechnungslegungsstandards. Diese richten
sich vor allem an Investoren und können in Berichtsformaten, die von der US-Börsenaufsicht vorgeschrieben werden (z. B. 10-K-Formulare), angewendet werden. Es ist nicht auszuschließen, dass daraus
eine künftige Offenlegungspflicht für SEC7 -notierte
Unternehmen entsteht.
Neue Zukunftsperspektiven durch integrierte
Berichterstattung
Eine isolierte Betrachtung der Finanz- oder Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens ergibt jedoch
in der Regel kein ganzheitliches Bild der Unternehmenswertschaffung. Eine integrierte Berichterstattung, wie vom International Integrated Reporting
Council (IIRC)8 vorgeschlagen, soll den Unternehmen helfen, dies zu ändern.9 Ein integrierter Bericht
soll die ökonomischen, ökologischen und sozialen
Leistungen eines Unternehmens im Hinblick auf die
Unternehmenswertschaffung zukunftsorientiert
darstellen und das Ergebnis einer ganzheitlichen
Denkweise im Unternehmen sein. Einige deutsche
Unternehmen nehmen bereits an dem IIRC-Pilotprogram teil und testen diesen Weg in der Praxis.10
Derzeitige Berichtslandschaft als vernetzte
Berichterstattung
Das Schaubild stellt derzeitige wesentliche Entwicklungen, Initiativen und Treiber der Berichterstattung
über ökologische und soziale Unternehmensleistungen
dar. In der Praxis kann man bereits heute feststellen,
dass die einzelnen Berichtsformen stark miteinander vernetzt sind. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt und die Verflechtungen zwischen
interner, Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung weiter zunehmen werden. Dementsprechend
kann schon jetzt – unabhängig davon, wie schnell
sich das Konzept der integrierten Berichterstattung
im Sinne des IIRC künftig in Deutschland verbreiten
wird – von vernetzter Berichterstattung bei der
Darstellung der Unternehmensleistung gesprochen
werden.
Kapitel 3
• Derzeitige Berichtslandschaft als vernetzte Berichterstattung
Der vom DRSC erarbeitete Standard
DRS 20 regelt die Konzernlageberichterstattung. Dem Standard folgend müssen
seit 2013 die wesentlichen steuerungsrelevanten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren in die Analyse des Geschäftsverlaufs einbezogen und offengelegt
werden.
DRS 20
Fi
na
er nz
st be
at ri
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EURichtlinie
Vernetzte
Berichterstattung
SASBRahmenwerk
Das SASB entwickelt branchenspezifische Rechnungslegungsstandards für
Nachhaltigkeitsaspekte. Diese richten
sich vorrangig an Investoren und sind
mit den gängigen US- Berichtsvorschriften kompatibel.
UNGC
ts
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ha rst
ch te
Na rich
be
Die Richtlinie zur Offenlegung
nichtfinanzieller und die
Diversität betreffender Informationen sieht vor, dass Unternehmen, die im öffentlichen Interesse stehen und
mehr als 500 Mitarbeiter
haben, künftig über ihre ökologischen und sozialen Aktivitäten berichten müssen. Dabei
können unterschiedliche
Rahmenwerke zugrunde
gelegt werden.
Mitglieder des UN Global Compact ver-
pflichten sich, ihre Geschäftstätigkeit
und Strategien an den zehn universell
anerkannten Prinzipien hinsichtlich Menschenrechten, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung auszurichten und jährlich über Fortschritte
zu berichten.
Internes
Management-Reporting
IIRCRahmenwerk
Deutscher
Nachhaltigkeitskodex
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex ist für Unternehmen jeglicher Rechtsform
und Größe ein Rahmen zur
Berichterstattung über das
Nachhaltigkeitsmanagement.
Die Anwendung des Kodex
mit seinen 20 Kriterien zur
ökologischen, sozialen und
ökonomischen Dimension ist
freiwillig.
GRILeitlinien
Die von der GRI entwickelten Leitlinien
sind die international am weitesten verbreiteten Richtlinien für Nachhaltigkeitsberichtserstattung. Sie enthalten Grundsätze und Indikatoren, um ökonomische,
ökologische und soziale Leistungen einer
Organisation transparent darzustellen.
Fokus des unter der Führung des IIRC erarbeiteten Rahmenwerks für die integrierte Berichterstattung ist die Abbildung
der Wertschaffung eines Unternehmens.
Charakteristisch für das prinzipienbasierte
Rahmenwerk sind eine zukunftsorientierte ganzheitliche Betrachtung ökonomischer, ökologischer und sozialer Einflussfaktoren sowie ein erweiterter Kapitalbegriff.
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
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4
Nachhaltigkeit in DAX-Segmenten:
Die „Großen” machen es vor
Das EY-­T
‐ eam hat für vier DAX-­S
‐ egmente zum
Stichtag 31. Juli 2014 veröffentlichte Nachhaltigkeitsberichte sowie die Informationen über
die Nachhaltigkeitsleistungen in den Geschäftsberichten ausgewertet. Es wurden jeweils die
neuesten Veröffentlichungen betrachtet, begrenzt auf die letzten drei Jahre. Damit möchten wir einerseits eine Verzerrung der Darstellung durch die Berücksichtigung nicht mehr
fortgeführter „Pilotversuche der NachhaltigKapitel
4
keitsberichterstattung“ vermeiden
und andererseits die Unternehmen berücksichtigen, die nur
alle zwei Jahre einen Nachhaltigkeitsbericht
veröffentlichen. Die Onlineberichte und die integrierten Berichte haben wir ebenfalls als Nachhaltigkeitsberichte berücksichtigt. Die Kategorisierung der Angaben zu den Nachhaltigkeitsleistungen in den Geschäftsberichten erfolgte
abhängig von Umfang und Tiefe der Darstellung
einschließlich der Abbildung wesentlicher nichtfinanzieller Kennzahlen.
Eine deutliche Mehrheit der Unternehmen aus den
DAX-Segmenten veröffentlicht ihre Berichte in
Übereinstimmung mit den Leitlinien der Global
Reporting Initiative (GRI). Insgesamt wurden in
Deutschland im Jahr 2013 nach Angaben der GRI
155 Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht, die sich
an diesen Leitlinien orientieren – weltweit waren es
über 2.800.11 Die Orientierung an einem global etablierten Rahmenwerk ermöglicht den Unternehmen
eine transparente Berichterstattung über relevante
Nachhaltigkeitsthemen und gestattet eine höhere
Vergleichbarkeit von sozialen, ökonomischen und
ökologischen Leistungen über Branchen und Landesgrenzen hinweg.
Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten
•inVeröffentlichung
von Nachhaltigkeitsberichten in DAX-Segmenten
DAX-Segmenten
MDAX
SDAX
TecDAX
Entwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung
in DAX-Segmenten
Die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaktivitäten
gehört unter den Unternehmen des DAX 30 mittlerweile zum Alltag. Bis auf zwei Ausnahmen veröffentlichen alle einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht. Dies gilt jedoch nicht in gleichem Umfang
für den MDAX, den SDAX und den TecDAX. Die
Analyse der DAX-Segmente zeigt, dass die Anzahl
veröffentlichter Nachhaltigkeitsberichte mit geringerer Marktkapitalisierung und geringerem Börsenumsatz abnimmt. Diese Tatsache mag ihren Grund
in der Historie haben. Die global agierenden deutschen Unternehmen waren im Hinblick auf die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Umwelt und
Gesellschaft bereits vor Jahren regelmäßig Gegenstand öffentlicher Kritik. Daraufhin wurden bereits
Ende der 1980er-Jahre erste Umweltberichte veröffentlicht. Durch die Ergänzung dieser Berichte um
soziale Belange entstanden die ersten deutschen
Nachhaltigkeitsberichte.
8
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
86 %
DAX 30
40 %
20 %
7% 7%
6%
54 %
8%
72 %
10 %
90 %
Nachhaltigkeitsbericht nach Leitlinien der GRI
Nachhaltigkeitsbericht ohne Bezug zu GRI
Kein Nachhaltigkeitsbericht
• Anteil von Nachhaltigkeitsberichten mit Prüfungsbescheinigung
80 %
70 %
60 %
50 %
40 %
30 %
20 %
10 %
0%
71 %
42 %
14 %
0%
DAX 30
MDAX
SDAX
TecDAX
40 %
20 %
SDAX
TecDAX
6%
MDAX
54 %
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SDAX
72 %
10 %
TecDAX
90 %
Nachhaltigkeitsbericht nach Leitlinien der GRI
Nachhaltigkeitsbericht ohne Bezug zu GRI
Kein Nachhaltigkeitsbericht
Anteil von Nachhaltigkeitsberichten mit
Prüfungsbescheinigung
• Anteil von Nachhaltigkeitsberichten mit Prüfungsbescheinigung
80 %
70 %
60 %
50 %
40 %
30 %
20 %
10 %
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71 %
42 %
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0%
DAX 30
MDAX
SDAX
TecDAX
Einhergehend mit einem gesteigerten Interesse der
Öffentlichkeit und der Kapitalgeber an der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen steigt auch das
Bedürfnis nach der Verifizierung der veröffentlichten
Informationen. Von einer Prüfung der Berichte
durch einen unabhängigen Dritten erhoffen sich die
Unternehmen eine erhöhte Glaubwürdigkeit der
Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Außenwir• Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten
DAX-Segmenten
kung sowie eineininterne
Optimierung der Qualität
der Datenerhebungsprozesse und Kennzahlen.
86 %
DAX 30
MDAX
SDAX
TecDAX
40 %
20 %
10 %
8%
7% 7%
Unterschiedlicher Umfang und Tiefe der Nachhaltigkeitsinformationen in den Geschäftsberichten
6%
54 %
Ein Großteil der betrachteten Unternehmen nutzt zu72 %
sätzlich (oder in einigen Fällen ausschließlich) den
Geschäftsbericht,
um ihre Stakeholder über nachhal90 %
tigkeitsrelevante Themen zu informieren. Allerdings
gibt es deutliche Unterschiede in der Darstellung.
Nachhaltigkeitsbericht nach Leitlinien der GRI
Nachhaltigkeitsbericht
ohne Bezuglässt
zu GRIsich daran festmachen, ob die
Ein Unterschied
Kein Nachhaltigkeitsbericht
Nachhaltigkeitsinformationen in den Lagebericht
integriert und somit in die sogenannte Einklangsprüfung des Lageberichts einbezogen werden oder ob
sie in einem separaten Abschnitt des Geschäftsberichts dargestellt
werden.
• Anteil von Nachhaltigkeitsberichten
mit Prüfungsbescheinigung
32 %
16 %
64 %
32 %
20 %
52 %
40 %
4
Umfassende Informationen zur Nachhaltigkeit im
mit Umwelt- und Sozialkennzahlen
Ausgewählte Informationen zur Nachhaltigkeit im
Keine Informationen zur Nachhaltigkeit im Gesch
Der zweite Unterschied liegt im Umfang und der inhaltlichen Tiefe der Darstellung einschließlich der
Veröffentlichung entsprechender Leistungsindikatoren in den Bereichen Ökologie und Soziales. Diese
Unterscheidung war für unsere Auswertung maßgeblich. Einige Unternehmen berichten umfassend
sowohl zu Umwelt - als auch zu Sozialthemen und
belegen ihre Leistungen durch entsprechende Kennzahlen. Die anderen Unternehmen begrenzen ihre
Angaben auf einen der Bereiche und/oder veröffentlichen nur wenige bis keine Kennzahlen. Diese Art
der Berichterstattung haben wir der Kategorie
„Ausgewählte Informationen“ zugeordnet. In der
Kategorie „Keine Informationen“ findet man aber
auch die Geschäftsberichte, in denen das Wort
„Nachhaltigkeit“ mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht wird, jedoch ohne dass die konkrete
Bedeutung weiter präzisiert und die Unternehmensleistung dargestellt wird.
Als Ergebnis der Analyse zeichnet sich ein ähnliches
Bild ab wie bei der Analyse der veröffentlichten
Nachhaltigkeitsberichte. Dabei fällt eine mögliche
Korrelation zwischen der Berichterstattung in einem
eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht und einer
umfassenden Berichterstattung über die Nachhaltigkeitsinformationen in einem Geschäftsbericht auf.
Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsinformatio-
•nen
Veröffentlichung
von Nachhaltigkeitsinformationen
in den Geschäftsberichten in
in den Geschäftsberichten
in DAX-Segmenten
87 %
DAX 30
MDAX
SDAX
TecDAX
32 %
16 %
20 %
13 %
4%
MDAX
64 %
32 %
40 %
52 %
40 %
Umfassende Informationen zur Nachhaltigkeit im Geschäftsbericht
mit Umwelt- und Sozialkennzahlen
Ausgewählte Informationen zur Nachhaltigkeit im Geschäftsbericht
Keine Informationen zur Nachhaltigkeit im Geschäftsbericht
80 %
70 %
60 %
€
Marktkapitalisierung und Börsenumsatz sind ein Indiz für den Umfang und die Tiefe
der Nachhaltigkeitskommunikation.
50 %
40 %
30 %
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in Deutschland: Standortbestimmung
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5
Motivation zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Markteinblick durch Interviews mit 200 Unternehmen
Die Mehrheit hat „Nachhaltigkeit“ bereits für
sich entdeckt
Die Ergebnisse der Analyse der derzeitigen Nachhaltigkeitsberichterstattung in verschiedenen
DAX-Segmenten führten uns zu weiteren Fragen:
Als erstes Ergebnis der Umfrage können wir festhalten, dass 81 Prozent der befragten Unternehmen
sich bereits mit dem Thema beschäftigt und auf die
eine oder andere Weise über Nachhaltigkeitsaktivitäten kommuniziert haben. Zweitens ist bemerkenswert, dass 26 Prozent der befragten Unternehmen
einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen.
• Sind die Ergebnisse repräsentativ für die kapitalmarktorientierten deutschen Unternehmen oder
sogar für alle großen deutschen Unternehmen?
• Warum berichten die Unternehmen?
• Gibt es bevorzugte Berichtsstandards?
• Ist eine integrierte Berichterstattung im Sinne des
IIRC für deutsche Unternehmen interessant?
Um Antworten auf diese und einige weitere Fragen
zu bekommen, haben wir ein Marktforschungsinstitut
mit einer Unternehmensumfrage beauftragt. 200
Unternehmen aus folgenden Segmenten wurden
interviewt:
MDAX
15
26 %
der befragten Unternehmen
veröffentlichen einen
eigenständigen
Nachhaltigkeitsbericht
SDAX
28
Nicht kapitalmarktorientierte
Unternehmen
93
TecDAX
14
Weitere kapitalmarktorientierte
Unternehmen
(ohne DAX 30)
50
Alle befragten Unternehmen beschäftigen mindestens 500 Mitarbeiter und erzielen einen Jahresumsatz von mindestens 500 Millionen Euro. Außerhalb
der DAX-Segmente wurden Unternehmen aus den
Branchen Transport (8), Energie (17), Finanzwesen
(39) und verschiedenen anderen Industriezweigen
(79) befragt.
10
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
Aus zeitlicher Perspektive betrachtet ist Nachhaltigkeitsberichterstattung kein neues Phänomen. Über
75 Prozent der Unternehmen, die angaben, über
Nachhaltigkeit zu kommunizieren, berichten bereits
seit mehr als drei Jahren und 39 Prozent seit mehr
als fünf Jahren.
Falls Unternehmen sich entscheiden, über ihre
Nachhaltigkeitsaktivitäten nicht zu berichten, gibt
es dafür unterschiedliche Gründe. Während einige
Unternehmen angeben, das Thema habe keine Priorität, sehen andere die Zuständigkeit bei der entsprechenden Muttergesellschaft. Zum Teil besteht
auch Unsicherheit über den Nutzen kommunikativer
Maßnahmen zu den Nachhaltigkeitsaktivitäten.
Informationsbedürfnis der Stakeholder im
Mittelpunkt
Kapitel 5
Unternehmen werden zunehmend als gesellschaftliche Akteure verstanden. Insofern überrascht es
nicht, dass das Informationsbedürfnis der Stakeholder von allen befragten Unternehmen als Hauptmotivationsgrund für die öffentliche Berichterstattung
über Nachhaltigkeitsaktivitäten angegeben wird.
Neben dem Kunden- und Medieninteresse an ökologischen und sozialen Aspekten entlang der Wertschöpfungskette ist Nachhaltigkeit auch für Anleger
ein zunehmend wichtiges Kriterium bei der Risikobewertung von Investitionsentscheidungen.12
Was motiviert Unternehmen, über Nachhaltigkeits• Was motiviert
Unternehmen,
Nachhaltigkeitsaktivitäten
öffentlich
zuüber
berichten?
aktivitäten öffentlich zu berichten?
(mehrere Anworten möglich)
Informationsbedürfnisse
von Stakeholdern
70 %
Nachhaltigkeitsberichterstattung von Wettbewerbern
36 %
Regulatorische
Anforderungen
35 %
Anfragen im Rahmen der
Recruitingmaßnahmen
18 %
Sonstiges
18 %
Berichterstattung der Wettbewerber und regulatorische Anforderungen als Treiber
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die befragten
Unternehmen die Kommunikation der Wettbewerber
noch vor den regulatorischen Anforderungen als
?
26 %
Beweggrund für eigene Kommunikationsmaßnahmen angeben. Diese Tendenz ist je nach Geschäftsfeld unterschiedlich stark ausgeprägt. Von den Befragten aus der Energiebranche stuft etwa die
Hälfte die Kommunikation der Wettbewerber als einen wichtigen Treiber für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ein. Dies mag in Zeiten der Energiewende daran liegen, dass eine Marktpositionierung
als nachhaltiges Unternehmen in dieser Branche einen erhöhten Stellenwert hat.
Wenig überraschend ist, dass mehr als ein Drittel
der befragten Unternehmen sich durch regulatorische
Anforderungen veranlasst sehen, über Nachhaltigkeit zu berichten. Insbesondere die aktuelle Entwicklung auf EU-Ebene soll dazu beigetragen haben.
Ich gehe zur Recruitingmesse: Wo ist unser
Nachhaltigkeitsbericht?
Im Rahmen der aktuellen EY Studentenstudie 201413
gaben 12 Prozent der 4.300 befragten Studenten
an, dass das gesellschaftliche Engagement ein wichtiger Faktor bei der Wahl ihres künftigen Arbeitgebers sei. Das Interesse der potenziellen Mitarbeiter an den Nachhaltigkeitsaktivitäten ist auch den
Unternehmen bewusst. So geben 18 Prozent der
befragten Unternehmen die Anfragen im Rahmen
von Recruitingmaßnahmen als Motivationsgrund für
die Berichterstattung an.
Als weitere Motivationsgründe, in der Grafik unter
der Kategorie „Sonstiges“ zusammengefasst, wurden angegeben: die Unternehmensphilosophie,
gesellschaftliche Verantwortung, Imagewerbung
und Marketingstrategien sowie das Informationsbedürfnis der Belegschaft.
MDAX
15
Informationsbedürfnisse der Stakeholder und die Nachhaltigkeitsberichterstattung
Nicht kapitalmarktorientierte
der
Unternehmen
derbefragten
Wettbewerber
sind wesentliche Treiber für die Nachhaltigkeitskommunikation.
veröffentlichen einen
eigenständigen
Nachhaltigkeitsbericht
Unternehmen
93
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
Weitere kap
marktorient
Unternehm
(ohne DAX
50
11
6
Berichtsstandards: Was hätten Sie gerne?
Kapitel 6
An welchen Leitlinien orientieren sich UnternehAm Anfang eines Berichts steht die Frage, woran
• An welchenmen
Leitlinien
orientieren sich Unternehme
bei ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung?
man sich bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung
orientieren soll. Unternehmen haben heute freie
Wahl, ob sie ihre Berichterstattung an etablierte
Wird bereits angewendet
Konzepte wie die Leitlinien der GRI oder des UNGC
Anwendung in Planung
anlehnen, ob sie ihrer Berichterstattung durch Rahmenwerke des IIRC und SASB neue Impulse geben
wollen oder ob sie verschiedene Leitlinien und Rahmenwerke nach individuellen Anforderungen
kombinieren.
GRI
12
me
nw
er
k
k
3% 7%
SA
SB
-R
ah
me
nw
er
t
8 % 10 %
IIR
CRa
h
Co
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ob
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Gl
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ac
hh
alt
GR
Da die Umfrageteilnehmer bei den Auskünften zu
den jeweiligen Rahmenwerken nur eine Antwortmöglichkeit hatten, ergibt sich in der Summe der
Trend einer stärkeren künftigen Standardisierung.
Diese Ergebnisse entsprechen unseren praktischen
Erfahrungen und verstärken das Bild einer dynamischen deutschen Berichtlandschaft, die sich auf
dem Sprung zu einer neuen Ebene der Nachhaltigkeitskommunikation befindet.
16 % 7 %
Dt
.N
Wir sind der Frage nachgegangen, an welchen Standards und Leitlinien sich deutsche Unternehmen
orientieren. Die Ergebnisse wirken auf den ersten
Blick überraschend, da kein Rahmenwerk von mehr
als 20 Prozent der befragten Unternehmen angewendet wird. Selbst die international und in DAXSegmenten am weitesten verbreiteten GRI-Leitlinien
stellen hierbei keine Ausnahme dar.
18 % 19 %
UN
18 % 19 %
I
Verstärkte Standardisierung „auf den zweiten
Blick“
Steigendes Interesse an SASB-Rahmenwerk
Bei einer genauen Betrachtung der Ergebnisse fällt
die geplante Zunahme der Anwendung des SASB–
Rahmenwerks auf, obwohl dessen Relevanz für
deutsche Unternehmen eher als nachrangig einzuschätzen ist. Vermutlich sind es globale Wettbewerbsverhältnisse und die branchenspezifische
Spiegelung wesentlicher Nachhaltigkeitsaspekte, die
das Rahmenwerk auch für deutsche Unternehmen
als Orientierungshilfe interessant machen. Dagegen
zeigen die Ergebnisse, dass in Relation zum derzeitigen Anwendungsstatus vergleichsweise wenig
Unternehmen die Berichterstattung nach UNGC
planen. Dies mag aber auch in der Kompatibilität
zwischen den G4-Leitlinien der GRI und den Anforderungen des UNGC begründet liegen.14
Die Anwendung etablierter Rahmenwerke für die Nachhaltigkeitskommunikation wird
zunehmen.
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
7
Integrierte Berichterstattung als
neuer Denkansatz
IIRC-Rahmenwerk fördert ganzheitliches Bild der
Unternehmenswertschaffung
Unternehmen versprechen sich neue Perspektiven und „integriertes Denken“
Die Weltwirtschaft ändert sich fortlaufend und damit auch die Anforderung zur Messung und Berichterstattung der Wertschaffung von Unternehmen.
Waren es früher vor allem materielle Vermögenswerte, die den Ausschlag für den Wert eines Unternehmens gaben, wird heute den immateriellen
Vermögenswerten eine größere Bedeutung beigemessen. Dies gilt vermehrt vor dem Hintergrund,
dass Nachhaltigkeit und damit nichtfinanzielle Leistungsindikatoren deutlich an Bedeutung für den
langfristigen Erfolg von Unternehmen gewonnen
haben.
Die Ergebnisse der Unternehmensumfrage zeigen,
dass sich der Gedanke der integrierten Berichterstattung auch in Deutschland verbreitet. 18 Prozent
der befragten Unternehmen orientieren sich bereits
am IIRC-Rahmenwerk oder haben es vor. Es ist vor
allem die neue Perspektive, die durch den erweiterten Kapitalbegriff oder die Analyse der Wechselwirkungen zwischen den finanziellen und nichtfinanziellen Einflussfaktoren gewonnen werden kann, die
diese Unternehmen dazu bewegte, sich mit dem
Framework zu beschäftigen. Weitere Motive sind
der Gedanke eines „integrierten Denkens“ und die
Fokussierung auf das Geschäftsmodell.
Mit dem neuen Konzept der integrierten Berichtserstattung des IIRC soll dieser Entwicklung Rechnung getragen werden. Ein integrierter Bericht im
Sinne des IIRC-Rahmenwerks soll sich an bestimmten Prinzipien orientieren und konkrete Bestandteile
beinhalten:15
Vor allem kapitalmarktorientierte Unternehmen
scheinen an der Anwendung des IIRC-Rahmenwerks
interessiert zu sein. Dies deckt sich mit der Einschätzung des IIRC, das als Hauptadressaten integrierter
Berichterstattung die Investoren sieht, die an einer
langfristigen Unternehmenswertsteigerung interessiert sind. Allerdings spiegelt sich das von 18 ProKapitel
7
zent der Befragten offenbarte Interesse noch nicht
Grundlegende Prinzipien
in der Zahl der tatsächlichen Veröffentlichungen
• Strategischer Fokus und Zukunftsorientierung
• Informationsverknüpfung
• Welchewider.
Möglichkeiten bietet eine integrierte
• Stakeholderbeziehung
• Wesentlichkeit
Welche Möglichkeiten bietet eine integrierte
• Prägnanz
Berichterstattung nach IIRC?
• Verlässlichkeit und Vollständigkeit
(mehrere Antworten möglich)
• Stetigkeit und Vergleichbarkeit
Eine neue Betrachtungsperspektive zu gewinnen
Wesentliche Bestandteile
• Organisationsüberblick und Geschäftsumfeld
• Unternehmensführung und –überwachung
• Geschäftsmodell
• Risiken und Chancen
• Strategie und Ressourcenallokation
• Unternehmensleistung
• Ausblick
• Grundlage der Erstellung und Darstellung
‹IR›
78 %
Innerhalb des Unternehmens
vernetzt und nicht mehr in Silos
zu denken
62 %
Die Berichterstattung stärker
auf das Geschäftsmodell und das
Wesentliche zu konzentrieren
Sonstiges
62 %
15 %
Das vorhandene Interesse der Unternehmen für die integrierte Berichterstattung
spiegelt sich noch nicht in der derzeitigen Berichtslandschaft wider.
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
13
B
8
Entwicklung auf europäischer Ebene
Die Entscheidung ist gefallen
Freiwillig unter Zwang?
Der Rat der Europäischen Union hat den Änderungsvorschlag der EU-Richtlinie zur Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen bereits Ende September dieses Jahres verabschiedet. Die Richtlinie muss noch in nationales
Recht umgesetzt werden und ist voraussichtlich in
Geschäftsjahren, die nach dem 31. Dezember 2016
beginnen, erstmals verpflichtend anzuwenden.
Diese Entwicklung kommt nicht überraschend. Auf
nationaler Ebene haben einige Länder wie beispielsweise Dänemark oder Frankreich bereits gesetzliche
Vorgaben bezüglich der Nachhaltigkeitsberichterstattung etabliert.17 Deutsche Unternehmen berichten bereits in ihren Lageberichten über wesentliche
nichtfinanzielle Leistungsindikatoren. Mit der Anwendung des DRS 20 erfolgte eine weitere Präzisierung
der Berichterstattung in dieser Hinsicht. Ungeachtet
der bestehenden Praxis wurde der EU-Richtlinienvorschlag in Deutschland von einigen Unternehmensverbänden sehr kritisch aufgenommen.18
Im Vergleich zum ursprünglichen EU-Richtlinienvorschlag vom April 2013 wurden die Vorgaben deutlich
entschärft: Die Richtlinie gilt nicht mehr für alle
großen Kapitalgesellschaften, zudem wurden der
Umfang und der Detaillierungsgrad der Berichterstattung sowie der Umfang einer externen Prüfung
reduziert. Die wesentlichen Eckpunkte der Richtlinie
sind in der nachfolgenden Abbildung zusammengefasst.16
EU-Richtlinie zur Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen:
wesentliche Eckpunkte
14
Inhalt
• Angaben zu Geschäftsverlauf, -ergebnis, Lage des Unternehmens und Auswirkungen der Tätigkeit in Bezug
auf Umwelt • Sozial- und Arbeitnehmerbelange • Menschenrechte • Korruption/Bestechung einschließlich
z. B. Strategie, Ergebnisse und Risiken in Bezug auf nichtfinanzielle Belange sowie
wichtige nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, die für die Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind
•► Angaben zur Diversitätsstrategie hinsichtlich Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen
Zeitrahmen
• Die EU-Länder haben zwei Jahre Zeit, um die neue Regelung in nationales Recht zu überführen
Format
• „Comply or explain“-Ansatz
• Flexibles Format – Hilfestellung bieten international verbreitete und akzeptierte Rahmenwerke (z. B. GRI)
•► W
ahlrecht der Mitgliedstaaten zur Befreiung von einer nichtfinanziellen Erklärung, sofern ein
gesonderter Bericht unter bestimmten Bedingungen veröffentlicht wird
Geltungsbereich
• Große Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIEs)
• Kriterium am Bilanzstichtag: im Durchschnitt des Geschäftsjahres mehr als 500 Mitarbeiter
• Begriffsbestimmung „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ gemäß RL 2013/34 EU:
• Unternehmen mit zum Handel an einem geregelten Markt zugelassenen Wertpapieren
• Kreditinstitute
• Versicherungsunternehmen
• Unternehmen von erheblicher öffentlicher Bedeutung laut einzelnen Mitgliedstaaten
• Sogenannte „Konzernklausel“
Rolle des Prüfers
• Überprüfung, ob eine Erklärung vorliegt
• Wahlrecht der Mitgliedstaaten zur Erweiterung der Prüfungspflicht
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
Zum Teil signalisieren die kapitalmarktorientierten
Unternehmen Sorge, dass sie die Anforderungen
der EU eventuell noch nicht erfüllen, obwohl sie bereits einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen.
Die Unternehmen, die vermutlich nicht von der
EU-Richtlinie betroffen sein werden, machen sich
dennoch Gedanken über eine Anpassung ihrer Berichterstattung. Einige wenige, die bisher noch nicht
berichten, befinden sich derzeit in einem internen
Abstimmungsprozess bezüglich der Möglichkeiten
künftiger Berichterstattung im Kontext der EU-Anforderungen.
Die nachfolgende Grafik bildet die Antworten der
Unternehmen auf die Frage nach dem Umgang mit
den Anforderungen der EU-Richtlinie ab. Hierbei
haben wir die Antworten von denjenigen 136 Unternehmen berücksichtigt, die sich als kapitalmarktorientierte Unternehmen sehen und/oder der
Finanzbranche zuzuordnen sind und somit unter
die Regelung fallen dürften.
Kapitel 8
• Wie planen die
Wenig überraschend erwarten etwa zwei Fünftel der
befragten Unternehmen lediglich eine Anpassung
ihrer bisherigen Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Ein Fünftel wartetmit
die Umsetzung
in nationales
Unternehmen
den neuen
Anforderungen aus der EU-Richtlinie umzugehen?
Auch wenn nicht eindeutig ist, wie die Unternehmen
Recht ab, ein weiteres Fünftel hat sich noch nicht im
mit der neuen EU-Richtlinie tatsächlich kurzfristig
Detail mit möglichen Folgen beschäftigt oder ist zu
umgehen werden, wollen nur 6 Prozent die Reaktion
der Erkenntnis gelangt, nicht betroffen zu sein (z. B.
der anderen Unternehmen abwarten und sich an den
durch die Anwendung der Konzernklausel).
Markttendenzen orientieren. Diese vorausschauende Haltung ist im Hinblick auf die Bedeutung der
Betrachtet man die Antworten im Detail, kommt
Nachhaltigkeitskommunikation im Wettbewerbskonteilweise die Verunsicherung der Unternehmen hintext wenig überraschend.
sichtlich der tatsächlichen Entwicklung zum Vorschein:
Wie planen die Unternehmen mit den neuen Anforderungen aus der EU-Richlinie umzugehen?
Da wir bereits berichten, werden wir lediglich
einen eventuellen Anpassungsbedarf in der
Berichterstattung überprüfen
43 %
Wir warten die Umsetzung der EU-Anforderungen
in das nationale Recht ab und entscheiden
danach über weiteres Vorgehen
22 %
13 %
Wir haben uns noch nicht damit beschäftigt
Wir berichten derzeit noch nicht, befinden uns aber
aktuell in interner Abstimmung zu Möglichkeiten
künftiger Berichterstattung
Wir sind voraussichtlich nicht betroffen
Wir warten die Reaktion anderer Unternehmen ab
und orientieren uns an den Markttendenzen
EU
9%
7%
6%
Trotz der vorhandenen Erfahrungen in der Nachhaltigkeitskommunikation bestehen
in der Praxis Unsicherheiten bezüglich der Anwendung der neuen EU-­R
‐ egelung.
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
15
9
Geschäftsbericht: Potenziale und Grenzen
Für die Darstellung ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten
haben die Unternehmen in der Praxis diverse Möglichkeiten. In der Regel setzen sie dafür mehrere
Kommunikationskanäle ein, um unterschiedliche Erwartungen diverser Anspruchsgruppen zu erfüllen.
gischen und sozialen Bereich beeinflusst. Daher
haben Kreditgeber und Finanzanalysten ein verstärktes Interesse daran, im Geschäftsbericht Informationen zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren
vorzufinden.
Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, verschiedene Informationsquellen miteinander zu verbinden. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Internet.
Verweise im Geschäftsbericht oder im Nachhaltigkeitsbericht auf ergänzende Informationen auf der
Homepage können hilfreich sein, um den gedruckten
Bericht schlank und übersichtlich zu halten. Die Unternehmen sehen darin verstärkt die Möglichkeit,
für den Leser maßgeschneiderte Informationen
bereitzustellen.
Diese Entwicklung spiegeln auch die Ergebnisse der
Umfrage wider. Abgebildet sind dabei die Antworten
der Unternehmen, die die Nachhaltigkeitsinformationen bereits offenlegen. Die Mehrheit der kapitalmarktorientierten Unternehmen stellt ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten im Geschäftsbericht dar. Nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen präferieren
dagegen die Veröffentlichung ihrer Nachhaltigkeitsinformationen im Internet.
Geschäftsbericht + Internet =
perfekte Kommunikation?
Kapitalmarktorientierte Unternehmen stehen
der Darstellung der Nachhaltigkeitsleistungen
im Geschäftsbericht positiv gegenüber
Für Investoren hat sich im Verlauf der Zeit der Geschäftsbericht als wichtigste Informationsquelle zur
Finanz-, Vermögens- und Ertragslage eines Unternehmens etabliert. Deren Entwicklung wird zunehmend von den Unternehmensaktivitäten im ökolo-
Bei den Angaben zu den Nachhaltigkeitsaktivitäten
im Geschäftsbericht steht für die Unternehmen die
Erfüllung der Informationsbedürfnisse ihrer Stakeholder im Mittelpunkt. Gleichzeitig wiesen die Unternehmen auf die bestehenden Herausforderungen
er ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten?
Wo berichten die Unternehmen über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten?
chhaltigkeitsaktivitäten
unmittelbar im Geschäftsbericht aus Sicht der Unternehmen
(mehrere Antworten möglich)
79 %
Im Geschäftsbericht
54 %
65 %
Auf der Homepage
bzw. im Internet
72 %
39 %
In einem
Nachhaltigkeitsbericht
Sonstiges
22 %
7%
22 %
Unternehmen kapitalmarktorientiert
Unternehmen nicht kapitalmarktorientiert
54 %
Hilfreich, um den Stakeholdern alle erforderlichen
Informationen gleichzeitig und zeitnah zur Verfügung zu stellen
HIlfreich, da nur noch ein Bericht angefertigt werden muss
und so Ressourcen und Aufwand gespart werden können
16
36 %
49 %
25 %
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
Herausfordernd, da nichtfinanzielle Informationen und Kennzahlen
38 %
mensinterner Experten – zum Beispiel aus dem
dieser Vorgehensweise hin: Fast zwei Fünftel nennen
Controlling – im Rahmen der Datenerhebung und
die eingeschränkte Verfügbarkeit nichtfinanzieller
-konsolidierung der nichtfinanziellen Informationen
Kennzahlen zum Zeitpunkt der Geschäftsberichtswertvoll sein.
erstellung als Herausforderung. In der Praxis sieht
man bei den Unternehmen mit einer etablierten
n die Unternehmen über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten?
Kombinierter Bericht – nicht alle Unternehmen
Nachhaltigkeitsberichterstattung in den letzten
sich dafür
Jahren
eine
Annäherung
des
Zeitpunkts
der
Vererstattung über die Nachhaltigkeitsaktivitäten unmittelbarinteressieren
im Geschäftsbericht
aus Sicht der
öffentlichung der Nachhaltigkeitsberichte an den
Die dargestellte Meinung bezüglich kombinierter
Geschäftsbericht.
Berichterstattung teilen jedoch nicht alle befragten
79 %
Im Geschäftsbericht
Unternehmen. Die nicht kapitalmarktorientierten
Synergieeffekte durch kombinierte Bericht54 %
Unternehmen sind in ihrer Einschätzung zurückhalerstattung
tender und nennen weniger häufig die Potenziale
65 %
der kombinierten Berichterstattung.
Zudem erwarDie befragten Unternehmen sehen ein weiteres
Auf der Homepage
bzw.
im Internet
ten sie, dass auf diesem Weg
nicht
alle
StakeholderPotenzial in der sogenannten kombinierten
Bericht72 %
gruppen angesprochen werden und die Berichte zu
erstattung: Sie erwarten dadurch eine Einsparung
umfangreich geraten könnten. Vielleicht bevorzugen
von Ressourcen. Durch die Erstellung eines kombi39 %
nierten Berichts erhoffen sich vor allem kapital-In einem sie gerade deshalb die Kommunikation über NachNachhaltigkeitsbericht
22 %im Internet, um eine große Bandbreite an
haltigkeit
marktorientierte Unternehmen die Nutzung von
Stakeholdern zu erreichen und ihre Informationen
Synergieeffekten. Diese könnten z. B. durch die
bedarfsgerecht
zu präsentieren.
Anwendung des vorhandenen Wissens unterneh7%
Sonstiges
22 %
Unternehmen kapitalmarktorientiert
Die Berichterstattung über die Nachhaltigkeitsaktivitäten unmittelbar
Unternehmen nicht kapitalmarktorientiert
im Geschäftsbericht aus Sicht der Unternehmen
(mehrere Antworten möglich)
54 %
Hilfreich, um den Stakeholdern alle erforderlichen
Informationen gleichzeitig und zeitnah zur Verfügung zu stellen
36 %
49 %
HIlfreich, da nur noch ein Bericht angefertigt werden muss
und so Ressourcen und Aufwand gespart werden können
25 %
38 %
Herausfordernd, da nichtfinanzielle Informationen und Kennzahlen
zum Zeitpunkt der Geschäftsberichterstellung vorliegen müssen
30 %
21 %
Weniger hilfreich, da mit dem Geschäftsbericht nicht alle
Stakeholdergruppen angesprochen werden können
Sonstiges
35 %
5%
3%
Unternehmen kapitalmarktorientiert
Unternehmen nicht kapitalmarktorientiert
Eine eingeschränkte Verfügbarkeit nichtfinanzieller Kennzahlen zum Zeitpunkt der
Geschäftsberichtserstellung stellt ein Hindernis für eine kombinierte Darstellung der
Unternehmensleistung im Geschäftsbericht dar.
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
17
Unte
10
Der Weg zu einem Bericht
Herausforderungen sind abhängig vom Status quo
GRI-Leitlinien als Hilfestellung
Die Ergebnisse unserer Befragung verdeutlichen,
dass die Unternehmen bei der Gestaltung der Nachhaltigkeitsberichterstattung einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüberstehen. Bei der Analyse
der Details fällt auf, dass diese Herausforderungen
in Relation zum Status quo der bestehenden Nachhaltigkeitskommunikation stehen. Diejenigen Unternehmen, die angeben, noch keine Nachhaltigkeitsinformationen zu veröffentlichen, sehen die größten
Hürden in der Identifizierung von Handlungsfeldern
und im Aufbau des internen Nachhaltigkeitsmanagements. Betrachtet man die Unternehmen, die bereits
auf die eine oder andere Weise ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten kommunizieren, stellt die Auswahl
von geeigneten nichtfinanziellen Kennzahlen die
größte Herausforderung dar, gefolgt vom Aufbau
der Berichtsprozesse und -systeme zur Erhebung
und Konsolidierung der Kennzahlen.
Die GRI-Leitlinien geben Unternehmen Hinweise auf
mögliche Vorgehensweisen zur Identifizierung von
Handlungsfeldern und zur Auswahl geeigneter
Kennzahlen. So enthalten die GRI-Leitlinien neben
den Grundsätzen zur Bestimmung der Berichtsinhalte und der Berichtsqualität auch eine Vielzahl
von Leistungsindikatoren für einzelne Themenkategorien aus den Bereichen Wirtschaft, Ökologie und
Gesellschaft (sog. GRI-Aspekte). Allerdings war in
der Vergangenheit die Einstufung der Berichterstattung in die Anwendungsebenen A, B und C an die
Anzahl der berichteten Leistungsindikatoren geknüpft. Für einige Unternehmen wurde damit die
Auswahl möglichst vieler Indikatoren zu einem
kritischen Erfolgsfaktor und erhöhte somit die Komplexität der Berichterstattung. Mit den neuen G4-Leitlinien der GRI, die im Mai 2013 veröffentlicht wurden,
wird der Grundsatz der Wesentlichkeit stark hervorheben. Die Unternehmen sollen ermutigt werden,
mit ihren Stakeholdern in Dialog zu treten und sich,
darauf aufbauend, auf die für ihr Geschäftsmodell
wesentlichen Themenfelder und Kennzahlen zu
konzentrieren.
Die Lösungsansätze für die genannten Herausforderungen
sind ebenso vielfältig wie die Unternehmensüber
nicht-finanzielle
landschaft in Deutschland.
Berichtserstattung
ten Herausforderung gesehen?
Wo werden bei der Berichtserstattung über nichtfinanzielle Kennzahlen die größten
Herausforderung gesehen?
(mehrere Antworten möglich)
65 %
Auswahl geeigneter Kennzahlen
Identifizierung von Handlungsfeldern und Aufbau
eines internen Nachhaltigkeitsmanagements
52 %
Aufbau der Berichtsprozesse und -systeme zur
Erhebung/Konsolidierung nichtfinanzieller Kennzahlen
51 %
Bereitstellung und Aufbau von benötigten Ressourcen
46 %
Auswahl eines geeigneten Berichtsstandards und/
oder Formats
Sonstiges
18
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
34 %
2%
Aus der Praxis: Entstehung eines Nachhaltigkeitsprogramms
Beim Aufbau des Nachhaltigkeitsmanagements und
der Nachhaltigkeitsberichterstattung starten die Unternehmen typischerweise mit einer Durchsicht und
Status-quo-Einschätzung der im Unternehmen vorhandenen Nachhaltigkeitsaktivitäten, -prozesse und
-verantwortlichkeiten.
Danach erfolgt eine Stakeholder- und Wesentlichkeitsanalyse, die im Regelfall in einer übersichtlichen
Wesentlichkeitsmatrix mündet.
Aufbauend auf diesen Ergebnissen wird anschließend ein Nachhaltigkeitsprogramm entwickelt. Die
Nachhaltigkeitsaspekte werden in die Unternehmensstrategie integriert; zur Umsetzung werden
Ziele, entsprechende Aktivitäten und Messgrößen
definiert.
Von einem Nachhaltigkeitsprogramm zum
fertigen Bericht
Die Basis für einen Nachhaltigkeitsbericht bildet ein
Berichtskonzept. Im Fokus steht dabei, ausgehend
vom Nachhaltigkeitsprogramm, das Kennzahlenset
einschließlich der Berichtsgrenzen.
Bei der Auswahl und der Definition der Kennzahlen
sollen nicht zuletzt branchen- und unternehmensspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden.
Unsere Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass vor
allem bei den Kennzahlen aus den Bereichen Human
Resources sowie Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit eine unternehmensspezifische Präzisierung unerlässlich ist, um Klarheit für die Datenerhebung zu
schaffen. Oftmals basieren die Kennzahlenberechnungen auf bestimmten Annahmen; in diesen Fällen
wie auch bei den Hochrechnungen und Schätzungen
sollen alle an der Datenerhebung beteiligten Mitarbeiter die Parameter kennen und einheitlich anwenden.
KPI?
Bereits seit 1992 bietet EY weltweit Beratungs-­‐
und Prüfungsleistungen im Bereich Nachhaltigkeit an. EY begleitet Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größenordnung bei der
Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten und bei
der Kommunikation von nichtfinanziellen Kennzahlen. Auch als Prüfer der Nachhaltigkeitsberichte sind wir gefragt. Weltweit verfügt EY
über ein Netzwerk von mehr als 700 Fachmitarbeitern im Bereich Climate Change and
Sustainability Services (CCaSS).
Ein Berichtskonzept beinhaltet neben der Definition
der Kennzahlen auch die Definition effizienter und
belastbarer Datenerhebungs- und -konsolidierungsprozesse. Dazu zählen auch die Klarstellung bezüglich der Rollen und Verantwortlichkeiten und die Erarbeitung der Aufgabenpakete für alle beteiligten
Fachbereiche.
Im Kontext der Berichterstellung können auch eine
Weiterentwicklung der unternehmensinternen Nachhaltigkeitsorganisation sowie die Einführung bzw.
Weiterentwicklung einer IT-Lösung für das Nachhaltigkeitsmanagement und -reporting sinnvoll erscheinen oder erforderlich werden.
Dem Berichtskonzept folgt die Erstellungsphase,
die insbesondere die Erhebung, Konsolidierung und
Validierung quantitativer und qualitativer Daten sowie die Zusammenstellung der Inhalte umfasst. In
der Praxis werden die Berichte durch den höchsten
Entscheidungsträger der Organisation wie Geschäftsführung oder Vorstand kritisch gelesen und nach
der Einarbeitung der Anmerkungen zur Veröffentlichung freigegeben.
In Anbetracht der Vielzahl möglicher Rahmenwerke für Nachhaltigkeitsmanagement
und -­k‐ ommunikation stellt die Auswahl geeigneter Kennzahlen eine Herausforderung
für Unternehmen dar.
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
19
11
Die Zukunft in der Glaskugel
Die Angaben der Unternehmen bezüglich ihrer Zukunftspläne im Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung ergeben ein sehr differenziertes Bild. Die
wesentlichen Entwicklungen spiegeln sich in den
nachfolgenden Trends wider:
Geschäftsbericht und Internet als häufigstes
Berichtsmedium
Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen planen in den nächsten zwei Jahren, ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten im Geschäftsbericht zu kommunizieren. Vor allem bei kapitalmarktorientierten
Unternehmen ist dieses Berichtsmedium sehr beliebt. Die Zahl der Unternehmen, die im Internet Informationen offenlegen wollen, ist jedoch nur geringfügig kleiner.
Neulinge wagen den ersten Schritt
Auch innerhalb der von uns befragten Unternehmen
befinden sich Unternehmen, die eine erstmalige
Nachhaltigkeitsberichterstattung anstreben. Die
„Neulinge“ präferieren hierbei vor allem den Geschäftsbericht als Kommunikationsmittel für Nachhaltigkeitsaktivitäten, gefolgt von einer Darstellung
der Informationen im Internet.
Vom Nachhaltigkeitsbericht zum integrierten
Bericht: kapitalmarktorientierte Unternehmen
auf dem Sprung
Der Gedanke der integrierten Berichterstattung ist
mittlerweile in der öffentlichen Diskussion angekommen. Mehr als 30 Prozent der kapitalmarktorientierten Unternehmen, die bereits einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, wollen sich künftig an der
integrierten Berichterstattung nach dem IIRC-Rahmenwerk orientieren.
Wo planen Unternehmen, die bisher nicht über Nachhaltigkeit berichten,
innerhalb der nächsten zwei Jahre ihre Berichtsaktivitäten?
(mehrere Antworten möglich)
17 %
Darstellung der Nachhaltigkeitsaktivitäten
im Geschäftsbericht
Darstellung des Nachhaltigkeitsberichts
im Internet
Eigenständiger Nachhaltigkeitsbericht
11 %
6%
Die Berichterstattung über Nachhaltigkeit bleibt in Deutschland auch in den nächsten
zwei Jahren vielfältig.
20
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
12
Fazit
Nachhaltigkeitsmanagement und -­k‐ ommunikation
werden in Deutschland zunehmend als Wettbewerbsfaktor gesehen und haben für eine große
Anzahl Unternehmen beachtliche Relevanz. Auch
die Diskussion über neue regulatorische Vorschriften wie die EU-­R
‐ ichtlinie zur Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen erhöht die Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Unternehmen, die heute noch
nicht berichten und in abwartender Haltung sind,
geraten aus verschiedenen Gründen immer mehr
unter Druck und stehen dann bei der Umsetzung
insbesondere aufgrund von Zeitdruck vor erschwerten Herausforderungen. Dies kann zu
Wettbewerbsnachteilen beim Ringen um Kunden,
Mitarbeiter und Kapital führen.
Die größten Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung des Nachhaltigkeitsmanagements und der Nachhaltigkeitsberichterstattung
sind die Identifikation von Handlungsfeldern sowie
die Definition von Kennzahlen. Die Leitlinien der
GRI und der Deutsche Nachhaltigkeitskodex
stellen nicht nur in dieser Hinsicht beliebte Orientierungspunkte dar. Auch der Gedanke einer
integrierten Berichterstattung nimmt an Bedeutung zu. Hinsichtlich des Kommunikationsmediums bietet sich den Unternehmen ebenfalls eine
Vielzahl von Möglichkeiten an: vom Nachhaltigkeitsbericht über das Internet bis hin zum Geschäftsbericht. Für Prognosen, ob sich in Zukunft
eine dominierende Berichtsform durchsetzen
wird, ist es allerdings noch zu früh.
Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung | 21
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Fax +49 181 3943 19105
[email protected]
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Pflicht oder Kür? Nachhaltigkeitsberichterstattung
in Deutschland: Standortbestimmung
Quellenverzeichnis
1 EY and Boston College Center for Corporate Citizenship (2014): Value of sustainability reporting
2 Global Reporting Initiative (GRI); für weitere Informationen siehe https://www.globalreporting.org,
abgerufen am 11. September 2014
3 United Nations Global Compact (UNGC); für weitere Informationen siehe https://www.unglobalcompact.org,
abgerufen am 11. September 2014
4 Deutscher Nachhaltigkeitskodex; für weitere Informationen siehe http://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de,
abgerufen am 11. September 2014
5 Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC); für weitere Informationen siehe http://www.drsc.de,
abgerufen am 11. September 2014
6 Sustainability Accounting Standards Board (SASB); für weitere Informationen siehe http://www.sasb.org,
abgerufen am 11. September 2014
7 U.S. Securities and Exchange Commission (SEC); für weitere Informationen siehe http://www.sec.gov,
abgerufen am 11. September 2014
8 International Integrated Reporting Council (IIRC); für weitere Informationen siehe http://www.theiirc.org,
abgerufen am 11. September 2014
9 EY (2014): Integrierte Berichterstattung – Wertsteigerungsmöglichkeiten für Unternehmen
10 IIRC: http://www.theiirc.org, abgerufen am 15. September 2014
11 GRI-Datenbank: http://database.globalreporting.org, abgerufen am 04. September 2014
12 EY/GRI (2014): Sustainability reporting – the time is now
13 EY (2014): EY Studentenstudie 2014: In welche Branchen zieht es deutsche Studenten?
14 GRI: G4 (2013): Leitlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung: Berichterstattungsgrundsätze und Standardangaben,
https://www.globalreporting.org/Pages/resource-library.aspx?resSearchMode=resSearchModeText&resSearchText=G4&resCatText=
Reporting+Framework&resLangText=German, abgerufen am 15. September 2014, für Informationen zu den Gemeinsamkeiten mit den
„zehn Prinzipien“ (2000) des Global Compact der Vereinten Nationen siehe S. 88
15 EY (2014): Integrierte Berichterstattung – Wertsteigerungsmöglichkeiten für Unternehmen
16 E
uropäischer Rat (2014): Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Gesellschaften und Konzerne, http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/intm/144945.pdf,
abgerufen am 1. Oktober 2014
17 GRI et al. (2013): Carrots and Sticks: Sustainability reporting policies worldwide – today’s best practice, tomorrow’s trends, https://
www.globalreporting.org/resourcelibrary/carrots-and-sticks.pdf, S. 28 ff., abgerufen am 11. September 2014
18 BDA/BDI/DIHK/ZDH (2013): CSR und Diversity: Berichterstattungszwang ist der falsche Weg, http://www.dihk.de/presse/meldungen/
2013-04-17-verbaende-csr, abgerufen am 15. September 2014
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EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory
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