Madonna: (What It Feels Like) For A Girl

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Madonna: (What It Feels Like) For A Girl
Serie: Musikvideos im Religionsunterricht - Teil 2:
Madonna: (What It Feels Like) For A Girl
Regie: Guy Richie
USA 2001 - 04:12 min
Video-Link: http://www.youtube.com/watch?v=ZihngWYHQUU
Lyrics-Link: http://www.azlyrics.com/lyrics/madonna/whatitfeelslikeforagirl.html
Wie eine Fortsetzung des im letzten Heft besprochenen TLC-Videos "Unpretty" erscheint
diese postmoderne JudgementDay-Erzählung zunächst. Wir sehen Madonna, wie sie ein
Motelzimmer verlässt, einen ziemlich heißen Wagen kurzschließt und davonfährt. Vor
einem Altersheim (wenig schmeichelhaft als "old kuntz guest home" übertitelt) legt sie
einen Zwischenstop ein, schnappt sich eine/ihre (?) Omi und zu zweit fahren sie durch
die Nacht einer gesichtslosen mittelkleinen Stadt.
Ziellos. Kreuz und Quer. "Cruising" nennt sich das - und damit ist die begriffliche Nähe
der Handlung zu einer "crusade", einem Kreuzzug schon vorgegeben. Auch andere sind
unterwegs und an einer Kreuzung ergibt sich - Abmachung per Augenzwinkern - die
Möglichkeit zu einem (wie's in Wien so schön heisst:) "Hatzerl", einem Kurzstreckenrennen von Ampel zu Ampel. Blöd nur für die drei testosterongesteuerten Dummbeutel
im gegnerischen Auto, dass Madonna spontan (?) die Spielregeln ändert, bereits bei rot
Gas gibt und nach einer 270°-Kurve das Männerauto brutal rammt.
Weiter geht die Fahrt - next stop: Bankomat. "The easiest way to bring money home" ist
- entgegen der Werbung - nicht der Western Union money Transfer sondern ein
Elektroschocker. Dieser ermöglicht - im rechten Moment eingesetzt - die Entnahme jenes
Geldes, das der Mann im Regenmantel gerade abheben wollte. Die Taschen des
Rennoveralls mit Scheinen vollgestopft gehts jetzt erst mal zum drive-in. Für ein wenig
fastfood & softdrinks werden der schwer schuftenden Frau mit den Tabletts die
Schürzentaschen überreich mit Geld gefüllt. Weil's grad Spaß macht, schrammt frau
dann noch schnell an einem Polizeiauto entlang und auf die zweite Provokation - eine
Wasserpistole - reagieren die Männer in Uniform dann endlich. Blöd nur, dass bei dem
provozierten Auffahrunfall der Airbag den Arm des Gestzes recht arm aussehen lässt.
Eine Amokfahrt durch die outskirts der Stadt hinterlässt verschreckte und verletzte
Streethockey-Spieler und demolierte Autos en masse. Auch Madonnas gelber Flitzer hat
jetzt ausgedient, schnell ist Ersatz besorgt - einem supercoolen Geltungstriebwagenfahrer wird das frisch betankte Statussymbol quasi unterm Arsch weggeklaut. Dass in
der Folge die Tankstelle in die Luft fliegt ist mehr oder weniger ästhetische Dreingabe
bevor Madonna ihren Panzer um einen Laternenpfahl wickelt.
Aus. Maus. Ende.
Doch halt! Das Nachdenken geht jetzt erst los (den Debattenteil über Gewaltdarstellung
und Zensurwürdigkeit ganz normaler Sachverhaltsdarstellungen übergehe ich jetzt mal)!
Ein Strafgericht wird hier abgehalten, ganz klar. Aber für wen war das Fass denn so voll,
dass Madonna als Racheengel tätig werden musste? "Rachegöttin" oder überhaupt "Gott"
zu lesen, wo "Madonna" steht verbietet sich angesichts ihrer erwiesenen Verletzlichkeit
und Sterblichkeit.
Wer also? Hier möchte ich an die beifahrende Omi erinnern. Eine Schlüsselszene ist wieder mal - als Parallelmontage angelegt (ca bei 03:33 min): Madonna panzert ihren
Körper, um draußen in der feindlich männlichen Welt bestehn zu können, gleichzeitig
panzert die Omi - während sie eine Autoverfolgungsjagd im Auto verfolgt - ihre
osteoporosemorschen Knochen. Das ganze Strafgericht wird dadurch lesbar als
Rachefantasie einer Frau am "Feier"abend ihres Lebens, Madonna ist in dieser Lesart nur
mehr ein Avatar der alten Frau.
So gesellt sich zum Verwertungszusammenhang "Gewalt" für dieses Video ein zweites
Thema: "Welche" - so könnte ein Arbeitsauftrag an SchülerInnen lauten - "welche
Erfahrungen im Leben einer Frau (vermutlichen Geburtsjahrgang beachten!) könnt ihr
euch als Grund für solche Gewalt- und Rachefantasien vorstellen? Schreibt einen fiktiven
Lebenslauf der Omi! Ist es heute besser bestellt um den Machismo?"
Christoph Örley
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Scheuen Sie sich nicht und m@ilen Sie mir!
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Nachsatz 2013:
In einem Interview mit Harper's Bazaar berichtet Madonna, dass sie Anfang der 1980er
Jahre vergewaltigt worden sei, was die Rachefantasien des besprochenen Videos wenn
nicht in einem anderen so doch in einem helleren Licht erscheinen lässt
(http://www.harpersbazaar.com/magazine/cover/madonna-interview-1113?click).