GratisKonzert Intime Töne live in der WandelBar
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18 KULTUR LESEN · HÖREN · SEHEN | BERLINER MORGENPOST Nachrichten THEATER Deutscher Kulturrat stellt sich hinter Falk Richter Der Deutsche Kulturrat unterstützt die Schaubühne und Regisseur Falk Richter bei ihrem AfD-kritischen Theaterstück. „Selbstverständlich ist die Aufführung von ,Fear‘ durch die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Kunstfreiheit geschützt“, sagte Geschäftsführer Olaf Zimmermann am Mittwoch. Selbstverständlich dürfe dem Druck aus der rechten Ecke zur Absetzung des Stückes nicht nachgegeben werden. KLASSIK Nelsons wird erst 2018 Gewandhauskapellmeister Der designierte Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons kann seinen Posten in Leipzig erst später antreten als bisher geplant. Der 36 Jahre alte Lette habe mehrere Verpflichtungen nicht lösen können, sagte Gewandhaussprecher Dirk Steiner am Mittwoch. Nelsons offizieller Amtsantritt verschiebe sich deshalb um fünf Monate auf Februar 2018. Künftig will er die Orchester in Boston und Leipzig gleichzeitig leiten. TV-QUOTEN Großes Interesse an Helmut-Schmidt-Sendungen Die Sondersendungen über Altbundeskanzler Helmut Schmidt waren am Dienstagabend gefragt. Die ARD-Gesprächsrunde „Zum Tode von Helmut Schmidt“ mit Sandra Maischberger und Peer Steinbrück (SPD) sahen um 20.15 Uhr 4,85 Millionen Zuschauer. Das „ZDF spezial“ um 19.22 Uhr interessierte 4,68 Millionen. Quotensieger war aber die Anwaltsserie „Die Kanzlei“ im Ersten mit 5,5 Millionen Zuschauern. Kultur-Redaktion: 030-8872 77 887 Telefax: 030-8872 77 967 E-Mail: [email protected] DONNERSTAG, 12. NOVEMBER 2015 Ein Aerobic-Abend mit Madonna Paavo Järvi dirigiert seine Musiker auf den Hexensabbat Bilderorgie in Berlin: Der Popstar zeigt erst eine opulente Show – und dann doch einige Schwächen Orchestre de Paris gastiert mit Cellostar Sol Gabetta in Berlin X VON MATTHIAS WULFF Auf der Videoleinwand erscheint eine Fessel, dann eine Maske, eine Blutspur läuft über das Gesicht, Madonna räkelt sich hinter einem Eisengitter. Sie schwebt hinab in einem Käfig, der scheinbar von Metallspeeren zusammengehalten ist. In einem blutroten Gewand und Latexstiefeln tritt sie auf die Bühne. Das gesamte Material eines gut sortierten SM-Studios wird sie an diesem Dienstagabend in der Mercedes-Arena präsentieren. Selbst mit einem bisschen guten Willen, das erfährt der Zuschauer später, lässt sich eine Tankstelle mit Gummireifen und Zapfpistole in einen erotischen Hotspot verwandeln. Katholizismus und Sexualität: Ihrem Markenkern bleibt sie treu Zwei Konzerte gibt Madonna in der Stadt, 26.000 Karten wurden verkauft, „Rebel Heart“ ist ihre zehnte Tour. Zwei Stunden dauert das Konzert, das, wie üblich bei ihr, mit Verspätung begonnen hatte, dieses Mal eine halbe Stunde. Sie hat in drei Jahrzehnten, in denen sie in der Showbranche arbeitet, ein gut gefülltes Arsenal an Provokationen angesammelt. Ihre fantastische „Blond Ambition Word Tour“ 1990 kreiste um Katholizismus und Sexualität. In ihrer „Confession Tours“ 2007 sang sie „Live to tell“ hoch oben an einem Kreuz, ihre Hände waren von Handschellen umklammert, ihr Haar umragte ein Dornenkranz. So gesehen ist sie ihrem Markenkern treugeblie- Ein Konzert als Achterbahnfahrt: Mal zeigt Madonna glänzende Momente, mal ist ihre Stimme seltsam quäkig ben. Auch 2015 tauchen riesige Kreuze auf, die muskulöse Männer betanzen, es wackeln Nonnen mit dem Po, die kaum mehr tragen als die standesgemäße Kopfdeckung, und auf dem Schoß eines Priesters, dem Madonna wahlweise etwas beichten oder ihn verführen möchte, landet sie erwartungsgemäß. Dieser bekreuzigt sich am Ende und versinkt in den Hallenboden. Das Spiel zwischen Sünde und dem Wunsch nach Vergebung ist ein Ping- GratisKonzert Intime Töne live in der WandelBar Die Band „Intime Töne“ interpretiert bekannte Songs auf unverkennbare Arte – ohne jeglichen technischen Schnickschnack und durch dreistimmige GesangsArrangements. Am Sonnabend, 14. November, 20 Uhr, sind die Musiker in der Sportsbar „Wandelbar“ in der Birkbuschstraße 87, 12167 Berlin Steglitz, zu Gast. In einem Gratis-Konzert werden die ausgefeilt arrangierten Songs auf akustischen Instrumenten vorgetragen. Tischreservierungen empfohlen unter 91501888 oder [email protected]. www.wandelbar-berlin.de pong, der für Madonna, insofern ein klassisches katholisches Schicksal, eine Lebensbeschäftigung ist. Ihr Einstieg ist bombastisch, opulent, eine Bilderorgie. Ein Meer von Tänzern, drei Videoleinwände, eine optische Überforderung. Bei „Burning up“ verwandelt sich die Arena in glutrotes Feuermeer, bei „Holy Water“ wird nach Leonardo da Vincis Abendmahl in einer eher freien Interpretation nachgestellt, auf dem sich lüstern die Tänzer umgarnen. Madonna wird zum Schluss oral befriedigt. Naja, nicht wirklich. Den roten Umhang hat sie sich zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich bereits entledigt und offenbart ihr Strapsenkostüm. Anstößig ist ihr Auftreten nicht und war es auch wohl nie, wenn man von christlichen Fundamentalisten absieht, die sich in den 90er-Jahren noch über sie empörten. Vielleicht fährt man ohnehin besser damit, ihr stetes Spiel mit Dominanz und Unterwerfung nicht als Brüskierung Anderer zu verstehen, sondern als ein freudiges Plädoyer für mehr Sex. Wenn sie den Pseudo-Nonnen auf den Po klatscht, hat sie augenscheinlich immer noch Spaß. So vergeht eine furiose halbe Stunde, in der das Zeitgefühl schwindet. Obwohl ihr Rebel Heart Album nun alles andere als aufregend oder gar stilprägend ist, ist die erste halbe Stunde, in der sie fünf Stücke der neuen Platte spielt, am sehenswertesten. Seltsam bei all ihrer Professionalität, und das ist auch ein wenig ernüchternd, ist, dass sie ausgerechnet ihre Hits aus den 80er-Jahren vergurkt. In einer getragenen, spanisch angehauchten Version werden „Dress you up“, „Into the groove“ und „Lucky star“ verstümmelt und jede Tanzbarkeit ge- DPA/RAINER JENSEN nommen, ihre Stimme ist in dieser Phase ungewohnt quäkig, auch später bei „Material Girl“ ist der Takt verlangsamt, was dem Lied nicht gut tut. So gleicht das Konzert stellenweise einer Achterbahnfahrt, die auch immer wieder glänzende Momente aufweist, so wie bei „Deeper and deeper“ und „Body shop“, die elektrisierend und rhythmusgetrieben sind. Insgesamt bleiben für ein Popkonzert erstaunlich viele Menschen durchgehend sitzen. Auch dass drei Lieder gespielt werden, die zumeist für akrobatische (und auch sehenswerte) Übungen genutzt werden, in der Zeit Madonna aber nicht auf der Bühne ist, machen den Abend unrund. Madonna ist, das ist jetzt keine neue Erkenntnis, auf eine phänomenale Weise alterslos. Wird sie jemals alt, fragte sich die „New York Times“, wird sie jemals „arthritisch, aufgedunsen, wie eine Frau in den Wechseljahren aussehen?“ Der Artikel erschien 2006. 2015 ist Madonna 57 Jahre, und die Frage lässt sich nun leicht beantworten. Nein, sie wird nicht alt. Sie ist durchtrainiert, gelenkig, beherrscht ihren Körper. So ist es eine charmante Lüge, wenn sie in „Devil Pray“ singt „And we can do drugs and we can smoke weed and we can drink whiskey“. Also, andere können das bestimmt, aber sie führt ein Leben als Fitnessprogramm. Das ist insofern bemerkenswert, dass ausgerechnet jemand, der so leidenschaftlich für Regelverstöße und Ausschweifungen in ihren Auftritten und Liedern eintritt, sich selber einem knallharten Regiment der Körperkontrolle unterwirft. Ihre Konzerte sind, da kann sie sich noch so intensiv mit der Pole Dance Stange beschäftigen, nicht erotisch aufgeladen, sondern ein perfekter Aerobic-Abend. Es gibt sie noch, die guten alten Repertoire-Klischees: Wenn ein deutsches Orchester ins Ausland reist, nimmt es Werke von Beethoven mit. Wenn dagegen ein französisches Orchester nach Deutschland kommt, hat es mit hoher Wahrscheinlichkeit Berlioz’ „Symphonie fantastique“ im Gepäck. Kaum verwunderlich also, dass nun schon der zweite französische Klangkörper innerhalb eines Jahres mit genau diesem Meisterwerk in Berlin gastiert – nach dem Orchestre Philharmonique de Radio France im März folgt jetzt das Orchestre de Paris unter seinem Musikdirektor Paavo Järvi. Es ist die letzte Saison des viel beschäftigten estnischen Dirigenten bei den Parisern. Gewissermaßen zum Abschied touren sie durch Europa. Und um es gleich vorwegzuKLASSIK-KRITIK nehmen: Es wird ein besonderer Abend in der Philharmonie. Ein Abend, an dem man sich an der „Symphonie fantastique“ op. 14 kaum satthören kann. Beinahe sportlich nimmt Järvi den Kopfsatz, flexibel federt er im nachfolgenden Walzer. Je nach Bedarf klingen die Streicher mal seidig, mal brillant. Sehr wandlungsfähig auch die Holzbläser: von verführerisch schwebend bis erdig dunkel. Zum Ende des dritten Satz erhöht Järvi die Spannung beträchtlich. Statt Schlankheit und Wendigkeit fordert er nun zunehmende geräuschhafte Expressivität. Erstaunlich gesittet lässt er die Musiker allerdings zum Schafott marschieren. Von ortsansässigen Orchestern ist man da in der Philharmonie ganz andere Lautstärken gewohnt. Eines ist gewiss: Järvi gehört nicht zu jenen Dirigenten, die sich sichtbar verausgaben und im Schweiße ihres Angesichts von der Bühne wanken. Seine Körpersprache wirkt kontrolliert, seine Bewegungen demonstrieren Überblick und Souveränität. Die Pariser bleiben unter Järvi stets seriös und publikumsfreundlich – trotz heftiger Hexensabbat-Effekte, trotz grunzender Blechbläser und keifender Streicher. Vergleichsweise harmlos mutet Berlioz’ hierzulande eher unbekannte Konzertouvertüre „Le corsaire“ ganz zu Beginn des Abends an. Schwungvoll, doch ohne wirkliches Risiko nimmt Järvi die waghalsigen ersten Takte. Gepflegt und kultiviert geht er über so manch überraschende harmonische Wendung hinweg. Umso überzeugender gelingt ihm SaintSaëns a-Moll-Cellokonzert op. 33. Gentleman Järvi rollt Solistin Sol Gabetta weiche Teppiche aus, fordert Leichtigkeit und Intimität vom Orchester. Er schenkt der Argentinierin viel Raum zur Entfaltung. Und den nutzt die 34-Jährige vorbildlich: mittels sinnlicher Eleganz, unerschöpflichen Farben und energischen Akzenten. Um eine Zugabe muss das Publikum danach nicht lange bitten. Denn Sol Gabetta und Paavo Järvi nehmen schnell wieder ihre Plätze ein, um Gabriel Faurés bittersüße Elégie op. 24 folgen zu lassen. Und auch hier übt sich das Orchestre de Paris wieder in höflicher Zurückhaltung, zeigt sich Järvi als äußerst feinfühlender Begleiter. Felix Stephan Mut zum Gefühl „Nordwind“-Leiterin Ricarda Ciontos bevorzugt radikale Kunstkonzepte Es sei natürlich sehr schade, dass Pjotr Pawlenski aller Wahrscheinlichkeit nach nicht da sein wird, sagt Ricarda Ciontos. „Andererseits finde ich ihn extrem konsequent und glaubwürdig in seinen Aktionen. Er tut, was er tut, und dafür wirft er alles in die Waagschale“, so die Leiterin des am Sonnabend beginnenden „Nordwind“-Festival. Der russische Protestkünstler hatte am Sonntag eine Tür zum berüchtigten Moskauer Geheimdienstgebäude Lubjanka angezündet. Er wurde sofort verhaftet. Am Dienstag entschied der Untersuchungsrichter, ihn bis auf weiteres in Haft zu lassen. Pawlenski wiederum bestand in einer Vernehmung darauf, als Terrorist behandelt zu werden. Die Gerichtsverhandlungen sind Teil seiner „Kunstaktionen“. Eigentlich wollte er am 28. November in Berlin sein, um an einer Diskussion in der Volksbühne teilzunehmen. „Wir haben uns bewusst für Pjotr entschieden, er ist und bleibt einer der wichtigsten Künstler der diesjährigen Festival-Ausgabe“, sagt Ricarda Ciontos, „ob er nun in persona erscheint oder nicht.“ Ricarda Ciontos leitet in Berlin das „Nordwind"-Festival BM/T. GOOD Vor zehn Jahren hat sie das Festival für Tanz, Musik, Performance und Malerei gegründet. In Zeiten, als sich alle nach Afrika oder Asien orientierten, suchte sie nach Künstlern in Skandinavien. Viele schüttelten den Kopf, inzwischen ist das Festival in mehreren Städten zu Hause und hat einen Etat von rund 600.000 Euro. Sie kann sich noch gut an ihre Anfangszeiten als Scout erinnern. Während die Kollegen von hochsubventionierten Festivals im Ausland selbstverständlich ins Taxi stiegen, hatte sie kein Geld dafür und gebrauchte Ausreden. „Ich will noch ein bisschen shoppen gehen“, sagte sie dann immer und verschwand schnell. Ricarda Ciontos wurde 1968 als Tochter eines rumänischen Richters und einer deutschen technischen Zeichnerin in Siebenbürgen geboren. Der Vater wollte keine politischen Prozesse führen, zehn Jahre später kam die Familie nach Deutschland. Sie wurde Schauspielerin und hatte immer eine Schwäche für eigensinnige Künstlerpersönlichkeiten. „Ich suche eher nach radikaleren Handschriften“, sagt sie. In Oslo war sie etwa auf Vegard Vinge gestoßen, der gerade aus der Oper geflogen war. Sie holte ihn zu „Nordwind“, danach wurde er sofort an die Volksbühne engagiert. Solche Geschichten kann sie einige erzählen. An den Skandinaviern und Balten mag sie besonders, dass sie „Mut zum Gefühl haben“, ja es gäbe ein gewisses nordisches Pathos. Volker Blech „Nordwind“ vom 14.11. bis 23.12.