Wenn Bienen ins Schwärmen kommen Der Lebenslauf

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Wenn Bienen ins Schwärmen kommen Der Lebenslauf
Wenn Bienen ins Schwärmen kommen
Regelmäßig während der Vegetationszeit – oft schon im Mai bzw. Juni - gehen beim städtischen Amt für Umweltschutz bzw. den Naturschutzbeauftragten Anrufe besorgter Bürger ein, die in ihrem Garten einen Bienenschwarm
im Gehölz gesichtet haben. Die traubenartige Ansammlung von mehr als
10.000 Bienen flößt dem einen oder anderen gehörigen Respekt, wenn nicht
sogar Angst und Schrecken ein. Dies ist aber in der Regel unbegründet:
Während des Schwärmens sind die Bienen ausgesprochen friedlich. Sie
folgen nur ihrem Instinkt, der sie veranlasst, zusammen mit der alten Königin
den Bienenstock zu verlassen und an anderer Stelle einen neuen Bienenstaat zu gründen. Im Ausgangsbienenvolk übernimmt nach dem Ausschwärmen eine in der Zwischenzeit herangewachsene Jungkönigin die
„Führung“. Das Schwärmvolk sammelt sich als Schwarmtraube oft in der Nähe des Muttervolks z.B. in Baumzweigen. Von dort werden mehrere hundert
Spurbienen losgeschickt, um geeignete Nistgelegenheiten - möglichst in
Baumhöhlen - auszukundschaften. Wenn sie einen geeigneten Nestplatz gefunden haben, kehren sie zum Schwarm zurück und weisen die anderen Bienen mittels Schwänzeltanz auf den genauen Standort ihrer Fundstelle hin.
Je überzeugter sie von dem Nistplatz sind, umso ausdauernder wird getanzt:
ein guter Platz wird im Bienenschwarm laut einer amerikanischen Studie
(SEELEY, T.D. et al. 2006) mit bis zu 100 Tänzen angezeigt, ein schlechterer
mit deutlich weniger. Die Entscheidung des Bienenschwarms für einen
Standort ist schließlich von der Zahl der „überzeugten“ Kundschafter abhängig: in den Experimenten von SEELEY kamen die Bienen erst ins „Schwärmen“, sobald sich etwa 15 Kundschafter klar für einen Ort „ausgesprochen“
hatten. Bis spätestens nach 10 Tagen muss der Schwarm eine neue Behausung gefunden haben, solange reichen die Honigvorräte, die die Bienen in
ihren Honigmägen mitführen.
Der Imker bemerkt schon frühzeitig (2-4 Wochen vorher), dass ein Volk ins
Schwärmen kommt: als erste Vorbereitung legen die Bienen neue Königinnenzellen (Weiselzellen) an, die sich an den unteren Rändern der Waben
befinden. Insgesamt macht sich eine „Volksträgheit“ breit, da der Bau- und
Sammeltrieb deutlich zurückgeht. Die Königin nimmt kein Futter mehr zu
sich. Sie wird deshalb schlanker und gewinnt so ihre Flugfähigkeit zurück.
Kurz vor dem Auszug beginnen die wanderwilligen Bienen wild durcheinander zu rennen, hochfrequente Vibrationsimpulse zu erzeugen und die ebenfalls auszugswillige Altkönigin durch Beißen und Ziehen an den Beinen und
Flügeln zu traktieren. Danach beginnt der Auszug, der die Luft im Umkreis
um den Stock mit einem mächtigen Brausen erfüllt. Zurück bleiben nur die
allerjüngsten und die ältesten Arbeiterinnen, samt der noch nicht ausgeschlüpften Jungkönigin und den Larven. Der Schwarmtrieb dient der Vermehrung der Bienenvölker durch Teilung. Auslöser ist in der Regel Platzmangel
im Bienenstock, der infolge des Zuwachses des Bienenvolkes zwangsläufig
zunimmt: es finden sich immer mehr Ammenbienen, die Brut pflegen wollen,
aber nicht mehr ausreichend Brut vorfinden. Dem Imker bereitet der
Schwarmtrieb seiner Bienen grundsätzlich großes Kopfzerbrechen, da sein
Bienenstock auf ca. ein Drittel der Ausgangsgröße reduziert wird und das
zurückgelassene Muttervolk kaum mehr Honig liefert. Er ist deshalb bestrebt,
das Schwärmen frühzeitig zu erkennen und möglichst zu verhindern. Dies
erreicht er beispielsweise durch frühzeitiges „Schröpfen“ der Völker, d.h.
eine gewisse Menge an Bienen und Brut werden entnommen. Dieser Ableger wird mit einer schlupfreifen Weiselzelle bzw. einer fertigen Jungkönigin
versehen und außerhalb des bisherigen Flugradius aufgestellt.
In der Regel werden die gemeldeten Schwärme an Imker weitervermittelt, die
sie fachgerecht versorgen. Gartenbesitzer, denen ein Bienenschwarm zufliegt, können sich an die Feuerwehr, an den Imkerverein Pforzheim oder
auch an das Amt für Umweltschutz wenden (Tel. 39-2000). Die Aneignung
von Bienenschwärmen regelt das BGB (§§961-964): grundsätzlich sind Bienenschwärme herrenlos, soweit sie der ursprüngliche Eigentümer nicht unverzüglich verfolgt, bzw. sobald er die Verfolgung aufgibt. Offenbar zählt jedoch das Bienenrecht im BGB zum unbedeutendsten Regelungskreis des
deutschen Privatrechts: Im Kommentar zum BGB (Palandt) ist keine Gerichtsentscheidung zu diesem Bereich angeführt, so dass zu vermuten ist,
dass sich die Imker in der Vergangenheit auch ohne gesetzliche Regelung
gütlich einigen konnten.
Der Lebenslauf einer
Bienen-Arbeiterin
Bienentraube an Haselstrauch in einem
Garten am Hanfackerweg
In den Weiselzellen (Pfeil) entwickeln
sich die Jungköniginnen
Arbeiterin beim Schlüpfen
Weitere Informationen zu der hochinteressanten und schier unerschöpflichen Bienenthematik liefert folgende kleine Auswahl an Literatur:
x
TAUTZ, J. (2007): Phänomen Honigbiene. Spektrum Akadem. Verlag
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HINTERMEIER, H.&M. (2005): Bienen, Hummeln, Wespen. Obst- und Gartenbauverlag München
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von FRISCH, Karl: Sprache und Orientierung der Bienen. Verlag Hans Huber,
Bern und Stuttgart
Arbeiterin im Anflug
Fotos / Text: Hilligardt ; Grafik rechts: Lebenslauf einer Bienenarbeiterin nach PFEFFERLE (1976, verändert)