in Curitiba (B - Heinrich-Heine
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in Curitiba (B - Heinrich-Heine
Erfahrungsbericht von Jessica Bossems – Mein Forschungsaufenthalt an der Universidade Federal Do Paraná (UFPR) in Curitiba (Brasilien) vom 07.02.2013 bis 22.04.2013 – gefördert und ermöglicht durch ein Wolters-Vollhardt-Vollstipendium Eckpunkte des Projekts und der Kooperation 10-wöchiger Forschungsaufenthalt zur Durchführung verhaltensbiologischer Experimente mit stachellosen Bienen und Datenerhebung für meine Masterarbeit, die sich thematisch mit Farbpräferenzen von stachellosen Bienen befasst. Betreut wird die Arbeit durch Herrn Prof. Dr. Klaus Lunau, Leiter des Instituts für Sinnesökologie an der Heinrich-Heine-Universität. Die Betreuung an der UFPR erfolgte durch Herrn Prof. Dr. Gabriel Augusto Rodrigues de Melo, Assosicate Professor in der Entomologie der UFPR, und einen Doktoranden, Laércio Neto. Organisation des Forschungsaufenthaltes Die Organisation wurde durch einen bereits bestehenden Kontakt zur UFPR, insbesondere durch die Unterstützung von Laércio Neto, stark erleichtert. Laércio arbeitet als einer der ersten Studenten an verhaltensbiologischen Zusammenhängen in einer sonst eher systematisch-orientierten Arbeitsgruppe unter Prof. Dr. Melo und hatte daher besonderes Interesse mein Projekt zu begleiten. Der Kontakt zwischen dem Institut für Sinnesökologie der HHU und der entomologischen Abteilung der UFPR wurde bereits vor ca. einem Jahr über Laércio hergestellt, als dieser einen Ökologiekurs von Prof. Dr. Lunau in Campinas (Brasilien) besuchte. Prof. Dr. Lunau vermittelte zu Beginn meiner Vorbereitungsphase den Kontakt zu Laércio, sodass ich organisatorische Dinge direkt mit ihm besprechen konnte. Einen großen Teil der Vorbereitung lief über Laércio ab, der bereits vor meiner Ankunft eine Wohnmöglichkeit in einem Appartment organisierte, die Aufzucht/Versorgung der Bienen übernahm und die formale Angelegenheiten (Einladungsschreiben, Zugangsberechtigungen etc.) mit Prof. Dr. Melo besprach. Zudem sendete Laércio regelmäßig Fotos von den Aufzuchtbehältern der Bienen und der möglichen Arbeitsplätze zu, sodass es möglich war die geplanten Experimente bereits im Vorfeld an die Gegebenheiten in Brasilien anzupassen. Die gesamte Vorbereitungszeit betrug ca. 5-6 Monate. In den ersten drei Wochen hatte ich zudem Unterstützung von Sarah Papiorek, einer Doktorandin von Prof. Dr. Lunau, die bereits Erfahrung im Umgang mit stachellosen Bienen sammeln konnte und mit mir zusammen nach Curitiba geflogen ist, um ebenfalls an der UFPR mit stachellosen Bienen zu arbeiten. Aufgrund der guten Vorbereitung mussten nach unserer Ankunft lediglich kleinere formale Angelegenheiten (Aushändigung der Zugangsberechtigung, Schlüsselübergabe etc.) erledigt werden und wir konnten zeitnah mit der Durchführung der Vorversuche und Versuche beginnen. Land und Leute Curitiba ist die Hauptstadt des Bundesstaats Paraná und gehört mit einer Bevölkerungsdichte von nur 4024 Einwohnern pro km² und einer großen Anzahl an Parks und Grünflächen zu einer der „angenehmen“ Großstädte Brasiliens. Insbesondere durch die Anlegung eines gut-strukturierten öffentlichen Verkehrsnetzes und dem gezielten Erhalt von Grünflächen gilt Curitiba als eine der innovativsten und ökologischsten Städte Brasiliens. Trotz dieser Bemühungen und dem westlichen Einfluss durch viele europäische Einwanderer nach 1850 sind die Organisation und der Komfort einer Stadt wie Curitiba nicht mit denen einer Stadt wie Düsseldorf vergleichbar. Für mich war es schwierig sich in einer so lauten und hektischen Stadt, die auf den ersten Blick ohne Verkehrsregeln, geregelten Ladenöffnungszeiten oder Busfahrplänen auszukommen scheint, zu Recht zu finden. Auch von den Leuten, denen man in den Straßen, in Restaurants und an der Universität begegnet ist, war ich etwas „enttäuscht“. Bisher dachte ich, dass Brasilianer insbesondere für ihre Offenheit, Gastfreundschaft und Fröhlichkeit bekannt sind. In Curitiba habe ich nicht viel davon gefunden, vielmehr wirkten viele Leute gestresst, ignorant und gleichgültig. Auch das Wetter ist eher untypisch für brasilianische Verhältnisse: es ist eher kühl und in den Sommermonaten braucht man ohne Regenschirm erst gar nicht aus dem Haus gehen. Es wurde mir aber bestätigt, dass sowohl Leute als auch Wetter „CuritibaPhänomene“ seien. So ist Curitiba zum Kennenlernen der brasilianischen Mentalität und Kultur wohl eher ungeeignet, da hier weder das Großstadtflair von Rio de Janeiro noch die Gelassenheit und Freundlichkeit einer ländlicheren Kleinstadt vorzufinden sind. Das Forschungsprojekt Im Rahmen meiner Masterarbeit beschäftige ich mich mit dem Farbensehen und den Farbpräferenzen von stachellosen Bienen, welches bisher kaum erforscht wurde. Von hiesigen Bienen, wie z.B. der westlichen Honigbiene Apis mellifera oder der Dunklen Erdhummel Bombus terrestris ist bekannt, dass das Farbsehen beim Auffinden von Blüten und damit von Nahrungsquellen eine tragende Rolle spielt. Zudem gibt es Hinweise, dass bestimmte Parameter von Farbe (insbesondere die Sättigung bzw. spektrale Reinheit einer Farbe) das Wahlverhalten von Bienen beeinflusst. Während meinem Forschungsaufenthalt habe ich verschiedene Farbwahlversuche mit zwei stachellosen Bienenarten Melipona mondury und Melipona quadrifasciata durchgeführt. Hierbei wurden verschiedene Kombinationen der drei gängigen Farbparameter (Farbton, Farbhelligkeit und Farbsättigung) auf verschiedenen Hintergründen angeboten (Tabelle 1 und Abbildung 1, rechts) und das Wahlverhalten der Bienen beobachtet. Neuartig an diesem Projekt ist neben der Arbeit mit stachellosen Bienen auch die Gestaltung der Blütenattrappen: i.d.R. werden Blütenattrappen aus bedrucktem/bemaltem Papier oder vorgefärbtem Moosgummi oder Pappkarton angefertigt. Diese Methodik ist zwar einfach und kostengünstig, hat aber den entscheidenden Nachteil, dass die Kombination der drei Farbparameter stark eingeschränkt ist. Soweit bekannt, arbeite ich nun erstmals mit Pigmentpulvern, die beliebig gemischt werden können und so eine Vielzahl an Farbton-, Farbhelligkeits-, und Farbsättigungskombinationen zulassen. Die Mischungen der Pigmentpulver wurden in kleine Petrischalen (Ø 3 cm) gepresst und in einer Flugarena (60 x 60 x 30 cm) präsentiert. Vor jeder dieser Blütenattrappen wurde ein Deckel eines Eppendorfgefäß mit Zuckerwasser als Belohnung platziert. In einem ersten Schritt wurden Bienen direkt vom Bienenstock abgefangen, zur Flugarena gebracht und an einen in der Arena platzierten Feeder angesetzt, der ebenfalls mit Zuckerwasser belohnt war (Abbildung 1, links). Bienen, die das Zuckerwasser als hochwertige Belohnung anerkannt haben, kehrten immer wieder zum Versuchsplatz zurück. Nach einigen Anflügen wurde der Feeder aus der Flugarena entfernt und das jeweilige Versuchsset-Up aufgebaut (Abbildung 1, mittig). Ab diesem Zeitpunkt begann die Datenaufnahme, bei der vermerkt wurde, welche der präsentierten Blütenattrappen präferiert (also angeflogen und das Zuckerwasser getrunken) wurde. Tabelle 1: Übersicht der verwendeten Set-Ups – In den Set-Ups I bis III wurde jeweils ein Farbton in verschiedenen Helligkeits- und Sättigungskombinationen angeboten, um den Einfluss dieser beiden Parameter zu untersuchen. In Set-Up IV wurde der Einfluss von UVreflektierendem und UV-absorbierendem Weiß in je zwei Helligkeitsstufen getestet. Set-Up V wurde individuell, basierend auf dem Wahlverhalten der Bienen in den Set-Ups I bis IV, zusammengestellt, um die „persönliche Farbtonpräferenz“ einer Biene zu ermitteln. Erläuterung der Abkürzungen: H = Helligkeit; S = Sättigung; UV-abs. = UV-Licht absorbierend; UV-refl. = UV-Licht reflektierend; die Anzahl der Sterne gibt das Maß des jeweiligen Parameters wieder: *** = hoch; **= mittel; * = gering. Set-Up I Set-Up II Set-Up III Set-Up IV Set-Up V Farbton Skye Blue Ultramarine Blue Yellow White Parallele Helligkeits-/ H***/S*** H***/S*** H***/S*** UV-abs. H*** Präsentation der Sättigungs- H**/S*** H**/S*** H**/S*** UV-abs. H** jeweils präferierten kombinationen H**/S* H**/S* H**/S* UV-refl. H*** Attrappen aus den H*/S** H*/S** H*/S** UV-refl. H** Set-Ups I bis IV Abbildung 1: Flugarena und Auswahl der Set-Ups I bis IV – Zu Beginn werden die Bienen mittels Feeder (Markierung durch violetten Pfeil) an den Versuchsplatz und die Flugarena trainiert (links). Nach einem erfolgreichen Training an die Arena wird der Feeder entfernt und das zu testende Set- Up (hier Set-Up III) aufgebaut (mittig). Pro Biene werden alle Set-Ups auf zwei Hintergründen (grau und grün) getestet (rechts; dargestellt sind Set-Up I bis IV). Der Arbeitsplatz Ursprünglich sollten die Versuche mit blütennaiven Bienen, die in einem Brutschrank aufgezogen wurden, in einem überdachten Bereich der Universität durchgeführt werden. Leider gab es einige Probleme bei der Aufzucht bzw. bei der Überführung der Tiere vom Brutschrank in den Versuchsbereich, sodass viele der blütennaiven Bienen gestorben sind oder aufgrund von verkümmerter Flugmuskulatur flugunfähig waren. Die Aufzucht eines neuen Ablegers hätte mehrere Wochen in Anspruch genommen, sodass ich mit den bereits erfahrenen Bienen arbeiten musste. Die Bienenstöcke der erfahrenen Bienen waren in einem bepflanzten Innenhof der Universität in unmittelbarer Nähe zu einigen Gewächs- und Gartenhäusern (Abbildung 2). Die beiden Versuchsplätze lagen jeweils vor und hinter dem abgebildeten Gartenhaus und wurden wöchentlich gewechselt, sodass ich mit verschiedenen Bienenstöcken arbeiten konnte. Leider waren keine Überdachungen vorhanden, sodass die Versuchszeiten nach dem Wetter ausgerichtet werden musste, da bei starkem Regen sowohl die Versuchsarena als auch die Blütenattrappen beschädigt wurden und die Bienen sich in ihren Stock zurückziehen. Abbildung 2: Arbeitsplatz im Innenhof der Universität – Sowohl vor als auch hinter dem Gartenhaus (Unterbringungsmöglichkeit aller Materialien) stehen mehrere Bienenstöcke, die insgesamt drei Melipona-Arten beherbergen (links und mittig). Der rechte Teil der Abbildung zeigt den Arbeitsplatz, der hinter dem Gartenhaus liegt. Die Distanz zwischen Arbeitsplatz und Bienenstock betrug zwischen 6 und 8 Metern. Die ersten Ergebnisse Derzeit liegt noch keine detaillierte Auswertung der Ergebnisse vor, allerdings lassen sich bereits jetzt erste (unerwartete) Tendenzen erkennen. Aufgrund des schlechten Wetters zum Ende des Forschungsaufenthaltes konnte eine der Bienenarten (M. quadrifasciata) nur auf dem grauen Hintergrund getestet werden (Ergebnisse siehe Abbildung 3c). Melipona mondury konnte sowohl auf dem grünen als auch auf dem grauen Hintergrund getestet werden (Ergebnisse siehe Abbildung 3a/b). Unsere Erwartung war, dass Bienen insbesondere Blütenattrappen mit der Kombination H***/S*** und H**/S*** präferieren sollten, da bisherige Studien zeigen, dass die Farbsättigung der Parameter ist, der das Wahlverhalten beeinflusst. Ebenfalls wurde davon ausgegangen, dass bis zu einem bestimmten Grad lediglich die absoluten Sättigungswerte einer Farbe von Bedeutung sind; platt ausgedrückt: „Viel hilft viel“. Die Ergebnisse zeigen aber, dass insbesondere bei den Farbtönen „Skye Blue“ und „Ultramarine Blue“ starke Präferenzen für die Blütenattrappen mit der Kombination H**/S*** und H*/S** gezeigt werden. Eine (zu diesem Zeitpunkt) gewagte Interpretation könnte sein, dass gar nicht die absoluten Werte eines einzigen Farbparameters das Wahlverhalten beeinflussen, sondern dass das Verhältnis zweier Parameter (Helligkeit und Sättigung) zueinander über den Blütenbesuch entscheiden bzw. das Wahlverhalten beeinflusst. Ein weiterer interessanter Aspekt sind die unterschiedlichen Ergebnisse bezüglich des Set-Up V (dem Farbtontest). Ausgehend von unserer Hypothese, dass ausschließlich die Sättigung einer Farbe über einen Blütenbesuch entscheidet, sollten in diesem Test keine starken Präferenzen gezeigt werden. Dennoch zeigen beide Arten eine starke Farbtonpräferenz: Melipona mondury für „Ultramarine Blue“; Melipona quadrifasciata hingegen für „Yellow“. Eine plausible Erklärung für diese sehr eindeutigen Präferenzen liegt derzeit noch nicht vor (möglicherweise spielt hier die bereits gesammelte Erfahrung eine Rolle). a) b) Abbildung 3: Darstellung der gezeigten Präferenzen (angegeben in %) in den verschiedenen Set-Ups I bis V – a) Gezeigte Präferenzen der Art Melipona mondury mit n = 20 Individuuen auf grauem Hintergrund. Insbesondere bei den Farbtönen „Skye Blue“ (Set-Up I) und „Ultramarine Blue“ (Set-Up II) werden starke Präferenzen für die Kombinationen H**/S*** und H*/S** gezeigt. Beim Set-Up III geht diese Präferenz etwas verloren, hier werden wie erwartet die Kombinationen H***/S*** und H**/S*** präferiert. Im Set-Up IV werden UV-reflektierende, weiße Blütenattrappen gegenüber den UV-absorbierenden, weißen Blütenattrappen präferiert, die Helligkeit scheint das Wahlverhalten kaum zu beeinflussen. Im Farbtontest (Set-Up V) zeigen 17 von 20 Bienen eine Präferenz für „Ultramarine Blue“ b) Gezeigte Präferenzen der Art Melipona mondury mit n = 20 Individuuen auf grünem Hintergrund. Die deutlichen Präferenzen für H**/S*** und/oder H*/S** aus den Set-Ups I c) und II (insbesondere I) und für UV-reflektierendes Weiß in Set-Up IV nehmen etwas ab und gleichen sich in ihrer Häufigkeit an. Die gezeigten Präferenzen in Set-Up III gelten sowohl für den grauen als auch den grünen Hintergrund. Die Präferenz im Farbtontest bleibt ebenfalls, wenn auch etwas abgeschwächt, erhalten. c) Gezeigte Präferenzen der Art Melipona quadrifasciata mit n = 16 Individuuen auf grauem Hintergrund. In den Set-Ups I bis III zeigten die M. quadrifasciata ähnliche Präferenzen wie die M. mondury. Lediglich die Ergebnisse in den Set-Ups IV mit einer starken Präferenz für UV-absorbierende, weiße Blütenattrappen und V mit einer starken Präferenz für „Yellow“ weichen von den Ergebnissen der M. mondury ab. Resümee Der Forschungsaufenthalt hat mich sowohl fachlich als auch persönlich ein ganzes Stück nach vorne gebracht. Zwar ist Curitiba keine Stadt, die ich jemals als Urlauber besuchen möchte, dennoch waren die Arbeitsbedingungen an der Universität sehr gut, da der Arbeitsplatz ruhig und für mich jederzeit zugänglich war. Auch die Arbeit mit den stachellosen Bienen verlief hervorragend. Lediglich die kühlen Temperaturen in den letzten 2-3 Wochen meines Aufenthaltes schränkte die Arbeit mit den Bienen ein. Daher ziehe ich für mich den Schluss: Gerne wieder an die UFPR um mit stachellosen Bienen zu arbeiten, allerdings etwas früher im Jahr, sodass man die Sommermonate besser nutzen kann und nicht Gefahr läuft von einem frühen Herbstbeginn eingeschränkt zu werden. Und um etwas vom brasilianischen Leben mitzunehmen, lieber im Anschluss an die Arbeit noch eine Woche privaten Urlaub dranhängen und raus aus Curitiba ;-) Vielen herzlichen Dank für die Unterstützung durch das Wolters-Vollhardt-Stipendium, welches mir das Sammeln all dieser tollen Erfahrungen und Daten erst ermöglichte!