Fall 43 - Beckmann

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Fall 43 - Beckmann
Fall 43: "Verspätet gelieferte Tauftorte"
R betreibt mehrere Hotels und Restaurants mit zahlreichen Angestellten. Häufig finden in seinen
Räumen Feierlichkeiten statt. Normalerweise läßt R hierfür das Essen für seine Gäste von eigenen
Mitarbeitern herstellen. Da am 1.5. in den Räumen des R mehrere parallele Feiern stattfinden sollen,
gibt R bei der Bäckerei B für eine an diesem Tag stattfindende Tauffeier 10 Torten für einen Preis
i.H.v. DM 500,- in Auftrag. R erklärt, die Torten seien für eine Tauffeier und sollten durch B pünktlich
zum Kaffee um 15.00 h geliefert werden. Am 1.5. macht sich B rechtzeitig auf den Weg, um die Torten
bei R abzugeben. Während der Fahrt zu R gerät B aber in einen Verkehrsunfall, den X verursacht. Als
B um 15.15 h noch nicht erschienen ist, beschafft sich R entsprechende "Ersatztorten" bei einer
örtlichen Großkonditorei, die noch geliefert werden, bevor B gegen 15.30 h erscheint. R ist an den
Torten von B nicht mehr interessiert und verweigert die Annahme. B verlangt Zahlung der Torten.
Zu Recht?
Anspruch des B gegen R auf Zahlung eines Betrags i.H.v. DM 500,- aus §§ 651 I, 433 II BGB
I. Entstehen des Zahlungsanspruchs
Wirksame Einigung zwischen B und R über die Herstellung und Lieferung vertretbarer Sachen aus
von B zu beschaffenden Stoffen
=> Entstehen eines Zahlungsanspruchs aus §§ 651 I, 433 II BGB
II. Erlöschen des Zahlungsanspruchs gem. § 323 I BGB?
1. Bestehen eines gegenseitigen Vertrages zwischen R und B
s.o.
2. Nachträgliche Unmöglichkeit einer aus dem Vertrag herrührenden im Gegenseitigkeitsverhältnis
stehen Leistung des B?
a) Leistungspflicht des B steht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des R
b) Unmöglichkeit dieser Leistung?
Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Schuldner seine Leistungspflicht nicht erfüllen kann, d.h. wenn der
geschuldete Leistungserfolg nicht erbracht werden kann.
Hier: aufgrund der Nichtlieferung durch B um 15.00 h?
Versäumung der Leistungszeit: grds. Eintritt von Verzug, kein Fall der Unmöglichkeit
aa) Ausnahme - im Falle eines absoluten Fixgeschäfts:
Eintritt von Unmöglichkeit durch Zeitablauf, wenn die Leistung ihrem Gegenstand nach mit Zeitablauf
nicht mehr nachholbar ist bzw. ihren Sinn verliert.
Hier: Ausdrücklich vereinbarter Lieferungszeitpunkt - 15.00 h;
gleichwohl: auch mit (zumindest kurzfristiger) Überschreitung hatte Leistung des B noch Sinn.
=> keine Unmöglichkeit aufgrund der Nichtlieferung um 15.00 h
bb) Unmöglichkeit aufgrund Überschreitung eines "beschränkten Erfüllungszeitraums"?
Erfüllungszeitraum = Zeitraum, innerhalb dessen eine sinnvolle Erfüllung noch möglich ist (Larenz,
Schuldrecht I AT § 21 I a).
Mit Überschreitung des Erfüllungszeitraumes wird eine Leistung endgültig unmöglich.
Hier: spätestens gegen 19.00 h Leistung des B nicht mehr nachholbar und sinnlos
=> rechtliche Einordnung: Bestehen eines beschränkten Erfüllungszeitraumes
=> Eintritt von Unmöglichkeit erst nach Ablauf dieses Zeitraumes
(Hinweis: teils keine Unterscheidung zwischen absoluten Fixgeschäft und Ablauf eines
Erfüllungszeitraumes [etwa Münchener Kommentar/Emmerich, 2. Aufl., § 275 Rn. 24]; wie hier Larenz,
Schuldrecht I AT, 14. Aufl., § 21 I a)
Hier: Überschreitung eines Erfüllungszeitraumes?
PD Dr. Roland Michael Beckmann
Wintersemester 199/2000
Repetitorium im Privatrecht
Entscheidendes Kriterium: Kann das Gläubigerinteresse noch erfüllt werden?
Hier: trotz halbstündiger Verspätung hat Lieferung des B um 15.30 h noch Sinn
=> kein Ablauf des Erfüllungszeitraumes um 15.30 h
=> keine Unmöglichkeit infolge der nicht rechtzeitigen Lieferung
III. Untergang des Zahlungsanspruchs gem. § 376 HGB
1. Anwendbarkeit des § 376 HGB
Voraussetzung: (Einseitiges) Handelsgeschäft zwischen B und R i.S.d. § 343 HGB.
a) Kaufmannseigenschaft des R gem. § 1 II HGB
b) Geschäft zum Betriebe des R gehörig.
2. Tatbestand des § 376 HGB
Vorauss.:
a) Relatives Fixgeschäft zwischen R und B
Vereinbarung, daß die Leistung des einen Teils genau zu einer bestimmten Zeit oder innerhalb eines
festbestimmten Frist bewirkt werden soll ("fix", "exakt", "genau").
Hier: ausdrückliche Fristvereinbarung, aus der die Wichtigkeit der pünktlichen Lieferung hervorgeht
=> relatives Fixgeschäft zwischen R und B
b) Überschreitung der Lieferfrist durch B
3. Rechtsfolge des § 376 HGB:
Rücktrittsrecht bzw. Schadensersatzanspruch des Gläubigers
Hier: Weigerung der Annahme durch R als Rücktritt zu verstehen
=> Untergang des Zahlungsanspruchs des B gem. § 376 HGB
PD Dr. Roland Michael Beckmann
Wintersemester 199/2000
Repetitorium im Privatrecht

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