Claus-Wilhelm Canaris, München Die Reform des Rechts der

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Claus-Wilhelm Canaris, München Die Reform des Rechts der
Claus-Wilhelm Canaris, München
Die Reform des Rechts der Leistungsstörungen*
Übersicht
I. Ausschluß und Hemmung des primären Leistungsanspruchs nach § 275 KF ................................................. 3
1. Der Ausschluß des primären Leistungsanspruchs nach § 275 Abs. 1 KF ................................................... 3
a) Die Gleichstellung von objektiver und subjektiver Unmöglichkeit ......................................................... 3
b) Die Gleichstellung von nachträglicher und anfänglicher Unmöglichkeit ............................................... 4
c) Die Gleichstellung von nicht zu vertretender und zu vertretender Unmöglichkeit .................................. 4
d) Die Einbeziehung der teilweisen und der zeitweiligen Unmöglichkeit ................................................... 5
2. Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 KF........................................................................... 6
a) Die einschlägigen Tatbestände .............................................................................................................. 6
b) Die Abgrenzung gegenüber der „wirtschaftlichen“ Unmöglichkeit, der Unzumutbarkeit und verwandten
Tatbeständen............................................................................................................................................. 7
c) Das Gläubigerinteresse als entscheidender Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung.................... 8
d) Das Erfordernis eines „groben“ Mißverhältnisses und der darin liegende Bezug von § 275 Abs. 2 KF
auf Extremfälle ......................................................................................................................................... 9
e) Der „Inhalt des Schuldverhältnisses“ und die Bedeutung des Unterschiedes zwischen Stück- und Gattungsschuld ............................................................................................................................................. 10
f) Die Bedeutung des Vertretenmüssens................................................................................................... 10
g) Die Bedeutung des Angebots eines angemessenen Ausgleichs durch den Schuldner ............................ 11
h) Die Rechtsfolge des Leistungsverweigerungsrechts ............................................................................. 13
i) Die dogmatische Einordnung von § 275 Abs. 2 KF.............................................................................. 14
3. Das Redaktionsversehen in § 275 Abs. 3 KF ........................................................................................... 15
4. Vergleich mit den Parallelregelungen in den UNIDROIT Principles und den European Principles.......... 16
II. Die Einstandspflicht für anfängliche Unmöglichkeit nach § 311a KF......................................................... 16
1. Die Wirksamkeit des Vertrages nach § 311a Abs. 1 KF........................................................................... 16
a) Der Regelungsgehalt von § 311a Abs. 1 KF ........................................................................................ 16
b) Das Verhältnis von § 311a Abs. 1 KF zu den Nichtigkeits- und Anfechtungsgründen ......................... 17
c) Das Verhältnis von § 311a Abs. 1 KF zu § 275 KF und das Entstehen eines Vertrages ohne primäre
Leistungspflicht....................................................................................................................................... 18
2. Die Regelung des § 311a Abs. 2 KF ........................................................................................................ 18
a) Die Zugrundelegung des Verschuldensprinzips statt des Garantiegedankens ....................................... 18
b) Die Eigenständigkeit der Tatbestandsvoraussetzungen von § 311a Abs. 2 KF gegenüber § 280 Abs. 1
KF und der Charakter der Vorschrift als Anspruchsgrundlage................................................................. 19
c) Die Rechtsfolgen gemäß § 311a Abs. 2 KF.......................................................................................... 20
d) Die Problematik einer Analogie zu § 122 BGB ................................................................................... 21
e) Die Sonderproblematik der zeitweiligen Unmöglichkeit ...................................................................... 21
3. Vergleich mit den Parallelregelungen in den UNIDROIT Principles und den European Principles.......... 22
III. Besondere Regelungen für gegenseitige Verträge ...................................................................................... 22
1. Das Schicksal des Anspruchs auf die Gegenleistung nach § 326 KF........................................................ 22
a) Das Erlöschen des Anspruchs auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 KF ........................................ 22
b) Der Fortbestand des Anspruchs auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 2 KF...................................... 23
c) Die Änderung der Rückabwicklungsregelung von § 323 Abs. 3 BGB .................................................. 24
2. Der Rücktritt nach den §§ 323 f. KF ....................................................................................................... 24
a) Die Entzerrung der Rücktrittsgründe................................................................................................... 24
b) Die Herausnahme der Unmöglichkeit aus dem Anwendungsbereich von § 323 KF und die Sonderproblematik der zeitweiligen Unmöglichkeit................................................................................................. 25
c) Die Anhebung der tatbestandlichen Schwelle für den Rücktritt............................................................ 26
d) Zwei ungeregelte Fragen: Die Wirkung von Einreden und die von beiden Parteien zu vertretende Unmöglichkeit ............................................................................................................................................. 27
IV. Die Haftung nach den §§ 280 – 284 KF .................................................................................................... 29
1. Die Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 – 283 KF ........................................................................... 29
a) § 280 KF als zentrale Anspruchsgrundlage und die Entzerrung der Schadensersatztatbestände ........... 29
b) Die Trennung von Pflichtverletzung und Vertretenmüssen in § 280 Abs. 1 KF und die damit verbundenen Schwierigkeiten hinsichtlich der Verteilung der Beweislast .............................................................. 30
2
c) Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 281 – 283 KF und die Abstimmung mit dem Rücktrittsrecht
............................................................................................................................................................... 31
d) Die Problematik der Wahl zwischen „kleinem“ und „großem“ Schadensersatz nach §§ 281 Abs. 1 Satz
3, 283 Satz 2 KF ..................................................................................................................................... 32
e) Die Kombination zwischen Schadensersatz und Rücktritt nach § 325 KF............................................ 34
f) Das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Leistung und dem Anspruch auf Schadensersatz statt der
Leistung .................................................................................................................................................. 35
g) Die Bedeutung des Verzugs im Rahmen von § 281 KF........................................................................ 36
h) Die Stellung der Unmöglichkeit im Rahmen des Schadensersatzrechts und die Sonderproblematik der
zeitweiligen Unmöglichkeit..................................................................................................................... 37
2. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 284 KF.......................................................................... 38
a) Der Zweck der Regelung ..................................................................................................................... 38
b) Die Unterschiede der Regelung des § 284 KF gegenüber § 325 Abs. 1 Satz 2 DiskE und ihre Gründe. 39
c) Der Wegfall des Anspruchs auf die Vertragskosten nach den §§ 439 Abs. 2, 636 Abs. 2 DiskE........... 41
V. Der Haftungsmaßstab des § 276 KF ........................................................................................................... 42
1. Die Übernahme eines Beschaffungsrisikos und die Behandlung der Gattungsschuld ............................... 42
2. Die verschuldensunabhängige Haftung für Geldschulden ........................................................................ 44
VI. Die Kodifizierung „ungeschriebener“ Rechtsinstitute................................................................................ 44
1. Die Regelung der culpa in contrahendo gemäß §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 KF ............................... 45
a) Der Schutzumfang nach § 241 Abs. 2 KF............................................................................................ 45
b) Die Haftung des potentiellen Vertragspartners nach § 311 Abs. 2 KF.................................................. 45
c) Die Einbeziehung Dritter nach § 311 Abs. 3 KF.................................................................................. 47
2. Zur Regelung der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 KF ....................................................... 48
VII. Die wichtigsten Neuerungen und ihre Bewertung .................................................................................... 49
1. Die wichtigsten Abweichungen der KF vom DiskE und die weitgehende Wiederannäherung an das BGB
................................................................................................................................................................... 49
a) Inhaltliche Abweichungen der KF vom DiskE..................................................................................... 49
b) Gesetzgebungstechnische Abweichungen der KF vom DiskE .............................................................. 49
2. Die wichtigsten Abweichungen der KF vom BGB ................................................................................... 50
a) „Große“ Abweichungen....................................................................................................................... 50
b) „Kleine“ Abweichungen...................................................................................................................... 51
3. Die Beschränkung der KF auf das erforderliche Maß an Neuregelungen und das Fehlen „gänzlich neuer
Ordnungselemente“ in der KF..................................................................................................................... 51
4. Die Pflichtverletzungsterminologie und ihre Mängel............................................................................... 52
5. Zusammenfassung der Änderungsanregungen mit Formulierungsvorschlägen ........................................ 53
VIII. Schlußbemerkungen............................................................................................................................... 54
Anhang: Synopse von Diskussionsentwurf und Konsolidierter Fassung........................................................... 56
Bekanntlich hat das Bundesministerium der Justiz eine Kommission1 mit dem Auftrag eingesetzt, die in
seinem Diskussionsentwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 4.8.20002 enthaltenen Vorschriften des Leistungsstörungsrechts zu überarbeiten. Diese hat ihre Arbeit in einer konstituierenden
Sitzung am 17. Januar dieses Jahres aufgenommen, dabei eine Reihe von Arbeitsgruppen gebildet, sich
zu einer zweiten Plenarsitzung am 10. und 11. Februar getroffen und ihre abschließenden Beschlüsse
am 2. und 3. März gefaßt. Das Bundesministerium der Justiz hat sich die Vorschläge der Kommission
* Ausgearbeitete Fassung des am 31.3.2001 auf der Tagung der Zivilrechtslehrervereinigung in Berlin gehaltenen Vortrags; die Vortragsform ist nur teilweise beibehalten
1
Dieser haben angehört Ministerialdirektor a.D. Prof. Dr. Walter Rolland, Halle, als Vorsitzender, Prof. Dr.
Günter Brambring, Köln, Prof. Dr. Wolfgang Däubler, Bremen, Prof. Dr. Wolfgang Ernst, Bonn, Prof. Dr.
Barbara Grunewald, Bonn, Leitender Ministerialrat Dr. Lothar Haas, Celle, Präsident des OLG Bremen a.D.
Prof. Dr. h.c. Helmut Heinrichs, Kellenhusen, Prof. Dr. Andreas Heldrich, München, Prof. Dr. Horst Konzen,
Mainz, Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Medicus, Tutzing, Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Schlechtriem, Freiburg, Prof. Dr.
Arndt Teichmann, Mainz, Prof. Dr. Harm Peter Westermann, Tübingen sowie ich selbst.
2
Im folgenden abgekürzt als DiskE.
3
in der konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs vom 6. März3 durchweg zu eigen gemacht, so
daß diese sowohl die Ergebnisse der Kommissionsarbeit als auch den aktuellen Stand des Reformvorhabens wiedergibt. Daher werde ich zunächst anhand der Ihnen vorliegenden Synopse4 die wichtigsten Änderungen der konsolidierten Fassung gegenüber der ursprünglichen Fassung des Diskussionsentwurfs
und damit zugleich das Reformprojekt in seiner derzeitigen Fassung vorstellen und besprechen, da man
dieses ohne eine solche – z.T. zwangsläufig auch ins Detail gehende – Einzelerörterung nicht angemessen beurteilen kann. Erst anschließend werde ich auf allgemeine Grundfragen des Reformvorhabens zu
sprechen kommen.
I. Ausschluß und Hemmung des primären Leistungsanspruchs nach § 275 KF
Am tiefgreifendsten hat die Kommission § 275 DiskE5 verändert, der Gegenstand heftiger und intensiver
Kritik des Schrifttums war.6 Die KF weicht von dieser Bestimmung inhaltlich und z.T. auch strukturell
grundlegend ab.
1. Der Ausschluß des primären Leistungsanspruchs nach § 275 Abs. 1 KF
In § 275 Abs. 1 KF ist die Unmöglichkeit, die in § 275 DiskE überhaupt nicht mehr enthalten war und
erklärtermaßen „ihre zentrale Position im Recht der Leistungsstörungen verlieren“ sollte,7 als Grund für
den Ausschluß des primären Leistungsanspruchs – oder, wie heute statt dessen nicht selten gesagt wird,
des Anspruchs auf Leistung „in Natur“ – wiederhergestellt worden. Damit ist aber nicht etwa eine unmodifizierte Rückkehr zur derzeitigen Fassung von § 275 BGB verbunden; im Gegensatz zu dieser werden vielmehr von § 275 KF alle Fälle der Unmöglichkeit erfaßt.
a) Die Gleichstellung von objektiver und subjektiver Unmöglichkeit
Demgemäß gilt § 275 Abs. 1 KF nicht nur für die objektive Unmöglichkeit, sondern grundsätzlich auch
für das Unvermögen.8 Das war in den Beratungen der Kommission unumstritten und ergibt sich klar aus
dem Wortlaut der Vorschrift, da dieser daran anknüpft, daß die Leistung „dem Schuldner unmöglich
3
Im folgenden abgekürzt als KF.
Diese ist im Anhang abgedruckt.
5
Die Vorschrift lautet: „Besteht die Schuld nicht in einer Geldschuld, kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit und solange er diese nicht mit denjenigen Aufwendungen zu erbringen vermag, zu denen er nach
Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses verpflichtet ist.“
6
Vgl. schon Brüggemeier, Verhandlungen des sechzigsten Deutschen Juristentags, 1994, Band II/1, S. K 59
ff.; Ernst JZ 1994, S. 801 ff.; vertiefend und verschärfend sodann U. Huber, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 49 ff., 142 ff.; vgl. ferner Wilhelm/Deeg JZ 2001, 230
ff.; Canaris, in Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. ???
7
So der Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, herausgegeben vom Bundesminister der Justiz, 1992, S. 120; ebenso DiskE S. 309; eingehende und differenzierende Kritik daran bei Canaris
(Fn. 6) S. ???., die sich in der Akzentsetzung und z.T. auch in den Ergebnissen wesentlich von der Kritik U.
Hubers unterscheidet.
8
Die Fn. 1 zu dem vom Bundesjustizministerium veröffentlichten Text von § 275 Abs. 1 KF, wonach sich diese Vorschrift nur auf die objektive Unmöglichkeit bezieht, beruht offenbar auf einem Versehen; die Fußnoten
stammen vom Ministerium und sind mit der Kommission nicht abgestimmt worden.
4
4
ist“.9 § 275 Abs. 1 KF ist daher z.B. auch dann anwendbar, wenn die geschuldete Sache einem Dritten
gehört, der zu ihrer Veräußerung nicht bereit ist, oder wenn sie gestohlen und die Suche nach dem Dieb
aussichtslos ist.
Daß § 275 Abs. 1 KF auch die objektive Unmöglichkeit erfaßt, ist selbstverständlich und ergibt sich aus
einem argumentum a fortiori zu den Worten „dem Schuldner“. Die abweichende Fassung von § 311a
Abs. 1 KF, wo es „für den Schuldner oder für jedermann“ heißt, erklärt sich daraus, daß dort wegen der
damit verbundenen Abschaffung von § 306 BGB anders als bei § 275 Abs. 1 KF nicht die Geltung für
den Schuldner, sondern genau umgekehrt die Geltung für jedermann keine Selbstverständlichkeit darstellt. Zur Vermeidung einer Irritation des Lesers erscheint aber eine Harmonisierung des Wortlauts der
beiden Vorschriften als zweckmäßig, wobei ich die Reihenfolge „für jedermann oder für den Schuldner“
für vorzugswürdig halte.
b) Die Gleichstellung von nachträglicher und anfänglicher Unmöglichkeit
Anders als die §§ 275, 280 BGB gilt § 275 Abs. 1 KF nicht nur für die nachträgliche, sondern auch für
die anfängliche (objektive oder subjektive) Unmöglichkeit. Auch das geht mit hinreichender Deutlichkeit
aus dem Wortlaut der Regelung hervor; denn diese weist insoweit keine Differenzierung auf, sondern erfaßt im Gegenteil sprachlich auch die anfängliche Unmöglichkeit, indem sie die Formulierung
„unmöglich ist“ und nicht wie § 275 BGB „unmöglich wird“ verwendet. Daß der Vertrag nach § 311a
Abs. 1 KF in diesen Fällen gleichwohl wirksam ist, stellt ein anderes Problem dar, auf das ich zurückkommen werde.10
c) Die Gleichstellung von nicht zu vertretender und zu vertretender Unmöglichkeit
Im Gegensatz zum Wortlaut der §§ 275, 280 BGB, aber im Einklang mit der Interpretation dieser Vorschriften durch die h.L.11 unterscheidet § 275 KF nicht zwischen nicht zu vertretender und zu vertretender Unmöglichkeit. Das ist sachgerecht.12 Denn auch dann, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit zu
vertreten hat – z.B. weil er die verkaufte Sache vor deren Übereignung fahrlässig zerstört hat – ist es
sinnlos, dem Gläubiger einen Anspruch zu geben, den der Schuldner nicht erfüllen kann und der sich
demgemäß nicht einmal theoretisch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen ließe.
9
Dieses – sich geradezu aufdrängende – Wortlautargument verkennen Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz, Anmerkungen und Fragen zur konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, 2001, S. 27, wenn sie – offenbar irregeführt durch Fn. 1 zu § 275 KF (vgl. dazu soeben Fn. 8) –
mutmaßen, „daß nunmehr alle Fälle des Unvermögens von § 275 II KF erfaßt werden sollen“; dieser Text, der
bisher als solcher nicht publiziert, aber ins Internet eingestellt ist (http://www.uni-koeln.de/jurfak/lbrah/Publ_pdf/Schuldrechtsreform.pdf), wird hier und im folgenden nach derjenigen Fassung zitiert, die
mir Frau Dauner-Lieb am 23.3.2001 zugesandt hat.
10
Vgl. unten II 1 c.
11
Vgl. z.B. Soergel/Wiedemann, 12. Aufl. 1990, § 280 Rdn. 30; Staudinger/Löwisch, 1995, § 275 Rdn. 56;
Palandt/Heinrichs, 60. Aufl. 2001, § 275 Rdn. 24; a.A. vor allem U. Huber, Festschr. für Gaul, 1997, S. 232
ff.; ders., Leistungsstörungen Bd I, 1999, § 4 III 4 c und Bd II § 58 I 1.
12
Vgl. dazu näher Canaris (Fn. 6) S. ??? (unter I 2 f) gegen U. Huber ZIP 2000, 2141 f. und 2146 ff.
5
Daß zweifelhaft und streitig sein kann, ob Unmöglichkeit vorliegt, halte ich entgegen manchen Stimmen im
Schrifttum13 für kein relevantes Gegenargument. Darin liegt nämlich ein reines Beweislastproblem, das nach
den für diese geltenden allgemeinen Regeln zu lösen ist. Es statt dessen dadurch bewältigen zu wollen, daß
man dem Schuldner zusätzlich zu dem Beweis der Unmöglichkeit hier auch noch den Beweis fehlenden Vertretenmüssens auferlegt, verquickt zu Unrecht eine Frage, die ihren genuinen Platz im Rahmen der Schadensersatzproblematik hat, mit der Frage nach dem Bestand der primären Leistungspflicht des Schuldners. Zwar
mag man versuchen, die Unterscheidung zwischen nicht zu vertretender und zu vertretender Unmöglichkeit in
den §§ 275 und 280 BGB de lege lata mit Überlegungen über Beweisschwierigkeiten zu legitimieren, weil diese Unterscheidung sich ja nun einmal aus dem derzeitigen Text des Gesetzes zu ergeben scheint, doch sehe ich
keinen Anlaß, sie auch noch de lege ferenda als ein generelles Abgrenzungskriterium14 aufrechtzuerhalten.
Denn der Gläubiger ist hinreichend geschützt: Er kann auf Leistung klagen und abwarten, ob dem Schuldner
der Beweis der Unmöglichkeit gelingt, sowie hilfsweise auf Schadensersatz klagen oder auch die vom Schuldner behauptete Unmöglichkeit unstreitig stellen und sofort auf Schadensersatz klagen.
d) Die Einbeziehung der teilweisen und der zeitweiligen Unmöglichkeit
Durch das Wort „soweit“ erfaßt § 275 KF auch die Teilunmöglichkeit. Das entspricht der derzeitigen
Fassung von § 275 BGB und bedarf daher keiner weiteren Erläuterung.
Das Wort „solange“ zielt natürlich auf die zeitweilige Unmöglichkeit ab. Solange diese andauert, ist
somit eine Klage auf Erfüllung als derzeit unbegründet abzuweisen (mit einer entsprechend eingeschränkten Rechtskraftwirkung), sofern nicht eine Klage auf zukünftige Leistung erhoben und gemäß §
259 ZPO ausnahmsweise zulässig ist15. Umgekehrt ergibt sich aus dem Wort „solange“ zugleich
zwanglos, daß die Klage grundsätzlich von dem Augenblick an begründet ist, in dem das Leistungshindernis wegfällt.16 Wird also z.B. die Blockade, welche die Lieferung der geschuldeten Ware unmöglich
macht, aufgehoben oder taucht die verkaufte Sache, die dem Schuldner gestohlen worden ist, wieder auf,
hat dieser sie grundsätzlich, d.h. vorbehaltlich der alsbald17 zu erörternden Einschränkungen, an den
Gläubiger zu leisten. Diese Ergebnisse, die vom Boden des derzeit geltenden Rechts aus nicht für alle
Fallvarianten der h.L. entsprechen,18 erscheinen als vollauf interessengerecht. Warum sollte denn z.B.
der Erbe eines Kunstwerks, der zu dessen Übereignung an einen Vermächtnisnehmer verpflichtet ist,
oder ein Händler, der ein solches verkauft hat, dieses behalten dürfen, wenn er es nach einem Diebstahl
wieder zurückerlangt?! Dogmatisch bedeutet die Einbeziehung der zeitweiligen Unmöglichkeit in § 275
Abs. 1 KF, daß der Anspruch auf Erfüllung dem Grunde nach fortbesteht, aber zwischenzeitlich durch
eine Einwendung gehemmt ist.
Der Gläubiger gerät durch diese Lösung nicht in eine unzumutbare Schwebesituation. Nach § 326 Abs.
1 KF entfällt nämlich auch seine eigene Leistungspflicht, solange die Unmöglichkeit andauert und der
13
Besonders pointiert zuletzt Wilhelm/Deeg JZ 2001, 225 f.
Daß die Unterscheidung eine gewisse Restbedeutung behält, ist ein anderes Problem, vgl. dazu unten I 2 d.
15
Vgl. dazu z.B. RGZ 168, 321, 325 f.
16
Auch hier übergehen Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 26 die – m.E. wiederum sehr naheliegende
– Wortlautinterpretation, wenn sie monieren, daß „die genauen Rechtsfolgen eines solchen Wegfalls der temporären Unmöglichkeit nicht ganz klar werden“; vgl. dazu auch unten Fn. 156.
17
Vgl. unten bei und nach Fn. 20.
18
Vgl. z.B. Palandt/Heinrichs § 275 Rdn. 19; anders und m.E. richtig z.B. Staudinger/Löwisch § 275 Rdn. 30.
14
6
Schuldner daher nach § 275 Abs. 1 KF nicht zu leisten braucht;19 eine etwa schon erbrachte Leistung
kann der Gläubiger nach § 326 Abs. 4 KF zurückfordern. Wird die Leistung des Schuldners wieder
möglich, aktualisiert sich auch die Gegenleistungspflicht des Gläubigers, da dann die Voraussetzungen
des § 326 Abs. 1 KF nicht mehr erfüllt sind und die daraus folgende hemmende Einwendung folglich
endet.
Will der Gläubiger einem solchen Wiederaufleben seiner Leistungspflicht vorbeugen, so kann er grundsätzlich
gemäß § 323 KF zurücktreten.20 Außerdem kann er nach §§ 280, 283 KF Schadensersatz statt der Leistung
verlangen,21 sofern dem Schuldner der Entlastungsbeweis hinsichtlich des Vertretenmüssens mißlingt.
Schließlich bleibt ebenso wie nach der derzeit geltenden Rechtslage auch noch die – nicht ausdrücklich geregelte – Lösung, die zeitweilige Unmöglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen als dauernde Unmöglichkeit
zu qualifizieren22 mit der Folge, daß der Gläubiger von seiner Pflicht zur Gegenleistung nach § 326 KF endgültig frei wird. Auf diesem Wege kann auch den legitimen Interessen des Schuldners, dem der Entwurf keine
Möglichkeit eröffnet, die Schwebelage von sich aus zu beenden, Rechnung getragen werden.23 Bei genauerer
Analyse der Rechtsfolgen zeigt sich allerdings, daß die Problematik der zeitweiligen Unmöglichkeit in der KF
in mehrfacher Hinsicht nicht völlig befriedigend geregelt ist.24
2. Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 KF
Der Regelung des § 275 Abs. 1 KF, die als Einwendung ausgestaltet ist, wird in Abs. 2 ein Leistungsverweigerungsrecht, das seiner Rechtsnatur nach eine bloße Einrede darstellt, an die Seite gestellt.
a) Die einschlägigen Tatbestände
Tatbestandlich und funktionell werden damit zwei unterschiedliche Fallgruppen erfaßt. Zunächst bezieht
sich die Vorschrift auf die sogenannte faktische oder auch praktische Unmöglichkeit. Mit diesem Begriff pflegt man solche Fälle zu bezeichnen, in denen die Behebung des Leistungshindernisses zwar
theoretisch möglich wäre, aber von keinem vernünftigen Gläubiger ernsthaft erwartet wird wie in dem
immer wieder zitierten Beispiel des geschuldeten Rings auf dem Grund des Sees.25
Weitaus wichtiger als die Erfassung solcher bloßer Lehrbuchbeispiele sind die Fälle, in denen rechtlich
zweifelhaft ist, ob sie als Unvermögen zu qualifizieren sind oder nicht. Wie viel muß also z.B. der
Schuldner, der irrtümlich eine fremde Sache verkauft hat, dem Eigentümer bieten, um diesen zu einem
Verkauf zu bewegen und so das Leistungshindernis zu beseitigen? Und welche Anstrengungen muß der
Schuldner zur Wiedererlangung der geschuldeten Sache auf sich nehmen, wenn ihm diese durch Dieb-
19
In § 326 Abs. 1 KF heißt es zwar nur „Soweit der Schuldner nach § 275 Abs. 1 oder 2 nicht zu leisten
braucht“, doch würde man die Pedanterie zu weit treiben, wollte man darunter nur die teilweise und nicht auch
die zeitweilige Unmöglichkeit verstehen; freilich ist ein Zusatz „und solange“ leicht möglich und daher wünschenswert, wenn man diesen nicht ohnehin auch aus § 275 BGB herausnimmt, vgl. dazu unten IV 1 h und VII
5 b.
20
Vgl. näher unten III 2 a.
21
Vgl. dazu näher unten IV 1 h.
22
Vgl. dazu z.B. BGHZ 83, 197, 200 f.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Band I, 14. Aufl. 1987, S. 307; Soergel/Wiedemann § 275 Rdn. 42.
23
Vgl. dazu etwa BGHZ 83, 197, 200 f.
24
Vgl. unten II 2 e, III 2 b und IV 1 h.
25
Es war wohl Heck, der dieses Beispiel zum Schulfall gemacht hat, vgl. Grundriß des Schuldrechts, 1929, §
28, 5.
7
stahl, Verlust oder dgl. abhanden gekommen ist? Hierüber ist gemäß § 275 Abs. 2 KF unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten – die ich sogleich noch näher erläutern werde – zu entscheiden.
b) Die Abgrenzung gegenüber der „wirtschaftlichen“ Unmöglichkeit, der Unzumutbarkeit und verwandten Tatbeständen
Dagegen fallen unter § 275 Abs. 2 KF weder die Fälle der sogenannten „wirtschaftlichen“ Unmöglichkeit oder der „Unerschwinglichkeit“ im Sinne der bloßen Leistungserschwerung für den Schuldner noch
gar die Fälle der Leistungsverweigerung aus Gewissensgründen, die von § 275 DiskE und von dem –
gleichlautenden – § 275 des Entwurfs der Schuldrechtskommission ausweislich der Begründung erfaßt
werden sollten.26 Hier zum Schutze des Grundsatzes pacta sunt servanda einen klaren Trennungsstrich
zu ziehen, war geradezu das Hauptanliegen für die Initiative zur Neuformulierung von § 275 KF27, das
sich insoweit nach intensiver Diskussion klar durchgesetzt hat.
Allerdings herrscht über den Begriff der „wirtschaftlichen“ Unmöglichkeit, den man natürlich unterschiedlich verwenden kann, keine völlige Einigkeit. Nach dem Sprachgebrauch der h.L. ist diese jedoch
von der „faktischen“ Unmöglichkeit, wie sie soeben bei Fn. 25 charakterisiert worden ist, scharf zu unterscheiden mit der Konsequenz – und darin liegt im vorliegenden Zusammenhang die entscheidende
Pointe –, daß zwar die „faktische“, nicht dagegen die „wirtschaftliche“ Unmöglichkeit unter § 275 BGB
fällt,28 die vielmehr den Regeln über die Geschäftsgrundlage unterliegt.29 Von „wirtschaftlicher“ Unmöglichkeit in diesem Sinne ist dabei dann zu sprechen, wenn der Leistung „solche Schwierigkeiten entgegenstehen, daß sie dem Schuldner wegen Überschreitung der ‚Opfergrenze‘ nicht zugemutet werden
kann“30 oder daß diese „dem Schuldner nur unter Opfern und Aufwendungen möglich ist, die auf sich zu
nehmen er nach Treu und Glauben nicht mehr verpflichtet ist“31. Entscheidend ist dabei im vorliegenden
Zusammenhang, daß der maßgebliche Bezugspunkt für die rechtliche Bewertung hier jeweils im Aufwand des Schuldners und seiner mit diesem verbundenen Belastung oder der daraus folgenden Äquivalenzstörung liegt, während § 275 Abs. 2 KF in scharfem Gegensatz dazu auf das Interesse des Gläubigers abstellt.
26
Vgl. Abschlußbericht S. 121 und dazu kritisch Canaris (Fn. 6) S. ??? (4 f)
Diese ist von mir ausgegangen; der Kommission haben zwei von mir ausgearbeitete, in der zuständigen Arbeitsgruppe vorbereitete Papiere vorgelegen, aus denen die im Text vorgetragenen Überlegungen unmißverständlich hervorgehen; diesen „historischen“ Hintergrund offenzulegen, sehe ich mich veranlaßt, weil auf der
Zivilrechtslehrertagung unter dem Gesichtspunkt mangelnder Transparenz überaus heftige Kritik an der Einsetzung der Kommission und an deren Arbeit geübt worden ist. Im übrigen sind die wesentlichen Argumente,
die mich zur Ablehnung von § 275 DiskE veranlaßt haben und die gewissermaßen spiegelbildlich weitgehend
in den Vorschlag zur Neufassung von § 275 KF eingeflossen sind, auch publiziert, vgl. Canaris (Fn. 6) S. ???.
28
Vgl. z.B. Palandt/Heinrichs § 275 Rdn. 8 einerseits und Rdn. 12 andererseits; Staudinger/Löwisch § 275
Rdn. 6 einerseits und Rdn. 7 andererseits; Larenz (Fn. 22) S. 319; Medicus, Schuldrecht I, 12. Aufl. 2000, Rdn.
370.
29
Vgl. außer den in der vorigen Fn. genannten z.B. U. Huber, Bd I (Fn. 11) S. 118 f.; Erman/Battes, 10. Aufl.
2000, Vor § 275 Rdn. 27; a.A. z.B. MünchKomm.-Emmerich, 3. Aufl. 1994, Vor § 275 Rdn. 25 f.
30
So die Formulierung von Palandt/Heinrichs § 275 Rdn. 12.
31
So die Formulierung von Larenz (Fn. 23) S. 319.
27
8
Die „wirtschaftliche“ Unmöglichkeit, die „Unerschwinglichkeit“ und dgl. gehören somit nicht in den Bereich von § 275 Abs. 2 KF, sondern sind im Einklang mit der bisher h.L. weiterhin nach den Regeln der
Geschäftsgrundlage gemäß § 313 KF zu lösen, die einerseits auf der Tatbestandsseite weitaus strenger
und andererseits auf der Rechtsfolgeseite wesentlich flexibler als § 275 Abs. 2 KF sind. Ebensowenig
hat die Leistungsverweigerung aus Gewissensgründen irgendetwas mit § 275 Abs. 2 KF zu tun, zumal
hier ja die Rechtsfolge von § 275 Abs. 2 KF unpassend ist, weil unstreitig vorrangig nach der Möglichkeit einer Anpassung zu suchen ist; ob man diese ebenfalls als Problem der Geschäftsgrundlage oder
vielmehr, was ich für vorzugswürdig halte, als ein solches des § 242 BGB ansieht, steht hier nicht zur
Diskussion. Gleiches gilt schließlich auch für die Fälle einer Unzumutbarkeit der Leistungserbringung
aus persönlichen Gründen wie im Musterbeispiel der Sängerin, die sich weigert aufzutreten, weil ihr
Kind schwer erkrankt ist.32 All diese Problemfelder werden vom Entwurf in seiner derzeitigen Fassung
nicht tangiert, sondern sind ebenso zu behandeln wie bisher. Freilich ist dabei zu beachten, daß auch im
Hinblick auf den Begriff der Unzumutbarkeit und seine Abgrenzung gegenüber der Unmöglichkeit terminologische Unklarheiten bestehen.33
c) Das Gläubigerinteresse als entscheidender Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung
Diese Grundsatzentscheidung für die Ausgrenzung der Fälle der „wirtschaftlichen“ Unmöglichkeit, der
Leistungsverweigerung aus Gewissensgründen und der persönlichen Unzumutbarkeit hat in der Fassung
von § 275 Abs. 2 KF unmißverständlich Ausdruck gefunden, indem die Vorschrift als entscheidenden
Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse des Gläubigers und nicht etwa dasjenige
des Schuldners vorsieht.34 Welchen Aufwand – mit diesem Wort sollen sowohl Aufwendungen in Geld
als auch Tätigkeiten und ähnliche persönliche Anstrengungen erfaßt werden – der Schuldner zu erbringen hat, bestimmt sich also in keiner Weise nach dem Verhältnis dieses Aufwands zu dessen eigenen
Interessen – also etwa zu dem Vertragspreis oder eben auch zu persönlichen Belangen wie Gewissensbedenken, familiären Belastungen usw. –, sondern allein nach dem Verhältnis zu dem Interesse, welches
der Gläubiger an der Erfüllung des Primäranspruchs hat.
So steht das Interesse des Gläubigers in dem paradigmatischen Fall des Ringes auf dem Seeboden in der
Tat evidentermaßen in einem groben Mißverhältnis zu dem Aufwand, den der Schuldner treiben müßte,
um den See leer zu pumpen oder den Ring durch Taucher suchen zu lassen. Demgegenüber zeigt schon
32
Völlig zutreffend und auch für § 275 KF passend dazu U. Huber (Fn. 6) S. 73 f.
So sehe ich z.B. die – auf Grund ärztlichen Urteils festzustellende – Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit
nicht als einen Fall der Unzumutbarkeit, sondern als einen solchen der Unmöglichkeit an – und zwar nach Abs.
1 von § 275 KF, vgl. dazu näher unten g bei Fn. 54.
34
Das verkennen Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 26, wenn sie mutmaßen, daß es in § 275 Abs. 2
KF „um die Konstellationen geht, die die herrschende Meinung bisher beim WGG als ‚Unzumutbarkeit der
Leistungserbringung‘ eingeordnet hat“ bzw. daß die „Fälle der wirtschaftlichen Unmöglichkeit ... nunmehr offenbar auch dem § 275 II KF unterfallen sollen“; wie sich diese Einordnung mit der zentralen Bedeutung des
Gläubigerinteresses für § 275 Abs. 2 KF oder mit der Parallele zu § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB, auf die das Bundesjustizministerium in Fn. 2 ausdrücklich hingewiesen hat (vgl. dazu im übrigen alsbald im Text), verträgt,
erörtern Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz nicht; vgl. dazu ferner unten Fn. 61.
33
9
der bloße Versuch einer Subsumtion unter § 275 Abs. 2 KF, daß diese Vorschrift für die Fallgruppen
der „wirtschaftlichen“ Unmöglichkeit, der Gewissensbedenken und der persönlichen Unzumutbarkeit
nicht paßt und daß diese also von vornherein nicht mit ihrer Hilfe, sondern nur auf anderem Wege – d.h.
nach § 313 KF oder nach § 242 BGB – gelöst werden können; denn selbstverständlich kann der Gläubiger auch und mitunter sogar gerade dann ein hohes Eigeninteresse an der Leistung des Schuldners haben, wenn der Aufwand für deren Erbringung diesen finanziell zu ruinieren droht, wenn der Schuldner
sie nicht mit seinem Gewissen glaubt vereinbaren zu können oder wenn er sich zu ihr angesichts einer
familiären Belastung außerstande sieht.
Demgegenüber findet die Regelung von § 275 Abs. 2 KF eine gewisse Parallele in den Vorschriften der
§§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3, 651c Abs. 2 Satz 2 BGB. Da der BGH aus diesen einen
„allgemeinen Rechtsgedanken“ entnommen hat,35 stellt § 275 Abs. 2 KF keine grundlegende Neuerung
dar. Wohl aber unterscheidet sich diese Regelung von den genannten Vorschriften dadurch, daß sie Aussagen über die beiden Kriterien enthält, die bei jeder Verhältnismäßigkeitsprüfung von ausschlaggebender Bedeutung sind:36 Die Bezugsgröße zum ersten, die hier im Interesse des Gläubigers an der Leistung
besteht, und den Grad des Mißverhältnisses zum zweiten, der „grob“ sein muß. Daß es auf das Gläubigerinteresse ankommt, entspricht auch der Rechtsprechung des BGH und der h.L. zu den §§ 251 Abs. 2,
633 Abs. 2 Satz 3 BGB,37 läßt sich aber leider dem Wortlaut dieser Vorschriften nicht entnehmen, so
daß deren derzeitige Auslegung insoweit mittelbar durch die Inkraftsetzung von § 275 Abs. 2 KF stabilisiert würde.
d) Das Erfordernis eines „groben“ Mißverhältnisses und der darin liegende Bezug von § 275 Abs. 2 KF
auf Extremfälle
Anders als die §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB setzt § 275 Abs. 2 KF voraus, daß das Mißverhältnis „grob“ ist. Dieses muß also ein besonders krasses, nach Treu und Glauben völlig untragbares
Ausmaß erreichen. Das legitimiert sich vor allem daraus, daß der Gläubiger bei vom Schuldner nicht zu
vertretender Unmöglichkeit seinen Anspruch ersatzlos verliert. Demgegenüber muß er im Falle von §
251 Abs. 2 BGB grundsätzlich, d.h. abgesehen von den Fällen des § 253 BGB, lediglich hinnehmen,
daß er statt Naturalersatz eine – den Wertverlust voll ausgleichende – Entschädigung in Geld erhält, und
verliert in den Fällen des § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB nur den Anspruch auf Beseitigung des Mangels,
nicht aber die Ansprüche auf Wandelung und Minderung nach § 634 BGB, mit deren Hilfe er sein finanzielles Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung i.d.R. zumindest teilweise wahren
35
Vgl. BGHZ 62, 388, 391, 393 f. und dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, 13. Aufl. 1994, § 86 VI 2 a sowie U. Huber Bd II (Fn. 11) S. 813 f.; BGH NJW 1988, 699, 700 und dazu U. Huber aaO S. 814.
36
Mustergültig erfaßt sind diese z.B. in den §§ 228, 904 BGB, und zwar gerade in der genau durchdachten
Unterschiedlichkeit der beiden – an sich eng verwandten – Normen.
37
Zu § 251 Abs. 2 BGB vgl. z.B. Lange, Schadensersatz, 2. Aufl. 1990, § 5 VII 1; MünchKomm.-Grunsky, 3.
Aufl. 1994, § 251 Rdn. 15; zu § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB vgl. z.B. BGH NJW 1995, 1836 f.; NJW 1996, 3269 f.;
NJW-RR 1997, 1450, 1451.
10
kann. Bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit erhält der Gläubiger zwar einen Anspruch auf
Schadensersatz nach §§ 280, 283 KF, doch wäre es paradox, wenn er deshalb leichter von seiner Primärpflicht auf Leistung in Natur befreit würde,38 und daher ist auch hier das Erfordernis des „groben“
Mißverhältnisses vollauf berechtigt und uneingeschränkt ernst zu nehmen. Demgemäß ist § 275 Abs. 2
KF in erster Linie auf Extremfälle zugeschnitten.
Das steht in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH zur Verallgemeinerung des Rechtsgedankens der §§
251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB. In der grundlegenden Entscheidung ging es darum, daß eine vom Beklagten errichtete Tiefgarage mit einer nur 20 qm großen Teilfläche in das Grundstück der Kläger hineinragte und
die Beseitigung dieses Überbaus nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für den Beklagten „unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ... mit einem unverhältnismäßig großen, ihm billigerweise nicht zuzumutenden Aufwand verbunden“ war. Der BGH hat die Klage aus § 1004 BGB abgewiesen.39 Auch wenn
über die örtlichen Verhältnisse nichts Näheres mitgeteilt wird, ist doch offenkundig, daß es um einen Extremfall ging. In der zweiten einschlägigen Entscheidung hatte der Beklagte an einem Grundstück, dessen Übereignung er dem Kläger aus einem Treuhandvertrag schuldete, vertragswidrig eine Vormerkung zugunsten eines
Dritten bewilligt, zu deren Löschung dieser nur gegen eine Ablöse in Höhe des Dreißigfachen des Grundstückswerts bereit war. Auch hier hat der BGH den Beseitigungsanspruch, der auf den Treuhandvertrag gestützt war, unter Hinweis auf den Rechtsgedanken der §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB abgewiesen.40
Zwar geht aus der Entscheidung nicht hervor, wie der Dritte seine Ablöseforderung berechnet hatte, doch liegt
es denkbar nahe, daß diese völlig überzogen war und es sich also auch hier um einen Extremfall handelte.
e) Der „Inhalt des Schuldverhältnisses“ und die Bedeutung des Unterschiedes zwischen Stück- und
Gattungsschuld
Wenn in § 275 BGB auf den „Inhalt des Schuldverhältnisses“ verwiesen wird, so bezieht sich das natürlich zunächst auf Fälle, in denen schon die Regeln der Vertragsauslegung ergeben, daß die Leistungserbringung angesichts ihrer Schwierigkeit nicht als geschuldet anzusehen ist. Darüber hinaus spielt auch die Art der Schuld eine wesentliche Rolle. Ist z.B. bei einer Stückschuld dem Schuldner der Leistungsgegenstand gestohlen worden,
so ist das Maß der für ihre Wiederbeschaffung aufzuwendenden Bemühungen meist nicht sonderlich hoch anzusetzen, weil diese bei einem individuell bestimmten Gegenstand nur wenig Aussicht auf Erfolg zu haben
pflegen. Handelt es sich dagegen um eine Gattungsschuld, so ist es in aller Regel eine Selbstverständlichkeit,
daß der Schuldner ein anderes als das zunächst zur Leistung vorgesehene Stück zu beschaffen hat – eben weil
nicht gerade ein bestimmtes Stück geschuldet wird; dem entspricht die Regelung des § 243 BGB, von der man
daher geradezu sagen kann, daß sie der „sachlogischen Struktur“ der Gattungsschuld Rechnung trägt. Zwar
gibt es Ausnahmen, doch sind diese wiederum auf Extremfälle beschränkt wie z.B. den berühmten Mühlenbrandfall, wo die Mühle, in der das Saatmehl „Eichenlaub“ nach einem Geheimverfahren hergestellt wurde,
abgebrannt und ganz ungewiß war, ob überhaupt noch weitere Bestände von „Eichenlaub“ auf dem Markt vorhanden waren,41 oder das Schulbeispiel, daß die Lieferung von Kupferbarren nur durch den Aufkauf und die
Einschmelzung kupferner Geräte möglich ist.42
f) Die Bedeutung des Vertretenmüssens
Hinsichtlich der Konkretisierung des Mißverhältnisses führt § 275 Abs. 2 Satz 2 KF ausdrücklich zwei
Kriterien auf, die dabei zu berücksichtigen sind. Das erste besteht darin, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Daraus folgt zumindest, daß von ihm erhöhte Anstrengungen zu dessen Überwindung zu erwarten sind, wenn er es zu vertreten hat. Hat der Schuldner also z.B. aufgrund
eines schuldhaften Irrtums oder gar in Kenntnis der Rechtslage den Vertragsgegenstand an einen Dritten
übereignet, so muß er diesem für dessen Rückerwerb in aller Regel wesentlich mehr als den Marktpreis
38
Vgl. dazu auch unten f.
Vgl. BGHZ 62, 388, 390 f. und dazu Larenz/Canaris und U. Huber aaO (wie Fn. 35).
40
Vgl. BGH NJW 1988, 699, 700 und dazu U. Huber aaO (wie Fn. 35).
41
Vgl. RGZ 57, 116, 119 f.
39
11
bieten, um in den Genuß der Befreiung von seiner primären Leistungspflicht zu kommen. Daß dieses
Kriterium zu berücksichtigen ist, entspricht denn auch der Rechtsprechung des BGH zu § 633 Abs. 2
Satz 3 BGB43 und zu dem von ihm aus den §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB entwickelten allgemeinen Rechtsgedanken44 und muß folgerichtig im Rahmen von § 275 BGB ebenfalls gelten45.
Den Umkehrschluß, daß der Schuldner überhaupt keine Anstrengungen zur Überwindung des Leistungshindernisses zu unternehmen braucht, wenn er dieses nicht zu vertreten hat – wie das von manchen Autoren für § 275 BGB postuliert wird46 –, erlaubt § 275 Abs. 2 Satz 2 KF dagegen nicht. Vielmehr ist diese Frage durch die Formulierung der Vorschrift bewußt offen gehalten worden. Nach meiner
Meinung ist sie klar zu verneinen. So muß der Schuldner sich – um das Beispiel zu variieren – auch
dann, wenn ihn kein Verschulden trifft, immerhin bemühen, den Vertragsgegenstand von dem Dritten
zurückzuerwerben, und diesem zumindest den Marktpreis, u.U. aber auch einen darüber liegenden Preis
bieten; denn auch wenn er sich in einem unverschuldeten Irrtum befunden und daher die verkehrserforderliche Sorgfalt nicht außer acht gelassen hat, hat er doch objektiv seine Pflicht aus dem Schuldverhältnis nicht erfüllt, so daß das Leistungshindernis auf einem in seiner Sphäre liegenden Mangel beruht.
Gewiß aber sind die Bemühungen und Aufwendungen, die von ihm zu erwarten sind, grundsätzlich geringer als wenn er das Leistungshindernis zu vertreten hat, so daß die Unterscheidung jedenfalls sinnvoll
ist.
g) Die Bedeutung des Angebots eines angemessenen Ausgleichs durch den Schuldner
Außerdem ist nach § 275 Abs. 2 Satz 2 KF zu berücksichtigen, ob der Schuldner dem Gläubiger einen
angemessenen Ausgleich anbietet. Dieses Kriterium ist neu und bedarf daher in besonderem Maße einer
Erläuterung der hinter ihm stehenden Wertungsgesichtspunkte.
Zunächst ist wiederum an die Fälle des nicht zu vertretenden Leistungshindernisses zu denken. Hier
trifft die Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht den Gläubiger insofern besonders hart,
als er seinen Anspruch ersatzlos verliert.47 Daß er nach § 326 KF von seiner Gegenleistungspflicht befreit wird, stellt keinen hinreichenden Ausgleich dar. Zum einen wird das nämlich nur bei gegenseitigen
Verträgen relevant, nicht aber z.B. bei Ansprüchen aus einer Schenkung, einem Vermächtnis oder einem
gesetzlichen Schuldverhältnis, und zum anderen nützt es dem Gläubiger auch bei einem gegenseitigen
Vertrag dann nichts, wenn er aus diesem einen Gewinn erlangt hätte. Besonders paradox ist dabei der
Gegensatz zu den Fällen der zu vertretenden Unmöglichkeit, in denen das finanzielle Interesse des Gläu42
Vgl. RGZ 88, 172, 174.
Vgl. z.B. BGH NJW 1995, 1836, 1837; 1996, 3269, 3270.
44
Vgl. BGH NJW 1988, 699, 700; der Sache nach auch BGHZ 62, 388, 393 f. Zu § 251 Abs. 2 BGB ist stark
umstritten, ob es auf das Verschulden des Schädigers und dessen Grad ankommt; bejahend z.B. Lange aaO
(wie Fn. 37); Palandt/Heinrichs § 251 Rdn. 7; verneinend z.B. MünchKomm.-Grunsky aaO (wie Fn. 37) mit
weiteren Nachw.
45
Dezidiert a.A. U. Huber Bd II (Fn. 11) § 59 II 1
46
Vgl. vor allem U. Huber (Fn. 6) S. 75.
47
Vgl. dazu auch schon oben d.
43
12
bigers durch den Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 i.V. mit § 283 KF trotz des Wegfalls des
primären Leistungsanspruchs voll gewahrt bleibt – und das, obwohl gerade in diesen Fällen die
Schwelle für eine Befreiung von der primären Leistungspflicht, wie soeben dargelegt, grundsätzlich höher anzusetzen ist als in den Fällen der nicht zu vertretenden Unmöglichkeit. Hier tritt also ein innerer
Antagonismus des Lösungsmodells von § 275 Abs. 2 KF zu Tage. Denn da für die Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse des Gläubigers den entscheidenden Bezugspunkt bildet, kann es bei der erforderlichen Abwägung nicht unberücksichtigt bleiben, wenn dieser durch den Verlust des primären Leistungsanspruchs zugleich sein finanzielles Interesse voll einbüßt und also besonders hart getroffen wird,
so daß unter diesem Gesichtspunkt erhöhte Anforderungen an eine Befreiung des Schuldners von seiner
Leistungspflicht zu stellen sind. Hier eröffnet § 275 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 KF einen Ausweg, indem er
dem Schuldner die Alternative aufzeigt, dem Gläubiger eine Abstandszahlung anzubieten und so dessen
finanziellen Interessen Rechnung zu tragen.
Außerdem kann der Gläubiger auch bei zu vertretender Unmöglichkeit ein hohes immaterielles Interesse
an der Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs haben. Hier sind dem Schuldner zwar besonders hohe
Anstrengungen zur Beseitigung des Leistungshindernisses zuzumuten,48 doch können diese gemindert
werden, wenn er statt dessen einen angemessenen Ausgleich anbietet. Man denke etwa daran, daß der
Schuldner, der ein verkauftes Grundstück an einen Dritten übereignet hat, auf einem parzellierten Gelände ein ähnliches Grundstück zur Verfügung hat und dieses dem Gläubiger als Ersatz anbietet.
Im übrigen stellt dieser Halbsatz auch insofern ein Gebot der Konsequenz dar, als er der Verwandtschaft von § 275 Abs. 2 KF mit dem Rechtsgedanken der §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB49
Rechnung trägt. Denn § 251 Abs. 2 BGB wahrt die finanziellen Interessen des Gläubigers, indem er diesem einen Anspruch auf Entschädigung in Geld gewährt, und § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB läßt diese Interessen ebenfalls weitgehend unberührt, weil ja der Anspruch des Gläubigers auf Wandelung und Minderung nach § 634 BGB bestehen bleibt,50 wohingegen der Gläubiger in den Fällen des § 275 Abs. 2 KF
seinen Anspruch bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit ersatz- und alternativlos verliert.
Schließlich entspricht § 275 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 KF auch dem Gedanken der Privatautonomie, indem er den Parteien eine einvernehmliche Lösung nahelegt. Ein Übergriff in den Bereich der Geschäftsgrundlagenstörung liegt darin nicht, weil keine Pflicht zur Anpassung vorgesehen, sondern lediglich auf
die Möglichkeit hingewiesen wird, daß der Schuldner von sich aus ein angemessenes Ausgleichsangebot
machen und die Problematik so einer ähnlichen Lösung wie bei einer Anpassung zuführen kann. Andererseits ist dieses Mittel privatautonomer Regelung keineswegs ineffizient; denn wenn der Gläubiger ein
angemessenes Angebot des Schuldners ablehnt, verringert sich folgerichtig der diesem zuzumutende
Aufwand für die Beseitigung des Leistungshindernisses erheblich. Zugleich wird dadurch dem Gesichts48
Das ist auch im Rahmen von § 251 Abs. 2 BGB anerkannt, vgl. z.B. BGHZ 63, 295, 297 ff.; Lange aaO (wie
Fn. 37); Soergel/Mertens, 12. Aufl. 1990, § 251 Rdn. 11; Staudinger/Schiemann, 1998, § 251 Rdn. 19.
49
Vgl. dazu oben c bei Fn. 35.
13
punkt Rechnung getragen, daß gewisse Querverbindungen zur Problematik der Geschäftsgrundlagenstörung natürlich unvermeidlich sind.51
Allerdings ist die Regelung von § 275 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 KF insofern nicht unerläßlich, als es dem
Schuldner natürlich auch ohne diese unbenommen ist, dem Gläubiger ein Ausgleichsangebot zu machen,
und das Gericht dieses bzw. dessen Ablehnung dann bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen im
Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen hat. Gleichwohl erscheint ein solcher
Hinweis im Gesetz als überaus nützlich – zum einen, weil er die Problematik des Ausgleichs – die sich
hier ja mit ganz anderer Schärfe als in den Fällen der §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB stellt! –
ins Bewußtsein hebt, und zum anderen, weil er geeignet ist, eine Lösung durch die Parteien selbst zu
fördern und dadurch die Privatautonomie zu stärken.
h) Die Rechtsfolge des Leistungsverweigerungsrechts
Als Rechtsfolge sieht § 275 Abs. 2 KF im Gegensatz zu Abs. 1 ein Leistungsverweigerungsrecht des
Schuldners und damit eine bloße Einrede vor. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, daß
der Schuldner hier ja immerhin die Leistung „überobligationsmäßig“ erbringen kann, wohingegen in den
Fällen des Absatz 1 ein Leistungsverweigerungsrecht geradezu widersinnig wäre.
Allerdings dürfte der Gläubiger eine „überobligationsmäßige“ Leistung des Schuldners gemäß § 242
BGB ohnehin nicht zurückweisen – ebenso wenig wie z.B. der Irrende von seinem Anfechtungsrecht
Gebrauch machen kann, wenn der andere Teil bereit ist, die Erklärung so gelten zu lassen, wie sie der
Irrende verstanden hat52. Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es daher nicht der Konstruktion eines Leistungsverweigerungsrechts. Persönlich hätte ich es daher vorgezogen, auch Absatz 2 als Einwendung
auszugestalten. Zum einen wäre dadurch nämlich besser zum Ausdruck gekommen, daß es auch bei dieser Vorschrift um einen Fall der Unmöglichkeit geht, und zum anderen handelt es sich bei § 275 Abs. 2
KF letztlich um eine Konkretisierung des Rechtsmißbrauchsgedankens in seiner Erscheinungsform als
Verbot einer unverhältnismäßigen Bevorzugung des Gläubigerinteresses53; Rechtsmißbrauch aber begründet, wie seit Jahrzehnten geklärt ist, grundsätzlich nicht lediglich eine Einrede, sondern eine Einwendung.
In praktischer Hinsicht dürfte die Einredekonstruktion freilich unschädlich sein. Denn der Schuldner
muß ja auf das Leistungsbegehren des Gläubigers irgendwie reagieren und wird dabei auf das Leistungshindernis hinweisen, worin man in aller Regel die konkludente Erhebung der Einrede wird sehen
können.
50
Vgl. dazu auch schon oben d.
Vgl. dazu auch unten i a.E.
52
Vgl. nur Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 3. Aufl. 1979, § 21, 6.
53
Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Rahmen des Rechtsmißbrauchsverbots ist freilich noch
wenig geklärt, vgl. aber immerhin z.B. BGH WM 1967, 643, 645; MünchKomm.-Roth, 3. Aufl. 1994, § 242
Rdn. 442 ff.; Canaris ZHR 143 (1979) 130 f.; zu restriktiv z.B. Palandt/Heinrichs § 242 Rdn. 53 f.; allgemein
zum Verhältnismäßigkeitsprinzip im Privatrecht Medicus AcP 192 (1992) 35 ff.
51
14
Gleichwohl bleibt die Einredekonstruktion insofern störend, als sie gedanklich zu Abgrenzungen zwischen Absatz 1 und Absatz 2 von § 275 KF nötigt, die zum einen praktisch fast immer überflüssig sind, zum anderen
aber den Blick auf den Schwerpunkt der Sachproblematik verstellen können. Letzteres zeigt sich am Beispiel
des Arbeitnehmers, der wegen Krankheit (nach ärztlichem Urteil) arbeitsunfähig ist. Das ist nach § 275 BGB
und bleibt auch nach § 275 KF ein Fall der Unmöglichkeit,54 wie schon der Begriff der Arbeitsunfähigkeit plastisch verdeutlicht. Diesen unter Absatz 2 einzuordnen, wäre ganz widersinnig;55 denn ein wegen Krankheit
arbeitsunfähiger Arbeitnehmer ist nach dem Sinn eines Arbeitsvertrags und den Grundwertungen unserer
Rechtsordnung, nach denen die Gesundheit zu den höchsten Gütern gehört, grundsätzlich auch dann nicht zur
Arbeit verpflichtet, wenn das Interesse des Arbeitgebers an seinem Einsatz noch so groß ist,56 und daher besteht
hier für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Absatz 2 von vornherein kein Raum. Folglich fällt der Fall
unter Absatz 1. Arbeitet der Arbeitnehmer nun trotz seiner – medizinisch als Arbeitsunfähigkeit zu qualifizierenden – Erkrankung, so wäre ihm selbstverständlich sein Lohnanspruch nicht abzusprechen (es sei denn, seine
Arbeit ist wegen seiner Erkrankung unbrauchbar). Das belegt, daß der – doch ganz selbstverständliche! –
Rechtssatz, nach dem der Gläubiger bei einer überobligationsmäßigen Leistung des Schuldners nicht unter Berufung auf die eigentlich gegebene Unmöglichkeit die Gegenleistung verweigern kann, der Einredekonstruktion
von Absatz 2 eben doch überlegen ist, mag man insoweit einfach § 242 BGB heranziehen oder einen entsprechenden Satz ausdrücklich ins Gesetz schreiben (was in der Kommission auch zur Erwägung gestellt worden
ist).
i) Die dogmatische Einordnung von § 275 Abs. 2 KF
Was die dogmatische Einordnung von § 275 Abs. 2 KF angeht, so darf man sich durch die aus der Einredekonstruktion folgende Unterschiedlichkeit der Rechtsfolge und die daraus entstandene Verselbständigung zu einem eigenen Absatz nicht beirren lassen. „Historisch“ gesehen stand die Neufassung von §
275 KF unter dem Leitgedanken des – von mir bei ihrer Erarbeitung zitierten – Satzes, den Herr Medicus in Münster in der Diskussion in Reaktion auf meine Kritik an § 275 DiskE – der ja wörtlich mit §
275 des Entwurfs der Schuldrechtskommission übereinstimmt – gesagt hat: „Wir wollten die Unmöglichkeit nicht abschaffen, sondern definieren.“ Daran sollte das Festhalten der Kommissionsmehrheit an
der Einredekonstruktion – die natürlich aus § 275 DiskE übernommen ist – nichts ändern; denn diese
dient allein dem Bestreben, dem Schuldner die Möglichkeit zu einer „überobligationsmäßigen“ Leistung
offen zu halten,57 und daher besteht auch bei teleologischer Auslegung kein Unterschied zwischen Absatz 1 und Absatz 2 von § 275 KF, soweit es um die dogmatische Einordnung in die Lehre von der Un-
54
Eine diesbezügliche Frage von Löwisch habe ich auf der Tagung in Berlin falsch beantwortet, indem ich –
wohl verwirrt durch den von Löwisch in diesem Zusammenhang verwendeten Begriff der Unzumutbarkeit, den
ich selbst hier gerade nicht gebrauchen würde – gesagt habe, die Fälle der Unzumutbarkeit fielen nicht unter §
275 KF; an letzterem halte ich zwar fest (vgl. oben b), doch geht es hier in Wahrheit eben nicht um eine bloße
nach § 242 BGB zu beurteilende Unzumutbarkeit (wie z.B. im Fall der Sängerin, deren Kind erkrankt ist),
sondern um echte Unmöglichkeit, und daher stellt sich in der Tat das Problem, ob der Fall unter Abs. 1 oder
Abs. 2 von § 275 KF einzuordnen ist.
55
Dagegen richtete sich denn auch völlig mit Recht die Kritik Löwischs.
56
In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann nach § 242 BGB entgegengesetzt zu entscheiden sein wie
z.B., wenn wegen des Fehlens eines Arbeitnehmers, der wegen einer Grippe im medizinischen Sinne arbeitsunfähig ist, „der ganze Betrieb zusammenbrechen würde“, weil sein spezielles Know-how kurzfristig unentbehrlich ist; unter § 275 Abs. 2 KF fällt diese Konstellation aber nicht, weil in dieser Vorschrift grundsätzlich
das Gläubigerinteresse vorrangig ist, während im vorliegenden Fall genau umgekehrt der Vorrang des Schuldnerinteresses den – selbstverständlichen! – Ausgangspunkt bildet und weil daher eine Arbeitspflicht trotz
Krankheit eine seltene Ausnahme bleiben muß. Das Regel-Ausnahmeverhältnis liegt also genau gegensätzlich
und das Verhältnismäßigkeitsprinzip wirkt damit ebenfalls ganz unterschiedlich: In den Fällen des § 275 Abs.
2 KF dient es dazu zu begründen, daß eine „eigentlich“ gegebene Leistungspflicht entfällt, hier dagegen genau
umgekehrt dazu zu begründen, daß eine „eigentlich“ nicht gegebene Leistungspflicht doch besteht.
57
Das haben auch Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 26 zutreffend erkannt.
15
möglichkeit geht. Das hat auch Ausdruck im Text von § 275 KF gefunden, da dessen Absatz 3 für beide
vorhergehenden Absätze auf die Vorschriften über die Unmöglichkeit verweist58 und in den §§ 283, 326
Abs. 1 und 2 KF die Absätze 1 und 2 von § 275 KF gleichermaßen in Bezug genommen werden.59
Demgemäß ist § 275 Abs. 2 KF als ein Versuch zur tatbestandlichen Präzisierung jener Fälle der Unmöglichkeit zu verstehen, die so stark mit normativen Elementen durchsetzt sind, daß sich ihre Qualifikation als Unmöglichkeit anders als in den von § 275 Abs. 1 KF erfaßten Fällen nicht von selbst versteht. Auch § 275 Abs. 2 KF ist daher dogmatisch in die Lehre von der Unmöglichkeit einzuordnen. Zugleich stellt er – was sich ja nicht ausschließt – wie schon gesagt eine Konkretisierung des Rechtsmißbrauchsverbots unter Rückgriff auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip dar.60
Dagegen darf § 275 Abs. 2 KE mit der Lehre von der Geschäftsgrundlage dogmatisch nicht vermengt
werden, da hier anders als bei der in diese einzuordnenden Leistungserschwerung wie dargelegt nicht der
Aufwand des Schuldners und die damit i.d.R. verbundene Äquivalenzstörung, sondern das Interesse des
Gläubigers den zentralen Bezugspunkt bildet. Deshalb dürften sich insoweit auch keine gravierenden
Abgrenzungsprobleme oder gar Überschneidungen ergeben.61 Daß es gewisse Berührungspunkte mit der
Lehre von der Geschäftsgrundlage gibt, ist allerdings nicht zu leugnen, doch ist das wohl unvermeidlich
und jedenfalls auch nach der derzeitigen Rechtslage der Fall, da auch nach dieser bekanntlich für manche Problemfelder zweifelhaft und streitig ist, ob sie nach Unmöglichkeits- oder nach Geschäftsgrundlagenregeln zu lösen sind. Auch wird diesen Querverbindungen hier dadurch Rechnung zu tragen versucht, daß auf die Bedeutung eines Angebots zu einem „angemessenen Ausgleich“ hingewiesen wird.
3. Das Redaktionsversehen in § 275 Abs. 3 KF
Hinsichtlich der Rechtsfolgen verweist die Vorschrift des § 275 Abs. 3 KF, die lediglich klarstellenden
Charakter hat, auf die §§ 280 bis 284 und 326. Hier ist ein Redaktionsversehen unterlaufen, da sich die
§§ 281 f. nicht auf die Unmöglichkeit beziehen.62 Statt dessen muß auf die §§ 280, 283 bis 285 verwiesen werden. Außerdem muß folgerichtig § 311a KF hinzugenommen werden. Die Verweisung auf § 326
ist korrekt.
58
Das darin enthaltene Redaktionsversehen muß freilich noch beseitigt werden, vgl. dazu unten 3.
Daß das in § 285 Abs. 1 KF nicht geschehen ist, sollte konsequenterweise noch bereinigt werden.
60
Dem entspricht es, daß der BGH den von ihm aus den §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB hergeleiteten
allgemeinen Rechtsgedanken ebenfalls als Ausprägung des Rechtsmißbrauchsverbots ansieht, vgl. BGHZ 62,
388, 391; BGH NJW 1988, 699, 700.
61
Diese befürchten Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 26 f., die dabei jedoch die zentrale Bedeutung
der Bezugnahme von § 275 Abs. 2 KF auf das Gläubigerinteresse nicht berücksichtigen und außerdem von der
irrigen Annahme ausgehen, daß § 275 Abs. 2 KF auch Fälle erfassen soll, die bisher in die Lehre von der Geschäftsgrundlage eingeordnet wurden, vgl. dazu oben Fn. 34.
62
Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 27 monieren, es sei „sehr zweifelhaft, ob §§ 281, 282 KF nicht
vom Verweis ausgenommen werden müssen“. Das ist noch zu zurückhaltend formuliert, da es in Wahrheit jedenfalls für § 282 KF unzweifelhaft ist, daß das geschehen muß und daß hier ein Versehen vorliegt; § 281 KF
paßt zwar immerhin für den Sonderfall der zeitweiligen Unmöglichkeit, doch entspräche es der gewählten Gesetzestechnik besser, diesen Bezug durch eine Verweisung in § 283 S. 2 KF herzustellen, vgl. dazu unten IV 1
c.
59
16
4. Vergleich mit den Parallelregelungen in den UNIDROIT Principles und den European Principles
Abschließend sei § 275 KF kurz mit den Parallelregelungen in den UNIDROIT Principles und den European Principles verglichen.
Diese enthalten in. Art. 7.2.2 lit. a bzw. Art. 9:102 Abs. 2 lit. a ebenfalls ausdrücklich die Kategorie der
Unmöglichkeit als Grund für die Befreiung von der primären Leistungspflicht. Vor diesem Hintergrund
wäre es geradezu paradox gewesen, wenn Deutschland die Unmöglichkeit als Tatbestand der Pflichtenbefreiung abgeschafft hätte, wie das in § 275 DiskE jedenfalls nach dem Wortlaut und der Begründung
der Regelung vorgesehen zu sein schien.
Nach lit. b der genannten Artikel entfällt die primäre Leistungspflicht ferner dann, wenn deren Erfüllung
für den Schuldner „unreasonably burdensome or expensive“ wäre bzw. für ihn „unreasonable effort or
expense“ verursachen würde. Diese Regelungen stellen zwar funktionell eine Parallele zu § 275 Abs. 2
KF dar, bilden aber im übrigen in jeder Hinsicht ein negatives Gegenbeispiel: Das Verhältnismäßigkeitsprinzip wird nicht einmal andeutungsweise angesprochen, geschweige denn, daß der maßgebliche
Bezugspunkt – das Gläubigerinteresse – oder der Grad des Mißverhältnisses benannt würde. Dennoch
ist eine ähnliche Problematik wie in § 275 Abs. 2 KF gemeint, wie die Beispiele in den „Comments“
belegen: das Heben eines gesunkenen Öltankers durch dessen Eigentümer, wenn die Kosten hierfür den
Wert des Öls weit übersteigen,63 bzw. einer gesunkenen Yacht durch deren Verkäufer, wenn die Kosten
hierfür vierzig mal so hoch wie ihr Wert wären.64 Im übrigen zeigen diese Bestimmungen aber immerhin, daß für eine derartige Regelung ein Bedürfnis gesehen wird und daß § 275 Abs. 2 KF daher nicht
einfach als überflüssig abgetan werden kann.
II. Die Einstandspflicht für anfängliche Unmöglichkeit nach § 311a KF
Völlig neu in den Entwurf aufgenommen hat die Kommission § 311a KF.
1. Die Wirksamkeit des Vertrages nach § 311a Abs. 1 KF
a) Der Regelungsgehalt von § 311a Abs. 1 KF
Nach § 311a Abs. 1 KF steht es der Gültigkeit eines Vertrages nicht entgegen, daß die Leistung für den
Schuldner oder für jedermann schon bei Vertragsschluß unmöglich ist. Diese Bestimmung, deren Formulierung bewußt an Art. 4:102 European Principles angelehnt ist, hat lediglich klarstellenden Charakter. Im DiskE gibt es zu ihr kein Pendant, doch schien ihre Aufnahme in das Gesetz der Kommission
zweckmäßig, weil sich die Abkehr von § 306 BGB nicht von selbst versteht und die Rechtslage daher
ausdrücklich aus dem Gesetz hervorgehen sollte.65
Eine Sonderregelung für Verträge, die eine generell unsinnige Leistung zum Gegenstand haben wie z.B. die
Verpflichtung zur Erfindung eines perpetuum mobile, schien der Kommission wegen der Exzentrizität solcher
Fallgestaltungen nicht angebracht. Soweit sie nicht ohnehin als Scheingeschäfte nach § 117 BGB nichtig sind
63
Principles of International Commercial Contracts, 1994, S. 174.
Lando/Beale (Hrsg.) Principles of European Contract Law, 2000, S. 396.
65
So auch U. Huber ZIP 2000, 2149; Canaris (Fn. 6) S. ??? (bei Fn. 68)
64
17
– was freilich allein von den rein subjektiven Vorstellungen der Parteien abhängt –, mag man entweder einen
ungeschriebenen Satz des Inhalts annehmen, daß solche Verpflichtungen kein möglicher Gegenstand rechtlicher Regelung und also unwirksam sind, oder aber es bei § 311a KF bewenden lassen, zumal sich der Anspruch auf das positive Interesse nicht wird beziffern lassen und der Anspruch auf ein etwaiges negatives Interesse fast immer an § 254 BGB scheitern dürfte.
b) Das Verhältnis von § 311a Abs. 1 KF zu den Nichtigkeits- und Anfechtungsgründen
Daß der Vertrag aus einem anderen Grund als wegen der Unmöglichkeit als solcher nichtig oder anfechtbar ist, schließt § 311a Abs. 1 KF nicht aus. Verstößt der Vertrag also z.B. gegen ein gesetzliches
Verbot im Sinne von § 134 BGB, so ändert § 311a Abs. 1 KF nichts an seiner Nichtigkeit. Da das aus
dem Wortlaut nicht völlig zweifelsfrei hervorgeht,66 könnte man es klarstellen, indem man in noch engerer Anlehnung an Art. 4:102 European Principles formuliert: „Ein Vertrag ist nicht allein deshalb ungültig, weil ...“.67 Was die Schadensersatzpflicht für den Fall, daß eine Partei den Verstoß gegen § 134
BGB zu vertreten hat, angeht, so entfällt zwar zugleich mit § 306 BGB zwangsläufig die Anspruchsgrundlage des § 309 BGB, doch ändert das im Ergebnis wenig, weil an deren Stelle ein Anspruch aus
culpa in contrahendo tritt.68
Anders liegt es freilich hinsichtlich der Frage, ob der Schuldner nach § 119 Abs. 2 BGB mit der Begründung
anfechten kann, das Leistungshindernis sei ihm unbekannt gewesen und stelle eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne dieser Vorschrift dar. Tatbestandlich ist das keineswegs von vornherein ausgeschlossen, weil
z.B. die Tatsache, daß eine Sache nicht dem Verkäufer, sondern einem Dritten gehört, durchaus als verkehrswesentliche Eigenschaft qualifiziert werden kann.69 Gleichwohl hielt es die Kommission entgegen meinem
Vorschlag70 nicht für angebracht klarzustellen, daß die Unkenntnis eines anfänglichen Leistungshindernisses
den Schuldner nicht zur Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigt. Der Haupteinwand bestand dabei darin, daß die Regelung eines Konkurrenzverhältnisses nicht dem Stil des BGB entspreche. Das trifft zwar allenfalls mit erheblichen Einschränkungen zu, wie z.B. § 164 Abs. 271 und § 993 Abs. 1 Halbs. 2 BGB belegen,
ändert jedoch nichts daran, daß § 119 Abs. 2 BGB insoweit in der Tat unanwendbar ist; denn anerkanntermaßen ist eine Anfechtung durch den Schuldner unzulässig, wenn sie nur das Ziel haben kann, sich etwaigen
Schadensersatz- oder Gewährleistungsansprüchen zu entziehen.72
66
Das hat sich auch an einem Einwand von Löwisch gegen die Vorschrift auf der Zivilrechtslehrertagung gezeigt, der davon ausging, daß in den Fällen des § 309 BGB, also bei einem Verstoß gegen § 134 BGB, nach §
311a Abs. 2 KF auf das positive Interesse und nicht wie nach § 309 BGB nur auf das negative Interesse gehaftet würde.
67
Demgemäß hatte ich bei früherer Gelegenheit vorgeschlagen, in Anlehnung an Art. 3.3 UNIDROIT Principles zu formulieren: „Die bloße Tatsache, daß bei Vertragsschluß die Erfüllung der übernommenen Verpflichtung unmöglich war, läßt die Wirksamkeit des Vertrages unberührt ...“, vgl. aaO (Fn. 6) S. ???
68
Zweifelhaft ist lediglich, ob dieser ebenso wie nach § 309 i. V. mit § 307 Abs. 1 Halbs. 2 BGB der Höhe nach
durch das positive Interesse begrenzt wird. Die rigide Regelung von § 309 i.V. mit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB,
wonach die Ersatzpflicht entfällt, wenn der andere Teil die Gesetzeswidrigkeit kennen muß, wird durch die flexiblere Regelung des § 254 BGB ersetzt.
69
Die Ansicht, die Eigentumslage stelle mangels Dauerhaftigkeit keine Eigenschaft i. S. von § 119 Abs. 2 BGB
dar, kann jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang nicht überzeugen und wäre hier eine offenkundige
Scheinbegründung mit dem Ziel, dem Konkurrenzproblem auszuweichen.
70
Vgl. näher aaO (Fn. 6) S. ???
71
Die Vorschrift schließt die tatbestandlich an sich gegebene Möglichkeit der Anfechtung nach § 119 Abs. 1
BGB aus und steht der vorliegenden Problematik daher besonders nahe.
72
Vgl. nur BGH NJW 1988, 2597, 2598 mit umf. Nachw.
18
c) Das Verhältnis von § 311a Abs. 1 KF zu § 275 KF und das Entstehen eines Vertrages ohne primäre
Leistungspflicht
Die Anordnung der Wirksamkeit des Vertrages in § 311a Abs. 1 KF steht nicht etwa in Widerspruch zu
§ 275 KF. Allerdings gilt diese Vorschrift wie dargelegt auch für die anfängliche Unmöglichkeit und
muß wegen der geradezu a-priorischen Richtigkeit des Satzes „impossibilium nulla est obligatio“
zwangsläufig auch für diese gelten,73 so daß ein Anspruch auf die Primärleistung hier grundsätzlich von
vornherein nicht in Betracht kommt. Das ist jedoch keineswegs dogmatisch unvereinbar mit der Wirksamkeit des Vertrages, sondern bedeutet lediglich, daß hier ein Vertrag ohne primäre Leistungspflicht
entsteht,74 was bekanntlich seit langem eine anerkannte dogmatische Kategorie darstellt. Dieser bildet
die Grundlage für einen etwaigen Surrogationsanspruch nach § 285 KF und vor allem für die Ersatzansprüche nach § 311a Abs. 2 KF. In den Fällen der zeitweiligen Unmöglichkeit kann er sogar als solcher,
d.h. als Anspruch auf die Primärleistung zur Anwendung kommen.75
2. Die Regelung des § 311a Abs. 2 KF
a) Die Zugrundelegung des Verschuldensprinzips statt des Garantiegedankens
Hinsichtlich dieser Ansprüche aus § 311a Abs. 2 KF ist zunächst hervorzuheben, daß die Kommission
an der Entscheidung der Schuldrechtskommission und des DiskE, auch bei anfänglichem Unvermögen
nicht das Garantie-, sondern das Verschuldensprinzip zugrunde zu legen, entgegen der daran im
Schrifttum geübten scharfen Kritik76 festgehalten hat. Ein Motiv dafür lag in dem Bestreben zu vermeiden, daß vor Vertragsschluß ein anderes Haftungsregime als nach Vertragsschluß gilt. Es soll also z.B.
nicht darauf ankommen, ob die verkaufte Sache kurz vor oder kurz nach diesem zerstört worden ist.
Ein anderer, m.E. gewichtigerer Grund besteht darin, daß das Garantieprinzip zu Ergebnissen führt, die
unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten keinesfalls zu überzeugen vermögen, während sich das Verschuldensprinzip sowohl durch höhere rechtsethische Überzeugungskraft als auch durch größere Flexibilität
auszeichnet. So ist es z.B. nicht einzusehen, warum der Verkäufer eines abhanden gekommenen Kunstwerks dem Käufer auch dann auf das positive Interesse haften soll, wenn das Abhandenkommen für ihn
schlechterdings unerkennbar war.77 Ebenso wenig leuchtet es ein, daß der Verpächter eines Grundstücks, der als solcher im Grundbuch eingetragen ist, dem Pächter vielleicht für Jahrzehnte Schadenser-
73
Vgl. näher Canaris (Fn. 6) S. ??? (7 f) und S. ??? mit Fn. 58.
Vgl. dazu näher Canaris (Fn. 6) S. ??? (22)
75
Vgl. dazu unten II 2 e.
76
Vgl. vor allem U. Huber Bd I (Fn. 11) S. 539 und dagegen bereits Canaris (Fn. 6) S. ??? (16 f)
77
Treffend zu derartigen Fällen bereits Heck (Fn. 25) S. 142, der auch den Charakter der Problematik als Informationsfrage richtig sieht. Dagegen will Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, 1979, S. 269 f., 272 f. den Verkäufer deshalb unabhängig von Verschulden haften lassen, weil
dieser das Risiko abstrakt beherrscht; das ist zwar ein durchaus fruchtbarer Ansatz, vermag aber für sich allein
nicht zu erklären, warum der Verkäufer auf das positive und nicht nur auf das negative Interesse analog § 122
BGB haftet, wie ich das – bis zu einer Reform des Irrtumsrechts – vorgeschlagen habe, vgl. dazu unten d bei
Fn. 87.
74
19
satz wegen Nichterfüllung zu zahlen hat, wenn sich herausstellt, daß aufgrund eines jüngeren Testaments in Wahrheit nicht er, sondern ein anderer der Erbe und damit Eigentümer des Grundstücks ist;
zwar ergibt sich diese Rechtsfolge derzeit noch unmittelbar aus § 541 i.V. mit § 538 Abs. 1 Alt. 1 BGB,
doch erhöht das ihren Gerechtigkeitsgehalt nicht, sondern zeigt nur, daß hier Korrekturbedarf besteht.78
Die These, daß dem Vertrag ein Garantieversprechen innewohne, halte ich für eine glatte petitio principii.
b) Die Eigenständigkeit der Tatbestandsvoraussetzungen von § 311a Abs. 2 KF gegenüber § 280 Abs. 1
KF und der Charakter der Vorschrift als Anspruchsgrundlage
Dagegen hat sich die Kommission der Einsicht nicht verschlossen, daß das Pflichtenprogramm des
Schuldners vor Vertragsschluß zwangsläufig grundlegend anders aussieht als nach Vertragsschluß.
Vorher geht es nämlich im wesentlichen um Informationspflichten, nachher dagegen um Pflichten bezüglich des Leistungsgegenstandes selbst. Deshalb wird die Schadensersatzpflicht für anfängliche Unmöglichkeit jetzt nicht mehr als bloßer Unterfall eines allgemeinen Tatbestandes der Pflichtverletzung
behandelt wie im DiskE, sondern auf eigenständigen Anspruchsvoraussetzungen aufgebaut, die der Eigentümlichkeit dieser Konstellation als Informations- und Irrtumsproblematik Rechnung tragen. Demgemäß stellt § 311a Abs. 2 KF darauf ab, ob der Schuldner die Unmöglichkeit kannte oder seine Unkenntnis zu vertreten hat.79 Die – sprachlich unschöne80 – negative Formulierung des „es-sei denn“Satzes ist natürlich durch das Ziel bedingt, die Beweislast insoweit umzukehren; das entspricht dem allgemeinen Prinzip, wonach bei Schadensersatzansprüchen aus Schuldverhältnissen grundsätzlich vermutet wird, daß der Schuldner den Grund für die Störung zu vertreten hat, und findet seine Legitimation
letztlich im Sphärengedanken.
In dogmatischer Hinsicht folgt aus dieser Eigenständigkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen von §
311a Abs. 2 KF mit Selbstverständlichkeit, daß es sich bei dieser Vorschrift um eine eigene Anspruchsgrundlage und nicht etwa lediglich um einen Unterfall des allgemeinen Pflichtverletzungstatbestandes
des § 280 KF handelt.81 Das wird mittelbar dadurch bestätigt, daß in § 311a Abs. 2 KF nicht auf § 280
KF Bezug genommen wird. Außerdem folgt es zwingend daraus, daß die Pflichtverletzung hier wie dargelegt im vorvertraglichen Stadium liegt und § 280 KF dafür schon nach seinem Wortlaut nicht paßt;
denn die Vorschrift setzt tatbestandlich die Verletzung einer „Pflicht aus dem Schuldverhältnis“ voraus
78
Vgl. näher Canaris (Fn. 6) S. ???
Vgl. auch schon den Formulierungsvorschlag bei Canaris (Fn. 6) S. ???, wo freilich die Notwendigkeit einer
Beweislastumkehr noch nicht berücksichtigt ist.
80
Ein Verbesserungsvorschlag findet sich unten VII 5 d.
81
Unzutreffend daher Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 52, die behaupten, daß es „unklar bleibt, ob §
311a KF eine eigene Anspruchsgrundlage sein soll“, und ohne jede Begründung sogar annehmen, es sei „wohl
gewollt“, daß „an die §§ 280 ff KF anzuknüpfen ist“, obwohl ersteres – nämlich die Schaffung einer eigenen
Anspruchsgrundlage – „insofern sinnvoll erscheint, als aus den oben genannten Gründen nur schwer von einer
‚Pflichtverletzung‘ im sonst verwendeten Sinne gesprochen werden kann“; genau deswegen knüpft § 311a Abs.
2 KF eben gerade nicht an eine Pflichtverletzung, sondern an Kenntnis und zu vertretende Unkenntnis von der
Unmöglichkeit an.
79
20
und gewährt als Rechtsfolge einen Anspruch auf „Ersatz des hieraus entstehenden Schadens“, was auch
dann, wenn man als Schuldverhältnis hier das vorvertragliche Schuldverhältnis ansieht, den von § 311a
Abs. 2 KF gewährten Anspruch auf das positive Interesse mangels der erforderlichen Kausalität nicht
zu begründen vermag und also geradezu unsinnig wäre.
c) Die Rechtsfolgen gemäß § 311a Abs. 2 KF
Auch die Rechtsfolgen sind nunmehr in § 311a Abs. 2 KF klar geregelt worden. Dabei wird ausdrücklich ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, also auf das positive Interesse gewährt. Das ist
erforderlich, weil sich aus der Verletzung einer vorvertraglichen Informationspflicht nach den allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts nun einmal grundsätzlich nur ein Anspruch auf das negative Interesse ergibt, wohingegen die Kommission einen Anspruch auf das positive Interesse als die angemessene
Rechtsfolge ansieht. Das bedarf umso dringlicher einer Regelung, als auf der Grundlage des DiskE im
Hinblick auf eine Bemerkung in der Begründung Zweifel aufgetreten waren, ob nicht nur ein Anspruch
auf das negative Interesse – wie nach § 307 BGB – gegeben sei.82 Daß sich das positive Interesse mitunter nicht bestimmen läßt,83 ist zwar richtig (und altbekannt), ändert aber nichts daran, daß man es wenigstens in den Fällen gewähren kann und sollte, in denen diese Schwierigkeit nicht besteht – wie z.B.
bei einer vor Vertragsschluß vernichteten Sache – oder sich überwinden läßt.84
Dogmatisch gesehen folgt der Anspruch auf das positive Interesse aus der Nichterfüllung des – nach §
311a Abs. 1 KF wirksamen – Leistungsversprechens und nicht etwa aus der Verletzung der – nach §
275 KF ausgeschlossenen – Leistungspflicht,85 was mit dem Wortlaut von § 311a Abs. 2 KF ohne weiteres vereinbar ist, da diese Vorschrift wie gesagt in keiner Weise an § 280 KF anknüpft. Letztlich geht
es also um einen Tatbestand, bei dem ein entschuldbarer Motivirrtum ipso iure von der vertraglichen Erfüllungspflicht befreit, ein verschuldeter dagegen nicht; das stellt zwar eine Systemwidrigkeit gegenüber
dem Irrtumsrecht des BGB dar, doch wird man diese – vorbehaltlich der sogleich zu erörternden Problematik einer analogen Anwendung von § 122 BGB – bis zu einer (dringend gebotenen) Reform des §
119 Abs. 2 BGB als das kleinere Übel in Kauf nehmen können.
Alternativ erhält der Gläubiger einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach Maßgabe von § 284 KF. Das entspricht dem Bestreben, die anfängliche Unmöglichkeit hinsichtlich der Rechtsfolgen genauso zu behandeln wie
die nachträgliche. Allerdings hat die Kommission diese Problematik in einem Punkt nicht vollständig durchdacht, worauf mich Herr Ernst aufmerksam gemacht hat. Aufwendungsersatz im Sinne von § 284 KF umfaßt
nämlich nicht alle Vertrauensschäden – und zwar, wie ich noch darlegen werde, aus gutem Grund.86 Ist dem
Gläubiger also z.B. wegen seines Vertrauens auf den Vertrag, dessen Erfüllung sich als unmöglich erweist, ein
anderes lukrativeres Geschäft entgangen, so erhält er den darin liegenden Verlust nach der derzeitigen Fassung
82
Vgl. U. Huber (Fn. 6) S. 87 f.; Canaris (Fn. 6) S. ???
Das wenden Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 52 ein.
84
Letzteres kann z.B. für das von Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz aaO gebildete Beispiel des Verkaufs eines
niemals gemalten Bildes von Renoir in Betracht kommen, da der Käufer von diesem ja zumindest ein Photo
oder dgl. erlangt haben muß, wenn sein Anspruch nicht ohnehin an § 254 BGB scheitern soll (vgl. dazu auch
oben II 1 a a.E.), und man dann einen Anhalt für eine Schätzung des Werts durch den Vergleich mit anderen
Bildern Renoirs hat.
85
Vgl. dazu näher Canaris (Fn. 6) S. ??? (S. 18 f, 20 f.).
86
Vgl. dazu unten IV 2 b.
83
21
von § 311a Abs. 2 KF nicht ersetzt. Ob das sachgerecht und durch das – m.E. ohnehin nur um den Preis gravierender Defizite durchzuhaltende – Bestreben nach Gleichstellung mit der nachträglichen Unmöglichkeit zu
legitimieren ist, könnte man bezweifeln, weil der Gläubiger insoweit schlechter steht als nach den Regeln über
die culpa in contrahendo. Andererseits steht er aber genauso wie derzeit nach § 307 BGB, weil er danach das
negative Interesse nur bis zur Grenze des positiven erhält und er letzteres nach § 311a Abs. 2 KF ja ohnehin
verlangen kann. Dieses Argument scheint mir zu genügen, um es bei der derzeitigen Regelung von § 311a Abs.
2 i.V. mit § 284 KF bewenden zu lassen, zumal es sich hier um einen jener Fälle der culpa in contrahendo
handeln dürfte, in denen das negative Interesse analog §§ 122, 179 Abs. 2 BGB durch das positive Interesse zu
begrenzen ist.
d) Die Problematik einer Analogie zu § 122 BGB
Nicht einmal Aufwendungsersatz, sondern überhaupt nichts erhält der Gläubiger, wenn der Schuldner
seine Unkenntnis von der Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat. Meine Anregung, insoweit § 122 BGB
für entsprechend anwendbar zu erklären,87 hat die Kommission nach kontroverser Diskussion nicht aufgegriffen (ohne daß es freilich zu einer förmlichen Ablehnung dieses Vorschlags gekommen ist).
Sollte die KF in ihrer derzeitigen Fassung in Kraft treten, halte ich eine Analogie zu § 122 BGB nach
wie vor für unumgänglich und als Rechtsfortbildung praeter legem auch für zulässig. § 311a Abs. 2 KF
führt nämlich dazu, daß der Schuldner aufgrund eines bloßen Motivirrtums, der i.d.R. einen Eigenschaftsirrtum i.S. von § 119 Abs. 2 BGB darstellt oder einem solchen doch zumindest stark ähnelt, von
seiner vertraglich übernommenen Leistungspflicht ersatzlos frei wird – und darin liegt ein untragbarer
Wertungswiderspruch zum Regelungsmodell der §§ 119 Abs. 2, 122 BGB, wonach eine solche Entlastung nun einmal nur um den Preis einer verschuldensunabhängigen Haftung auf das negative Interesse
zu haben ist. Zwar hatte die Kommission kein Mandat zu einem Eingriff in das Recht der Willensmängel, doch erklärt das allenfalls den Verzicht auf eine ausdrückliche Inbezugnahme von § 122 BGB, hindert aber nicht daran, im Wege der Rechtsfortbildung die erforderliche Wertungsharmonie wenigstens
näherungsweise herzustellen. Eine in jeder Hinsicht befriedigende Regelung der Problematik der anfänglichen Unmöglichkeit ist allerdings in der Tat nicht ohne eine Reform von § 119 Abs. 2 BGB zu erreichen.88
e) Die Sonderproblematik der zeitweiligen Unmöglichkeit
Komplex ist die Rechtslage bei der zeitweiligen Unmöglichkeit. Wie ist also z.B. zu entscheiden, wenn die gestohlene Sache alsbald nach Vertragsschluß wieder auftaucht? Grundsätzlich kann der Gläubiger dann deren
Leistung verlangen, da er nach § 311a Abs. 1 KF einen Anspruch auf diese hat, der nach § 275 KF nur zwischenzeitlich durch eine Einwendung gehemmt ist und folglich jetzt wieder uneingeschränkt besteht.89 Hat er
freilich einen der beiden Ansprüche aus § 311a Abs. 2 KF geltend gemacht, so hat er seinen primären Leistungsanspruch analog § 281 Abs. 3 KF verloren, sofern er den Ersatz erhalten – so nach der derzeitigen Fassung der KF – oder verlangt hat – so wohl nach der künftigen Fassung der KF;90 das entspricht dem § 311a KF
zugrunde liegenden Rechtsgedanken, daß die anfängliche Unmöglichkeit genauso behandelt werden soll wie
die nachträgliche. Diese Problematik statt nach § 311a Abs. 2 KF nach § 281 Abs. 1 KF zu behandeln und also
Fälligkeit und Fristsetzung zu verlangen, dürfte anders als nach der derzeitigen Rechtslage, nach der die h.L. §
326 BGB anwendet,91 sowohl mit § 275 KF, der die zeitweilige Unmöglichkeit ausdrücklich einbezieht und
87
Vgl. näher Canaris (Fn. 6) S. ???
Vgl. näher Canaris (Fn. 6) S. ???
89
Vgl. oben I 1 d.
90
Vgl. dazu unten IV 1 f.
91
Vgl. nur Palandt/Heinrichs § 306 Rdn. 9 a.E.
88
22
überdies durch die Einredekonstruktion des Abs. 2 dem Schuldner ohnehin die Möglichkeit zu überobligationsmäßigen Bemühungen um eine Beseitigung des Leistungshindernisses verschafft, als auch mit § 311a Abs.
2 KF, der die anfängliche Unmöglichkeit einer eigenständigen Regelung unterwirft, unvereinbar sein.
Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich, wenn der Schuldner vor dem Wiedereintritt der Leistungsmöglichkeit zwar keinen Anspruch aus § 311a Abs. 2 KF geltend gemacht, aber in der Zwischenzeit einen Verzögerungsschaden i.S. von § 280 Abs. 2 KF erlitten hat. Diesen wird man als ersatzfähig anzusehen haben, sofern
dem Schuldner der Entlastungsbeweis nach § 311a Abs. 2 Halbs. 2 KF nicht gelingt; dafür spricht wiederum
das Bestreben, anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit gleich zu behandeln. Man wird insoweit wohl sogar § 280 Abs. 1 KF unmittelbar anwenden können,92 da dieser Anspruch ja nicht in § 311a Abs. 2 KF geregelt
ist; gewisse Probleme bereitet insoweit freilich die Frage, ob § 275 KF nicht dem Eintritt der Fälligkeit entgegensteht, doch sollte man dieses Bedenken ebenso überwinden wie im Rahmen von § 323 Abs. 1 KF.93 Insgesamt zeigt sich hier freilich, daß der Entwurf auf die Problematik der zeitweiligen Unmöglichkeit nicht hinreichend abgestimmt ist.94
3. Vergleich mit den Parallelregelungen in den UNIDROIT Principles und den European Principles
Die UNIDROIT PRINCIPLES und die European Principles sind der KF jedenfalls insofern überlegen, als sie
die Problematik der anfänglichen Unmöglichkeit in richtiger Erkenntnis des Problemschwerpunktes im Zusammenhang mit dem Irrtumsrecht regeln, wie die Artt. 3.3 bzw. 4:102 zeigen. Unter bestimmten Voraussetzungen – die freilich mit denen des § 119 BGB wenig gemein haben – kann sich der Schuldner durch Anfechtung von seiner Pflicht zur Erfüllung und zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung (nach der KF: statt der
Leistung) gemäß Artt. 3.4 bzw. 4:103 durch Anfechtung lösen, muß jedoch bei Verschulden dem anderen Teil
den Vertrauensschaden nach Artt. 3.18 bzw. 4:117 ersetzen.95 Dieses Modell hat im Grundansatz eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der Lösung, die sich ergibt, wenn man in den Fällen fehlenden Verschuldens des
Schuldners dem hier96 propagierten Vorschlag folgt und § 122 BGB entsprechend anwendet.97 Im übrigen kann
im vorliegenden Rahmen jedoch eine Würdigung dieser Konzeption nicht erfolgen, da diese das gesamte Irrtumsrecht einbeziehen müßte. Außerdem wird die Analyse zusätzlich dadurch erschwert, daß Art. 3.7 bzw.
4:119 dann doch wieder ins Recht der Nichterfüllung zu verweisen scheinen.
III. Besondere Regelungen für gegenseitige Verträge
1. Das Schicksal des Anspruchs auf die Gegenleistung nach § 326 KF
a) Das Erlöschen des Anspruchs auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 KF
Der dritte Problemkreis, der mit der Rehabilitierung der Kategorie der Unmöglichkeit zusammenhängt,
ist die Wiedereinführung des ipso-iure-Erlöschens des Anspruchs auf die Gegenleistung in § 326 Abs. 1
KF. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zum einen ist ein Rücktritt des Gläubigers, wie ihn der DiskE als einzige Möglichkeit zur Verfügung stellte, offenkundig sinnlos, wenn dieser keine Entscheidungsalternative hat, weil er wegen der Unmöglichkeit ohnehin nicht am Vertrag festhalten kann; und
zum anderen würde die Notwendigkeit eines Rücktritts bei Teilunmöglichkeit im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen zu untragbaren Konsequenzen führen98 – und zwar auch und gerade bei zu vertre-
92
Die verletzte Pflicht beruht hier freilich anders als in den Normalfällen des § 280 Abs. 1 KF auf dem vorvertraglichen Schuldverhältnis i.S. von § 241 Abs. 2 KF.
93
Vgl. dazu unten III 2 b.
94
Vgl. dazu ferner unten III 2 b und IV 1 c.
95
Vgl. dazu auch U. Huber Bd I (Fn. 11) § 22 III.
96
Vgl. oben 2 d.
97
Vgl. auch U. Huber aaO (wie Fn. 95) Fn. 65, der in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf das Modell des
§ 122 BGB hinweist und es mit Recht für vorzugswürdig hält.
98
Darauf hat U. Huber ZIP 2000, 2277 mit Recht hingewiesen.
23
tender Unmöglichkeit wie z.B. bei einem schuldhaften Fernbleiben des Arbeitnehmers von der Arbeit99.
Demgemäß hat die Kommission in § 326 Abs. 1 KF die Vorschrift des § 323 BGB im wesentlichen
wiederhergestellt.
Was den Anschluß an die – gegenüber dem BGB neuartige – Einredelösung des § 275 Abs. 2 KF angeht, so besteht das einzige wesentliche Sachproblem darin sicherzustellen, daß es zum Wegfall des Anspruchs auf die
Gegenleistung erst dann kommt, wenn der Schuldner die Einrede erhoben hat. Das ist durch die Formulierung
„Soweit der Schuldner nach § 275 Abs. 2 nicht zu leisten braucht“ gewährleistet; denn diese Voraussetzung
wird in der Tat erst durch die Erhebung der Einrede erfüllt, weil es ja gerade das rechtliche Wesen einer solchen ausmacht, daß die Leistungspflicht des Schuldners fortbesteht, bis er sich auf die Einrede beruft.100
§ 326 Abs. 1 Satz 2 KF regelt die teilweise Unmöglichkeit. Einen anderen Sinn kann die Vorschrift überhaupt
nicht haben – ganz abgesehen davon, daß die Einleitung von Satz 1 mit dem Wort „Soweit“ schon einen hinreichenden Hinweis auf die Einbeziehung der teilweisen Unmöglichkeit enthält.101
b) Der Fortbestand des Anspruchs auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 2 KF
Darüber hinaus hat die Kommission in § 326 Abs. 2 KF auch § 324 BGB in seinen beiden Absätzen
wiederhergestellt, da auch diese Vorschrift sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgeseite als sachgerecht erscheint. Dadurch ist eine entsprechende Entlastung der Vorschriften über den
Rücktritt
erreicht
worden
und
zugleich
eine
Wiederherstellung
des
wahren
Regel-
Ausnahmeverhältnisses erfolgt: Während man bisher nur mittelbar aus dem Ausschluß des Rücktrittsrechts in § 323 Abs. 3 Ziff. 3 DiskE entnehmen konnte, daß der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung trotz der Unmöglichkeit fortbesteht – wobei überdies wie auch sonst verwirrenderweise
peinlich vermieden wird, die Unmöglichkeit beim Namen zu nennen –,102 wird diese Rechtsfolge, deren
Regelung ja das allein wesentliche Problem darstellt, jetzt wieder expressis verbis ausgesprochen. Zugleich wird erreicht, daß die Vorschrift des § 324 DiskE, die als eigenständige Norm formuliert ist, obwohl sie lediglich ein Zusatz- und Detailproblem von ganz untergeordneter Bedeutung betrifft, als solche verschwindet und entsprechend ihrer wirklichen Bedeutung zu einem bloßen Satz 2 von § 326 Abs.
2 KF absinkt.
99
Vgl. näher Canaris (Fn. 6) S. ???
Warum Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 27 meinen, § 326 KF sei auf die Einredelösung des §
275 Abs. 2 KF „noch nicht hinreichend abgestimmt“ und insoweit bestehe „noch Arbeitsbedarf“, ist mir daher
nicht verständlich; daß die Erhebung der peremptorischen Einrede aus § 275 Abs. 2 KF – die als Ausübung eines Gestaltungsrechts ja endgültig ist – zu einem Untergang des Anspruchs auf die Gegenleistung führt, ist
zwar in der Tat „unsymmetrisch und zumindest gewöhnungsbedürftig“ (so Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz S.
66), doch halte ich es nicht für die Aufgabe des Gesetzgebers, sich mit solchen Kleinigkeiten abzugeben.
101
Es für mich daher nicht nachvollziehbar, wenn Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 66 monieren,
daß „im Text nicht ganz deutlich wird, ob § 326 I 2 KF auch die teilweise Unmöglichkeit erfassen soll“, und
sogar fordern, daß „auch hier nachgebessert werden muß“.
102
Um den Gewinn an Transparenz voll würdigen zu können, muß man sich den Wortlaut von § 323 Abs. 3
Ziff. 3 DiskE vor Augen halten. Dieser lautet: „Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn ... der Gläubiger für die
Pflichtverletzung allein oder überwiegend verantwortlich oder die nicht vom Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung zu einer Zeit eingetreten ist, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.“ Durch diese
Regelungstechnik wird – ganz abgesehen von der hier besonders verfehlten Pflichtverletzungsterminologie
(vgl. dazu unten VII 4) – der eigentliche Gehalt der Vorschrift geradezu „versteckt“.
100
24
c) Die Änderung der Rückabwicklungsregelung von § 323 Abs. 3 BGB
Geändert hat die Kommission die in § 323 Abs. 3 BGB enthaltene Verweisung auf das Bereicherungsrecht, indem sie diese in § 326 Abs. 4 KF durch eine Verweisung auf die Vorschriften über die Rückabwicklung beim Rücktritt ersetzt hat. Denn wenngleich der Kommission das Erfordernis eines Rücktritts in den Fällen des § 326 KF überflüssig, ja sinnwidrig erschien, ist kein tragfähiger Grund dafür ersichtlich, nun auch das Rückabwicklungsverhältnis anders als in den Fällen des Rücktritts auszugestalten. Das gilt auch dann, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat;103 denn zum einen
ist jetzt ja auch der Rücktritt generell von dem Erfordernis des Vertretenmüssens unabhängig,104 und
zum anderen stellt auch die nicht zu vertretende Unmöglichkeit oft immerhin eine Störung dar, die sich
in der Sphäre des Schuldners ereignet.
Gleichwohl ist nicht auszuschließen, daß die Rücktrittsregeln des Entwurfs als solche insoweit nicht angemessen ausgestaltet sind, weil sie keine hinreichenden Differenzierungen enthalten, auch wenn § 346 Abs. 3 Nr. 3
KF immerhin durch eine Sondervorschrift für die Fälle des gesetzlichen Rücktritts Rechnung zu tragen
sucht,105 doch lag die Überprüfung dieser Bestimmungen außerhalb des Mandats der für das Leistungsstörungsrecht eingesetzten Kommission (und wäre wegen des extrem knappen Zeitrahmens auch über deren Kräfte gegangen). Es ist daher gut möglich, daß es Fallkonstellationen gibt, für die eine Abwicklung nach Rücktrittsrecht wegen besonderer Schutzwürdigkeit des Schuldners nicht angemessen erscheint.106 Hier ist dann mit einer teleologischen Reduktion von § 326 Abs. 4 KF zu helfen, die zwangsläufig zur Anwendung des – milderen
– Bereicherungsrechts führt. Im übrigen sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß das Arbeitsrecht nicht ohne weiteres einen geeigneten Prüfstein für das allgemeine Leistungsstörungsrecht darstellt, weil
es – vor allem wegen seiner Einschübe von Postulaten der distributiven Gerechtigkeit – insoweit nicht selten
seine eigenen Wege geht und auch gehen muß.
2. Der Rücktritt nach den §§ 323 f. KF
a) Die Entzerrung der Rücktrittsgründe
Nicht nur auf der Rechtsfolgen-, sondern auch auf der Tatbestandsseite läßt § 326 KF das Bestreben
nach Differenzierung erkennen: Die Tatbestände der vom Schuldner oder von keiner Partei zu vertretenden Unmöglichkeit, der vom Gläubiger zu vertretenden Unmöglichkeit und der während des Annahmeverzugs eintretenden Unmöglichkeit sind jetzt deutlich als eigenständige Regelungsprobleme erkennbar,
während sie bisher in dem Einheitstatbestand des Rücktritts wegen Pflichtverletzung nach § 323 DiskE
ununterscheidbar miteinander vermengt oder in einer schwer zu durchschauenden Weise in Ausnahmetatbeständen wie dem soeben erwähnten § 323 Abs. 3 Ziff. 3 DiskE „versteckt“ waren.107
103
A.A. Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 67 im Anschluß an U. Huber (Fn. 6) S. 171 f..
Folgerichtig fordern Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 67, auf einen Schuldner, der den Rücktrittsgrund nicht zu vertreten hat, statt der strengen Haftung nach den §§ 346 ff. KF das mildere Bereicherungsrecht anzuwenden; der gesetzessystematisch richtige Ort für eine solche Differenzierung sind jedoch die
§§ 346 ff. KF und nicht die §§ 323 ff. KF, vgl. dazu auch sogleich im Text.
105
Vgl. dazu vor allem die Kritik von J. Hager in Ernst/Zimmermann (Fn. 6) S. 431 ff.
106
Das kommt z.B. für den auf der Zivilrechtslehrertagung von Löwisch vorgetragenen Fall in Betracht, daß
ein Arbeitnehmer das im voraus erhaltene Entgelt verbraucht hat und aus einem von ihm nicht zu vertretenden
Umstand nicht zur Arbeit kommen kann.
107
Vgl. dazu noch einmal Fn. 102.
104
25
Diese Tendenz zur Entzerrung und zu einer transparenteren tatbestandlichen Aufgliederung prägt auch
im übrigen die Neuregelung des Rücktrittsrechts. So enthält § 323 Abs. 1 KF klar herausgehoben die
Rücktrittsgründe der Nicht- und der Schlechtleistung.
§ 324 KF regelt den Rücktritt wegen der Verletzung einer „sonstigen“ Pflicht. Damit sind unmißverständlich die nicht leistungsbezogenen Pflichten, also vor allem die sogenannten Schutzpflichten hinsichtlich der übrigen Rechtsgüter des Gläubigers gemeint, wie sich aus dem sprachlichen Bezug des
Wortes „sonstig“ auf den vorhergehenden § 323 KF und damit auf die dort geregelten Leistungspflichten ergibt. Der Rücktritt wegen einer Nebenleistungspflicht fällt also unter § 323 KF und unterliegt
demgemäß nicht den Tatbestandsvoraussetzungen des § 324 KF, sondern denjenigen des § 323 KF. Im
DiskE wird die vorliegende Problematik inhaltlich ähnlich, aber gesetzgebungstechnisch ganz anders
behandelt: Statt in einer eigenständigen Norm, welche den Gegenstand unmittelbar regelt, wird dieser in
§ 323 Abs. 3 Ziff. 2 DiskE lediglich mittelbar und im Rahmen einer Ausnahmevorschrift erfaßt.108 Der
Vergleich zeigt sehr schön, worauf es der Kommission bei der Neuformulierung der Vorschriften über
den Rücktritt wesentlich ankommt: auf die Verbesserung der Transparenz durch unmittelbare Anknüpfung an die maßgeblichen Rücktrittsgründe und durch Wiederherstellung des sachgerechten RegelAusnahmeverhältnisses.
b) Die Herausnahme der Unmöglichkeit aus dem Anwendungsbereich von § 323 KF und die Sonderproblematik der zeitweiligen Unmöglichkeit
Die Unmöglichkeit, die von § 323 DiskE uneingeschränkt mitumfaßt wurde, fällt grundsätzlich nicht
unter § 323 KF, was zwar nicht ausdrücklich aus dem Text der Vorschrift hervorgeht, sich aber sowohl
aus einem Umkehrschluß zu § 326 KF als auch aus dem Fehlen einer Verweisung auf § 323 KF in §
275 Abs. 3 KF mit hinreichender Deutlichkeit ergibt. In der Tat besteht für einen Rücktritt bei Unmöglichkeit grundsätzlich kein Bedürfnis, da § 326 KF bereits die adäquate Rechtsfolge enthält und es dem
Gläubiger im übrigen natürlich unbenommen bleibt, vorsorglich den Rücktritt zu erklären.
Anders liegt es hinsichtlich der zeitweiligen Unmöglichkeit. Da diese nach § 275 KF nicht zu einem Untergang, sondern lediglich zu einer Hemmung des Leistungs- und damit auch des Gegenleistungsanspruchs gemäß
§ 326 Abs. 1 KF führt und letzterer somit latent fortbesteht,109 ist hier durchaus ein praktisches Bedürfnis für
eine endgültige Bereinigung der Rechtslage durch eine Ausübung des Rücktrittsrechts und auch ein tauglicher
Gegenstand für eine Vernichtung im Wege einer Gestaltungserklärung gegeben.110 Gewisse gedankliche
Schwierigkeiten bereitet indessen das Erfordernis der Fälligkeit, wenn diese nach dem Zeitpunkt liegt, in dem
der Ausschluß des Anspruchs auf Leistung nach § 275 Abs. 1 KF erfolgt ist oder der Schuldner sein Leistungsverweigerungsrecht nach Abs. 2 KF geltend gemacht hat; denn dann kann man schwerlich noch von Fälligkeit
im strikten Sinne sprechen. Teleologisch gesehen erscheint es jedoch sinnwidrig, danach zu differenzieren, ob
das Leistungshindernis vor oder nach dem Fälligkeitszeitpunkt eintreten ist. Außerdem ist kein hinreichender
Grund dafür ersichtlich, den Gläubiger in den Fällen der zeitweiligen Unmöglichkeit anders zu stellen als in
108
§ 323 Abs. 3 Ziff. 2 DiskE lautet: „Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn ... eine Pflicht im Sinne des § 241
Abs. 2 verletzt ist und dem Gläubiger trotz der Pflichtverletzung das Festhalten am Vertrag zugemutet werden
kann.“
109
Vgl. oben I 1 d.
110
Des – an sich ohne weiteres denkbaren – Rückgriffs auf die Lehre von den „Doppelwirkungen im Recht“
bedarf es also nicht.
26
den übrigen Fällen, in denen der Schuldner seine Leistung nicht erbringt.111 Folglich muß der Gläubiger
grundsätzlich in dem Zeitpunkt, in dem sein Anspruch ohne den Eintritt des Leistungshindernisses fällig geworden wäre, dem Schuldner eine angemessene Frist setzen112 und nach deren Ablauf zurücktreten können.
Allerdings wird in § 275 Abs. 3 KF nicht auf § 323 KF verwiesen, doch könnte man das im Wege der Rechtsfortbildung praeter legem überwinden, da die Rücktrittsmöglichkeit ja nicht generell für die Unmöglichkeit,
sondern nur für den Sonderfall der zeitweiligen Unmöglichkeit in Betracht kommt. Andererseits zeigt sich an
diesen Komplikationen erneut, daß die KF nicht hinreichend auf die Problematik der einstweiligen Unmöglichkeit abgestimmt ist.113 Das spricht dafür, diese durch Streichung der Worte „und solange“ in § 275 KF aus
dem Entwurf herauszunehmen und die Lösung der einschlägigen Probleme nach wie vor Rechtsprechung und
Rechtswissenschaft zu überlassen.114
c) Die Anhebung der tatbestandlichen Schwelle für den Rücktritt
Inhaltlich hat die Kommission die Vorschriften über den Rücktritt vor allem durch eine Anhebung der
tatbestandlichen Schwelle für dessen Zulässigkeit verändert. Für § 323 Abs. 1 KF bedeutet dies, daß
nunmehr wieder ernst gemacht wird mit dem Erfordernis, daß der Gläubiger dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung zu setzen hat. Denn wenn er das nicht tut, läuft anders als nach § 323 Abs. 1
Satz 2 DiskE nicht etwa ipso iure eine angemessene Frist, sondern gar keine, so daß die Voraussetzungen für einen Rücktritt nicht erfüllt sind und dieser folglich unwirksam ist. Der Gläubiger trägt also
nach der KF das Risiko eines Fehlgriffs, wohingegen nach der ursprünglichen Regelung des DiskE das
Fristsetzungserfordernis praktisch leerläuft, weil das Gesetz jedenfalls ein Auffangnetz bereit hält.115
Eine solche Aushebelung des Fristsetzungserfordernisses erscheint als nicht akzeptabel, weil dieses dem
Schutz des elementaren Grundsatzes pacta sunt servanda dient und zugleich ein wesentliches Element
privatautonomer Selbstverantwortung enthält.
Außerdem ist die Effizienz des Fristsetzungserfordernisses auch deshalb wichtig, weil durch dieses dem
Schuldner i.d.R. zugleich der Ernst der Lage vor Augen geführt wird. Das macht sich § 323 Abs. 1 KF
in Anlehnung an § 323 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs der Schuldrechtskommission durch die Regelung
zunutze, daß das Rücktrittsrecht entfällt, wenn der Schuldner trotz der Fristsetzung nicht mit dem
Rücktritt zu rechnen brauchte. Das hält den Gläubiger dazu an, seine Fristsetzung hinreichend deutlich
zu formulieren und ihr einen gewissen Warncharakter zu verleihen, ohne andererseits Gefahr zu laufen,
sich in den Fallstricken des derzeitigen Erfordernisses einer „harten“ Ablehnungsandrohung nach § 326
Abs. 1 Satz 1 BGB zu verfangen. Die Formulierung als „es-sei-denn“-Satz – die gegenüber der Regelung der Schuldrechtskommission neu ist – enthält dabei sowohl eine Auslegungsregel als auch eine
111
Man könnte erwägen, die zeitweilige Unmöglichkeit ebenso zu behandeln wie die teilweise Unmöglichkeit
und also auch hier einen Interessewegfall i.S. von § 323 Abs. 4 Satz 1 KF zu fordern, doch spricht dagegen,
daß der Gläubiger hier anders als dort überhaupt nichts erhält; ist das Hindernis voraussichtlich in Bälde behoben und der Gläubiger nicht auf eine vorherige Leistung angewiesen, kann man dem bei der Bemessung der
Länge der zu setzenden Frist Rechnung tragen.
112
Die Fristsetzung kann im Einzelfall nach § 323 Abs. 2 Ziff. 3 KF entbehrlich sein, doch wird man hier nicht
generell auf sie verzichten können, weil dem Schuldner angesichts des nur zeitweiligen Vorliegens der Unmöglichkeit die Chance zu der Behebung des Leistungshindernisses nicht von vornherein genommen werden
darf.
113
Vgl. schon oben II 2 e.
114
Vgl. auch unten IV 1 h zum Parallelproblem bei § 283 S. 2 KF.
27
Beweislastumkehr: Im Zweifel ist anzunehmen, daß die Fristsetzungserklärung klar genug formuliert ist,
um dem Schuldner die Gefahr eines Rücktritts zu verdeutlichen; und es ist dessen Sache, gegebenenfalls
Umstände darzulegen und zu beweisen, auf Grund derer er ausnahmsweise nicht mit dem Rücktritt zu
rechnen brauchte.
Inhaltlich halte ich die Regelung von § 323 Abs. 1 KF, bei der man von einer „qualifizierten“ Fristsetzung sprechen kann, für einen optimalen Kompromiß zwischen den widerstreitenden Interessen von
Gläubiger und Schuldner. Sollte sie mit der Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf unvereinbar sein – was
alles andere als sicher ist116 –, müßte entweder für diesen eine Sonderregelung geschaffen und in den
entsprechenden Untertitel des Kaufrechts (§§ 472 ff. KF) eingestellt oder, was ich für bei weitem vorzugswürdig halte, auf die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung bzw. teleologischen Reduktion117 zurückgegriffen werden.118 Im Hinblick auf den „es-sei-denn“-Satz gemäß § 323 Abs. 1 a.E.
KF ist dieser Ausweg auch deswegen angemessen, weil der Schuldner von einem Unternehmer weit eher
einen unmißverständlichen Warnhinweis auf den Rücktritt erwarten kann als von einem Verbraucher, so
daß § 323 Abs. 1 KF insoweit durchaus eine unterschiedliche Handhabung erlaubt. Wie dem auch sei –
für den unternehmerischen Gläubiger sollte man keinesfalls hinter § 323 Abs. 1 KF zurückgehen und
daher nicht etwa die Regelung von § 323 Abs. 1 DiskE wiederherstellen.
Auch für den Rücktritt wegen Verletzung einer nicht-leistungsbezogenen Pflicht nach § 324 KF ist die tatbestandliche Schwelle angehoben worden, indem das schon in § 323 Abs. 3 Ziff. 2 DiskE enthaltene Zumutbarkeitskriterium durch das Erfordernis der Wesentlichkeit der Pflichtverletzung ergänzt worden ist. Dadurch
wird eine rein subjektive, auf den Gläubiger bezogene Bewertung durch die Hinzufügung eines objektiven Elements verstärkt.
d) Zwei ungeregelte Fragen: Die Wirkung von Einreden und die von beiden Parteien zu vertretende Unmöglichkeit
§ 323 Abs. 3 Ziff. 4 DiskE enthält eine Regelung der Wirkungen, welche die Erhebung von Einreden
gegen den Anspruch auf den Rücktritt hat. Diese Bestimmung hat sich bei näherer Analyse in mehrfacher Hinsicht als fehlerhaft erwiesen. Die Kommission hat sich daher dazu entschlossen, sie ersatzlos zu
streichen und die Lösung dieser Problematik auch weiterhin Rechtsprechung und Rechtswissenschaft zu
überlassen. Das erscheint sachgerecht, weil die Problematik einerseits verhältnismäßig komplex ist und
einer differenzierten Lösung bedarf, andererseits aber weder praktisch noch dogmatisch so große Be-
115
Vgl. dazu auch die berechtigte Kritik von U. Huber (Fn. 6) S. 153; Ernst in Ernst/Zimmermann (Fn. 6) S.
589 f. an der Parallelvorschrift des § 282 Abs. 1 DiskE.
116
Von dem Referenten des Ministeriums wurde es in mehreren Kommissionssitzungen verneint; einen Verstoß gegen die Richtlinie bejahen dagegen Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 63.
117
Daß auch letztere zulässig ist und daß dabei die Wertung der Richtlinie selbst als Maßstab der Lückenfeststellung herangezogen werden kann, habe ich in einem Festschriftbeitrag, der noch in diesem Jahr erscheinen
wird, näher dargelegt, vgl. dort unter III 2 a und 3.
118
Diese wird dadurch erleichtert, daß das Ministerium von der Vereinbarkeit von § 323 Abs. 1 KF mit der
Richtlinie ausgeht und sich über diese also keinesfalls hinwegsetzen will; das sollte demgemäß tunlichst in der
Regierungsbegründung zum Ausdruck kommen.
28
deutung hat, daß die an eine Kodifikation zu stellenden Anforderungen ihre Aufnahme in das Gesetz als
unumgänglich erscheinen lassen.
Noch eine zweite Frage wollte die Leistungsstörungsrechtskommission grundsätzlich offen lassen. Gegenüber § 323 Abs. 3 Ziff. 3 DiskE ist in § 323 Abs. 6 KF (und dementsprechend auch in der Parallelregelung von § 326 Abs. 2 Satz 1 KF) eine kleine Einfügung vorgenommen worden, die nur scheinbar
geringfügig ist: Der Rücktritt ist jetzt nur noch dann ausgeschlossen, „wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist“, wohingegen in § 323 Abs. 3 Ziff. 3 DiskE das Wörtchen „weit“ fehlt. Dahinter steht die Entscheidung der
Kommission, von dem Vorhaben des DiskE abzurücken, in dieser Bestimmung die schwierige und kontroverse Problematik der von beiden Parteien zu vertretenden Unmöglichkeit gewissermaßen im Handstreich gleich mitzuerledigen.119 Inbesondere soll der Lösung mit Hilfe des Rechtsgedankens von § 254
BGB120 keinesfalls der Boden entzogen werden. Im Gegenteil: Die Wendung „weit überwiegend“ ist von
der Kommission genau deshalb gewählt worden, weil man in derartigen Fällen im Rahmen von § 254
BGB von Alleinverantwortlichkeit des Handelnden auszugehen pflegt.121 Weil das im Text der Vorschrift immerhin andeutungsweise zum Ausdruck kommt, ist es für deren Auslegung von Bedeutung –
und zwar in zweifacher Hinsicht: Die – ohnehin nur mit Hilfe der Begründung des Abschlußberichts der
Schuldrechtskommission und des DiskE verständliche, nicht aber allein aus dem Text von § 323 Abs. 3
Ziff. 3 DiskE zu entnehmende – These, daß in dieser Vorschrift die von beiden Parteien zu vertretende
Unmöglichkeit geregelt sei, ist für die KF gegenstandslos geworden; und sofern man für die Problematik
der beiderseits zu vertretenden Unmöglichkeit die Lösung mit Hilfe des Rechtsgedankens von § 254
BGB für richtig hält – worüber die §§ 323 Abs. 6, 326 Abs. 2 Satz 1 KF freilich nichts besagen –, ist
die Mitverantwortung i.S. von §§ 323 Abs. 6, 326 Abs. 2 Satz 1 KF dann als „weit überwiegend“ anzusehen, wenn man diese auch im Rahmen von § 254 BGB der Alleinverantwortung gleichstellen würde.
Das ergibt sich im übrigen auch unabhängig von dem „historischen“ Hintergrund aus systematischen
und teleologischen Erwägungen. Denn da ja nun einmal das Wörtchen „weit“ im Text der §§ 323 Abs.
6, 326 Abs. 2 Satz 1 KF steht, ist die Problematik unterhalb dieser Schwelle zumindest wieder offen, so
daß jedenfalls insoweit der Rechtsgedanke von § 254 BGB einfließen kann; geht man diesen Weg, ist es
119
Vgl. Abschlußbericht S. 170; DiskE S. 399.
Vgl. dazu nur U. Huber (Fn. 6) S. 176 f mit umf. Nachw. aus der Rspr.
121
Um der „historischen“ Genauigkeit willen (vgl. dazu oben Fn. 27) sei festgehalten, daß ich den Antrag gestellt hatte, die Worte „oder überwiegend“ zu streichen, weil das Problem der beiderseits zu vertretenden Unmöglichkeit so nicht geregelt und insbesondere der Lösungsweg mit Hilfe von § 254 BGB nicht versperrt werden dürfe. Darauf wurde der Gegenvorschlag gemacht, statt dessen das Wörtchen „weit“ einzufügen. Damit erklärte ich mich mit der ausdrücklichen Begründung einverstanden, dies sei akzeptabel, weil auch im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 254 BGB die „weit“ überwiegende Mitverantwortlichkeit grundsätzlich der
Alleinverantwortlichkeit gleichgestellt werde; anderenfalls hätte aus der völligen Streichung der Worte „oder
überwiegend“ der Umkehrschluß gezogen werden können, daß es sich in § 323 Abs. 6 KF stets um eine Alleinverantwortlichkeit im strikten Sinne handeln müsse, was ich nun auch nicht für richtig hielte.
120
29
ein Gebot wertungsmäßiger Konsequenz, auch die Auslegung der Worte „weit überwiegend“ mit § 254
BGB zu harmonisieren.
IV. Die Haftung nach den §§ 280 – 284 KF
1. Die Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 – 283 KF
a) § 280 KF als zentrale Anspruchsgrundlage und die Entzerrung der Schadensersatztatbestände
Auch die Überarbeitung der schadensersatzrechtlichen Regelungen des DiskE ist durch das Bestreben
nach größerer Transparenz gekennzeichnet. Demgemäß stellt § 280 KF die zentrale Grundlage für Ansprüche auf Schadensersatz dar, soweit das anspruchsbegründende Verhalten des Schuldners nach der
Entstehung des Schuldverhältnisses liegt.122 Das gilt etwa für die Geltendmachung des Verzögerungsschadens123 oder des durch eine Schutzpflichtverletzung verursachten Schadens z.B. bei einer Sachbeschädigung oder einer Körperverletzung. Demgemäß werden die Fälle der positiven Forderungsverletzung primär von § 280 Abs. 1 KF allein erfaßt. Auch soweit es um die spezielle Rechtsfolge des Schadensersatzes „statt der Leistung“ geht, bauen die §§ 281 – 283 KF durch eine ausdrückliche Bezugnahme tatbestandlich auf § 280 Abs. 1 KF auf und sind zusätzlich durch § 280 Abs. 3 KF regelungstechnisch mit der Zentralnorm des § 280 KF verknüpft.
Außerdem sind auch die schadensersatzrechtlichen Vorschriften ebenso wie die rücktrittsrechtlichen
stark entzerrt worden. Deshalb ist die hochabstrakte Generalklausel von § 282 DiskE durch die Trias
der §§ 281 – 283 KF ersetzt worden. Nimmt man § 280 Abs. 2 KF hinzu, so treten die unterschiedlichen Grundtypen deutlich hervor: Verzug, Nichterfüllung, Erfüllungsverweigerung124, Schlechterfüllung, Verletzung einer nicht leistungsbezogenen Nebenpflicht bzw. Schutzpflicht und Unmöglichkeit.
Die altvertrauten Kategorien kehren also wieder.
Die in der zentralen Stellung von § 280 KF liegende Vereinheitlichung wird flankiert durch die (partielle125)
Abschaffung der Vorschrift des § 325 Abs. 1 Satz 1 DiskE, die den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung tatbestandlich an die vorherige Ausübung des Rücktritts knüpft. Schon deren Verhältnis zu der – folgerichtig ersatzlos gestrichenen – Regelung des § 280 Abs. 2 Satz 3 DiskE und damit ihr Charakter als Anspruchsgrundlage erscheint als problematisch. Vor allem aber überzeugt die pauschale Anknüpfung an die
Voraussetzungen des Rücktritts nicht. Zum einen birgt diese nämlich in gesetzgebungstechnischer Hinsicht
kaum überschaubare Komplikationsrisiken in sich, und zum anderen zwingt sie dem Gläubiger ohne hinreichenden Grund die Erklärung des Rücktritts als Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch auf, statt diesen auch ohne jenen zu gewähren.
122
Für vor und bei der Entstehung des Schuldverhältnisses erfolgende Verstöße gelten die selbständigen und
andersartigen Anspruchsgrundlagen der §§ 311 und 311a KF, vgl. dazu oben II 2 b und unten VI 1 b und c.
123
Daher ist es folgerichtig, daß Abs. 2 von § 280 KF vor Abs. 3 steht, obwohl letzterer auf die unmittelbar anschließenden §§ 281 – 283 KF verweist.
124
Vgl. § 281 Abs. 2 Halbs. 1 KF.
125
Vgl. dazu unten bei und mit Fn. 140.
30
b) Die Trennung von Pflichtverletzung und Vertretenmüssen in § 280 Abs. 1 KF und die damit verbundenen Schwierigkeiten hinsichtlich der Verteilung der Beweislast
Heikel ist die Trennung der Kategorien Pflichtverletzung und Vertretenmüssen in § 280 Abs. 1 Satz 1
und 2 KF. Denn da letzteres nach § 276 Abs. 1 und 2 KF i.d.R. in der Außerachtlassung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt liegt, ist kaum verständlich, worin der Unterschied zwischen den beiden Sätzen
von § 280 Abs. 1 KF besteht. Das ist umso gravierender, als es dabei keineswegs nur um ein terminologisches, sondern auch um ein sachliches Problem geht, weil ja die Beweislast insoweit gegensätzlich
verteilt ist. Das läßt sich gut an den klassischen Tatbeständen der Unmöglichkeit und des Verzugs verdeutlichen: Die „Pflichtverletzung“ i.S. von § 280 Abs. 1 besteht hier ganz einfach darin, daß die geschuldete Leistung nicht bzw. nicht pünktlich erbracht wird; die Verletzung der verkehrserforderlichen
Sorgfalt liegt demgegenüber darin, daß der Schuldner z.B. den Vertragsgegenstand unsorgfältig behandelt und so die Unmöglichkeit herbeigeführt hat, oder etwa darin, daß er die geschuldete Ware nicht
frühzeitig genug auf den Weg gebracht hat, obgleich mit einem Eisenbahnerstreik oder dgl. zu rechnen
war. Natürlich käme dieser Unterschied wesentlich besser zum Ausdruck, wenn man in Abs. 1 Satz 1
die Nichterfüllungsterminologie verwenden würde, und daher werde ich dazu noch einen entsprechenden
Formulierungsvorschlag machen.126
Vertrackt wird die Situation in den Fällen, in denen man bisher von positiver Forderungsverletzung
spricht. Zu den Pflichten, um deren Verletzung es hier geht, gehören sowohl die (echten) vertraglichen
Nebenpflichten, die der Erfüllung des spezifisch vertraglichen Leistungsinteresses des Gläubigers dienen, als auch die (bloßen) Schutzpflichten, die die Bewahrung seiner sonstigen Rechte und Güter vor
Schäden zum Ziel haben. Handelt es sich um erstere wie z.B. bei der Pflicht zur Aushändigung einer
Bedienungsanleitung für eine Maschine, so paßt ohne weiteres das soeben skizzierte gedankliche Schema: Die Pflichtverletzung i.S. von Satz 1 liegt dann wiederum einfach in dem Unterbleiben der Aushändigung, die sich ja geradezu als unvollständige oder mangelhafte Erfüllung der Hauptleistungspflicht
qualifizieren läßt, und der Schuldner kann nach Satz 2 unter Beweis stellen, daß er dieses nicht zu vertreten hat – z.B. weil alle Bedienungsanleitungen durch eine ihm nicht zuzurechnende Brandkatastrophe
vernichtet worden sind und ein Nachdruck bis zum Fälligkeitstermin nicht möglich war.
Anders liegt es indessen bei Schutzpflichtverletzungen i.S. von § 241 Abs. 2 KF. Hier muß nämlich erst
einmal positiv festgestellt werden, worin die Pflichtverletzung überhaupt besteht, und das hat die außerordentlich wichtige praktische Konsequenz, daß es grundsätzlich der Gläubiger ist, der insoweit die Beweislast trägt.127 Zwar kann man daran dann auch wieder Korrekturen unter dem Gesichtspunkt der
„Sphärentheorie“ vornehmen,128 doch ist das naturgemäß keineswegs immer möglich, und ändert nichts
daran, daß die Beweislast im Ausgangspunkt insoweit beim Gläubiger liegt. Das kann auch nach § 280
126
Vgl. unten VII 5 c.
Ebenso luzide wie tiefdringend dazu nach wie vor Larenz (Fn. 22) § 24 I b.
128
Vgl. dazu ebenfalls Larenz aaO; ferner z.B. Palandt/Heinrichs § 282 Rdn. 8 ff.
127
31
Abs. 1 KF nicht anders sein, weil das Vorliegen einer Schutzpflichtverletzung zwangsläufig unter Satz 1
und nicht unter Satz 2 fällt, doch wird das durch die mangelnde terminologische Unterscheidung zwischen Erfüllungs- und Schutzpflichtverletzungen leider gänzlich verdunkelt.129
Von diesem Ansatz aus ist auch das von Löwisch in die Diskussion gebrachte Beispiel der sogenannten Mankohaftung des Arbeitnehmers zu lösen. Es geht dabei um Fälle, in denen der Arbeitnehmer nicht den Besitz an
dem Kassen- oder Warenbestand hat, sondern nur Besitzdiener ist. Dann haftet er nach Ansicht des BAG für
einen Fehlbestand nicht aus § 667 i.V. mit § 280 BGB, so daß die Beweislastumkehrung des § 282 BGB insoweit nicht zum Zuge kommt.130 Folglich bleibt allenfalls ein Anspruch aus Schutzpflichtverletzung mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe Geld oder Gut des Arbeitgebers nicht mit hinreichender Sorgfalt vor einer
Minderung bewahrt. Für dessen Voraussetzungen trägt jedoch grundsätzlich der Arbeitgeber die Darlegungsund Beweislast, wie das BAG völlig zutreffend entschieden hat.131 Das kann auch nach § 280 Abs. 1 KF nicht
anders sein, weil ja auch danach der Arbeitgeber erst einmal die objektive Pflichtverletzung darzulegen und
erforderlichenfalls zu beweisen hat, doch zeigt sich an dem Einwand Löwischs, wie verwirrend und unzweckmäßig die Terminologie von § 280 Abs. 1 KF ist.132
c) Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 281 – 283 KF und die Abstimmung mit dem Rücktrittsrecht
Die §§ 281 – 283 KF gewähren einen Anspruch auf Schadensersatz „statt der Leistung“, wie es jetzt an
Stelle von Schadensersatz wegen Nichterfüllung heißt. Es geht also in allen drei Vorschriften um eine
besondere Rechtsfolge, die freilich als solche – der Tradition des BGB entsprechend – nicht definiert
wird, sondern sich aus dem Begriff des Schadensersatzes „statt der Leistung“ ergibt: Der Gläubiger soll
statt der Leistung deren Äquivalent in Geld erhalten. Das bereitet bei manchen Fallkonstellationen wie
etwa bei der (vollständigen) Unmöglichkeit nach § 283 KF keinerlei gedankliche Schwierigkeiten, weil
es dort gar keine Alternative zu dieser Rechtsfolge gibt. Bei anderen Fallkonstellationen wie z.B. bei der
Verletzung von Schutzpflichten ist es dagegen alles andere als selbstverständlich, daß der Gläubiger nun
statt der Leistung an deren Stelle einen Geldbetrag erhält; warum sollte z.B. der Käufer statt der Kaufsache deren Wert in Geld verlangen können, nur weil ein Erfüllungsgehilfe des Schuldners bei deren
Lieferung die Haustür beschädigt hat?!133 Daher gewährt § 282 KF hier einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nur unter besonderen Voraussetzungen (die im wesentlichen der Rechtslage
nach der derzeitigen Fassung des BGB entsprechen, wenngleich sie hierfür lediglich praeter legem gelten).
129
Vgl. dazu meinen Verbesserungsvorschlag unten VII 5 c.
BAG AP Nr. 2 zu § 611 BGB Mankohaftung unter B I 1.
131
BAG AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mankohaftung unter II 2 b.
132
Würde man die unten VII 5 c vorgeschlagene Formulierung verwenden, wären solche Mißverständnisse von
vornherein ausgeschlossen.
133
Dieses Beispiel ist nur der Einfachheit halber gewählt. Man wende daher nicht ein, daß es hier eigentlich
um „genuines“ Deliktsrecht und um die Ausschaltung des Entlastungsbeweises nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB
gehe. Das trifft schon dann nicht mehr zu, wenn der Gehilfe ein unabhängiger Unternehmer ist, da dieser tatbestandlich gar nicht unter den Begriff des Verrichtungsgehilfen i.S. von § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB, wohl aber
unter den des Erfüllungsgehilfen i.S. von § 278 BGB fällt. Im übrigen können Schutzpflichtverletzungen jedenfalls zugleich den Tatbestand einer Vertragsverletzung erfüllen – und zwar zumal dann, wenn die Voraussetzungen von § 282 KF vorliegen; man denke nur daran, daß der Schuldner bei einem Sukzessivlieferungsvertrag wiederholt Sachen des Gläubigers beschädigt oder gar dessen Körper verletzt.
130
32
Da Schadensersatz statt der Leistung zu einem ähnlichen Ergebnis wie der Rücktritt führt, sind die beiden Rechtsbehelfe miteinander harmonisiert worden. Hinsichtlich der Rechtsfolgen steht das ausdrücklich in § 281 Abs. 4 KF. Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen wurde es in der ursprünglichen Fassung des DiskE durch die Bestimmungen der §§ 280 Abs. 2 Satz 3, 325 Abs. 1 Satz 1 DiskE
gewährleistet, die den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung tatbestandlich an eine vorherige
Ausübung des Rücktrittsrechts koppeln, doch sind diese von der Kommission insoweit beseitigt worden.134 Nunmehr ergibt es sich aus der nahezu vollständigen Übereinstimmung der Formulierungen von
§ 281 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 sowie Abs. 3 Satz 2 und 3 KF einerseits mit § 323 Abs. 1, Abs. 2
Nr. 1 und 3 sowie Abs. 5 KF andererseits, aus dem Gleichlauf von § 282 KF mit § 324 KF und aus
dem Parallelismus zwischen § 283 KF und § 326 Abs. 1 KF. Sprachlich sollte die Fristsetzungsregelung von § 281 Abs. 1 und 2 KF allerdings noch mit der etwas anders lautenden Formulierung von §
323 Abs. 1 KF abgeglichen werden.
d) Die Problematik der Wahl zwischen „kleinem“ und „großem“ Schadensersatz nach §§ 281 Abs. 1
Satz 3, 283 Satz 2 KF
Schadensersatz statt der Leistung kann entweder die ganze Leistung135 oder nur einen – quantitativen
oder qualitativen – Teil derselben betreffen. Im letzteren Fall stellt sich die Frage, ob der Gläubiger die
erhaltene Leistung behalten und sich auf Schadensersatz für das Defizit (und dessen Folgen) beschränken muß („kleiner“ Schadensersatz) oder ob er auch die Möglichkeit hat, Schadensersatz für die ganze
Leistung zu verlangen unter Rückgabe des erhaltenen Teils bzw. der nicht wie geschuldet erbrachten
Leistung („großer“ Schadensersatz). Es geht hier also um die teilweise Nichtleistung, die Schlechtleistung in ihren verschiedenen Varianten einschließlich der mangelhaften Leistung sowie die Teilunmöglichkeit.
Für diese Fälle wird der Anspruch auf den „großen“ Schadensersatz – zu dem es in den übrigen Fällen
keine echte Parallele gibt und von dem man dort deshalb auch nicht sprechen sollte –136 durch die §§
281 Abs. 1 Satz 3, 283 Satz 2 KF erheblich eingeschränkt: Hat der Schuldner nur „teilweise oder nicht
wie geschuldet“ geleistet, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, „wenn sein Interesse an der geschuldeten Leistung dies erfordert.“ Diese neuartige – und gewiß gewöhnungsbedürftige – Formulierung soll vor allem zum Ausdruck bringen, daß der entscheidende Bezugspunkt für die Anerkennung eines Anspruchs auf den „großen“ Schadensersatz im Interesse des
Gläubigers an der ursprünglich geschuldeten Leistung liegt und nicht im Interesse an der erbrachten
134
Vgl. dazu soeben a a.E.
So die Terminologie von § 281 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 KF.
136
Zwar besteht eine gewisse Verwandtschaft mit der Problematik von Surrogations- und Differenztheorie (vgl.
dazu sogleich d), doch sollte man die Fragenkreise nicht vermengen (so aber z.B. U. Huber Bd II S. 192 f. zu §
326 BGB); so geht es z.B. bei der Differenztheorie im Rahmen von § 325 BGB darum, ob der Gläubiger seine
eigene Leistung behalten darf, beim „kleinen“ Schadensersatz dagegen darum, ob er die Gegenleistung behal135
33
Leistung. Ausschlaggebend ist also, ob die erbrachte Leistung und der für das Defizit zu zahlende Geldbetrag in ihrer Addition das Leistungsinteresse des Gläubigers decken oder nicht.
Erhält z.B. der Käufer statt 100 Flaschen Wein nur 60, so kann er grundsätzlich nur für 40 Flaschen
Schadensersatz nach § 281 Abs. 1 Satz 1 KF verlangen – also in erster Linie die Mehrkosten, die er für
deren anderweitigen Erwerb aufzuwenden hat oder hätte – und muß die übrigen 60 Flaschen behalten;
handelt es sich dagegen um einen „auserlesenen Tropfen“, von dem der Käufer anderwärts keine 40 Flaschen nachkaufen kann, und reichen die gelieferten 60 Flaschen zur Verwirklichung des von ihm verfolgten Zwecks – etwa der Verwendung bei einem großen Bankett – nicht aus, so kann er entweder Geldersatz für 40 Flaschen verlangen und die 60 Flaschen behalten oder Geldersatz für 100 Flaschen verlangen gegen Rückgabe der 60 Flaschen gemäß § 281 Abs. 4 KF. Ob freilich beim Rücktritt nach § 323
Abs. 4 Satz 1 KF, der bewußt anders formuliert ist, unterschiedlich zu entscheiden wäre, halte ich für
zweifelhaft,137 da das Fehlen des „Interesses an der Teilleistung“, auf das es dort ankommt, bei richtiger
Interpretation wohl zum selben Ergebnis führt.
In gleicher Weise ist § 281 Abs. 1 Satz 3 KF mutatis mutandis für die Fälle auszulegen, in denen der
Schuldner „nicht wie geschuldet“ geleistet hat. Stellt sich z.B. heraus, daß der Boden des gekauften
Grundstücks bis in 1 m Tiefe verseucht ist, so hat der Käufer in aller Regel nur einen Anspruch auf die
für die Ersetzung der Erde aufgewandten oder aufzuwendenden Kosten zuzüglich eines etwa verbleibenden Minderwerts (sowie eines etwa entgangenen Gewinns i.S. von § 252 BGB, wenn sich wegen der
Verseuchung ein Weiterverkauf zu einem besonders hohen Preis zerschlagen hat), nicht dagegen auf das
Äquivalent für das Grundstück in mangelfreiem Zustand gegen dessen Rückübertragung. Hat dagegen
das Grundstück den bei Vertragsschluß vorausgesetzten Seezugang in Wahrheit nicht oder erweist sich
ein als echter Rembrandt gekauftes Bild als Werk eines Schülers, so hat der Käufer die Wahl, ob er das
Grundstück bzw. das Bild behält und die Differenz liquidiert („kleiner“ Schadensersatz) oder ob er den
Wert, den die Sache in mangelfreiem Zustand hätte, verlangt und diese zurückgibt („großer“ Schadensersatz). Anders als nach § 463 BGB ist die Wahl des Käufers zwischen großem und kleinem Schadensersatz also nicht mehr völlig frei, sondern an die Voraussetzungen von § 281 Abs. 1 Satz 3 KF gebunden. Dieser Änderung liegt der Gedanke zugrunde, daß der Verkäufer nach § 463 BGB nur für eine Zusicherung und für Arglist, nach §§ 437 Nr. 3, 281 i.V. mit § 280 Abs. 1 KF dagegen schon für (auch
leichteste) Fahrlässigkeit haftet.
Andererseits besteht kein Anlaß, nun auch den Rücktritt wesentlich schärferen Voraussetzungen zu unterwerfen, als das etwa nach den §§ 459 Abs. 1 Satz 2, 462 BGB für die Wandelung vorgesehen ist.
Demgemäß ist der Rücktritt nach § 323 Abs. 4 Satz 2 KF nur dann ausgeschlossen, wenn „die Pflichtverletzung unerheblich ist“. In der Tat belastet der Rücktritt den Schuldner tendenziell weniger stark als
ten muß – also um ganz unterschiedliche Interessenrichtungen, auch wenn man bei beiden Alternativen zu einer Differenzzahlung kommt.
34
eine Schadensersatzpflicht. Das zeigt sich vor allem, wenn der Gläubiger ein „gutes“ Geschäft gemacht
hat; denn dann muß der Schuldner diesem schadensersatzrechtlich den Gewinn erstatten, den er durch
das Geschäft erzielt hat,138 während er rücktrittsrechtlich nur den – in diesem Fall niedrigeren – Kaufpreis zurückzuzahlen braucht. Mißlingt nun dem Schuldner der Beweis, daß er die Leistungsstörung
nicht zu vertreten hat (§ 281 Abs. 1 Satz 2 KF), steht man vor der Alternative zwischen „kleinem“ und
„großem“ Schadensersatz. Ersterer belastet dabei den Schuldner wiederum weniger stark als letzterer,
weil er nicht zu der – u.U. mit hohen Transaktionskosten materieller und immaterieller Art verbundenen
– Rückabwicklung des Geschäfts, sondern lediglich zu einer Differenzzahlung in Geld führt (ebenfalls
unter Einschluß eines etwaigen Geschäftsgewinns des Gläubigers), wohingegen der Schuldner beim
„großen“ Schadensersatz im praktischen Ergebnis sowohl zur Rückgängigmachung des Geschäfts als
auch zur Geldzahlung (ebenfalls unter Einschluß eines etwaigen Geschäftsgewinns des Gläubigers) verpflichtet ist. So erklärt es sich, daß der „große“ Schadensersatz nach § 281 Abs. 1 Satz 3 KF an strengere Voraussetzungen gebunden ist als der „kleine“ Schadensersatz.
Insgesamt beruht die Regelung der KF somit auf einer Dreistufigkeit, die sich vom bloßen Rücktritt
über den „kleinen“ zum „großen“ Schadensersatz steigert. Dabei kann der Gläubiger selbstverständlich
– nämlich gewissermaßen a fortiori – auch den „kleinen“ Schadensersatz wählen, wenn die Voraussetzungen für den „großen“ Schadensersatz gegeben sind. Andererseits ist es ebenso selbstverständlich,
daß er umgekehrt nicht den „großen“ Schadensersatz wählen kann, wenn nur die Voraussetzungen für
den „kleinen“ gegeben sind.
e) Die Kombination zwischen Schadensersatz und Rücktritt nach § 325 KF
Dieses Ergebnis könnte seine Selbstverständlichkeit allerdings dadurch verlieren, daß nach § 325 KF die
Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen wird. Daraus
könnte man nämlich schließen, daß der Gläubiger doch noch das Ergebnis des „großen“ Schadensersatzes erreichen kann, indem er zurücktritt und zusätzlich Schadensersatz wählt.139 In der Tat erschöpft
sich der Gehalt von § 325 KF nicht darin, dem Gläubiger in Abweichung vom geltenden Recht trotz der
mit der Ausübung des Rücktrittsrechts verbundenen Gestaltungswirkung die Möglichkeit zu einem
nachträglichen Übergang vom Rücktritt zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs offen zu
halten, sondern ermöglicht ihm darüber hinaus nach dem Wortlaut der Regelung und der zugrunde liegenden Wertung grundsätzlich auch die Kumulierung von Rücktritt und Schadensersatz.140 Das darf in137
Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 63 sehen hier „Abstimmungsbedarf“, was zwar nicht den Intentionen der Kommission entspricht, aber m.E. vielleicht dennoch berechtigt ist.
138
Dieser hat natürlich nichts zu tun mit dem entgangenen Gewinn i.S. von § 252 BGB, also dem Gewinn aus
einem (gescheiterten) Sekundärgeschäft mit einem Dritten.
139
Den Hinweis hierauf verdanke ich Herrn Dr. Grigoleit, der mich außerdem auch bei der Vorbereitung meiner Arbeit in der Kommission und durch die Kontrolllektüre dieses Manuskripts, zusammen mit meinen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in besonders intensiver und fruchtbarer Weise unterstützt hat.
140
Das entspricht auch ihrer Entstehungsgeschichte. Denn die Vorgängervorschrift des § 327 KE war genau
hierauf gerichtet (vgl. Abschlußbericht S. 172 f.) und diese Funktion wollte die Kommission Leistungsstö-
35
dessen folgerichtig nicht dazu führen, daß die Schwelle der §§ 281 Abs. 1 Satz 3, 283 Satz 2 KF unterlaufen wird. Demgemäß wird man dem Käufer in dem oben behandelten Beispielsfall des verseuchten
Grundstücks, in dem nur ein Anspruch auf den „kleinen“ Schadensersatz gegeben ist, die Kumulierungsmöglichkeit nach § 325 KF aufgrund einer teleologischen Reduktion vorzuenthalten haben
(wohingegen ihm die aus dieser Vorschrift ebenfalls folgende Möglichkeit eines nachträglichen Wechsels vom Rücktritt zum – „kleinen“ – Schadensersatz auch hier zusteht).
Wenngleich sich diese Schwierigkeit somit in methodologisch stimmiger Weise bewältigen läßt, sollte
sie doch Anlaß geben, die Abstimmung zwischen § 281 Abs. 1 Satz 3 KF und § 325 KF und darüber
hinaus auch die Überzeugungskraft der geschilderten Dreistufigkeit – die ja sowohl gegenüber dem
BGB als auch gegenüber dem DiskE neu ist – gründlich zu überdenken. Dagegen unterliegt die durch §
325 KF eröffnete Kumulierungsmöglichkeit als solche keiner Kritik, sondern stellt einen klaren Fortschritt gegenüber dem geltenden Recht dar. Das zeigt sich bekanntlich dann, wenn der Gläubiger seinerseits nicht eine Geld-, sondern eine Sachleistung schuldet wie bei Verzug des Schuldners hinsichtlich
seiner Zahlungspflicht und in den berühmt-berüchtigten Tauschfällen, die in der Diskussion um den Gegensatz von Surrogations- und Differenztheorie im Rahmen von § 325 BGB immer wieder bemüht werden.141 So erlaubt § 325 KF dem Gläubiger im Gegensatz zu § 325 BGB uneingeschränkt, einen etwaigen Gewinn aus dem Vertrag zu realisieren, ohne dafür seine eigene Leistung – für die er ja nicht die geschuldete Gegenleistung erhält – opfern zu müssen, und ermöglicht außerdem eine dogmatisch stimmige
Behandlung des Wegfalls der Gegenleistungspflicht im Rahmen der schadensersatzrechtlichen Abwicklung, die als solche ja noch nicht zur Aufhebung des Synallagmas in seiner Gesamtheit führt.
Allerdings ist aus § 325 KF keinesfalls zu schließen, daß Rücktritt und Schadensersatz in beliebiger Weise
kombiniert werden können. Vielmehr muß aufgrund des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots vermieden werden, daß der Gläubiger solche Posten, die sich wirtschaftlich gesehen entsprechen, sowohl als
Schadensersatz als auch im Rahmen der rücktrittsrechtlichen Rückabwicklung und also doppelt erhält. So kann
er z.B. selbstverständlich nicht seine eigene Leistung nach Rücktrittsrecht zurückfordern und zugleich nach der
Surrogationstheorie das volle Äquivalent für die Gegenleistung verlangen.
f) Das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Leistung und dem Anspruch auf Schadensersatz statt der
Leistung
Mit dem Interesse des Schuldners wäre es unvereinbar, wenn der Anspruch auf Leistung unbegrenzt
lange neben dem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung bestehen bliebe. Nach der KF ist der
Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz erhalten
hat.142 Dieser Zeitpunkt liegt so spät, daß damit den berechtigten Interessen des Schuldners wohl kaum
hinreichend Rechnung getragen ist. Deshalb zeichnet sich inzwischen ab, daß das Ministerium insoweit
rungsrecht nicht beseitigen, als sie die korrespondierende Vorschrift des § 325 DiskE änderte, vgl. dazu oben
IV 1 a a.E. (Kleindruck).
141
Vgl. dazu statt aller Larenz (Fn. 22) § 22 II b.
142
Das steht zwar nicht ausdrücklich in § 281 Abs. 3 KF, wo es eigentlich hingehören würde, doch ist auf die
entsprechende Regelung von § 283 Abs. 4 Satz 1 des Entwurfs der Schuldrechtskommission – die im übrigen
36
zur Regelung von § 282 Abs. 4 DiskE zurückkehren will, wonach der Anspruch auf die Leistung bereits
dann ausgeschlossen ist, wenn der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat. Diese Lösung beschwört indessen ähnliche Problem herauf, wie man sie von der Ausübung des Rücktrittsrechts
nach §§ 325 f. BGB her kennt: Es wird häufig zweifelhaft und streitig sein, ob es sich um die bloße Androhung des Verlangens nach Schadensersatz oder wirklich schon um dieses selbst handelt; außerdem
läuft ein Laie hier Gefahr, in eine juristische Falle zu geraten, und auch ein Fachmann muß seine Formulierungskünste stark strapazieren, wenn er bei der Androhung eines Anspruchs auf Schadensersatz
unterhalb der Schwelle des „Verlangens“ bleiben will.
Als mittlere Lösung bietet sich an, auf die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs auf Schadensersatz abzustellen. Dies ist ein Akt von hinreichender Tragweite, um dem Gläubiger die möglichen Konsequenzen seines Handelns vor Augen zu führen, zumal er dabei meist anwaltlich beraten ist. Gleichzustellen ist es, wenn sich der Schuldner auf Verlangen des Gläubigers mit der Zahlung von Schadensersatz einverstanden erklärt hat; denn dann hat der Gläubiger – jedenfalls zunächst – keinen Anlaß zur
Klageerhebung, und außerdem liegt darin eine vertragliche Disposition über das ius variandi. Diese Lösung ist dem BGB nicht unbekannt, wie § 465 BGB zeigt.143 Der richtige Platz für diese Regelung ist §
281 Abs. 3 Satz 2 KF.144
g) Die Bedeutung des Verzugs im Rahmen von § 281 KF
Außer dem – vorstehend in den Mittelpunkt der Analyse gestellten – Fall, daß die Leistung „nicht wie geschuldet“ erbracht wird, erfaßt § 281 Abs. 1 Satz 1 KF auch und primär den Fall, daß der Schuldner die Leistung
überhaupt nicht erbringt. Natürlich betrifft das der Sache nach in erster Linie – oder vielleicht sogar nur – den
Verzug des Schuldners. Allerdings geht aus dem Wortlaut von § 281 Abs. 1 KF nicht hervor, daß der Eintritt
von Verzug geradezu eine Tatbestandsvoraussetzung für das Eingreifen der Vorschrift bildet. Dafür könnte jedoch eine Analogie oder sogar ein argumentum a fortiori zu § 280 Abs. 2 KF sprechen; denn man könnte einen
untragbaren Wertungswiderspruch darin sehen, daß dem Gläubiger der Anspruch auf Schadensersatz statt der
Leistung – der hier i.d.R. auf „großen“ Schadensersatz hinausläuft – bei Ausbleiben oder Verzögerung der Leistung nach § 281 Abs. 1 KF auch ohne das Vorliegen von Verzug zusteht, obwohl der Anspruch auf den Verzögerungsschaden nach § 280 Abs. 2 KF nur unter den Voraussetzungen des Verzugs gegeben ist. Indessen ist
das Problem weitaus weniger gravierend als es auf den ersten Blick scheinen mag, da man in der Fristsetzung
in aller Regel zugleich eine konkludente Mahnung sehen kann.145 In der Tat ist die Fristsetzung als befristete
Mahnung zu qualifizieren.146 Daß sie befristet ist, weil sie streng genommen für sich allein nur auf Leistung bis
zum Ablauf der Frist („spätestens am ...“) und nicht auf unverzügliche Leistung gerichtet ist, stellt einen so
subtilen Unterschied dar, daß das Erfordernis einer unbefristeten Mahnung zusätzlich zu der Fristsetzung nur
zu unnötigen Komplikationsgefahren und Schwierigkeiten bei der Auslegung der Fristsetzungserklärung führen würde. Demgemäß sehe ich hier keinen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber.147 Vielmehr kann man es
dabei bewenden lassen, daß § 281 Abs. 1 Satz 1 KF keinen Verzug voraussetzt, weil die Fristsetzung die Mahnung ersetzt, auch wenn sie eigentlich nur eine befristete Mahnung darstellt.
in § 281 Abs. 3 KF übernommen worden ist – nur deshalb verzichtet worden, „weil sich die Vorschrift von
selbst versteht“, wie in Fn. 4 zu § 281 KF mitgeteilt wird.
143
Diese Vorschrift ist keineswegs zur Gänze verfehlt, sondern hat einen legitimen Restgehalt, um den es hier
geht; vgl. dazu Soergel-U. Huber, 12. Aufl. 1991, § 465 Rdn. 2 sowie auch § 462 Rdn. 52 ff.
144
Ein Formulierungsvorschlag findet sich unten VII 5 a.
145
Diese Ansicht wird in der (vom Bundesjustizministerium und nicht von der Kommission stammenden) Fn.
2 a.E. zu § 286 KF vertreten.
146
So mit Recht U. Huber (Fn. 35) S. 362.
147
Den gegenteiligen Standpunkt habe ich beiläufig in meinem Vortrag vertreten.
37
Gleiches gilt folgerichtig für den Rücktritt nach § 323 Abs. 1 KF. Eine uneingeschränkte Anknüpfung an den
Verzug kommt dort ohnehin nicht in Betracht, weil dieser nach § 286 Abs. 4 KF entfällt, solange der Schuldner das Unterbleiben der Leistung nicht zu vertreten hat, wohingegen die Rücktrittsmöglichkeit gerade unabhängig von diesem subjektiven Element besteht. Allerdings weiß man nicht genau, zu welcher Entschärfung
der Fristsetzungsregelung eine etwa gebotene richtlinienkonforme Auslegung148 führen und welche Konsequenzen dann das Fehlen des Erfordernisses einer Mahnung haben wird. Übrigens waren die Vorschriften über
den Verzug gemäß §§ 286 – 288 KF nicht Gegenstand der Beratungen der Kommission, sondern sind vom Justizministerium allein formuliert worden, so daß es in der Kommission nicht mehr zu einer endgültigen Abstimmung der §§ 281 Abs. 1, 323 Abs. 1 KF mit der Verzugsproblematik gekommen ist.
h) Die Stellung der Unmöglichkeit im Rahmen des Schadensersatzrechts und die Sonderproblematik der
zeitweiligen Unmöglichkeit
In § 283 KF ist auch der Unmöglichkeit eine eigenständige Vorschrift gewidmet worden (die freilich nur
die nachträgliche Unmöglichkeit betrifft, weil die anfängliche ja in § 311a KF geregelt worden ist). Der
Grund für diese Eigenständigkeit liegt im wesentlichen darin, daß bei Vorliegen von Unmöglichkeit eine
Fristsetzung anders als in den Fällen von § 281 Abs. 2 KF nicht lediglich „entbehrlich“, sondern a priori völlig sinnlos ist, so daß die Anknüpfung an diese Voraussetzung geradezu gegen die „sachlogische
Struktur“ dieses Leistungsstörungstatbestandes verstoßen würde.149 Allerdings ist dieses Argument offenkundig gesetzgebungstechnisch nur von geringem Gewicht. Demgemäß ist die Kategorie der nachträglichen Unmöglichkeit für Schadensersatzansprüche lediglich von peripherer Bedeutung, wohingegen
sie für den primären Erfüllungsanspruch gemäß § 275 KF schlechterdings zentral ist.150
Ebenso wie schon im Rahmen des Rücktritts151 zeigt sich freilich auch hier, daß die Regelung des § 283 KF
nicht hinreichend auf den Sonderfall der zeitweiligen Unmöglichkeit abgestimmt ist. Allerdings mag man den
Verzicht auf die Erfordernisse der Fälligkeit und der Fristsetzung i.S. von § 281 Abs. 1 Satz 1 KF, der auf den
ersten Blick irritierend wirkt, damit rechtfertigen, daß der Schuldner die Erhebung der Einrede nach § 275
Abs. 2 KF hinauszögern und sich so die Chance erhalten kann, daß das Leistungshindernis doch noch rechtzeitig152 entfällt.153 Dem Gläubiger bleibt dann ohnehin nur der Weg über § 281 Abs. 1 Satz 1 KF.
Ungeregelt ist jedoch, ob und gegebenenfalls wann der Gläubiger bei der einstweiligen Unmöglichkeit den Anspruch auf Erfüllung – der ja anders als bei dauernder Unmöglichkeit latent noch besteht154 – verliert, wenn er
den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 283 geltend macht. Hier drängt es sich auf, § 281
Abs. 3 KF entsprechend anzuwenden – wobei es nicht darauf ankommt, welchen Inhalt diese Vorschrift letztlich erhalten wird.155 Leider fehlt indessen insoweit eine Verweisung in § 283 S. 2 KF. Zwar steht das einer
entsprechenden Rechtsfortbildung praeter legem im Wege der Analogie nicht entgegen, da § 281 Abs. 3 KF ja
nicht etwa für die Unmöglichkeit als solche entsprechend angewendet werden soll – was völlig sinnwidrig wäre
–, sondern nur für den Sonderfall der einstweiligen Unmöglichkeit, doch liegt darin ein weiterer Beleg dafür,
daß die Besonderheiten der vorübergehenden Unmöglichkeit bei der Abfassung der KF nicht hinreichend in
den Blick gekommen sind.
148
Vgl. dazu oben III 2 c bei Fn. 117.
Vgl. in diesem Zusammenhang näher Canaris (Fn. 6) S. ???
150
Vgl. dazu vertiefend Canaris (Fn. 6) S. ???
151
Vgl. dazu oben III 2 b.
152
Also bis zu dem Zeitpunkt, in dem nach Fälligkeit eine angemessene Frist abgelaufen ist.
153
§ 275 Abs. 1 KF dürfte im vorliegenden Zusammenhang nicht praktisch werden, weil es ja um ein behebbares, vom Schuldner zu vertretendes Hindernis und nur um den Zeitraum bis zum Ablauf einer angemessenen
Frist nach Fälligkeit geht. Bis zu diesem wird man in aller Regel nicht sagen können, daß es ausgeschlossen
ist, z.B. ein gestohlenes Bild mit überobligationsmäßigen Anstrengungen – nur um diese geht es im vorliegenden Zusammenhang – zurückzuerlangen und daß daher (schon) Abs. 1 und (noch nicht) Abs. 2 des § 275 KF
anwendbar ist.
154
Vgl. oben I 1 d.
155
Vgl. dazu oben d.
149
38
Bis zu dem nach § 281 Abs. 3 KF maßgeblichen Zeitpunkt kann somit der Gläubiger noch die Leistung fordern, sofern diese wieder möglich wird. Umgekehrt kann der Schuldner diese danach nicht mehr von sich aus
als Erfüllung erbringen, sofern der Gläubiger auf Schadensersatz besteht. Gleiches hat folgerichtig zu gelten,
wenn der Gläubiger dem Schuldner (vorsorglich) eine Frist nach § 281 Abs. 1 Satz 2 KF gesetzt hat und diese
abgelaufen ist. Allenfalls kann den Gläubiger nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB die Obliegenheit treffen,
die nachträglich doch noch möglich gewordene Leistung zur Schadensminderung anzunehmen. Dagegen
kommt eine Rückforderung der Schadensersatzleistung nach § 812 BGB nicht in Betracht, weil der Gläubiger
diese gemäß §§ 280, 283 KF mit Rechtsgrund erhalten hat.156
Schwierigkeiten bereitet ferner der Fall, daß der Gläubiger abwartet, bis das Leistungshindernis wegfällt, und
inzwischen einen Verzögerungsschaden i.S. von § 280 Abs. 2 KF erlitten hat. Daß er diesen nicht nach § 280
KF ersetzt erhält und also schlechter steht als bei Verzug, leuchtet nicht ein. Andererseits erscheint es mir
dogmatisch gesehen ebenso wie im Rahmen von § 323 Abs. 1 KF zumindest als zweifelhaft, ob § 275 KF nicht
die Fälligkeit verhindert, wenn das Leistungshindernis vorher eintritt.157 Ähnlich wie bei § 323 Abs. 1 KF wird
man daher in dem Zeitpunkt, in dem die Fälligkeit eingetreten wäre, eine Mahnung zulassen und den Eintritt
von Verzug annehmen müssen.
Insgesamt wird hier vollends deutlich, daß der Kommission die Besonderheiten der zeitweiligen Unmöglichkeit
nicht hinreichend bewußt waren. Da das sich auch schon bei § 311a und bei § 323 KF gezeigt hat,158 dürfte die
einfachste Lösung darin liegen, die Worte „und solange“ in § 275 KF ersatzlos zu streichen159 und die Bewältigung der Problematik der zeitweiligen Unmöglichkeit wie bisher Rechtsprechung und Rechtswissenschaft zu
überlassen. Das erscheint umso mehr gerechtfertigt, als es lediglich periphere Fälle geht, deren Behandlung
auch nach der derzeitigen Rechtslage keine solchen Schwierigkeiten bereitet, daß ein Eingreifen des Gesetzgebers erforderlich erscheint. Die Worte „und solange“ sind von der zuständigen Arbeitsgruppe und der Kommission einfach aus § 275 DiskE übernommen worden. Dort mögen sie durchaus sachgerecht gewesen sein, weil in
dieser Vorschrift die Unmöglichkeit als solche gar nicht angesprochen wurde. Nach deren Wiedereinführung
als eigenständiger Kategorie müßte die Sonderproblematik der zeitweiligen Unmöglichkeit, die sich vor allem
aus deren Nähe zum Verzug ergibt, noch einmal überdacht werden.160
2. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 284 KF
a) Der Zweck der Regelung
Bei einer Leistungsstörung scheitert der Anspruch des Gläubigers auf Schadensersatz häufig daran, daß
dieser keinen (materiellen) Schaden im Sinne der Differenzhypothese erlitten hat oder nachweisen kann.
Wohl aber hat er Aufwendungen gemacht, die nunmehr wegen des Scheiterns des Vertrages nutzlos
sind. Diese einem Schaden gleichzustellen, lehnt die Rechtsprechung bekanntlich ab. Statt dessen hilft
sie immerhin mit der sogenannten Rentabilitätsvermutung, wonach zugunsten des Gläubigers grundsätzlich davon auszugehen ist, daß die vom Schuldner nicht erbrachte Gegenleistung mit der Leistung
des Gläubigers gleichwertig gewesen wäre und daß dieser mindestens seine im Zusammenhang mit dem
Geschäft gemachten Aufwendungen erwirtschaftet hätte.161 Da es sich dabei jedoch nur um eine Vermutung handelt, kann diese folgerichtig widerlegt werden. Sie ist z.B. dann widerlegt, wenn der Gläubiger mit dem Vertrag keine wirtschaftlichen, sondern ideelle Ziele verfolgt hat; demgemäß hat der BGH
z.B. einer politischen Partei, die eine Veranstaltung nicht abhalten konnte, weil der Vermieter den Miet-
156
Einen Anspruch aus § 812 BGB erwägen dagegen Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 28, ohne indessen auf die Problematik einzugehen, warum hier ein Rechtsgrund für die Leistung fehlen soll.
157
Vgl. dazu oben III 2 b.
158
Vgl. oben II 2 e und III 2 b.
159
Alternativ findet sich ein Formulierungsvorschlag unten VII 5 b.
160
Vgl. dazu auch unten VII 5 b.
161
Vgl. statt aller Palandt/Heinrichs § 325 Rdn. 15.
39
vertrag über die für diese vorgesehene Halle gebrochen hatte, den Ersatz ihrer nutzlos gewordenen Aufwendungen versagt.162
Die darin liegende Diskriminierung von ideellen gegenüber wirtschaftlichen Zwecken ist wertungsmäßig
zumindest de lege ferenda nicht zu legitimieren, auch wenn man sie de lege lata vielleicht mit der
Schranke des § 253 BGB rechtfertigen kann.163 Da der Gesetzgeber an diese nicht gebunden ist, steht es
ihm ohne weiteres frei, diese Problematik zu lösen.164 Außerdem versagt die Rentabilitätsvermutung
auch bei vielen oder gar allen konsumptiven Zwecken; so ist der Kauf eines Wohnhauses zumindest auf
mittlere Sicht häufig ein Verlustgeschäft, zumal bekanntlich „mieten billiger als kaufen ist“, ganz zu
schweigen vom Kauf einer Einbauküche oder dgl. Schließlich vermag man mit Hilfe der Rentabilitätsvermutung nicht einmal alle Fälle einer wirtschaftlichen Zwecksetzung befriedigend zu lösen; man denke
etwa an die Bezahlung eines weit überhöhten Liebhaberpreises, an Geschäfte aus marktstrategischen
oder spekulativen Gründen und dgl.
b) Die Unterschiede der Regelung des § 284 KF gegenüber § 325 Abs. 1 Satz 2 DiskE und ihre Gründe
§ 284 KF knüpft an die Regelung von § 325 Abs. 1 Satz 2 DiskE an. Lange Zeit sah es in der Kommission so aus, als würde diese ersatzlos gestrichen werden, weil sie als zu weitgehend empfunden wurde.
Dann setzte sich jedoch die Ansicht durch, sie lediglich zu modifizieren.165 Die Punkte, in denen solche
Modifikationen vorgenommen worden sind, sind für das Verständnis der Vorschrift von wesentlicher
Bedeutung.
Die wichtigste Einschränkung gegenüber § 325 Abs. 1 Satz 2 DiskE liegt darin, daß der Ersatz nutzlos
gewordener Aufwendungen nicht verlangt werden kann, wenn „deren Zweck auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden wäre“. Damit soll vor allem verhindert werden, daß der
Gläubiger Aufwendungen, insbesondere Investitionen, die ohnehin verfehlt waren, mit Hilfe von § 284
KF auf den Schuldner abwälzen kann. Auf diese Weise wird Übereinstimmung mit den Ergebnissen der
Rentabilitätsvermutung für diejenigen Fälle hergestellt, für die sie wirklich paßt; denn wenn der Gläubi162
Vgl. BGHZ 99, 182, 195 ff. mit Anm. von Stoll JZ 1987, 517 ff.
In dieser sieht der BGH letztlich ausdrücklich den entscheidenden Gesichtspunkt, vgl. aaO S. 202.
164
Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 35 kritisieren, daß „man Fälle wie BGHZ 99, 182 (...) nur wird
lösen können, wenn (!) man unter ‚Zweck‘ im Sinne der Vorschrift auch ideelle Zwecke versteht“, daß „dies
aber im Hinblick auf die Wertung aus § 253 BGB bedenklich wäre“. Das ist dreifach falsch: Erstens kann man
§ 284 KF überhaupt nur so verstehen, daß auch ideelle Zwecke gemeint sind; denn der Wortlaut bietet nicht
den geringsten Anhaltspunkt für eine Ausklammerung der ideellen Zwecke, und außerdem ergibt sich aus der
Begründung zur Vorgängervorschrift des § 327 Abs. 1 Satz 2 = § 325 Abs. 1 Satz 2 DiskE glasklar, daß die
Regelung gerade auf ideelle Zwecke zielt, vgl. Abschlußbericht S. 174. Zweitens darf sich der Gesetzgeber anders als der Richter grundsätzlich über die Wertung einer Norm hinwegsetzen; darin liegt dann meistens eine
Modifikation dieser Wertung, doch darf der Gesetzgeber, wiederum anders als der Richter, sogar einen Wertungswiderspruch in Kauf nehmen (bis zur Grenze von Art. 3 Abs. 1 GG). Drittens wird die Wertung von §
253 BGB hier überhaupt nicht oder allenfalls ganz peripher berührt, weil es ja um echte finanzielle und überdies i.d.R. leicht bezifferbare Einbußen geht.
165
Diese Entscheidung erfolgte auf der Grundlage eines von mir vorgelegten Arbeitspapiers, in dem sowohl die
im vorstehenden genannten Gründe für die grundsätzliche Beibehaltung der Regelung als auch die im folgen163
40
ger zum Zweck der Gewinnerzielung gehandelt, jedoch ein verlustbringendes Geschäft, durch das nicht
einmal seine Aufwendungen gedeckt werden, getätigt hat, wäre sein Zweck – nämlich Gewinnerzielung
– auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden. Andererseits kann man dem
Gläubiger bei ideeller, komsumptiver, spekulativer oder marktstrategischer Zielsetzung nicht engegenhalten, sein Geschäft sei „unrentabel“ gewesen, weil es darauf wegen der Besonderheit der Zwecksetzung hier eben gerade nicht ankommt. Wäre dagegen der ideelle usw. Zweck aus anderen Gründen verfehlt worden – z.B. weil sich nach dem Bruch des Mietvertrages herausstellt, daß die geplante Parteiveranstaltung verboten worden wäre –, greift auch hier die Einschränkung den letzten Halbsatzes von §
284 KF ein.
Die zweite Einschränkung liegt darin, daß der Gläubiger nur den Ersatz solcher Aufwendungen verlangen kann, „die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen
durfte“. Der erste Teil dieses Satzes bedarf keiner Kommentierung. Den zweiten Teil halte ich dagegen
für überflüssig, wenngleich für letztlich unschädlich, weil er sich schon aus § 254 BGB ergibt. Bezeichnenderweise konnte bei der Diskussion über diese Einfügung in der Kommission kein einziges Beispiel
genannt werden, für das sie eine praktische Rolle spielt und über die durch § 254 BGB ohnehin gezogenen Grenzen hinausgeht. Man wird daher darin nicht mehr zu sehen haben als einen Hinweis darauf, daß
§ 254 BGB hier besonders strikt zu handhaben ist. Der Gläubiger darf also vor allem nicht voreilig
Aufwendungen machen, wenn er diese genauso gut noch aufschieben könnte oder wenn ihm bereits Anzeichen für ein Scheitern des geschlossenen Vertrages bekannt sind. Andererseits darf er grundsätzlich
von der Vertragstreue des Schuldners ausgehen und braucht also nicht vorsorglich bis zum spätestmöglichen Zeitpunkt zu warten. Erst recht kommt es nicht darauf an, ob die Aufwendungen bei objektiver
Betrachtungsweise als überflüssig, überhöht, luxuriös oder dgl. zu qualifizieren wären. Läßt also der
Gläubiger z.B. für ein Gemälde, das er gekauft, aber noch nicht erhalten hat, einen Rahmen herstellen,
so kann man ihm zwar u.U. entgegenhalten, er hätte damit angesichts absehbarer Schwierigkeiten bei
der Lieferung des Bildes oder vom Verkäufer gegen die Wirksamkeit des Kaufvertrages erhobener Einwände noch abwarten sollen, nicht aber, der Rahmen sei im Verhältnis zum Wert des Bildes zu teuer
oder der bisherige Rahmen sei doch schön genug. Die gegenteilige Ansicht verstieße gegen den Grundsatz der Entscheidungsfreiheit des Gläubigers in seinen eigenen Angelegenheiten und damit gegen das
Prinzip der Privatautonomie und wäre auch mit dem Wortlaut von § 284 KF unvereinbar; denn die
Worte „im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung“ beziehen sich sprachlich und teleologisch auch auf
den zweiten Satzteil und der Gläubiger darf angesichts des Gebots der Vertragstreue in diesem Vertrauen eben auch Aufwendungen machen, die objektiv – was immer das heißen mag! – als unangemessen
anzusehen sind. Vollends ohne Belang ist, ob die Aufwendungen oder deren Höhe für den Gläubiger
den genannten Modifikationen (mit einer Ausnahme, vgl. dazu alsbald im Text) und deren Gründe enthalten
waren, die somit der Kommission bekannt waren; vgl. zum Ziel dieser Klarstellung oben Fn. 27.
41
vorhersehbar waren.166 Diese – aus dem angloamerikanischen Rechtskreis stammende – Einschränkung
ist dem System des deutschen Schuldrechts fremd; das ergibt sich unmißverständlich aus dem Gesetz,
da es nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verantwortlichkeit zu berücksichtigen ist, wenn ein unvorhersehbar hoher Schaden drohte und der Gläubiger
den Schuldner hierauf nicht aufmerksam gemacht hat.
§ 284 KF weicht von § 325 Abs. 1 Satz 2 KF außerdem insofern ab, als jetzt nicht mehr von Schadens-, sondern nur noch von Aufwendungsersatz gesprochen wird. Das dient nicht etwa nur sprachlichen Zielen, um die
Anknüpfung an die Nichterreichung des Zwecks im letzten Halbsatz von § 284 KF zu ermöglichen, sondern
soll auch sachlich eine Änderung bewirken, indem in der Tat nicht das volle negative Interesse, sondern nur
frustrierte Aufwendungen erfaßt werden sollen. Anderenfalls würde nämlich die Pflichtverletzung des Schuldners für den Gläubiger zum unverdienten Glücksfall, wenn er z.B. geltend machen könnte, daß er einen gleichartigen Gegenstand wie den gekauften zwischenzeitlich billiger bei einem Dritten hätte beziehen können und
dies unterlassen hat, weil er an die – später gescheiterte – Erfüllung durch den Schuldner glaubte.
Schließlich ist auch der systematische Standort von § 284 KF verändert worden, indem die Regelung aus dem
Titel über gegenseitige Verträge herausgenommen und in den Zusammenhang der für alle Schuldverhältnisse
geltenden Vorschriften eingefügt worden ist. Auch damit ist eine sachliche Änderung verbunden und bezweckt.
Hat z.B. ein Vermächtnisnehmer einen Rahmen für ein ihm vermachtes Gemälde anfertigen lassen, so soll
auch ihm grundsätzlich der Aufwendungsersatzanspruch aus § 284 KF zustehen, wenn der Erbe nun das Bild
(in Kenntnis des Vermächtnisses) an einen Dritten übereignet oder zerstört. Denn wertungsmäßig gesehen ist
die Problematik in keiner Weise spezifisch für gegenseitige Verträge. Demgemäß zeigt sich auch hier wieder,
daß die Rentabilitätsvermutung nicht den richtigen Ansatzpunkt für die Lösung der Aufwendungsersatzproblematik darstellt, da sie die vorliegende Konstellation nicht einmal in den Blick bekommt.
Unverändert geblieben ist dagegen, daß der Gläubiger Aufwendungsersatz nach § 284 KF nur alternativ an
Stelle von und nicht kumulativ zusätzlich zu Schadensersatz statt der Leistung erhält. Das könnte auf den ersten Blick irritieren, weil es sich dogmatisch nicht um ein Problem des Konkurrenzverhältnisses zwischen den
beiden Ansprüchen, sondern vielmehr um ein solches der korrekten Schadensberechnung handelt.167 Gleichwohl ist dieser Ansatz folgerichtig, weil es um zwei verschiedenartige Differenzhypothesen geht: Der Gläubiger kann nur verlangen, entweder so gestellt zu werden, wie wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre,
oder so, wie wenn er erfüllt worden wäre – und im letzteren Falle schließt das die Annahme ein, daß die Aufwendungen das Vermögen des Gläubigers belastet hätten. Daher erleichtert die angeordnete Alternativität die
Rechtsanwendung, indem sie – z.T. sehr komplizierte – Überlegungen zur Schadensberechnung von vornherein
erspart. Sollte sich freilich doch einmal ein Fall finden, in dem die kumulative Anerkennung beider Ansprüche
schadensersatzrechtlich korrekt ist, läßt sich dem durch eine teleologische Reduktion der in § 284 KF enthaltenen Alternativitätsanordnung Rechnung tragen.
Unberührt bleibt selbstverständlich die Anwendung der Rentabilitätsvermutung im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung. Dabei ist es allerdings ebenso selbstverständlich, daß das nur bei Wahrung der dieser
Vermutung immanenten Grenzen und des Gebots der Methodenehrlichkeit gilt.
c) Der Wegfall des Anspruchs auf die Vertragskosten nach den §§ 439 Abs. 2, 636 Abs. 2 DiskE
Durch die Schaffung von § 284 KF wird das Bedürfnis nach einem Anspruch auf Ersatz der Vertragskosten gemäß §§ 439 Abs. 2, 636 Abs. 2 DiskE wesentlich vermindert. Allerdings greifen diese Vorschriften unabhängig von einem Verschulden des anderen Teils ein, während § 284 KF lediglich eine
Haftung für vermutetes Verschulden gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 KF begründet. Da dieser Unterschied
indessen nicht sonderlich groß ist und überdies der Begriff der Vertragskosten erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich bringt, wie schon ein kurzer Blick in die Kommentarliteratur zeigt, wäre die
166
Für eine solche Einschränkung zu Unrecht Leonhard AcP 199 (1999) 675 ff., und zwar sogar schon de lege
lata.
167
So wird die Problematik denn auch im anglo-amerikanischen Recht, für das sie bekanntlich (noch) intensiver als für das deutsche Recht diskutiert wird, eingeordnet, vgl. z.B. Farnsworth, Contracts, 2. Aufl. 1990, S.
930.
42
Aufrechterhaltung einer Sonderregelung für die Vertragskosten nur dann zweckmäßig, wenn die mit der
Differenzierung zwischen den beiden Anspruchsgrundlagen verbundenen wenig praktikablen Subtilitäten durch einen deutlichen Gewinn an Sachgerechtigkeit überwogen würden. Die ratio legis der – den §§
439 Abs. 2, 636 Abs. 2 DiskE entsprechenden – Vorschrift des § 467 S. 2 BGB wird nun darin gesehen, daß es für die Rückabwicklung keinen Unterschied machen soll, ob die Vertragskosten vom Verkäufer zu übernehmen und daher mutmaßlich in den – voll zurückzuzahlenden – Kaufpreis einkalkuliert
sind oder ob der Käufer sie selbst zu tragen hat.168 Das ist gewiß für die teleologische Erklärung dieser
Vorschrift de lege lata plausibel, läßt aber andererseits keinen so durchschlagenden Gerechtigkeitsgedanken erkennen, daß man die Schwierigkeiten der Unterscheidung zwischen Vertragskosten und sonstigen Aufwendungen in Kauf nehmen und diese trotz der genannten Bedenken auch de lege ferenda aufrechterhalten müßte. Die Kommission hat sich daher für ihre Abschaffung entschieden.
Anderenfalls hätten die §§ 439 Abs. 2, 636 Abs. 2 DiskE verallgemeinert und auf alle gesetzlichen Rücktrittsgründe ausgedehnt werden müssen. So hat der BGH z.B. die analoge Anwendung von § 467 S. 2 BGB auf den
Fall des Verzuges nach §§ 440, 326 BGB mit der Begründung abgelehnt, dieser setze stets Verschulden voraus
und daher sei ohnehin ein schadensrechtlicher Anspruch auf Ersatz der Vertragskosten gegeben, so daß für eine Analogie zu § 467 S. 2 BGB kein Bedürfnis bestehe169; folgerichtig müßte der BGH für die Rechtslage nach
dem Entwurf entgegengesetzt entscheiden, weil danach der Rücktritt unabhängig davon ist, ob der Schuldner
den diesen auslösenden Grund zu vertreten hat oder nicht. Außerdem kann man etwa den Rücktritt wegen anfänglicher Unmöglichkeit nicht anders behandeln als einen anfänglichen Rechtsmangel, der von § 439 Abs. 2
DiskE unmittelbar erfaßt würde. Schließlich und vor allem entspricht eine Verallgemeinerung der §§ 439 Abs.
2, 636 Abs. 3 DiskE sowohl dem Bestreben des Entwurfs nach Gleichbehandlung aller gesetzlichen Rücktrittsgründe, das vor allem in § 323 KF Ausdruck findet, als auch der oben170 referierten ratio legis, die für alle gesetzlichen Rücktrittsgründe gleichermaßen paßt. Es besteht also nur die Alternative, die §§ 439 Abs. 2, 636
Abs. 3 DiskE zu verallgemeinern oder abzuschaffen. Die Kommission hielt aus den oben genannten Gründen
letzteres für vorzugswürdig.
V. Der Haftungsmaßstab des § 276 KF
1. Die Übernahme eines Beschaffungsrisikos und die Behandlung der Gattungsschuld
§ 276 Abs. 1 KF ist im Vergleich zu § 276 BGB in der Formulierung verhältnismäßig stark flexibilisiert
und insbesondere um den Hinweis angereichert worden, daß sich eine strengere Haftung als diejenige für
Vorsatz und Fahrlässigkeit „aus der Übernahme eines Beschaffungsrisikos“ ergeben kann. Im Gegenzug
ist § 279 DiskE und damit die letzte Reminiszenz an § 279 BGB gestrichen worden. Eine wesentliche
Änderung der Rechtslage ist damit jedoch nicht beabsichtigt.
Bekanntlich gibt es unterschiedliche Typen der Gattungsschuld. Am einen Ende der Typenreihe steht die
reine Vorratsschuld, bei der weitgehend dieselben Regeln gelten wie bei der Stückschuld. Am anderen
Ende steht die „marktbezogene“ Gattungsschuld, bei der die Ware auf dem Markt erworben werden
168
Vgl. Soergel/U. Huber, 12. Aufl. 1991, § 467 Rdn. 103; MünchKomm.-H.P. Westermann, 3. Aufl. 1995, §
467 Rdn. 10; Deckers NJW 1997, 159 f.
169
Vgl. BGH NJW 1985, 2697, 2698.
170
Vgl. bei Fn. 168.
43
kann und der Vertrag keine Beschränkung im Hinblick auf eine bestimmte Beschaffungsart vorsieht;171
hier übernimmt der Schuldner „nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses“ grundsätzlich das
„Beschaffungsrisiko“ i.S. von § 276 Abs. 1 KF. In der Mitte steht die „einfache“ oder, wie man besser
sagen sollte, produktionsbezogene Gattungschuld, bei welcher der Schuldner sich erkennbar nur oder
zumindest primär zur Leistung aus einer bestimmten Produktion – meist seiner eigenen – verpflichten
will;172 hier hat er grundsätzlich nur, aber immerhin das Risiko der Möglichkeit zur Lieferung aus der
betreffenden Produktion übernommen, kann aber unter bestimmten Umständen je nach dem Inhalt des
Vertrages auch zu einem Kauf der geschuldeten Ware am Markt verpflichtet sein.
Nun wird häufig betont, der Ansatz bei der Gattung sei fehlerhaft,173 weil es nicht auf dieses Kriterium,
sondern vielmehr auf die vertragliche Risikoverteilung ankomme. Letzteres ist zwar gewiß richtig, doch
darf man darüber nicht aus dem Auge verlieren, daß gerade hierfür die „Natur der Schuld“ – auch dieses Kriterium führt § 276 Abs. 1 KF auf – als Gattungsschuld von zentraler Bedeutung ist. Mit dieser
ist nämlich typischerweise, ja geradezu unvermeidlich eine Risikoübernahme verbunden, eben weil der
geschuldete Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt, also grundsätzlich vielfach vorhanden ist und
es also zwangsläufig dem Schuldner obliegt zu entscheiden, wie er sich das für die Erfüllung der Schuld
erforderliche Stück beschafft.174 Demgemäß ist es grundsätzlich seine Sache, eine etwaige Beschränkung dieses Risikos vertraglich hinreichend zum Ausdruck zu bringen, und daher ist mit der Gattungsschuld – anders als mit der Stückschuld175 – die Regel verbunden, daß Hindernisse bei der Bereitstellung
des geschuldeten Gegenstandes den Schuldner nicht entlasten, es sei denn, das damit verbundene Risiko
ist durch besondere Kriterien wie den Vertragsinhalt, die Umstände des Falles oder die Eigentümlichkeit
des Risikos beschränkt.176 Dieser spezifischen Struktur der Gattungsschuld trägt auch § 243 BGB
Rechnung, indem er dem Gattungsschuldner bis zur Grenze des Abs. 2 das Leistungsrisiko auferlegt,
und darin liegt zugleich der überzeugungskräftige Grundgedanke der Vorschrift des § 279 BGB, die
trotz ihrer mißglückten Formulierung einen richtigen Kern enthält. Demgemäß soll mit dem (etwaigen)
Wegfall von § 279 BGB nicht etwa die Garantiehaftung bei der Gattungsschuld abgeschafft, sondern
lediglich flexibilisiert werden.
Dogmatisch bedeutet das zugleich, daß die Risiko- oder Garantiehaftung als „zweite Spur“ neben der
Verschuldenshaftung erhalten bleibt und ihr Hauptanwendungsfeld bei der Gattungsschuld hat. Zwar
könnte man auch sagen, der Schuldner verletze vorsätzlich seine – aus § 243 BGB folgende – Lei171
Grundlegend Ballerstedt, Festschr. für Nipperdey, 1955, S. 264 ff.; vgl. dazu ferner U. Huber Bd. I (Fn. 11)
§ 24 II und Bd II (Fn. 11) § 59 I 3 c.
172
Vgl. dazu Ballerstedt aaO S. 278 ff.; U. Huber Bd I (Fn. 11) § 24 IV und Bd II (Fn. 11) § 59 I 3 b.
173
Vgl. etwa Abschlußbericht S. 126 f. im Anschluß an Ballerstedt aaO S. 272.
174
Man ist geradezu geneigt, auch hier von „sachlogischen Strukturen“ zu sprechen, vgl. dazu auch oben bei
Fn. 149.
175
Auch bei einer solchen kann der Schuldner natürlich das Beschaffungsrisiko übernehmen, doch stellt das
eine periphere Ausnahme dar, so daß insoweit die Möglichkeit einer Risikoübernahme i.S. von § 276 Abs. 1
KF daher stark restriktiv zu handhaben ist.
176
Das bedeutet zugleich, daß es der Schuldner ist, der insoweit die Argumentationslast trägt.
44
stungspflicht, wenn er es unterlasse, ein Leistungshindernis zu überwinden, doch wäre das weder dogmatisch noch teleologisch der richtige Ansatzpunkt, weil Vorsatz im Zivilrecht nach wie vor als eine
Form des Verschuldens angesehen wird und es hier eben nicht um Verschuldens-, sondern um Risikooder Garantiehaftung geht. Was der Schuldner bei der Gattungsschuld i.S. von § 280 Abs. 1 Satz 2 KF
„zu vertreten“ hat, ist also nicht Vorsatz oder Fahrlässigkeit, sondern eine Risikoübernahme – die übrigens folgerichtig keineswegs nur ein Beschaffung-, sondern z.B. auch ein Produktionsrisiko betreffen
kann. Dabei erlaubt § 276 Abs. 1 KF – und darin liegt u.a. der Fortschritt gegenüber § 279 BGB –, die
Reichweite dieser Riskoübernahme flexibel zu bestimmen, wobei es wie gesagt vor allem auf den Inhalt
des Vertrages, die Umstände des Falles und die Art des Risikos ankommt.
Nicht selten werden freilich die Kriterien, die hinsichtlich der Risikoverteilung maßgeblich sind, schon auf der
vorgelagerten Stufe der Entscheidung über das Vorliegen von Unmöglichkeit maßgeblich sein. Dennoch bleibt
die Unterscheidung zwischen diesen beiden Stufen sowohl dogmatisch als auch praktisch richtig und relevant.
Denn die Prüfung der Unmöglichkeit erfolgt nach § 275 Abs. 2 KF primär unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerinteresses, während bei der Prüfung des Vertretenmüssens i.S. von § 276 Abs. 1 KF das Schuldnerinteresse im Mittelpunkt steht. Dabei sind die Voraussetzungen, unter denen Unmöglichkeit anzunehmen ist, enger
und auf ausgesprochene Extremfälle beschränkt.177 Wertungsmäßig ist das insofern legitim, als der auf Geld
gerichtete Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung i.d.R. für den Gläubiger bequemer und für den
Schuldner gefährlicher ist als der – in den einschlägigen Grenzfällen allenfalls mühsam durchsetzbare – Anspruch auf die Primärleistung.
2. Die verschuldensunabhängige Haftung für Geldschulden
Daß für Geldschulden verschuldensunabhängig gehaftet wird, läßt sich aus dem Text der KF im Gegensatz
zum DiskE, wo dies aus § 275 Halbs. 1 DiskE hervorgeht,178 nicht unmittelbar entnehmen. Eine entsprechende
ausdrückliche Regelung zu schaffen, schien den Vertretern des Bundesjustizministeriums nicht opportun, weil
eine solche zwangsläufig ziemlich hart klingt.179 Man kann dieses Problem jetzt jedoch in § 276 KF verorten,
weil sich danach eine strengere Haftung auch aus „der Natur der Schuld“ ergeben kann und dies auf die Geldschuld zutrifft. Die eigentliche – und m.E. völlig zureichende – Begründung ergibt sich freilich schon aus der
Existenz eines Insolvenzverfahrens als solcher. Im übrigen ist man ohnehin allein auf dieses Argument angewiesen und findet keine Stütze mehr im Wortlaut von § 276 KF – und übrigens auch nicht von § 275 Halbs. 1
DiskE –, wenn es um eine Sachschuld geht, die der Schuldner lediglich wegen Geldmangels nicht erfüllen
kann.180
VI. Die Kodifizierung „ungeschriebener“ Rechtsinstitute
Ganz andere Aufgaben als bei den bisher erörterten Problemfeldern stellen sich dem Gesetzgeber bei den
Regelungen über die culpa in contrahendo und die Geschäftsgrundlage. Während es bisher nämlich um
verhältnismäßig klare, grundsätzlich subsumtionsgeeignete Tatbestände ging, handelt es sich hier um
sehr vage und offene Generalklauseln; und während den vorstehend erörterten Regelungen eigenständige
gesetzgeberische Entscheidungen zugrunde liegen, stellen die im folgenden zu behandelnden Bestimmungen lediglich den Versuch dar, „ungeschriebene“ Rechtsinstitute in das BGB aufzunehmen und den
derzeit von der Rechtsprechung praktizierten Rechtszustand wiederzugeben.
177
Vgl. oben I 2 e.
Zur Kritik daran vgl. Canaris (Fn. 6) S. ??? (10).
179
Vgl. etwa den Formulierungsvorschlag bei Canaris (Fn. 6) S. ??? (10).
180
Vgl. dazu Medicus AcP 188 (1988) 508 ff.; Canaris (Fn. 6) S. ??? (10 f).
178
45
1. Die Regelung der culpa in contrahendo gemäß §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 KF
Während die culpa in contrahendo in § 305 Abs. 1 Satz 2 DiskE nur eine knappe Andeutung findet, hat
sich die Kommission bemüht, in § 311 Abs. 2 und 3 KF eine Regelung zu entwerfen, die den Anforderungen an eine – wenngleich nur generalklauselartige – subsumtionsgeeignete Norm genügt. Das erscheint vor allem deshalb als sinnvoll, weil ohne die culpa in contrahendo beim heutigen Rechtszustand
weder das Vertrags- noch das Deliktsrecht angemessen zu verstehen ist und der Rechtssuchende, insbesondere auch der Ausländer und der Student, daher hierzu eine Grundlage im Text des BGB finden
sollte. Dabei wurde allerdings nur ein Grundtatbestand geschaffen und bewußt darauf verzichtet, das
mit dem Institut der culpa in contrahendo verbundene Pflichtenprogramm auszudifferenzieren und zu
Fallgruppen181 zu konkretisieren. Eine Festlegung der Rechtsfolgen kommt ohnehin nicht in Betracht, da
diese sich grundsätzlich aus den §§ 249 ff. BGB ergeben und die hinsichtlich der culpa in contrahendo
etwa erforderlichen Präzisierungen oder Modifizierungen dieser Vorschriften außerhalb der Reichweite
einer Reform des Leistungsstörungsrechts liegen.
a) Der Schutzumfang nach § 241 Abs. 2 KF
Die Regelung von § 311 Abs. 2 KF knüpft an § 241 Abs. 2 KF an und legt damit die Reichweite des
Schutzes durch die Regeln über die culpa in contrahendo fest. Dabei ist wichtig, daß die Bestimmung
des § 241 Abs. 2 DiskE, wo von Rücksichtspflichten nur hinsichtlich der „Rechte und Rechtsgüter“ des
anderen Teils die Rede ist, in § 241 Abs. 2 KF auf bloße „Interessen“ erstreckt worden ist. Damit soll
klargestellt werden, daß nicht etwa nur Rechte und Rechtsgüter i.S. von § 823 Abs. 1 BGB und auch
nicht nur Vermögensinteressen, sondern eben Interessen aller Art einschließlich der Entscheidungsfreiheit gemeint sind.182 Deshalb bleibt die culpa in contrahendo auch weiterhin als Mittel zum Schutz vor
unerwünschten Verträgen geeignet183 – und zwar ohne daß die Frage gesetzlich präjudiziert wird, ob es
dafür auf einen Vermögensschaden ankommt oder nicht.
b) Die Haftung des potentiellen Vertragspartners nach § 311 Abs. 2 KF
§ 311 Abs. 2 KF gibt weitgehend lediglich den derzeitigen Stand der Lehre von der culpa in contrahendo wieder und bedarf daher nur hinsichtlich einiger Einzelheiten der Erläuterung. Hervorhebung verdient
181
Vgl. zu diesen zuletzt eingehend Canaris in Canaris/Heldrich/Hopt/Roxin/Schmidt/Widmaier (Hrsg.), 50
Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 176 ff. mit Nachw. aus der Rspr.
182
Wiederum sei um der „historischen“ Genauigkeit willen festgehalten: Die Einfügung geht auf eine Anregung von mir zurück, die u.a. ausdrücklich damit begründet wurde, es müsse über bloße Vermögensinteressen
(mit denen sich die Kommission in einer früheren Fassung begnügt hatte) hinausgegangen und die Formulierung auch für den Schutz der Entscheidungsfreiheit geöffnet werden, um den Anschein zu vermeiden, es solle
die Rechtsprechung des BGH zur Anwendung der culpa in contrahendo auf einen unerwünschten Vertrag entweder schon im Ansatz in Frage gestellt oder auch nur in ihrem derzeitigen höchst umstrittenen Stand, wonach
dafür eine Vermögenseinbuße erforderlich ist, festgeschrieben werden; das war in der Kommission sodann unkontrovers; vgl. zum Anlaß für diese Klarstellung oben Fn. 27.
183
Unzutreffend daher Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz (Fn. 9) S. 51, die ohne Berücksichtigung der Einfügung des Wortes „Interessen“ meinen, hinsichtlich der Fallgruppe der Herbeiführung nicht erwartungsgerech-
46
zunächst, daß in den Tatbestand der Ziff. 2 in Übereinstimmung mit § 241 Abs. 2 KF auch bloße
„Interessen“ des anderen Teils aufgenommen worden sind.184 Dadurch soll vor allem klargestellt werden, daß auch schon im Stadium der „Anbahnung“ das Vermögen in die Schutzwirkung der Einwirkungs- und Anvertrauenshaftung einbezogen wird und diese somit nicht etwa auf die Rechte und
Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB beschränkt ist. Plaudert also z.B. ein potentieller Vertragspartner
ein Betriebsgeheimnis aus, das er bei den Vorbereitungen für sein Angebot erfahren hat, so haftet er aus
§ 280 Abs. 1 i.V. mit § 311 Abs. 2 Ziff. 2 KF; desgleichen haftet der Geschäftsherr grundsätzlich nach
diesen Vorschriften i.V. mit § 278 BGB, wenn ein Angestellter, der zwar Verhandlungs-, aber keine
Vertretungsmacht hat, unbefugtermaßen einen Vertrag abschließt.185
Daß die Gewährung der Einwirkungsmöglichkeit und das Anvertrauen „im Hinblick auf eine etwaige
rechtsgeschäftliche Beziehung“ erfolgen müssen, soll gewährleisten, daß keinesfalls schon der bloße
„soziale Kontakt“ für eine Haftung nach § 311 Abs. 2 KF ausreicht, sondern irgendein Zusammenhang
mit einem eventuellen Vertragsschluß bestehen muß. Wer also z.B. in einem Kaufhaus herumschlendert,
um sich die Waren anzusehen, fällt auch dann in den Schutzbereich von § 311 Abs. 2 Ziff. 2 KF, wenn
er keine konkrete Kaufabsicht hat, nicht dagegen derjenige, der sich lediglich wegen eines Gewitters in
dem Kaufhaus unterstellt.
Etwas dunkel ist leider § 311 Abs. 2 Ziff. 3 KF, wonach auch „ähnliche geschäftliche Kontakte“ genügen. Unkontrovers war in der Kommission, daß auch hierunter nicht etwa bloße „soziale“ Kontakte fallen, was ja in der Tat in unüberbrückbarem Widerspruch zu der entgegengesetzten eindeutigen Entscheidung in Ziff. 2 stünde und auch mit dem Wort „geschäftliche“ unvereinbar wäre. Andererseits passen unter Ziff. 1 und 2 nicht alle Konstellationen, für die eine Haftung nach den Regeln über die culpa in
contrahendo in Betracht kommt, und daher muß eine generalklauselartige Formulierung die Möglichkeit
zu einer Weiterentwicklung offen halten. Zu denken ist etwa an Gefälligkeitsverhältnisse mit rechtsgeschäftsähnlichem Charakter ohne primäre Leistungspflicht,186 wie sie vor allem bei bestimmten Auskunftsfällen eine Rolle spielen.187 Außerdem bietet Ziff. 3 auch die Möglichkeit zur Erfassung von
Schutzwirkungen zugunsten Dritter im Rahmen der culpa in contrahendo wie im Gemüseblattfall,188 sofern man diese nicht unter Abs. 3 Satz 1 einordnet.
ter Verträge würde „bei Anlegung normaler methodischer Grundsätze hier in Zukunft ein Umkehrschluß nahe
liegen.“
184
Das beruht ebenfalls auf einer Anregung von mir und war sodann unkontrovers; gleiches gilt für die sogleich zu erörternde Formulierung „etwaige“.
185
Vgl. zu dieser – ziemlich komplexen – Problematik näher Canaris (Fn. 181) S. 177 f.
186
Vgl. dazu statt aller MünchKomm.-Kramer, 3. Aufl. 1994, Einleitung vor § 241 Rdn. 32a und 33, der freilich insofern zu weit geht, als er in Rdn. 34 dann doch eine Verbindung mit der Lehre vom „sozialen Kontakt“
herstellt.
187
Der Gedanke hat inzwischen auch Eingang in die Rechtsprechung des BGH gefunden, vgl. vor allem BGH
ZIP 1998, 1434, 1435 und dazu eingehend Canaris, Festschr. für Schimansky, 1999, S. 43 ff.
188
BGHZ 70, 337, 344.
47
c) Die Einbeziehung Dritter nach § 311 Abs. 3 KF
In § 311 Abs. 3 KF ist die Einbeziehung Dritter in den Tatbestand der culpa in contrahendo geregelt.
Dabei ist Satz 1 so offen formuliert, daß man darunter nicht nur die Passiv-, sondern auch die Aktivlegitimation subsumieren kann. Das Problem der Schutzwirkungen für Dritte – das als solches natürlich
in § 311 KF nicht explizit angesprochen werden kann, weil hier nicht der richtige Ort für die Bestimmung des Kreises der schutzberechtigten Dritten ist – läßt sich daher statt mit Hilfe von Abs. 2 Ziff. 3
auch mit Hilfe von Abs. 3 Satz 1 erfassen. Das erscheint sogar als durchaus vorzugswürdig, weil dadurch alle „Drittfälle“ in dieser Bestimmung zusammengefaßt sind.
Was die Passivlegitimation angeht, so ist in Abs. 3 Satz 2 nur der Tatbestand der Vertrauenshaftung eigenständig ausgeformt. Satz 1 läßt jedoch Raum für andere Kriterien, wie die Worte „...kann auch zu
Personen entstehen ...“ sowie die daran anschließende Wendung „...entsteht insbesondere...“ zeigen.
Bekanntlich spielt in Rechtsprechung und Literatur als zweites Kriterium noch das „Eigeninteresse“ des
Dritten eine Rolle. Die Kommission hat jedoch einen Vorschlag der zuständigen Arbeitsgruppe, neben
die Fälle der Vertrauenshaftung explizit die Fälle zu stellen, in denen Dritte „auf die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluß maßgeblich einwirken und am Vertragsschluß ein überragendes eigenes
Interesse haben“, nicht übernommen. In der Tat wäre man damit hinter die Rechtsprechung des BGH
zurückgegangen. Dieser hat nämlich seine frühere Rechtsprechung zum Stellenwert des Eigeninteresses
im Rahmen der culpa in contrahendo ausdrücklich aufgegeben – und zwar in einem Fall, in dem der Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer GmbH sich für deren Schuld verbürgt und zusätzlich dingliche Sicherheiten gegeben hatte, so daß er „seine wirtschaftliche Existenz weitgehend mit dem Erfolg der
GmbH verknüpft“ hatte.189 Hier lag gewiß ein „überragendes“ Eigeninteresse vor. Wenn man also diesem Kriterium überhaupt noch eine Bedeutung zuerkennen will – was § 311 Abs. 3 Satz 1 KF offen
hält, aber auch offen läßt – muß das Eigeninteresse noch mehr sein als „überragend“. Dafür bleiben allenfalls Extremfälle wie derjenige, welcher der Ausgangsentscheidung des RG zugrunde lag,190 wo der
Dritte eine „Stellung als eine Art von procurator in rem suam“ innehatte.191
Satz 2 umschreibt die Fälle der vertrauensrechtlich begründeten Dritthaftung. Die Formulierung ist so
weit gefaßt, daß sie wohl für alle Fallgruppen paßt, die sich dazu bisher in der Rechtsprechung herausgebildet haben192 einschließlich der „Sachwalterhaftung“, der „Hintermännerhaftung“ und dgl. Von der
Formulierung gedeckt und in der Tat von der Kommission gewollt ist grundsätzlich auch die Einbeziehung der Haftung von Sachverständigen gegenüber einem Geschäftspartner ihres Auftraggebers, doch
hätte es der Funktion des Gesetzgebers nicht entsprochen, die Rechtsprechung, die sich insoweit bisher
189
BGHZ 126, 181, 182.
Ebenso Medicus, Bürgerliches Recht, 18. Aufl. 1999, Rdn. 200a.
191
RGZ 120, 249, 253; m.E. hätte sich dieser Fall übrigens auch mit den – damals freilich noch unbekannten –
vertrauensrechtlichen Kriterien lösen lassen und wäre m.E. unrichtig entschieden, soweit das nicht möglich ist
(was man angesichts von Unklarheiten im Sachverhalt und in der Gedankenführung des RG nicht genau sagen
kann).
190
48
bekanntlich noch der Konstruktion des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte bedient, durch eine ausdrückliche Regelung dogmatisch festzulegen. Freilich ist der Kreis der Dritten, die möglicherweise aus
culpa in contrahendo haften, durch das Bemühen um Abdeckung aller einschlägigen Fallgruppen reichlich weit geraten. Indessen ist die Entwicklung insoweit noch nicht hinreichend konsolidiert, um die
Formulierung eines eingrenzenden Kriteriums zu erlauben,193 zumal die Rechtsprechung ohnehin eher zu
einer noch stärkeren Ausweitung tendiert.194
Auch hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen lehnt sich § 311 Abs. 3 KF sehr stark an die
Rechtsprechung des BGH an. Nur einen Formulierungsunterschied bedeutet es, daß statt von
„persönlichem“ Vertrauen von Vertrauen „für sich“ gesprochen wird. Dadurch soll dem – leider weit
verbreiteten – Mißverständnis vorgebeugt werden, daß durch das Wort „persönlich“, welches der BGH
in diesem Zusammenhang häufig verwendet, eine besondere personale Intensität gefordert wird; in
Wahrheit geht es vielmehr lediglich darum, daß der Dritte das Vertrauen für seine eigene Person, also
„für sich“ und nicht für den potentiellen Vertragspartner, für den er agiert, wie z.B. für den Vertretenen
in Anspruch nimmt, d.h. daß er aus seiner Rolle als Verhandlungsgehilfe, Stellvertreter, Makler usw.
heraustritt und insoweit eine eigenständige Funktion übernimmt. Wichtig ist, daß der Dritte „in besonderem Maße“ Vertrauen in Anspruch nehmen muß. Das bejaht der BGH i.d.R. nur, wenn der Dritte eine
zusätzliche gerade von ihm ausgehende Gewähr übernimmt195 und seine Erklärung oder sein Verhalten
also mit einem gewissen Garantieelement verbunden ist; meist ist dies der Punkt, an dem die Entscheidung über die Bejahung oder Verneinung der Haftung des Dritten fällt, und daher liegt in der tatbestandlichen und dogmatischen Präzisierung dieses Merkmals eine überaus wichtige Zukunftsaufgabe für
Rechtsprechung und Rechtswissenschaft.
2. Zur Regelung der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 KF
Die Problematik der Geschäftsgrundlage stand nicht auf der Agenda des Bundesjustizministeriums und
die Kommission hat auch keinen Versuch gemacht, diesen Gegenstand an sich zu ziehen. Das Bemühen
um die Bildung von Regelbeispielen würde angesichts des derzeitigen Standes der Dogmatik ein nahezu
aussichtsloses und allenfalls auf sehr hoher Abstraktionsstufe zu verwirklichendes Unterfangen darstellen.196 Andererseits kam eine ersatzlose Streichung von § 313 KF m.E. schon deshalb nicht in Betracht,
weil die Kommission sich für die Einbeziehung der culpa in contrahendo in den Entwurf entschieden
hat.
192
Vgl. zu diesen zuletzt Canaris (Fn. 181) S. 183 ff.
Ein Versuch hierzu findet sich bei Canaris ZHR 163 (1999) 234 ff. für die Haftung von Sachverständigen.
194
Vgl. zuletzt BGH NJW 2001, 360, 363 f.
195
Vgl. z.B. BGHZ 56, 81, 84 f.; 74, 103, 108; BGH WM 1988, 1535, 1536; NJW 1990, 389, 390; 1990, 1907,
1908; WM 1993, 295, 298; vgl. dazu auch Canaris ZHR 163 (1999) 225 und 232 f.
196
Ähnlich auch Abschlußbericht S. 151.
193
49
VII. Die wichtigsten Neuerungen und ihre Bewertung
1. Die wichtigsten Abweichungen der KF vom DiskE und die weitgehende Wiederannäherung an das
BGB
Wie schon eine flüchtige Durchsicht der Synopse von DiskE und KF zeigt, besteht die Haupttendenz der
KF in einer weitreichenden Wiederannäherung an das BGB. Das gilt sowohl in inhaltlicher als auch in
gesetzgebungstechnischer Hinsicht.
a) Inhaltliche Abweichungen der KF vom DiskE
Inhaltlich wird durch § 275 Abs. 1 KF die Regelung von § 275 BGB weitgehend wiederhergestellt,
während diese durch die völlig andersartige Vorschrift des § 275 DiskE praktisch abgeschafft worden
wäre. Auch § 275 Abs. 2 KF stellt gegenüber dem geltenden Recht jedenfalls auf der Tatbestandsseite
keine wesentliche Neuerung dar, da der BGH aus den §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB einen
ähnlichen „allgemeinen Rechtsgedanken“ entnommen hat;197 im Gegenteil: indem der Bezug der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf das Interesse des Gläubigers ausdrücklich festgeschrieben und überdies
auch noch ein „grobes“ Mißverhältnis gefordert wird, werden der Grundsatz pacta sunt servanda und
zugleich die Bestandskraft gesetzlicher Ansprüche gestärkt. Lediglich auf der Rechtsfolgenseite ist insofern ein gewisser Rest von § 275 DiskE erhalten geblieben, als statt einer Einwendung nur ein Leistungsverweigerungsrecht gewährt wird, doch entspricht dieses der Formulierung des § 633 Abs. 2 Satz
3 BGB, die bisher keinerlei Schwierigkeiten
bereitet hat.198
Einen ganz wesentlichen Schritt zurück zum BGB stellt ferner die Abschaffung der rücktrittsrechtlichen
Einheitslösung des § 323 DiskE und die damit verbundene Wiederherstellung der §§ 323 f. BGB durch
§ 326 KF dar.
b) Gesetzgebungstechnische Abweichungen der KF vom DiskE
Auch in gesetzgebungstechnischer Hinsicht hat sich die KF im Gegensatz zum DiskE weitgehend wieder
am Vorbild des BGB orientiert. Denn die ausschließlich an der Rechtsfolgenseite ausgerichtete Konzeption des DiskE, die zu den intransparenten und viel zu komprimierten Bestimmungen der §§ 282, 323
DiskE geführt hatte, ist durch ein „mittleres“ System ersetzt worden. Dieses trennt zwar ebenfalls klar
nach Rechtsfolgen, indem der Schadensersatz nur in den §§ 280 ff. KF und der Rücktritt nur in den §§
323 ff KF geregelt wird, erzielt aber zugleich wesentlich größere Transparenz, indem die Tatbestände
197
BGHZ 62, 388, 391, 393 f.; BGH NJW 1988, 699, 700; zustimmend Larenz/Canaris (Fn. 35) § 86 VI 2 a;
U. Huber (Fn. 35) § 59 II 3; die Zustimmung Hubers steht zwar (im Gegensatz zu meiner eigenen Position)
unter der Einschränkung, daß der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat, doch wird in § 275 Abs.
2 Satz 2 KF ja gerade offen gehalten, welche Relevanz dieses Kriterium hier hat, vgl. oben I 2 f).
198
Vgl. dazu oben I 2 h).
50
entzerrt und die bekannten Kategorien wie Verzug, Nicht- und Schlechtleistung, Erfüllungsverweigerung, Unmöglichkeit und Schutzpflichtverletzung wiederhergestellt werden. 199
Einen essentiellen Beitrag zur Herstellung größerer Transparenz stellt auch § 311a KF dar. Denn dort
wird der Sonderstellung der anfänglichen Leistungshindernisse Rechnung getragen, indem diesen eine
eigenständige – im DiskE gänzlich fehlende – Anspruchsgrundlage gewidmet wird, die auf anderen Tatbestandsvoraussetzungen als § 280 KF aufbaut und außerdem die Rechtsfolgen explizit und konstitutiv
anordnet.200
2. Die wichtigsten Abweichungen der KF vom BGB
a) „Große“ Abweichungen
Nach der Revision des DiskE durch die KF und der damit verbundenen Abschaffung von § 275 DiskE
verbleiben gegenüber der Rechtslage nach der derzeitigen Fassung des BGB nur drei „große“ Abweichungen. Zwei von diesen sind inhaltlicher Art, die dritte hat lediglich gesetzgebungstechnischen Charakter.
Die erste inhaltliche Abweichung ist die Abschaffung von § 306 BGB und deren Ersetzung durch die
Ansprüche auf Geldersatz nach § 311a Abs. 2 KF. Bekanntlich ist die Regelung des § 306 BGB seit
dem grundlegenden Aufsatz von Rabel immer wieder scharf kritisiert worden.201 In der Tat ist diese Änderung uneingeschränkt zu begrüßen. Zum einen führt § 306 BGB nämlich zu einer unnötigen Durchbrechung des Grundsatzes pacta sunt servanda, und zum anderen hat die Vorschrift untragbare Wertungswidersprüche zur Folge; so haftet der Verkäufer wegen § 306 BGB allenfalls auf das negative Interesse nach § 307 BGB, wenn die verkaufte Sache kurz vor Vertragsschluß zerstört worden ist, dagegen bei konsequenter Gesetzesanwendung auf das positive Interesse – und zwar nach h.L. sogar unabhängig von Verschulden –, wenn sie kurz vor Vertragsschluß gestohlen worden ist.202
Die zweite „große“ inhaltliche Änderung gegenüber dem BGB besteht darin, daß der Rücktritt anders
als nach § 326 BGB nicht mehr davon abhängt, ob der Schuldner den Rücktrittsgrund zu vertreten hat
oder nicht. Das halte ich für den größten Fortschritt. Es ermöglicht nämlich, den Wirrwarr der verschiedenen Rücktrittsrechte, der derzeit im BGB und HGB herrscht, zu beseitigen und zugleich – was noch
wichtiger ist – die bisher getrennten Rechtsbehelfe von Rücktritt und Wandelung – die ja schon jetzt
verschuldensunabhängig ist! – zusammenzufassen. Daß sich der Gläubiger in den Fällen des § 326 BGB
etwas leichter als bisher vom Vertrag lösen kann, stellt keine Beeinträchtigung des Grundsatzes pacta
199
Vgl. eingehend oben III 2 a und IV 1 a.
Vgl. eingehend oben II 2 b und c.
201
Vgl. Rabel, Festschrift für Bekker, 1907, S. 171 ff. = Gesammelte Aufsätze Bd I, 1965, S. 1 ff.
202
Daher wird versucht, diesen Widerspruch zu vermeiden, indem man auch den Fall des Diebstahls unter §
306 BGB subsumiert, so zuletzt wieder U. Huber Bd I (Fn. 11) S. 534 Fn. 36; das läßt sich jedoch dogmatisch
nicht begründen, da ja jedenfalls dem derzeitigen Besitzer die Leistung (Übergabe der Sache) zweifelsfrei
möglich ist, und führt daher nur zu argumentativen Verrenkungen, vgl. z.B. Larenz (Fn. 22) S. 102; zutreffend
zu dieser Problematik dagegen z.B. Soergel-M. Wolf, 12. Aufl. 1990, § 306 Rdn. 14 mit weiteren Nachw.
200
51
sunt servanda dar, sondern bildet im Gegenteil dessen folgerichtige Kehrseite und beinhaltet einen deutlichen Gewinn an Vertragsgerechtigkeit, weil zu deren elementarsten Grundlagen das Äquivalenzprinzip
gehört und der Rücktritt wegen Nichterfüllung des Vertrags in diesem wurzelt203.
Schließlich liegt in gesetzgebungstechnischer Hinsicht eine „große“ Änderung darin, daß die positive
Forderungsverletzung nunmehr in den §§ 280, 282, 323 f. KF ausdrücklich mitgeregelt ist. Auch wer
meint, diese werde bei richtigem Verständnis des BGB schon derzeit von dessen Vorschriften erfaßt,
kommt doch nicht daran vorbei, daß das seit mehr als 100 Jahren nur von wenigen Autoren verstanden
worden ist – wenn diese denn wirklich recht haben sollten, was z.B. ich selbst nach wie vor entschieden
verneine –, und kann daher schwerlich bestreiten, daß eine explizite gesetzliche Regelung dieser Problematik einen Fortschritt darstellt.
b) „Kleine“ Abweichungen
Hinzukommen einige „kleine“ Abweichungen, hinsichtlich derer ich mich kurz fassen kann. So entspricht die Ermöglichung eines Wechsels vom Rücktritt zur Geltendmachung eines Anspruchs auf
Schadensersatz und die Zulassung der Kumulierung von Rücktritt und Schadensersatz durch § 325
KF204 einem seit langem erhobenen berechtigten Desiderat. Der durch § 284 KF geschaffene Aufwendungsersatzanspruch erübrigt insoweit die Verlegenheitslösung der „Rentabilitätsvermutung“ und überwindet zugleich deren Grenzen, die wertungsmäßig nicht zu legitimieren sind.205 Die Ersetzung der
„harten“ Ablehnungsandrohung nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB durch die „qualifizierte“ Fristsetzung
nach § 281 Abs. 1 Satz 1 und 2 KF beseitigt eine juristische „Falle“ für den Gläubiger und führt zu einem optimalen Kompromiß zwischen den beiderseitigen Interessen.206 Die Abschaffung von § 279 BGB
und die Integrierung dieser Problematik in § 276 KF stellt ohnehin keine echte Änderung der Rechtslage
dar, sondern eröffnet lediglich eine Flexibilisierung der Argumentationsmöglichkeiten.207 Was schließlich die Ersetzung des Garantieprinzips beim anfänglichen Unvermögen durch das Verschuldensprinzip
angeht, so handelt es sich dabei überhaupt nicht um eine Änderung des BGB, sondern nur um eine solche seiner Auslegung durch die h.L., gegen die indessen triftige Sachgründe sprechen und die überdies
von einer gewichtigen, auf keinen geringeren als Heck zurückgehenden Gegenmeinung bekämpft wird.208
3. Die Beschränkung der KF auf das erforderliche Maß an Neuregelungen und das Fehlen „gänzlich
neuer Ordnungselemente“ in der KF
Alle soeben dargestellten Änderungen des BGB waren bereits im Entwurf der Schuldrechtskommission
aus dem Jahre 1992 enthalten – wenn auch z.T. in anderer Fassung. Nimmt man hinzu, daß die für die
Überarbeitung des Leistungsstörungsrechts eingesetzte Kommission, wie oben 1 dargelegt, in weiten
203
Zutreffend dazu F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996, S. 182.
Vgl. dazu oben IV 1 e.
205
Vgl. oben IV 2 a und b.
206
Vgl. oben III 2 c.
207
Vgl. oben V 1.
204
52
Teilen eine Rückkehr zum BGB durchgesetzt hat, so zeigt sich, daß der Entwurf in seiner derzeitigen
Fassung nicht wesentlich mehr regelt als zur Lösung der soeben unter 2 behandelten Probleme erforderlich ist. Ich jedenfalls vermag nicht zu erkennen, wo das der Fall sein sollte209 – wenn man einmal von
der ganz anders gearteten Zusatzfrage absieht, ob es zweckmäßig ist, bei dieser Gelegenheit den bisher
„ungeschriebenen“ Instituten der culpa in contrahendo und der Geschäftsgrundlagenstörung einen Platz
im Gesetz einzuräumen.210
Erst recht kann keine Rede davon sein, daß durch die KF „gänzlich neue, bislang nicht diskutierte Ordnungselemente in das Vorhaben eingeführt wurden.“211 Soweit ich sehe, enthält die KF überhaupt nur
eine einzige Neuerung gegenüber dem BGB, die nicht schon im DiskE und im Entwurf der Schuldrechtskommission enthalten war. Diese liegt in der Verknüpfung des „großen“ Schadensersatzes mit
dem Kriterium des Interessewegfalls in § 281 Abs. 1 Satz 3 KF, die wahrlich nicht von solcher Tragweite ist, daß sie Anlaß zur Aufregung geben könnte und zu deren – in der Tat angezeigter212 – kritischer Überprüfung auch jetzt noch Zeit genug bleibt.
Alle anderen in der KF enthaltenen Abweichungen vom BGB sind seit 1992 bekannt und beruhen auf
intensiven wissenschaftlichen Vorarbeiten, die bereits 1980 begonnen haben. Sie mit rein punktuellen
Eingriffen in das BGB zu bewältigen, ist nicht möglich. Denn abgesehen davon, daß sie dazu nun doch
zu zahlreich sind, ist zumindest hinsichtlich der
Vereinheitlichung der Rücktrittsrechte und der Integrierung der Wandelung in diese eine weitreichende
Änderung unumgänglich – und diese zieht dann folgerichtig das Bedürfnis nach einer Kodifizierung der
positiven Forderungsverletzung und einer entsprechenden Umgestaltung der schadensersatzrechtlichen
Regelungen nach sich.
4. Die Pflichtverletzungsterminologie und ihre Mängel
Ein leidiges Problem, das die Kommission aus dem DiskE „geerbt“ hat, besteht in der Dominanz des
Begriffs der Pflichtverletzung.213 Deren störendste Auswirkungen hat die Kommission freilich bereinigt,
indem sie diese Terminologie in den Einleitungsworten von § 323 Abs. 1 KF und in § 323 Abs. 6 KF214
beseitigt und die Regelung der anfänglichen Unmöglichkeit in § 311a Abs. 2 KF auf die Grundlage eigenständiger, von der Pflichtverletzungsterminologie unabhängiger Tatbestandsvoraussetzungen gestellt
208
Vgl. oben II 2 a.
Das hebe ich hervor, weil ich leider vergessen habe, der entgegengesetzten – jedoch nicht näher spezifizierten – Behauptung von U. Huber auf der Zivilrechtslehrertagung in meinem Schlußwort zu widersprechen.
210
Wer das verneint, kann für die Streichung der einschlägigen Vorschriften plädieren, daraus aber keine Einwände gegen das Reformvorhaben als solches herleiten.
211
Die gegenteilige Behauptung der Herren Altmeppen und Wilhelm in ihrer e-mail vom 12.4.2001 und dem
damit verbundenen Aufruf zu einer „Gemeinsamen Erklärung“, die sich nach dem Zusammenhang des Textes
auch auf die – kurz zuvor erwähnte – „grundlegende Umgestaltung des Leistungsstörungsrechts“ bezieht, ist
daher hinsichtlich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts offenkundig unzutreffend.
212
Vgl. oben IV 1 e.
213
Vgl. dazu die Kritik von Ernst JZ 1994, 895 f und NJW 1994, 2180 f.; U. Huber (Fn. 6) S. 98 ff.; Canaris
(Fn. 6) S. ???.
209
53
hat.215 Letzteres wirkt sich erfreulicher Weise auch auf anfängliche Sachmängel aus, da in der Fassung
des Entwurfs vom 9.4.2001 in § 437 Ziff. 3 KF auch auf § 311a KF verwiesen wird; im Fall des berühmt-berüchtigten vergoldeten Ringes, der als goldener verkauft ist, kommt es also nicht auf das Vorliegen einer Pflichtverletzung des Verkäufers i.S. von § 280 Abs. 1 KF an, sondern auf seine Kenntnis
oder zu vertretende Unkenntnis von diesem Mangel i.S. von § 311a KF, womit auch insoweit alle gedanklichen Schwierigkeiten behoben sind.
Gleichwohl noch einmal auf die Problematik der Pflichtverletzungsterminologie zurückzukommen, erscheint jedoch deshalb geboten und trotz der Entscheidung der Kommission, es bei dieser grundsätzlich
bewenden zu lassen, auch legitim,216 weil die Frage der Abgrenzung zwischen Satz 1 und Satz 2 von §
280 Abs. 1 KF und die Tatsache, daß diese nicht nur erhebliche gedankliche Schwierigkeiten bereitet,
sondern auch gefährliche Unklarheiten hinsichtlich der Beweislastverteilung heraufbeschwört, bisher
nicht hinreichend bedacht worden ist und sich insoweit eine Kombination von Pflichtverletzungs- und
Nichterfüllungsterminologie als klar überlegen erwiesen hat.217 Hinzukommt die weitaus höhere internationale Akzeptanz der Nichterfüllungsterminologie, die sich etwa in deren Verwendung in den UNIDROIT Principles und den European Principles manifestiert.218 Auch sei (erneut) daran erinnert, daß es
in der Begründung des DiskE ohnehin heißt, der Begriff der Pflichtverletzung bezeichne „allein den Umstand, daß der Schuldner seine Verpflichtung aus dem Schuldverhältnis nicht erfüllt“219 – eine Bemerkung, die im Abschlußbericht der Schuldrechtskommission bezeichnenderweise fehlt.
Es bleiben also nur die beiden Einwände gegen die Nichterfüllungsterminologie, daß diese für die
Schlechterfüllung und ähnliche Fälle und erst recht für die Schutzpflichtverletzungen, bei denen niemand an eine Klage auf Erfüllung denkt, nicht passe. Der erste Einwand läßt sich indessen durch eine
Legaldefinition leicht ausräumen, dem zweiten kann man dadurch Rechnung tragen, daß man die
Pflichtverletzungsterminologie dort beibehält, wo es um Schutzpflichtverletzungen geht; letzteres wird
dadurch ermöglicht, daß die KF für diese in § 241 Abs. 2 eine ausdrückliche Grundlage und in den §§
282, 324 KF gesonderte Normen enthält, die lediglich miteinander verknüpft zu werden brauchen. Darauf beruht der Formulierungsvorschlag, der sogleich 5 c unterbreitet werden wird.
5. Zusammenfassung der Änderungsanregungen mit Formulierungsvorschlägen
Im Laufe der vorliegenden Untersuchung haben sich folgende Änderungsanregungen ergeben:
a) § 281 Abs. 3 Satz 2 und 3 werden durch folgende Regelung ersetzt:220
214
Man vergleiche damit § 323 Abs. 1 und Abs. 3 Ziff. 3 DiskE.
Vgl. dazu oben II 2 a.
216
Übrigens wurde in der Kommissionssitzung am 3.4.2001 bemerkenswerter Weise auch aus Kreisen der Praxis nachdrücklich gegen die Pflichtverletzungsterminologie plädiert; es handelt sich also keineswegs um eine
Frage, die nur Theoretiker umtreibt.
217
Vgl. dazu oben IV 1 b.
218
Vgl. Art. 7.1.1 bzw. Art. 8:101.
219
Vgl. DiskE S. 312 oben (Hervorhebung hinzugefügt).
220
Vgl. zur Begründung oben IV 1 f.
215
54
„Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Anspruch auf Schadensersatz statt der
Leistung rechtshängig geworden ist oder der Schuldner sich auf Verlangen des Gläubigers mit der Zahlung von Schadensersatz statt der Leistung einverstanden erklärt hat.“
b) Die Einbeziehung der einstweiligen Unmöglichkeit in § 275 KF wirft eine Reihe von Folgeproblemen
auf, auf welche die dafür an sich einschlägigen Vorschriften nicht hinreichend abgestimmt sind.221 Daher
sollten die Worte „und solange“ in § 275 KF gestrichen und die Lösung dieser Problematik wie bisher
Rechtsprechung und Rechtswissenschaft überlassen werden.
Läßt man diese Wort stehen, sollten folgende Ergänzungen vorgenommen werden:
§ 275 Abs. 3 KF wird um den Satz ergänzt: „Im Falle der einstweiligen Unmöglichkeit gilt außerdem §
323 KF entsprechend.“222 § 283 S. 2 wird folgendermaßen gefaßt:223 „Im Falle der einstweiligen Unmöglichkeit gilt § 281 entsprechend; im Falle der teilweisen Unmöglichkeit gilt § 281 Abs. 1 Satz 3 und
Abs. 4 entsprechend.“ § 311a Abs. 2 KF wird um den Satz ergänzt: „Im Falle der einstweiligen Unmöglichkeit gelten die §§ 280 Abs. 1 und 2, 281 KF entsprechend.“224 In § 326 Abs. 1 Satz 1 werden
nach „Soweit“ die Worte „und solange“ eingefügt.225
c) In den §§ 280 ff. KF sollte zu einer Mischung von Nichterfüllungs- und Pflichtverletzungsterminologie übergegangen werden.226 Das bedingt (nur) folgende Änderungen:
§ 280 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KF erhält die Fassung: „Erfüllt der Schuldner eine Pflicht aus dem
Schuldverhältnis nicht oder nicht wie geschuldet (Nichterfüllung) oder verletzt er eine Pflicht im Sinne
von § 241 Abs. 2 KF, ...“. § 280 Abs. 1 Satz 2 KF erhält die Fassung: „Dies gilt nicht, wenn der
Schuldner die Nichterfüllung nicht zu vertreten hat.“ § 282 Halbs. 1 KF erhält die Fassung: „Verletzt
der Schuldner eine Pflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 KF ...“; entsprechend ist auch § 324 Halbs. 1 KF
zu ändern. In § 284 KF wird das Wort „Pflichtverletzung“ durch das Wort „Nichterfüllung“ ersetzt.
d) Eine sprachliche Vereinheitlichung ist erforderlich, soweit es um die Wendungen „Dies gilt nicht“
und „es sei denn“ geht. Dabei sollte man sich m.E. am Modell des § 280 Abs. 1 KF orientieren und der
Formulierung „gilt nicht“ den Vorzug geben.
Demgemäß ist § 323 Abs. 1 letzter Halbs. KF („es sei denn“) auf den entsprechenden § 281 Abs. 1 Satz
2 abzustimmen: „Satz 1 gilt nicht ...“.
Vor allem sollte § 311a Abs. 2 KF an die Parallelvorschrift des § 280 Abs. 1 KF angeglichen werden,
was zugleich zu einer deutlichen sprachlichen Verbesserung führt:
„...verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit weder kannte noch seine Unkenntnis zu vertreten hat.“
VIII. Schlußbemerkungen
Ich schließe mit drei Bemerkungen sehr persönlicher Art.
Die erste gilt Ulrich Huber. Er war durch sein für das Bundesjustizministerium erstattetes Gutachten in
gewisser Weise der geistige Vater der Regelungen über das Leistungsstörungsrecht im Entwurf der
Schuldrechtskommission und damit auch im Diskussionsentwurf. Er wurde dann jedoch auch zum
wichtigsten Kritiker dieses Entwurfs und hat durch sein Referat in Regensburg einen Prozeß des Nachdenkens in Gang gebracht, ohne den vermutlich unsere Kommission gar nicht eingesetzt worden wäre.
Darüber hinaus hat diese von ihm auch viele inhaltliche Anregungen für ihre Arbeit erhalten, auch wenn
221
Vgl. zur Begründung oben II 2 e, III 2 b und IV 1 h.
Vgl. oben III 2 b.
223
Vgl. oben IV 1 h.
224
Vgl. oben II 2 e.
225
Vgl. oben Fn. 19.
226
Vgl. oben IV 1 b und VII 4.
222
55
wir seinen Vorstellungen keineswegs immer gefolgt sind. Diese besondere Rolle Ulrich Hubers hervorzuheben, scheint mir ein Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit und Fairness zu sein, gerade weil er nicht
Mitglied der Kommission war.
Meine zweite Bemerkung betrifft den extremen Zeitdruck, unter dem unsere Kommission arbeiten mußte. Wir hatten nur sechs Wochen Zeit bis zum Abschluß unserer Tätigkeit, und auch diese konnten wir
natürlich nur eingeschränkt nutzen, weil wir uns unseren sonstigen Aufgaben und Verpflichtungen ja
nicht einfach entziehen konnten. So ist mir – und auch manchem anderen Kommissionsmitglied – unsere
Arbeit angesichts des extremen Schwierigkeitsgrades der Materie mitunter wie der sprichwörtliche Ritt
über den Bodensee vorgekommen, und vor allem zu Beginn hat mich die Frage umgetrieben, ob ich es
überhaupt verantworten könne, unter diesen Bedingungen eine solche Aufgabe auf mich zu nehmen. Indessen bestand die Alternative ja nur im Verzicht auf jede Mitwirkung und damit auch auf jede Einflußnahme. Da ich kein Gesinnungs-, sondern eher ein Verantwortungsethiker oder, wie man heute zu sagen
pflegt, ein Konsequenzialist bin, habe ich mich für die Mitwirkung entschieden. Als Wissenschaftler habe ich selbstverständlich volles Verständnis für jeden, der den Ruf nach einem längeren Zeitraum für eine umfassende Prüfung des Reformprojekts erhebt. Als politisch denkender Mensch habe ich aber mindestens ebenso viel, ja noch mehr Verständnis für das Bestreben, den günstigen Augenblick zu nutzen;
die Griechen sprachen vom καιροσ, heute braucht man lieber das Bild von der offenen Tür, durch die
man gehen muß, bevor sie sich wieder schließt. Und wir sollten uns keine Illusionen machen: die Tür
steht vermutlich nur jetzt offen. Denn sich zunächst auf eine Umsetzung der Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf zu beschränken und darauf zu vertrauen, daß man das Leistungsstörungsrecht später
immer noch reformieren könne, halte ich für ebenso unrealistisch wie unökonomisch, weil die mit der
Änderung verbundenen Kosten und Lasten dann zweimal anfallen würden. Wer für eine „kleine“ Lösung plädiert, nimmt daher in Wahrheit zugleich das Risiko in Kauf – oder strebt sogar unausgesprochen an –, daß es eine „große“ Lösung auf unabsehbare Zeit nicht geben wird – und zwar weder hinsichtlich des Kaufrechts, so daß die §§ 433 ff. BGB unkoordiniert neben den Regeln über den Verbrauchsgüterkauf bestehen bleiben, noch hinsichtlich der Reform des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, so daß dieses auf Dauer in seinem derzeitigen, antiquierten und teilweise desolaten Zustand verharren wird.
Schließlich möchte ich noch ein Wort zur Rolle des Bundesjustizministeriums sagen. Im Vorwort zur
Festgabe zum 50-jährigen Bestehen des Bundesgerichtshofs haben die Herausgeber die intensive Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis als einen besonderen Vorzug der deutschen Rechtskultur
gerühmt.227 Dort war das auf das Verhältnis zur Rechtsprechung bezogen. Die Gesetzgebung pflegt den
Dialog mit der Wissenschaft weit seltener. Hinsichtlich des Leistungsstörungsrechts trifft das genaue
Gegenteil zu. Seine Reform fußt auf wissenschaftlichen Vorarbeiten, die das Bundesjustizministerium
227
Canaris/Heldrich/Hopt/Roxin/Schmidt/Widmaier, 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. VI.
56
vor mehr als zwanzig Jahren in Auftrag gegeben hat, die Kommission, die den Diskussionsentwurf
überarbeitet hat, bestand nahezu vollständig aus Professoren, und daß das Bundesjustizministerium sich
deren Vorschläge uneingeschränkt zu eigen machen würde, hätte ich mir zu Beginn der Arbeit nicht in
meinen kühnsten Träumen erwartet. Daher bin ich überzeugt, daß die Wissenschaft auch im Verlauf des
weiteren Gesetzgebungsverfahrens eine gute Chance zu einer Einflußnahme auf den Inhalt des Reformprojekts hat. Nutzen Sie sie!
Anhang: Synopse von Diskussionsentwurf und Konsolidierter Fassung
Diskussionsentwurf (DiskE)
Konsolidierte Fassung (KF)
§ 241. Pflichten aus dem Schuldverhältnis.
(1) ...
(2) Das Schuldverhältnis kann unter Berücksichtigung seines Inhalts und seiner Natur jeden Teil zu
besonderer Rücksicht auf die Rechte und Rechtsgüter
des anderen Teils verpflichten. Hierauf kann sich das
Schuldverhältnis beschränken.
§ 241. Pflichten aus dem Schuldverhältnis.
(1) ...
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt
jeden Teil zu besonderer Rücksicht auf die Rechte,
Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
§ 275. Grenzen der Leistungspflicht.
Besteht die Schuld nicht in einer Geldschuld, kann
der Schuldner die Leistung verweigern, soweit und
solange er diese nicht mit denjenigen Anstrengungen
zu erbringen vermag, zu denen er nach Inhalt und
Natur des Schuldverhältnisses verpflichtet ist. Die
Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§
280 bis 282 und 323.
§ 275. Ausschluss der Leistungspflicht.
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen,
soweit und solange diese dem Schuldner unmöglich
ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern,
soweit und solange diese einen Aufwand erfordert,
der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis
zu vertreten hat und ob er dem Gläubiger einen angemessenen Ausgleich anbietet.
(3) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach
den §§ 280 bis 284 und 326.
§ 276. Verantwortlichkeit für eigenes Verhalten.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu
vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung
weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des
Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos,
oder der Natur der Schuld zu entnehmen ist. Die
Vorschriften der §§ 827, 828 sind entsprechend anzuwenden.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im voraus erlassen werden.
§ 279. Verantwortlichkeit für Beschaffungshindernisse.
Ist der geschuldete Gegenstand vom Schuldner zu
beschaffen, so hat dieser Beschaffungshindernisse im
§ 279
entfällt.
57
Zweifel auch ohne Verschulden zu vertreten.
§ 280. Schadensersatz bei Pflichtverletzung.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem
Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des
hierdurch entstandenen Schadens verlangen. Dies
gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung
nicht zu vertreten hat.
(2) Für das Recht des Gläubigers, statt der Leistung
Schadensersatz zu verlangen, gelten die zusätzlichen
Voraussetzungen des § 282. Schadensersatz wegen
Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur
unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Verzugs
nach § 283 verlangen. Bei einem gegenseitigem
Vertrag kann der Gläubiger Schadensersatz wegen
Nichtausführung des Vertrags nur gemäß § 325 nach
Rücktritt verlangen.
§ 280. Schadensersatz wegen Pflichtverletzung.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem
Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des
hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies
gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung
nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung
kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen
des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
§ 281. Herausgabe des Ersatzes.
(1) Hat der Schuldner gemäß § 275 die Leistung
verweigert und hat er infolge des Umstandes, der
sein Einrederecht nach dieser Vorschrift begründet,
für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder
einen Ersatzanspruch erlangt, so kann der Gläubiger
Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen.
(2) Kann der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangen, so mindert sich dieser, wenn er von
dem in Absatz 1 bestimmten Recht Gebrauch macht,
um den Wert des erlangten Ersatzes oder Ersatzanspruchs.
§ 282. Schadensersatz statt der Leistung.
(1) Der Gläubiger kann statt der Leistung Schadensersatz nur verlangen, wenn er den Schuldner zuvor
ohne Erfolg unter Setzung einer Frist zur Leistung
aufgefordert hat. Ist eine Frist nicht gesetzt oder die
gesetzte Frist unangemessen kurz, gilt eine angemessene Frist als gesetzt.
(2) Der Aufforderung bedarf es nicht, wenn offensichtlich ist, dass sie keinen Erfolg hätte, insbesondere, wenn die Frist nach § 283 Abs. 3 ergebnislos verstrichen ist, oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.
(3) Hat der Gläubiger wegen nicht vollständiger Leistung einen Anspruch auf Schadensersatz, so kann er
statt der ganzen Leistung Schadensersatz verlangen,
wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Für
die Rückgewähr der bereits erbrachten Leistung sind
die §§ 346 bis 348 entsprechend anzuwenden.
(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.
§ 281. Schadensersatz statt der Leistung wegen
nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter
Leistung.
(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht
oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1
Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er
dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung
bestimmt hat und die Frist erfolglos abgelaufen ist.
Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner trotz der Fristsetzung mit dem Verlangen von Schadensersatz statt
der Leistung nicht rechnen musste. Hat der Schuldner teilweise oder nicht wie geschuldet geleistet, so
kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen
Leistung nur verlangen, wenn sein Interesse an der
geschuldeten Leistung dies erfordert.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der
Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen,
die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die
sofortige Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs rechtfertigen.
(3) Der Gläubiger kann zwischen Leistung und
Schadensersatz statt der Leistung wählen. Für die
Ausübung des Wahlrechts kann der Schuldner dem
Gläubiger eine angemessene Frist bestimmen. Wählt
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der Gläubiger die Leistung oder übt der Gläubiger
innerhalb der ihm bestimmten Frist sein Wahlrecht
nicht aus, so kann er Schadensersatz statt der Leistung erst nach erfolglosem Ablauf einer von ihm bestimmten angemessenen Frist verlangen.
(4) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der
ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt, sobald der Schuldner nicht zu leisten
braucht.
§ 282. Schadensersatz statt der Leistung wegen
Verletzung einer sonstigen Pflicht.
Verletzt der Schuldner eine sonstige Pflicht, kann
der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280
Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen,
wenn die Pflichtverletzung wesentlich ist und dem
Gläubiger die Leistung durch den Schuldner nicht
mehr zuzumuten ist.
§ 283. Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluss der Leistungspflicht.
Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 oder 2
nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt
der Leistung verlangen. § 281 Abs. 1 Satz 3 und
Abs. 4 gilt entsprechend.
§ 284. Ersatz vergeblicher Aufwendungen.
Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung
kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte,
es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.
§ 285. Herausgabe des Ersatzes.
(1) Erlangt der Schuldner infolge des Umstandes, auf
Grund dessen er die Leistung nach § 275 nicht zu
erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand
einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann der
Gläubiger Herausgabe des als Ersatz Empfangenen
oder Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen.
(2) Kann der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangen, so mindert sich dieser, wenn er von
dem in Absatz 1 bestimmten Recht Gebrauch macht,
um den Wert des erlangten Ersatzes oder Ersatzanspruchs.
§ 283. Verzug des Schuldners.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des
Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit
erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug.
Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die
Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids
*
§ 286. Verzug des Schuldners.*
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des
Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit
erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug.
Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die
Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids
Die Vorschrift war nicht Gegenstand der Beratungen der Kommission Leistungsstörungsrecht.
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im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
1. für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2. der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und
die Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist,
dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3. offensichtlich ist, dass sie keinen Erfolg hätte,
1. für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2. der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und
die Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist,
dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4. aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
4. aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 und 2 ist die Vereinbarung einer Frist, die einen Teil grob benachteiligt, unwirksam.
(3) Außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1
und 2 kommt der Schuldner einer Geldforderung
spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30
Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung
oder gleichwertigen Zahlungsaufforderung leistet.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange
die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt,
den er nicht zu vertreten hat.
§ 305. Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse,
Verbotene Verträge.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch
Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines
Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den
Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein
anderes vorschreibt. Ein Schuldverhältnis mit
Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann bereits durch Anbahnung eines Vertrags entstehen.
(2) ...
(3) ...
(3) Der Schuldner kommt spätestens in Verzug,
wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen
Leistungsaufstellung leistet.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange
die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt,
den er nicht zu vertreten hat.
§ 311. Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse.
(1) ...
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241
Abs. 2 entsteht auch durch
1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2. die Anbahnung eines Vertrages, bei welcher der
eine Teil im Hinblich auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut,
oder
3. ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241
Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht
selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches
Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der
Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in
Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
§ 311a. Unmöglichkeit bei Vertragsschluss.
(1) Der Gültigkeit eines Vertrages steht es nicht entgegen, dass die Leistung für den Schuldner oder für
jedermann schon bei Vertragsschluss unmöglich ist.
(2) Der Gläubiger kann nach seiner Wahl Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz seiner Aufwendungen in dem in § 284 bestimmten Umfang verlangen, es sei denn, der Schuldner kannte die Unmöglichkeit nicht und hat seine Unkenntnis auch nicht
zu vertreten.
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§ 307. Störung der Geschäftsgrundlage.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des
Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss
schwerwiegend verändert und hätten die Parteien
den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen
hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt
werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der
vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das
Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
§ 313. Störung der Geschäftsgrundlage.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des
Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss
schwerwiegend verändert und hätten die Parteien
den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen
hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt
werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der
vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das
Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich,
wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage
des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich
oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die
Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung aus wichtigem
Grund nach § 308.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich,
wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage
des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich
oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die
Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
§ 308. Kündigung von Dauerschuldverhältnissen.
(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil
aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor,
wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung
der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist
nicht zugemutet werden kann.
(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst
nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig.
§ 323 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.
§ 314. Kündigung von Dauerschuldverhältnissen
aus wichtigem Grund.
(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil
aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor,
wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung
der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist
nicht zugemutet werden kann.
(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst
nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig.
§ 323 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.
(4) Haben bereits erbrachte Leistungen infolge der
Kündigung für den Berechtigten kein Interesse mehr,
so kann er die Kündigung des Vertrags auch auf diese Leistungen erstrecken. Für die Rückgewähr der
bereits erbrachten Leistungen sind die §§ 346 bis 348
entsprechend anzuwenden.
(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen,
wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.
(5) § 325 ist entsprechend anzuwenden.
§ 323. Rücktritt bei Pflichtverletzung.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus einem gegenseitigem Vertrag, so kann der Gläubiger ihn unter Setzung einer Frist zur Vertragserfüllung auffordern und nach ihrem erfolglosen Ablauf vom Vertrag
zurücktreten. Ist eine Frist nicht gesetzt oder die gesetzte Frist unangemessen kurz, gilt eine angemesse-
§ 323. Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung.
(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der
Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem
Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hat und die Frist erfolglos abgelaufen ist,
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ne Frist als gesetzt. Kommt nach Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an
deren Stelle eine Abmahnung. Beschränkt sich die
Pflichtverletzung auf einen Teil der Leistung, so
kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse
hat.
(2) Einer Aufforderung oder Abmahnung bedarf es
nicht, wenn
1. offensichtlich ist, dass sie keinen Erfolg hätte,
2. die Pflichtverletzung darin besteht, dass die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder
innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist unterbleibt, und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand
seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der
Leistung gebunden hat,
3. aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist oder
4. die Frist nach § 283 Abs. 3 ergebnislos verstrichen
ist.
Ist eine Aufforderung entbehrlich oder wird sie es im
Laufe der Nachfrist, so kann der Gläubiger sofort zurücktreten.
(3) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn
1. die Pflichtverletzung unerheblich ist,
2. eine Pflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 verletzt ist
und dem Gläubiger trotz der Pflichtverletzung das
Festhalten am Vertrag zugemutet werden kann,
3. der Gläubiger für die Pflichtverletzung allein oder
überwiegend verantwortlich oder die nicht vom
Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung zu einer
Zeit eingetreten ist, zu welcher der Gläubiger im
Verzug der Annahme ist,
4. dem Anspruch eine Einrede entgegensteht, die der
Schuldner bereits erhoben hat oder unverzüglich
nach dem Rücktritt erhebt; die Einrede aus § 275
bleibt außer Betracht.
(4) Der Gläubiger ist bereits vor dem Eintritt der
Fälligkeit zum Rücktritt berechtigt, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen für das Rücktrittsrecht eintreten werden.
vom Vertrag zurücktreten, es sei denn, dass der
Schuldner trotz der Fristsetzung nicht mit dem
Rücktritt rechnen musste.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
1. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2. der Schuldner die Leistung zu einem im Vertrag
bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten
Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den
Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat oder
3. besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen
Rücktritt rechtfertigen.
(3) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der
Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts
eintreten werden.
(4) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so
kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse
hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag
nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
(5) Der Schuldner kann dem Gläubiger für die Ausübung des Rücktrittsrechts eine angemessene Frist
bestimmen. Übt der Gläubiger das Rücktrittsrecht
innerhalb der Frist nicht aus, so kann er vom Vertrag
erst nach erfolglosem Ablauf einer von ihm bestimmten angemessenen Frist zurücktreten.
(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, oder wenn der vom Schuldner nicht
zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.
§ 324. Rücktritt wegen Verletzung einer sonstigen
Pflicht.
Verletzt der Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag eine sonstige Pflicht, so kann der Gläubiger zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung wesentlich ist
und dem Gläubiger ein Festhalten am Vertrag nicht
mehr zuzumuten ist. § 323 Abs. 6 gilt entsprechend.
§ 324. Gegenleistung bei vom Gläubiger zu vertretendem Leistungshindernis.
Verweigert in den Fällen des § 323 Abs. 3 Nr. 3 der
Schuldner die ihm obliegende Leistung nach § 275,
so muss er sich auf den Anspruch auf die Gegenlei-
62
stung dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der
Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt
oder zu erwerben böswillig unterlässt.
§ 325. Rücktritt und Schadensersatz.
(1) Nach dem Rücktritt kann der Gläubiger Ersatz
des Schadens verlangen, der ihm durch die
Nichtausführung des Vertrags entsteht. Er kann
stattdessen auch Ersatz des Schadens verlangen, der
ihm daraus entsteht, dass er auf die Ausführung des
Vertrags vertraut hat.
(2) Dies gilt nicht, wenn der Schuldner den Rücktrittsgrund nicht zu vertreten hat.
§ 325. Schadensersatz und Rücktritt.
Die Berechtigung, bei einem gegenseitigen Vertrag
Schadensersatz zu verlangen, wird durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen.
§ 326. Gegenleistung beim Ausschluss der Leistungspflicht.
(1) Soweit der Schuldner nach § 275 Abs. 1 oder 2
nicht zu leisten braucht, entfällt der Anspruch auf
die Gegenleistung. § 440 Abs. 3 gilt entsprechend;
der Gläubiger kann vom ganzen Vertrag zurücktreten, wenn er an der bewirkten Leistung kein Interesse hat.
(2) Ist der Gläubiger für den Umstand, aufgrund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 oder 2 nicht zu
leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu
vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher
der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält
der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung.
Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was
er infolge der Befreiung von der Leistung erspart
oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
(3) Verlangt der Gläubiger nach § 285 Herausgabe
des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt
er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich
jedoch nach Maßgabe des § 440 Abs. 3 insoweit, als
der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt.
(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete
nach §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.