PDF-Dokument - Verband Evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in

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PDF-Dokument - Verband Evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in
7. Sonntag nach Trinitatis
19. Juli 2015, Johannes 6,1-15
Von: Dietrich Hombeck, erschienen im Deutschen Pfarrerblatt, Ausgabe: 6 / 2015
Brot für die Welt
I
Wunder gibt es immer wieder ... so viele, dass sie uns gar nicht mehr beeindrucken: die sattsam bekannte "Speisung der
5000", Bildbände über Naturwunder und Filme über die Wunder der Mikro- und Makrowelt, ein unter Trümmern verschütteter
Greis in Nepal nach einer Woche lebend geborgen, ein Kind überlebt einen Fenstersturz ... Wir sind wunder-satt und keinen
wundert’s, dass wir uns über Wunder nicht mehr wundern.
Und auch beim Brot, in hunderterlei Sorten vorhanden, rechnet keiner mit Wundern. Es ist da - in Überfülle. Ein Wunder
allerdings für Hungergebiete, in Aids- und Ebola-Regionen, für Flüchtlingsboote vor Italien oder Malaysia - das wär schon
prima.
Da liegt wohl das Problem: Nicht ein über sich selbst hinausweisendes Zeichen wollen wir, sondern ein hier und jetzt
be-greif-bares Wunder. Wie das Volk im Predigttext. Heilung statt Heil, Brot für den Magen statt Brot des Lebens. Mission
durch Entwicklungshilfe statt Predigt. "Ihr sucht mich ..., weil ihr satt geworden seid", urteilt Jesus in V. 26.
II
Jh. 6,1-15 ist nur im Kontext mit V. 26-35 zu lesen. "Brot" als Mahlzeit findet Entsprechung und Deutung in der
Lebensbrotrede. Jesus ist initiativ, nimmt nach jüdischer Sitte die Rolle des Hausvaters beim (Passah-)Mahl ein. Er speist
das Volk, ohne danach gefragt zu sein. Er ist Geber der Gaben. Dass schließlich die gewaltige Menge von 12 Körben des
Brotes übrig bleibt, zeugt von der umwerfenden Vollmacht des Zeichentäters.
Die Menge urteilt: ein Prophet vom Himmel. Darin sieht sie gewiss Richtiges, zieht aber falsche Schlüsse. Am See fühlen sie
sich an das Wüstenmanna (Ex. 16) und an die Speisung durch Elisa (2. Kön. 4,42-44) erinnert. Dafür wollen sie Jesus zum
König machen. Dass der König vor ihnen steht, der es nicht nötig hat, weltliche Herrschaft durch Lebensmittelgaben zu
legitimieren, begreifen sie nicht. Sein Königtum ist nicht von dieser Welt, wird erst offenbar in dem am Kreuz Erhöhten. Die
christliche Gemeinde hört (V. 4+11) unwillkürlich Worte aus Eucharistie / Abendmahl: Er gibt sich in Brot (und Wein). Er ist
vom Himmel gekommen. So ist auch sein Brot vom Himmel, so ist er himmlisches Brot.
Jesus stillt den Hunger des Magens, aber auch den Hunger nach Leben. Das Volk ist begeistert vom Gerstenbrot, das Jesus
verteilt. Aber zugleich ist Jesus das Lebensbrot. Brot für die Welt: das ist Brot für den Magen und Brot, das mir über alle
Fragen und Klagen hinweg geborgenes Leben in Gottes Gemeinschaft bringt. Nicht Gerstenbrot oder Lebensbrot, sondern
beides. Ein Spagat, der uns schwer ist und der gerade darum die Predigt nötig macht.
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III
Wir sind das Volk! Was für ein Volk und mit welchen Erwartungen sind wir im Gegenüber Jesu? Und: Wer ist Jesus im
Gegenüber zu seinem Volk? Welchen Hunger wird er stillen? Die Erzählung fordert zur Entscheidung heraus: Wer ist Jesus
für mich? Brotkönig oder Heilskönig? Spanne ich ihn vor den Karren meiner Erwartungen? Geht es mir um das Wunder oder
den Zeichentäter? Er ist König, wenn mein Leben reibungslos verläuft. Wenn er Leid zulässt, kann er Gott nicht sein.
"Schutzengel" werden zum Gottesersatz, statt in Jesus Christus den souveränen Gottessohn zu bekennen.
Ein Junge mit fünf Broten und zwei Fischen. Was ist das für so viele? Die Kollekte gegen den Hunger, unser Gebet gegen
Zerstörung, Krieg und Traurigkeit: zu wenig? Davon ausgehend werde ich erzählen von dem, der den Hunger der Welt nicht
übersieht, der das Geringe zum Überfluss macht, der mehr Brot ist, als wir Hunger haben. Mut machen will ich zum
Vertrauen in den, der aussichtslosem Leben neues Fundament gibt, in dessen unscheinbarem Leib doch Gottes Vollmacht
war, der als Sterbender doch Gottes erhöhter König war und dessen am Kreuz ausgebreitete Arme der Welt Frieden bringen.
Lieder
EG 171 "Bewahre uns, Gott"
EG 286,1+2 "Singt, singt dem Herren neue Lieder"
EG 227,1.2.5.6 "Dank sei dir, Vater, für das ewige Leben"
EG 228 "Er ist das Brot, er ist der Wein"
▸ Dietrich Hombeck
Deutsches Pfarrerblatt, ISSN 0939 - 9771
Herausgeber:
Geschäftsstelle des Verbandes der ev. Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V
Langgasse 54
67105 Schifferstadt
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