Artikel Salzburger Nachrichten - Ludwig Boltzmann Gesellschaft

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Artikel Salzburger Nachrichten - Ludwig Boltzmann Gesellschaft
2 INNENPOLITIK
D IEN STA G, 17. DE Z EM B ER 20 13
GLOSSE
SPÖ und ÖVP droht bei
EU-Wahl eine neue Schlappe
WIEN (SN). Würden schon diesen
Sonntag die österreichischen Abgeordneten zum Europäischen
Parlament gewählt, würde die
FPÖ vor der SPÖ auf Platz zwei
liegen. Die ÖVP würde mit 26
Prozent den ersten Platz erreichen. Das zeigt der aktuelle „ATV
Österreich Trend“ (500 Befragte),
der am Montag veröffentlicht
wurde. Im Vergleich zur EU-Wahl
2009 würden die Regierungspar-
teien SPÖ und ÖVP an Stimmen
verlieren. Die ÖVP würde auf 26
Prozent kommen (Europawahl
2009: 30 Prozent), die FPÖ auf 21
Prozent (12,7 Prozent), die SPÖ
auf 20 Prozent (23,7 Prozent).
Neben der FPÖ könnten auch die
Grünen auf 13 Prozent zulegen.
Die erstmals antretenden Neos
würden zehn Prozent erreichen,
Hans-Peter Martin fünf Prozent
(17,7 Prozent).
Versuch über
den Reformeifer
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kann
sich freuen: Umfragen sehen ihn weiter im
Aufwind.
Bild: SN/APA
Fischer plädiert für
„Vertrauensvorschuss“
Im Amt. Zwei Angelobungen ohne Portefeuille, ein paar Tränen beim
Abschied und die zünftige Angelobung eines Neuen aus dem Westen.
WIEN (SN). Der Einzige, der bei der
Angelobung ein bisschen aus der
Reihe tanzte, war der neue Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Er beließ es nicht bei
den Worten „Ich gelobe“. Der 52jährige Tiroler fügte noch einen
zweiten Schwur hinzu, und zwar:
„So wahr mir Gott helfe und vor
dem heiligen Herzen Jesu Christi.“ Ansonsten erfreuten sich am
Montag alle 14 Minister ihres teils
neuen Amtes und Bundespräsident Heinz Fischer gelobte trotz
aller Proteste den neuen Wirtschaftsminister an, der nun auch
die Wissenschaftsagenden über
hat. Der scheidende Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle verabschiedete sich am Montag mit den Worten: „Möge das
riskante Experiment gelingen.“
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) waren
jedenfalls bei der Unterzeichnung
des Koalitionspakts in der Hofburg bester Laune. Die neue Regierung wird das Übereinkommen
heute, Dienstag, dem Nationalrat
präsentieren. Heinz Fischer plädierte dafür, der Regierung einen
„Vertrauensvorschuss“ zu gewähren.
Der neue Kanzleramtsminister
Josef Ostermayer (SPÖ) und die
neue Familienministerin, die
Quereinsteigerin Sophie Karmasin (ÖVP), wurden vorerst als Minister ohne Portefeuille angelobt,
das entsprechende Gesetz wird
erst kommendes Jahr im National-
Der jüngste Außenminister der EU wird angelobt: Sebastian Kurz, 27. Bild: SN/AP
rat beschlossen. Meinungsforscherin Karmasin kappte mit dem
Tag ihrer Angelobung übrigens
die Verbindungen zu ihren Firmen.
Mit Tränen in den Augen schied
die bisherige Justizministerin Beatrix Karl aus dem Amt. Tränen
verkneifen musste sich auch Maria Fekter (ÖVP), die das Finanzministerium an Spindelegger wei-
terreichen musste. Als künftige
Kultursprecherin der ÖVP werde
sie „nur mehr Wohlfühltermine
wahrnehmen“, sagte sie. Die bisherige
Unterrichtsministerin
Claudia Schmied (SPÖ) übergab
an Ostermayer und Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und verabschiedete sich mit einem Stücktitel von Peter Turrini: „Endlich
Schluss!“
Wann ist ein Mann ein Mann?
Wann ist eine Reform eine
Reform? Alles eine Frage der
Definition. Die Oppositionsparteien im Bund beklagen
die Reformuntätigkeit der Regierung, die „Verwaltung des
Stillstands“. Die Oppositionsparteien in der Steiermark –
FPÖ, Grüne und KPÖ – sind
hingegen mit einer Regierung
unzufrieden, die sich selbst
„Reformpartner“ nennt und die
tief greifende Änderungen im
Land vornimmt. In seltener Einigkeit geißeln Blau, Grün und
Dunkelrot etwa bei den Gemeindezusammenlegungen die „absolutistische Vorgangsweise der
Landesfürsten“. Und handeln
sich dafür von den „Reformpartnern“ einen Vorwurf ein: „Skurrile Koalition von Reformverweigerern.“ Unsinn, sagen die
Angesprochenen, gegen sinnvolle Reformen habe man ja nichts.
Schon wieder eine Definitionsfrage.
m.b.
Protest für die Wissenschaft
Jungwissenschafter, Unis, ÖH und Grüne wehren sich
WIEN (SN). „Heinzi! Duas ned!“
Diese Rufe erschallten Montagvormittag vor der Präsidentschaftskanzlei. Gemeint war damit, dass das Staatsoberhaupt
die Regierung nicht angeloben
und damit die Abschaffung des
Wissenschaftsministeriums
hinnehmen solle.
Aber nicht nur die ÖH, die
diesen Protest und auch den
„Trauermarsch“
inklusive
Pappsarg, Grabkerzen, Trauermusik und „Kondolenzbuch“
vor dem (ehemaligen) Wissenschaftsministerium am Minoritenplatz zu Mittag organisierte,
beklagt die Abschaffung des
Wissenschaftsministeriums.
Kritik kommt auch von Universitäten und Jungwissenschaftern. Alle Unis hissten am Montag als Zeichen ihrer „Trauer“
die schwarze Fahne. Die Mitglieder der Jungen Kurie der
Österreichischen Akademie der
Wissenschaften (ÖAW) sowie
Träger wissenschaftlicher Spit-
zenauszeichnungen wiesen gemeinsam auf die „äußerst bedenkliche“ Signalwirkung einer Eingliederung des Wissenschafts- in
das Wirtschaftsministerium hin.
„Forschungseinrichtungen
und
Universitäten brauchen ungeteilte
Aufmerksamkeit und Diskussion
auf Augenhöhe“, schrieben sie.
Die ÖAW selbst forderte, dass
zumindest alle drei Begriffe –
„Wissenschaft, Forschung und
Wirtschaft“ – im Namen des neuen, gemeinsamen Ministeriums
vorkommen müssen. Einzig von
Ex-Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP),
der heute die Ludwig-BoltzmannGesellschaft (LBG) führt, gab es
ein Lob für den „Auftakt zur Ressourcenbündelung“.
Heute, Dienstag, geht der Protest weiter. Die Grünen wollen im
Nationalrat für die Beibehaltung
des Wissenschaftsministeriums
und die namentliche Abstimmung
darüber beantragen. Die ÖH rief
in Wien, Salzburg, Graz und Klagenfurt zu Demonstrationen auf.
Uni: Schmidinger
wiedergewählt
Rudas kommt,
Matznetter geht
GRAZ, WIEN (SN). Der Rektor
der Universität Salzburg, Heinrich Schmidinger (59), bleibt bis
2015 Präsident der Universitätenkonferenz (uniko). Schmidinger setzte sich bei der Wahl
gegen Sonja Hammerschmid,
Rektorin der Veterinärmedizinischen Uni Wien, knapp durch.
Hammerschmid wurde aber in
das uniko-Präsidium aufgenommen. Dessen übrige Mitglieder
wurden wiederbestellt: Gerald
Bast
(Angewandte
Wien),
Christoph Badelt (WU), Heinz
Engl (Uni Wien), Christa Neuper (Uni Graz), Sabine Seidler
(TU Wien) und Wolfgang Schütz
(Medizinische Uni Wien).
WIEN (SN). Die SPÖ hat am
Montag festgelegt, wer die
durch die Regierungsbildung
frei werdenden Mandate im Nationalrat übernimmt. Die größte Überraschung: SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas
folgt dem scheidenden Elmar
Mayer als Bildungssprecherin
nach. Christoph Matznetter,
Chef des SP-Wirtschaftsverbandes, langjähriger Finanzreferent und einstiger Finanzstaatssekretär, muss wegen zwei
Nachrückungen aus der Steiermark auf der Bundesliste gehen
– Elisabeth Hakel und Karin
Greiner. Neue Wirtschaftssprecherin wird Cornelia Ecker.
Das Lied vom gesunkenen Monitor
ALEXANDER PURGER
Na, wer hätte das gedacht: Bei den Wiener Philharmonikern, denen immer
vorgeworfen wurde, gendermäßig von
Tuten und Blasen keine Ahnung zu haben, sitzen auf einmal mehr Frauen als
in der Bundesregierung!
Die Große Koalition hat zwar den
staatsnahen Betrieben per Gesetz vorgeschrieben, bis 2018 35 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten sitzen zu haben. Sie selbst bringt es in ihrem neuen
Kabinett, das bis 2018 halten soll, aber
nur auf eine Frauenquote von 32 Prozent. Das nennt man Vorbildwirkung.
Ja, könnte man nun einwenden, aber
die Regierung ist doch nicht der Aufsichtsrat des Unternehmens Österreich.
Sie ist doch der Vorstand!
Das, liebe Einwender, mag für jede
andere Regierung gelten, aber nicht für
diese. Denn wer den Koalitionspakt
liest, wird bemerken, dass die neue Regierung nicht zu handeln gedenkt, wie
es ein Unternehmensvorstand tun würde, sondern die Dinge beobachten will.
Und beobachten ist genau die Aufgabe
eines Aufsichtsrats.
Besonders genau beobachten will
man die Ergebnisse der eingesetzten
Kommissionen und Arbeitsgruppen
(die Arbeitsgruppenquote bei den Lösungsansätzen im Koalitionspakt liegt
über 60 Prozent!). Und das ganz große
Augenmerk des Republik-Aufsichtsrats
gilt der Entwicklung des Pensionssystems, was neudeutsch auch Pensionsmonitoring genannt wird. Die gesamte
Bundesregierung ist ein einziger großer
Pensionsmonitor.
In diesem Zusammenhang ist vielleicht von Interesse, dass das Wort Monitor nicht nur Bildschirm bedeutet. Im
19. Jahrhundert hieß auch ein Schiffstyp
so. Selbst die k. u. k. Marine besaß einige Monitore. Und zwar waren das gepanzerte Schiffe mit drehbarem Geschützturm und äußerst geringem Tiefgang, sodass die Monitore speziell für
Fahrten in seichten Gewässern geeignet
waren. Wie passend.
Namensgeber des Schiffstyps Monitor war ein amerikanisches Kriegsschiff
diesen Namens. Die „USS Monitor“ lief
1862 vom Stapel und sank noch im glei-
chen Jahr mit Mann und Maus. Grund:
hoher Seegang. So viel zum Thema Pensionsmonitoring.
Zurück zu den eingangs erwähnten
Philharmonikern. Sie spielten am Wochenende im Wiener Musikverein Gustav Mahlers „Lied von der Erde“. Darin
heißt es: „Wenn nur ein Traum das Leben ist, warum denn Müh und Plag? Ich
trinke, bis ich nicht mehr kann, den ganzen lieben Tag. Und wenn ich nicht
mehr trinken kann, weil Kehl und Seele
voll, so tauml’ ich bis zu meiner Tür und
schlafe wundervoll.“
Und das nur zwei Tage bevor unser
neuer Aufsichtsrat in der Hofburg auf
seine Angelobung anstieß . . .
Ihre Meinung?
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