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Erziehungsfragen sind ganz natürlich
Eine Elterninformation der MAG ELF – Amt für Jugend und Familie der Stadt Wien
„Ich bin sooo hässlich!“
Das angeschlagene Selbstwertgefühl in der Pubertät
Mag. Sonja Sommer
Klinische- und Gesundheitspsychologin
Hilfe!!! Ich habe...
Pickeln im Gesicht, eine Zahnspange, eine zu lange Nase, eine krumme Nase, Segelohren, Haare, die
zu lockig oder zu glatt, zu dicht oder zu schütter sind, zu dunkle Augenbrauen, zu kurze Wimpern,
einen hässlichen Nabel, keinen Waschbrettbauch, zu dicke Oberschenkel, einen kleinen Popo,
Spargelbeine, X-Beine, O-Beine. Ich bin generell zu klein, zu groß, zu dick, zu dünn etc. Die Liste
solcher „Schönheitsfehler und Makel“ scheint wohl endlos zu sein, die der Jugendliche an sich zu
entdecken glaubt! Minderwertigkeit ist ein Schlüsselwort, mit dem sich die Jahre der Pubertät unter
anderem gut beschreiben lassen. Hinzu kommen Bilder aus der medialen Welt, in denen
Schönheitsideale präsentiert werden, welche im alltäglichen Leben nicht zu erreichen –
beziehungsweise auch gar nicht erstrebenswert – sind und zusätzlich zur Verunsicherung
Jugendlicher beitragen. Dies führt zum fortwährenden Gang vor den Spiegel, um sich einem genauen
Check zu unterziehen. Es ist ganz schön schwierig sich so wie man ist zu akzeptieren und deshalb
gelingt es gerade in der Pubertät oft nicht. Das Selbstwertgefühl hängt von der Beurteilung eigener
Fähigkeiten, des Aussehens, der gesamten eigenen Person ab.
Wenn sich Jugendliche Bilder von sich selbst machen, beziehen sie sehr stark die Meinungen und
Aussagen ihrer Peergroup (Gruppe der Gleichaltrigen) mit ein. Die Frage: „Was denken die anderen
über mich?“ ist daher zentral und von äußerster Wichtigkeit. Die Ansichten der Gleichaltrigen über
das Aussehen, die Klamotten und den Stil baut das Selbstbewusstsein der jungen Menschen auf oder
beeinträchtigt es. Sich selbst in dieser Zeit zu akzeptieren verläuft meist von außen nach innen. Damit
ist gemeint, dass sich Jugendliche zunächst selbst gefallen, „in der eigenen Haut“ wohl fühlen und
ihre Körper akzeptieren lernen müssen (das gelingt eben leichter, wenn man „mit dem Trend
schwimmt“), ehe sich die Pubertierenden mit der Persönlichkeitsentwicklung auseinandersetzen
können. Ein wichtiger Schritt in dieser Zeit ist die Entwicklung von Selbstwahrnehmung, das heißt, ein
Gefühl dafür zu bekommen, wer man ist und welchen sozialen Platz man in der Gesellschaft
einnimmt. Ein Hinweis für Eltern: Sehr viele Jugendliche können sich in dieser Zeit der Veränderung
selbst nicht ausstehen.
Wie ist das zu erklären?
Die Ich-Identität beinhaltet das Empfinden, auch in verschiedenen Situationen immer
derselbe/dieselbe zu sein und zu bleiben. Jugendliche verlieren aber in der Zeit der Pubertät nach
und nach die vertraute Sicherheit der kindlichen Welt. Alles wird anders! Die Veränderung des
Körpers, der Psyche und der Sozialisation spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Hormone bewirken
eine körperliche Veränderung, auf die Jugendliche nicht vorbereitet sind und die Eltern kommen
damit manchmal auch nicht zurecht. Dennoch werden die körperlichen Veränderungen häufig mit
Neugier verfolgt. Genetisch bedingt und durch den unterschiedlichen Zeitpunkt des
Servicetelefon der MAG ELF: 4000 – 8011
Impressum: Medieninhaber und Herausgeber: Stadt Wien – MAG ELF – Amt für Jugend und Familie
1030 Wien, Rüdengasse 11
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Wachstumsbeginns verläuft die körperliche Entwicklung unterschiedlich. Es gibt so genannte Frühaber auch Spätentwickler. Mit 14 Jahren sind manche Jungen noch sehr zart, ohne Anzeichen von
Schambehaarung, während andere wiederum mit breiten Schultern, voll entwickelten Genitalien und
tiefer Stimme bereits wie erwachsene Männer wirken. Dies kann den Jugendlichen stark
verunsichern und das Selbstwertgefühl beeinträchtigen. Besonders schwierig haben es Jugendliche,
bei welchen die Phase der körperlichen Entwicklung später beginnt. Diese Unterschiede sind jedoch
völlig normal und haben später, wenn der Reifungsprozess abgeschlossen ist, weder positive noch
negative Auswirkungen. „Jetzt mag ich mich wieder leiden.“, meint die knapp 18-jährige Kathi, „aber
als ich anfing zu wachsen, war das fürchterlich für mich. Ich habe meinen Busen versteckt und
gehofft, dass ich die Regel nicht bekomme.“ Philipp, bald 19, meint: „Bei mir ging alles viel später los.
Das war nicht gut, weil sie mich in der Schule dauernd gehänselt haben, aber jetzt bin ich wieder
zufrieden mit mir.“
Die Neuorientierung, die zumeist mit viel Chaos und auch Ängsten begleitet ist, erfolgt nicht immer
stressfrei – eine Zeit des Wartens, der Unsicherheit, in der man die Orientierung und den gewohnten
Lebensrhythmus kurzfristig verliert. Oft werden Jugendliche mit ihren Schwierigkeiten allein
gelassen, sobald sie doch einmal ein Problem ansprechen reagieren Eltern nicht immer feinfühlig
genug. Jugendliche sind sehr empfindlich, sie fühlen sich rasch mit ihren Ängsten und Problemen
weder ernst- noch angenommen. Versuchen Sie als Elternteil auf die Schwierigkeiten Ihres Kindes
einzugehen! Die gesamte Gefühlspalette von „himmelhoch jauchzend“ bis „zu Tode betrübt“ ist eine
normale Begleiterscheinung einer gesunden Entwicklung in der Pubertät. Auch Ängste gehören auf
der Suche nach der neuen Identität dazu, die der Jugendliche immer durchlaufen muss. Schwierig
wird es immer dann, wenn Jugendliche nicht zu ihren Ängsten und Befürchtungen stehen dürfen, sie
leugnen müssen und mit niemandem darüber reden können.
Was Selbstbewusstsein mit Erziehung zu tun hat?
Wie oben erwähnt, ist das Gefühl, dass man sich selbst nicht leiden kann, bei sehr vielen
Jugendlichen vorhanden. Ein Teil des Selbstwertes wird über die Peergroup bezogen. Der Aufbau
eines gesunden Selbstbewusstsein hängt aber auch stark mit der Erziehung durch die Eltern und
andere erwachsene Personen zusammen, da die Entwicklung des Selbstbewusstseins schon früh in
der Kindheit beginnt. Wie sehen Sie als Eltern Ihr Kind? Als einen Jugendlichen mit Potenzial und
noch unerschlossenen Möglichkeiten? Oder sehen Sie vor allem die Defizite und Schwierigkeiten?
Davon hängt es zum Teil ab, ob der Jugendliche positiv oder negativ über sich selbst denkt. Hier sind
einige Beispiele im Umgang der Eltern mit ihren Kindern:
Entweder „Du kannst vieles – versuche es!“ oder „Du schaffst es nicht – du kannst es eh’ nicht!“
Entweder „Du bist wertvoll, ich hab’ dich gern!“ oder „Du bist schlecht, du bist furchtbar!“
Das Bild, das Ihr Kind von sich selbst aufgebaut hat, ist wahrscheinlich nicht sehr weit entfernt von
dem Bild, welches Sie als Eltern von ihm haben! Aber nicht einzelne Aussagen sind entscheidend und
prägend, sondern ein dauerhaftes Verkennen der Bedürfnisse von Kindern/Jugendlichen können
schaden und Minderwertigkeitsgefühle die Folge sein.
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Möglichkeiten zur Erhöhung des Selbstwertgefühls
Ein einfühlsamer Umgang ist nicht nur in der Zeit der Pubertät von besonderer Bedeutung! Folgende
Sätze fördern das positive Denken Ihres Kindes über sich selbst! Suchen Sie Situationen, in denen die
Sätze passen – Sie werden sie finden!
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Ich hab’ dich lieb!
Ich kann dich gut verstehen!
Wenn du magst, kannst du jederzeit mit mir über deine Sorgen sprechen.
Ich bin stolz auf dich!
Komm zu mir, wenn du mich brauchst – ich werde versuchen, dir zu helfen.
Was ist deine Meinung zu diesem Thema?
Jeder Mensch macht Fehler und hat Schwächen, genau wie du und ich.
Sagen und zeigen Sie Ihrem Kind auch, dass Sie nicht alles gut heißen was es tut, aber dass Sie es
lieben, so wie es ist. Dabei ist es wichtig, dass Sie ausdrücken, wie Sie die Situation sehen und Ihre
eigenen Gefühle aussprechen. Wenig hilfreich sind Vorwürfe, Beleidigungen, Moralpredigten und
negative Prophezeiungen.
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