Focus 31
Transcription
Focus 31
Das Engagement der Eltern: die magische Komponente für erfolgreiche Resultate bei Kindern* * Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von The Hearing Review, Allied Healthcare Group/Medical World Communications, Los Angeles. Originalartikel erschien im November 2002 in der Hearing Review (Vol. 9, Nr.11). Alle Rechte vorbehalten. 31 Focus News / Ideas / High Technology / Acoustics Dr. Karen Anderson Pädaudiologin. Frühintervention bei Kleinkindern mit Hörverlust, Florida, USA Was ist die geheime Zutat für erfolgreiche Resultate bei Kleinkindern und Kindern mit Hörverlust? Das Engagement der Eltern. Hörgeräte-Akustikern stehen nun zwei nützliche Hilfsmittel zur Verfügung, mit denen Eltern in den Rehabilitierungsprozess einbezogen werden können: Pe d Se iat rie ric s ELF und CHILD. Wenn es Ihre Aufgabe wäre, das ideale Rezept für die Arbeit mit schwerhörigen Kindern zusammenzustellen, was würden Sie verwenden? Wie würde die Formel für erfolgreiche Resultate im Schulalter aussehen? Dies könnten einige wichtige Zutaten in diesem Rezept sein: • Nehmen Sie jahrelange audiologische Ausbildung und zielgerichtet entwickelte Erfahrung aus der Arbeit mit Kindern; • Rühren Sie enthusiastisch weiter, damit Sie im Beruf, bei dem sich die Technologie ständig weiterentwickelt, kontinuierlich hinzulernen; • Fügen Sie einige Pfunde Wissen und Erfahrung im Ermitteln von zuverlässigen elektrophysiologischen und audiometrischen Evaluationsresultaten (sogar bei Kleinkindern) hinzu; • Einige Liter Kompetenz in der Auswahl von Hörgeräten oder im Mapping von Cochlear-Implantaten, die die Hörbedürfnisse von Kindern bei unterschiedlichen Eingangssignalen für eine maximale Sprachverständlichkeit berücksichtigen; • Gut gewürzt mit der Finesse der routinierten Fertigung von Otoplastiken für wachsende kleine Ohren; • Die Technik meisternd, wie RECD-Messungen durchgeführt werden, ohne dass das Kind bemerkt, dass Sie etwas gemessen haben; • Geduld gründlich zusammengeknetet mit einer Prise Humor für alle schwierigen Kleinkinder; • Großzügige Mengen an Eltern-Ausbildung und tolerantem Zuhören, so oft wie möglich angewendet, damit es eine milde Mischung ergibt. Fehlt noch etwas? Versuchen Sie sich an die Familien zu erinnern, die Sie während ihren audiologischen Dienstleistungen für schwerhörige Kinder kennengelernt haben. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass ein Kind sogar bei einem schweren Hörverlust bis zum fünften Lebensjahr eine verständliche Sprache entwickeln kann. Ein anderes, durchschnittlich intelligentes Kind mit einem leichten bis mittleren Hörverlust weist mit fünf Jahren eine erhebliche Verzögerung in der Sprachentwicklung auf und hat Mühe beim Sprechen. Die Fähigkeiten und das Wissen des Hörgeräte-Akustikers haben sich – trotz der stetigen Veränderung und Verbesserung – während der Arbeit mit diesen zwei Kindern nicht so stark verändert, dass sie die stark voneinander abweichenden Ergebnisse befriedigend erklären könnten. Zusätzlich kann die zu erwartende Sprachentwicklung nicht zuverlässig anhand der individuellen Audiogramme der Kinder und der geschätzten, auf der Hörgeräte-Anpassung basierenden Hörbarkeit vorausgesagt werden. Die zu erwartende Sprachentwicklung bei Kleinkindern ist ein Monat Sprachentwicklung für jeden Monat Frühintervention, die gewöhnlich den Einsatz eines Hörgerätes umfaßt. Der Zeitaufwand, den der HörgeräteAkustiker für Ausbildung und das Aufnehmen der Anliegen der Familien aufwendet, gibt uns auch nicht immer Auskunft darüber, welche Eltern Kinder mit den größten Entwicklungsbedürfnissen haben. Was ist also die geheime Zutat? Die Akzeptanz der Eltern! Es ist wichtig, dass die Eltern die folgenden Tatsachen akzeptieren: • Ihr junges Kind hat wirklich einen Hörverlust; • Der Hörverlust wird verursachen, dass das Kind anders als andere Kinder lernt bzw. sich entwickelt, wenn nichts unternommen wird; 3 • Der Hörverlust ist bleibend; • Hörverlust bedeutet normalerweise, dass ein zu einem gewissen Grad brauchbares Hörvermögen vorhanden ist (keine vollständige Taubheit); • Auch außergewöhnlich intelligente Kinder mit Hörverlust können nicht auf eine Hilfe verzichten; • Intervention umfaßt mehr als nur die Versorgung mit Hörgeräten; • Der Hörverlust wird immer noch bestimmen, wie das Kind in unterschiedlichen Hörsituation kommunizieren kann; • Zugang zu Kommunikation ist das wirkliche Thema, nicht der Hörverlust des Kindes; • Eltern, Betreuungspersonen und Freunde sind die «magische Zutat», die den Zugang zur Kommunikation sicherstellt, der dem Kind ermöglicht, sich so normal wie möglich zu entwickeln. Der Hörgeräte-Akustiker, der mit jungen Kindern arbeitet, steht vor einer schwierigen Aufgabe. Unmittelbar nach der Diagnose des Hörverlustes muss die Familie viel über den Einfluss des Hörverlustes auf das Hören, Lernen und die Zukunft des Kindes und über die Art, wie sie Entwicklungsverzögerungen vermeiden können, erfahren. Wenn die Eltern diese Information am nötigsten brauchen, haben sie gleichzeitig auch die größten emotionalen Barrieren, die Information, die ihnen der Hörgeräte-Akustiker bietet, zu verarbeiten. Dank universellen Hörscreenings bei Neugeborenen (UNHS) steigt die Anzahl junger Kinder, bei denen im ersten Lebensmonat ein Hörverlust diagnostiziert wird – viel früher, als die Eltern es zu vermuten beginnen, da sie die nötige Erfahrung dazu zuerst entwickeln müssen. Bis vor einigen Jahren sammelten die Eltern Erfahrungen, die darauf hinwiesen, dass beim Kind ein Hörverlust vorliegt. Mit diesen Erfahrungen wendeten Sie sich an 4 Fachleute, die ihre Diagnose bestätigten. Das hat sich nun geändert. Dies ist ein Grund, wieso es so wichtig ist, dass die Eltern oder die wichtigsten Betreuungspersonen des Kindes bei der Diagnose dabei sind. In der Zwischenzeit, während die Eltern die Tatsache, dass ihr Kind unter einem Hörverlust leidet, zu verarbeiten versuchen, fühlt sich der Hörgeräte-Akustiker verpflichtet, dem Kind schnellstmöglich geeignete Hörgeräte anzupassen, normalerweise innerhalb eines Monats nach der Bestätigung des Hörverlustes. Wenn die Eltern nicht motiviert sind, das Kind zum regelmäßigen, täglichen Tragen der Hörgeräte zu ermutigen, spielt es keine Rolle, auf welche Weise die Hörgeräte dem Kind angepasst werden. Außerdem haben Elterngruppen begonnen, eine ernste Botschaft an die Hörgeräte-Akustiker zu adressieren: Fällen Sie keine Entscheidungen für unsere Familie und unser Kind! Die Eltern entwickelten ein grosses Ressentiment gegenüber HörgeräteAkustikern, HNO-Ärzten oder Frühinterventions-Fachleuten, die sie einfach vor endgültige Entscheidungen bezüglich der für ein bestimmtes Audiogramm oder örtlich eingesetztes Erziehungsprogramm zu verwendenden Kommunikationsmittel gestellt haben. Unabhängig davon, ob die Beeinflussung in Richtung Zeichensprache/manuelle Kommunikation oder Cochlear-Implantate ging, die Botschaft ist klar: die Eltern möchten über die möglichen Kommunikationsarten informiert werden, damit sie mitentscheiden können, was für ihre konkrete Familiensituation, Unterstützungssystem und Ziele des Kindes am optimalsten ist. Es ist wichtig für Fachleute, den Eltern die Namen anderer Eltern mit schwerhörigen Kindern mitzuteilen. Solche Beziehungen können eine wertvolle emotionale und informative Unterstützung darstellen, besonders in Zeiten, in denen es die Eltern von Kindern, bei denen erst kürzlich ein Hörverlust diagnostiziert wurde, am meisten brauchen. Fähigkeiten werden durch die Anwendung erworben, und Wissen wird durch Erfahrung aufgebaut und bestätigt. Es braucht einen täglichen Einsatz, um die Resultate erfolgreich zu verbessern. Ein taubes Kind oder ein Kind mit Resthörigkeit aufzuziehen kann verglichen werden mit Eltern, die wissen, dass ihr Kind ein großes athletisches Talent hat – und dem Wunsch der Eltern, dass dieses Kind das Maximum erreicht. Auch ein Kind mit einem großen athletischen Talent wird keine überdurchschnittlichen Fähigkeiten entwickeln, wenn die nötige Ausrüstung, Unterstützung und Erfahrungen nicht zur Verfügung stehen. Was nützt die beste Tennisausrüstung, wenn man keinen Partner hat, mit dem man spielen und die Regeln lernen kann? Was nützt es, ein Kind für Lektionen, ja sogar für Privatunterricht, zur Eislaufhalle zu bringen, wenn die Schlittschuhe zu Hause gelassen werden? Was geschieht, wenn ein wohlklingendes Klavier angeschafft wird und teure, wöchentliche Klavierstunden besucht werden, wenn die Eltern das Kind nicht zu regelmäßigem Üben motivieren und unterstützen? Bei einem Hörverlust ist das Hörgerät die Ausrüstung, Hörgeräte-Akustiker sind die Trainer, aber die Eltern und Betreuungspersonen stellen die Partner dar. Alle Kinder verfügen über ein erstaunliches Talent für den Spracherwerb, wenn sie ständigen Zugang zu Kommunikationserfahrungen haben. Fachleute, die mit der Familie zusammenarbeiten, um die Hörfähigkeit zu entwickeln, werden auch helfen, wenn es darum geht, Nutzen mit Hörgeräten zu erzielen. Aber wie im oberen Beispiel aus der Sportwelt ist der Schlüssel für den maximalen Erfolg die Mitarbeit der Eltern. Die Eltern motivieren und unterstützen das Kind stetig und setzen sich diese Mitarbeit zum Ziel fürs tägliche Familienleben. Wie weit ein Kind sein ganzes Sprachpotential entfalten kann, hängt primär vom Einsatz der Eltern ab. Das Engagement der Eltern ist die magische Komponente in der Sprach- und Hörentwicklung des Kindes. Methoden zur Förderung des Engagements der Eltern Versuchen Sie sich an Eltern zu erinnern, die soeben mit der Diagnose, dass ihr Kleinkind schwerhörig ist, konfrontiert wurden. Zuerst kommt eine Schockreaktion; die emotional lähmende Reaktion, die Eltern davor bewahrt, hysterisch, wütend oder aggressiv zu reagieren, wenn sie etwas erfahren, dass sie nicht sofort verarbeiten können. Diese Reaktion ist normal. Leider geschieht dies auch, wenn der Hörgeräte-Akustiker den Eltern Information über den Hörverlust vermitteln will. Einige Eltern können einen Teil dieser Information verarbeiten, gewöhnlich nur gewisse Komponenten, und sehnen sich nach Detailinformationen, damit sie ihre unerwarteten Gefühle unter Kontrolle bringen können. Andere werden sich nur an die Worte, dass ihr Kind einen Hörverlust hat, erinnern können. Sie werden alles andere, das bei der Konsultation gesagt wurde, vergessen. Die Eltern gehen nach Hause und weinen sich aus. Sie sprechen darüber und erleben starke Gefühlsschwankungen. In einem ruhigen Augenblick nehmen sie eine Bratpfanne oder einen anderen Gegenstand hervor und erzeugen ein Geräusch, um zu sehen, ob ihr Kind hört. Der Wunsch, die Diagnose zu verstehen und zu überprüfen, ist normal. Eltern, die über ihre Erfahrungen kurz nach der Diagnose berichten, sagen normalerweise, dass sie zuhause ausprobieren, ob ihr Kind wirklich einen Hörverlust hat. Dies kann für die Eltern ein Anfang sein, die Realität der Diagnose intellektuell und emotional zu akzeptieren. 5 Abbildung 1 Der Early Listening Function (ELF) Fragebogen Ein Hörverlust lässt sich nicht leicht verstehen. Ein gewisses Hörvermögen aufzuweisen ist nicht das gleiche wie normal zu hören. Eine Resthörigkeit ist nicht das Gleiche wie Taubheit. Menschen hören besser in Ruhe als im Störgeräusch. Manchmal kann das Kind Sprache aus einer Distanz von 3 Metern nicht hören. Die gleiche Sprache ist aber bei einem Meter Distanz hörbar. Wenn man den Eltern und Betreuungspersonen ermöglicht, diese Information über ihr Kind zu Hause unter typischen Alltagsbedingungen zu sammeln, hilft es ihnen zu verstehen, was es bedeutet, ein schwerhöriges Kind zu haben. Zwei Hilfsmittel – die "Early Listening Function" (ELF) und die "Children’s Home Inventory of Listening Difficulties" (CHILD) – sind erhältlich, die durch die Eltern ausgefüllt werden und ihnen helfen, sich zu involvieren. Beide Hilfsmittel motivieren die Eltern, die Reaktionen des Kindes auf Klänge in unterschiedlichen Situationen zu beobachten. «ELF und CHILD werden zurzeit in verschiedene Bemerkung der Autorin: ELF und CHILD können für klinische und für Ausbildungs-Zwecke von http://www.phonak.com heruntergeladen werden. Außerdem werden sie bald auch bei http://www.oticonus.com verfügbar sein. Ein besonderer Dank richtet sich an diese und andere Hörgerätehersteller, die sich dafür einsetzen, dass Hörgeräte-Akustikern aktuelle, wertvolle und praktische Information zur Verfügung gestellt wird, damit die betroffenen Kinder und ihre Familien davon profitieren können. Zusätzlich ist CHILD seit 2000 auf der Website der Educational Audiology Association (www.edaud.org) erhältlich. Sprachen übersetzt und werden bald zum Herunterladen auf www.phonak.com verfügbar sein.» Early Listening Function (ELF) für Kleinkinder Das Early Listening Function (ELF) Hilfsmittel wurde entwickelt, um die Mitarbeit der Eltern bei der Entdeckung des Ausmaßes des Hörverlustes zu fördern. 6 ELF definiert 12 künstliche Höraktivitäten, die einfach zu Hause durchgeführt werden können. Leise, normale und laute Aktivitäten (je vier) wurden spezifiziert. Die Eltern führen die Aktivitäten in der normalen Umgebung des Kindes durch und bestimmen, ob eine Reaktion bei einem Abstand von 15 cm, 1 m, 2 m, 3 m und mehr als 5 m (Nebenzimmer) festgestellt werden kann. Reaktionen werden in Ruhe und im Störgeräusch beobachtet. Oft kann die Frühbetreuungsperson den Eltern oder den Pflegepersonen bei der Beobachtung der Reaktionen zu den ELF-Aktivitäten helfen. Das Ziel einer Durchführung von ELF und das Beobachten der ausgelösten Reaktionen durch die Betreuungspersonen ist nicht die Überprüfung der audiologischen Diagnose. Das Ziel von ELF ist, den Betreuungspersonen zu helfen, die Auswirkungen des Hörverlustes auf das Sprachverstehen des Kindes in typischen Situationen besser zu verstehen. Ein grundlegenderes Ziel ist, den Eltern ein Verständnis des Hörbereichs («Hörblase») des Kindes in verschiedenen Situationen zu vermitteln. Mit einem Audiogramm kann die Größe der Hörblase eines Kindes nicht ermittelt werden. Die Lautheitskalibrierung der ELF-Aktivitäten ist nicht so wichtig wie die möglichst realistischen Stimmen der Betreuungspersonen und die möglichst authentische Umgebung. Nutzen einer Verstärkeranpassung und Veränderungen der Hörgeräte-Einstellungen, Programme oder Charakteristiken können durch die aufmerksame Beobachtung der Eltern oder Betreuungspersonen festgestellt werden. Ein weiterer Vorteil, wenn die Eltern ihre Erfahrung des Hörverlustes ihres Kindes als «Hörblase» verstehen, besteht darin, dass sie anderen Menschen den Hörverlust auf eine verständlichere Art erklären können als dies beispielsweise durch den Grad des Hörverlustes möglich wäre. Zum Beispiel: «Susanne hat einen schweren Hörverlust. Das bedeutet, dass sie mit Hörgeräten meine Stimme und sogar einige leise Geräusche in einer ruhigen Umgebung bei einem Abstand von 2 Metern hören kann, dass ich aber im Störgeräusch etwa auf einen halben Meter zu ihr kommen muss, damit sie meine Stimme wirklich hören kann!» Abbildung 2 Begeben Sie sich in den Hörbereich des Kindes Wenn die Eltern die Größe der Hörblase eines Kindes gut abschätzen können, kann dies wertvoll für die audiologische Behandlung des Kindes sein. Wie bei allen Interaktionen mit Eltern ist es wichtig für den Hörgeräte-Akustiker, die Eltern als gleichwertige Partner zu betrachten, die über wertvolle und einmalige Informationen über ihr Kind verfügen. Diese Information ist nützlich für die audiologische Behandlung. Ein durch eine Mittelohrentzündung verursachter, schwankender Hörverlust, ein Fortschreiten des sensorineuralen Hörverlustes, 7 Eine solche Beschreibung hilft einem Babysitter oder den Nachbarn viel mehr als die Aussage, dass Susanne einen schweren Hörverlust hat und Hörgeräte trägt. Schon seit langem glauben die meisten Menschen, dass Hörgeräte das Gehör normalisieren, genau wie Brillen die Vision vollständig korrigieren. Das zentrale Thema bei schwerhörigen Kindern ist vollständiger Zugang zur Kommunikation, nicht der Hörverlust an sich. Betreuungspersonen, die die Bedingungen verstehen, bei denen das Kind Sprache hören kann, werden am besten ausgerüstet sein, um die Umgebung und die Interaktion so zu gestalten, dass das Kind so gut wie möglich an der gesprochenen (und/oder visuellen) Kommunikation teilnehmen kann. Wie bereits bemerkt, können ELF-Beobachtungen helfen, die Vorteile einer Verstärkung zu bestimmen. Hörgeräte-Akustiker haben genaue Vorschriften, wie Hörgeräte an einen Kinder-Hörverlust und an Hörbedürfnisse angepasst werden. Diese Hörgeräte-Anpassziele werden durch bestimmte Messungen verifiziert und müssen jedes Mal wiederholt werden, wenn neue Otoplastiken verwendet werden. Der Hörgeräte-Akustiker verifiziert, ob das Hörgerät keinen Schall erzeugt, der für das Kind unangenehm (oder gefährlich) laut ist, und schätzt ab, wie groß die Hörbarkeit von Sprache bei verschiedenen Lautheitspegeln ist. Der Einbezug der ELF-Beobachtungen wird dem Hörgeräte-Akustiker helfen, zu bestimmen, ob die bestmögliche Hörgeräteanpassung erreicht wurde, damit das Kind möglichst viel Sprache unter den häufigsten Hörbedingungen wahrnehmen kann — das Hören der Eltern oder Betreuungspersonen zu Hause oder in der Kinderkrippe. Mit der fortschreitenden Entwicklung des Kindes in den ersten Lebensmonaten wird die Reaktion auf Klänge üblicherweise sensibler. ELF ermöglicht den Eltern, die natürliche Entwicklung der Hörfähigkeit des Kindes zu beobachten. Es ist auch ein effektives Mittel 8 für Hörgeräte-Akustiker und Frühbetreuer, um die Hierarchie der Hörentwicklung zu erklären. Die Reaktionen entwickeln sich von der Erkennung des Klanges, zur Identifizierung («Ein Hund bellt»), Unterscheidung («Das ist die Quietschhupe, nicht die Klingel») und schliesslich zum Verstehen («Es ist Zeit zum gehen. Tschüss»). Children’s Home Inventory of Listening Difficulties (CHILD) Wie beim ELF werden beim CHILD die Eltern als Beobachter des Verhaltens ihres Kindes eingesetzt. Die 15 Situationen spezifizieren typische Heimkommunikation bei verschiedenen Distanzen, bei Hintergrundgeräusch und verschiedenen Interessestufen des Kindes. Es ist für die Familie angemessen, das CHILD dann einzusetzen, wenn das schwerhörige Kleinkind zusammen mit Gleichaltrigen anfängt zu spielen, anstatt parallel neben ihnen zu spielen. Es kann normalerweise bei einem Entwicklungsalter von 3 bis 12 Jahren eingesetzt werden. Die künstlichen ELF-Höraktivitäten zielen nur auf das Erkennen, CHILD hingegen bezieht sich auf dynamische Kommunikationssituationen. CHILD ist auch auf die subtilen Unterschiede sensibel, die bei Kindern mit einem leichten, sich verändernden oder einseitigen Hörverlust auftreten. Ein Elternteil liest jede Frage und bestimmt, wie gut das Kind in verschiedenen Hörsituationen zu hören und zu verstehen scheint (normalerweise über eine bestimmte Zeit). Eine 8-Punkte Skala ist vorhanden, die die Eltern verwenden können, um die Hörfähigkeiten ihres Kindes abzuschätzen. Die Skala ist «elternfreundlich» und heißt «Understando-meter.» CHILD wurde so entwickelt, dass es den Eltern wertvolle Information über den Zugang ihres Kindes zur typischen Kommunikationsdynamik der Familie bietet. Der Schlüssel zur Verbesserung des Sprachverhaltens des Kindes ist auch hier ein optimaler und konsistenter Zugriff auf Kommunikation. Wie ELF kann auch CHILD wertvolle Informationen zur Beurteilung einer neuen Hörgeräte-Anpassung liefern oder darauf hinweisen, dass neue Hörgeräte versucht werden sollten. Wenn es scheint, dass ein Kind Schwierigkeiten hat mit dem Hören im Störgeräusch, beim Aufwachen, beim Telefonieren usw., bietet CHILD dem HörgeräteAkustiker eine Diskussionsgrundlage für den Bedarf an verschiedenen Hilfsgeräten, die dem Kind helfen, unabhängiger zu werden. Abbildung 3 Der Children’s Home Inventory of Listening Difficulties (CHILD) Fragebogen Diese Diskussionen sind besonders wichtig, wenn ein Kind beginnt, zur Schule zu gehen. Hilfsmittel wie Funksysteme sollten als Grundlage für Hörerfolg im Klassenzimmer durch die Eltern und die Schule berücksichtigt werden. Die durch ELF und CHILD ermittelten Informationen können für die Schule eine wichtige Dokumentation sein, die unterstreicht, dass eine angemessene Klassenakustik und der Funksystemeinsatz (Desktop FM oder persönliches FM) nötig sind, damit das Kind an der verbalen Kommunikation teilnehmen kann – trotz erhöhter Distanzen und mit Hintergrundgeräusch. Die Verwendung von CHILD kann der Familie auch einen Hinweis bieten, welche Kommunikationsschwierigkeiten im Alltagsleben des Kindes auftreten. Sogar Hörgeräteträger mit einer optimalen Anpassung, die gute Sprachfähigkeiten entwickelt haben, werden mit mehr Herausforderungen konfrontiert als ihre normalhörenden Kollegen. Manchmal denken Eltern, die permanent intensiv in die Entwicklung der Fähigkeiten ihres Kindes involviert waren, dass die Sprachentwicklung und die Konversationsfähigkeiten des Kindes «normal» sind und dass sie in der Schule keine besondere Beachtung erfordern. Es ist wichtig, dass die Eltern die Hörfähigkeiten ihres Kindes verstehen, wenn das Kind das «Inseldasein» zuhause oder den Kinderhort verlässt «ELF und CHILD werden zurzeit in verschiedene Sprachen übersetzt und werden bald zum Herunterladen auf www.phonak.com verfügbar sein.» 9 und in ein Klassenzimmer wechselt. Dieses Verständnis wird ihnen helfen, die neuen Herausforderungen bezüglich des Hörens zu verstehen und dem Schulteam den Hörverlust ihres Kindes so zu beschreiben, dass allenfalls nötige Anpassungen durchgeführt werden können. Eine bevorzugte Platzierung und «Ich kann sehen, dass sie gut Lippenlesen kann» reichen nicht aus, um die Bedürfnisse des Kommunikationszugriffs von schwerhörigen Kindern zu adressieren. Spezifische Information bezüglich der Hörbegrenzungen des Kindes unter bestimmten Umständen helfen dem Schulteam, eine individuelle Lösung für das Kind zu entwickeln, damit es einen gleichwertigen Zugang zur mündlichen Instruktion und zur Kommunikation mit Gleichaltrigen hat. Wenn das Kind älter wird, kann eine Version von CHILD durch die junge Person vervollständigt werden. Das Ausfüllen des Fragebogens durch das Kind ist normalerweise bis etwa zum achten Lebensjahr nicht zuverlässig und kann etwa bis zum zwölften Jahr eingesetzt werden. Nach dem Ausfüllen können die Antworten der Eltern und des Kindes verglichen werden. Themen wie Selbstvertrauen, Interaktionsbewusstsein, Kommunikationsdynamik und Verhältnis zu Gleichaltrigen können mit den Eltern besprochen werden. Diese Themen können auch in der Schule aktuell sein und können mit dem Lehrer des Kindes oder mit anderen involvierten Bezugspersonen besprochen werden. Die Mitwirkung der Eltern ist die magische Komponente für erfolgreiche Resultate bei Kindern im Schulalter. Hörgeräte-Akustiker sollten die Teilnahme der Eltern und Betreuungspersonen am Entdeckungsprozess der Auswirkungen des Hörverlustes in den alltäglichen Interaktionen des Kindes und der Familie fördern und begrüßen. 10 Dr. Karen Anderson Pädaudiologin Frühintervention bei Kleinkindern mit Hörverlust, Florida, USA Frau Dr. Karen Anderson ist über 20 Jahre auf pädiatrische und pädagogische Audiologie spezialisiert. Sie hat verschiedene Hilfsmittel für die Bestimmung der funktionalen Fähigkeiten von Kindern mit Hörverlust entwickelt bzw. bei der Entwicklung mitgearbeitet. Die Verfahren beziehen sich auf das Hören zu Hause oder im Klassenzimmer und umfassen das ELF, CHILD, Vorschul SIFTER, SIFTER und LIFE. Frau Andersons Forschungsgebiete umfassen die Klassenraumakustik und die Bestimmung des Vorteils von FM-Systemen für die Sprachwahrnehmung bei Kindern mit Hörverlust. Sie war Präsidentin der internationalen Educational Audiology Association. Sie wirkte kürzlich in einer Arbeitsgruppe in den USA mit, um Richtlinien zu entwickeln, die eine für Ausbildungsumgebungen geeignete Akustik beschreiben. Die Richtlinien wurden im Juli 2002 abgeschlossen. Frau Anderson verwaltet zurzeit in Florida, dem viertgrössten Bundesstaat der USA, das Frühinterventionsprogramm für Kleinkinder mit Hörverlust. Sie bildet die Schnittstelle zwischen Audiologen, die einen Hörverlust bei Kindern mittels universalem Neugeborenen-Hörscreening diagnostizieren und unterstützt das Angebot an adäquaten Dienstleistungen für Familien mit schwerhörigen Babys zur Verhinderung von Kommunikationsverzögerungen. 028-0609-01/V00 0803 • na/Focus 31_D/0803 • Printed in Switzerland © Phonak AG All rights reserved www.phonak.com