2 Quantitative Modulation durch Mischung von
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2 Quantitative Modulation durch Mischung von
2 Quantitative Modulation durch Mischung von Geschmacksstoffen 2 Quantitative Modulation durch Mischung von Geschmacksstoffen Quantitative Modulation kann durch Wechselwirkungen unterschiedlicher Geschmacksstoffe derselben oder unterschiedlicher Geschmacksrichtung in Mischungen erfolgen. Diese Wechselwirkungen sind noch immer schlecht verstanden und die entsprechende wissenschaftliche Literatur weist viele Widersprüche auf. Anders als bei Gerüchen, bei denen jede Wahrnehmung eines einzelnen Geruchstoffes sich aus der Reizung einer Vielzahl von Rezeptoren in der Riechschleimhaut durch Interpretation dieses Musters ergibt, sich daher bei Mischungen von Geruchsstoffen völlig neue Wahrnehmungsqualitäten ergeben können und ein Geruch durch Musterüberlagerung relativ leicht maskiert werden kann, sprechen Geschmacksstoffe nur jeweils eine Rezeptormolekülart an, die die entsprechende Geschmacksart induziert. Durch Mischung von Grundgeschmacksstoffen entstehen daher keine neuen Geschmacksarten, sondern die eingesetzten Geschmacksstoffe behindern oder verstärken einander in ihrer Wahrnehmungsintensität oder beeinflussen einander auch nicht. Bei Betrachtung der Wahrnehmung von Geschmacksstoffmischungen ist wichtig festzuhalten, welche Substanzen in welchen Konzentrations- bzw. Intensitätsbereichen eingesetzt wurden. Eine Bitter-Wahrnehmung beispielsweise kann durch eine Vielzahl von Substanzen über eine relativ große Anzahl an Varianten von BitterRezeptormolekülen ausgelöst werden und all diese Substanzen und deren Wahrnehmungen können auf unterschiedliche Art und Weise mit anderen Geschmackssubstanzen und Geschmackswahrnehmungen interagieren. Die Wirkung eines Geschmacksstoffes auf weitere Geschmackswahrnehmungen kann zudem im unterschwelligen Bereich ganz anders sein als im Schwellwertbereich, im mittleren oder im höheren Wahrnehmungsintensitätsbereich. Prinzipiell sind bei der quantitativen Modulation durch Mischung von Geschmacksstoffen Wechselwirkungen auf der chemischen, der oral-physiologischen und der kognitiven Ebene zu berücksichtigen. Bei kognitiven Effekten geschehen die Wechselwirkungen im Bereich der zentralen Verarbeitung der gustatorischen Signale. Dieser Bereich ist ein integraler Abschnitt der Entstehung einer Geschmackswahrnehmung. Chemische Interaktionen zwischen den in Lösung befindlichen Geschmacksstoffen können in modifizierter Geschmacksintensität, aber auch in eine qualitative Modulation, d. h. eine andere Geschmacksqualität münden. Beispielsweise kann etwas Saures, d. h. eine Säure gemeinsam mit einer aufgenommenen Base eine salzige Lösung bilden. Bei oral-physiologischen Interaktionen gibt es Wechselwirkungen und/oder Reaktionen zwischen einer Mischungskomponente und den Rezeptorzellen oder -molekülen und/oder dem Signalübertragungsmechanismus der anderen Komponente. Es kann sich beispielsweise um den Wettbewerb zweier Substanzen um einen Rezeptor han- Gustatorische Wahrnehmungen gezielt abwandeln 11 2 Quantitative Modulation durch Mischung von Geschmacksstoffen deln oder um Zell-Zell-Wechselwirkungen innerhalb der Geschmacksknospen wie sie TALAVERA et al. [56] oder VANDENBEUCH et al. [57] beschreiben. Solche peripheren Wechselwirkungen treten z. B. zwischen Natrium-Ionen und bestimmten BitterStoffen in Form einer Verminderung der Bitter-Empfindung auf. Dass diese Wechselwirkungen peripher und nicht zentral sind, konnte mithilfe der „split tongue“Methode gezeigt werden, bei der auf beiden Seiten der Zunge gleichzeitig unterschiedliche reine Geschmackslösungen oder Mischungen aufgetragen wurden. Das Ergebnis für Bitter und Natrium-Ionen war, dass eine Bitter-Verminderung nur dann auftritt, wenn die beiden Stoffe gemischt auf die Zunge aufgetragen werden. Es kommt zu keiner Bitter-Verminderung, wenn Natrium-Ionen links und Bitterstoffe rechts appliziert werden [58]. Bei Saccharose-Natriumchlorid-Mischungen scheint es aber sowohl periphere als auch zentrale Wechselwirkungen zu geben [59]. Zu den peripheren Effekten zählt auch die kompetitive Inhibition, bei der zwei evtl. unterschiedlich intensiv schmeckende Substanzen um eine Bindungsstellenart konkurrieren. Wenn die Substanz mit der geringeren Geschmacksintensität eine intensivere Bindungsfähigkeit zum Rezeptormolekül aufweist, so kommt es zu einer Abschwächung der Geschmacksintensität. Die Osmolarität des Lebensmittels, das sich im Mund befindet, kann den Innendruck der gustatorischen Sinneszellen und so ihre Größe und Form verändern. Das wiederum kann Einfluss auf ihre Funktionalität haben. In den Untersuchungen von LYALL et al. hatte eine Erhöhung der Osmolarität auf 300 mOsmol mit Manntiol und Cellobiose auch eine signifikante Verstärkung der Wahrnehmung von 150 mmolarer Natriumchlorid-Lösung zur Folge. Sie gehen davon aus, dass dafür ein anhaltender Volumenverlust der Sinneszellen und eine Aktivierung von Natrium-Ionenkanälen verantwortlich sind [60]. Eine Daumenregel bei Geschmacksstoffmischungen lautet, dass die Intensität der Mischung kleiner ist als die Summe der Intensitäten der Einzelkomponenten. Dieser Effekt der Mischungsunterdrückung wurde häufig in der Erforschung der Geschmackswechselwirkungen bestätigt. Ergebnisse der „split tongue“-Methode aus dem 80er Jahren legen nahe, dass der Effekt der Mischungsunterdrückung oft auf der kognitiven Ebene entsteht. Beispielsweise ist die wechselseitige Unterdrückung bei einer Süß-Bitter-Mischung unabhängig davon, ob die Komponenten unabhängig und rein auf beiden Seiten der Zunge oder als Gemisch aufgetragen werden. Und da die beiden Hälften der Zunge neurologisch unabhängig voneinander sind und die aufsteigenden Neuronen erst im Gehirn interagieren, ermöglicht das den Schluss, dass hier kognitive und nicht periphere Wechselwirkungen vorliegen [58]. Allerdings kommen neuere Studien über Süß-Bitter-Mischungen von TALAVERA et al. [56] oder FRANK et al. [61] zum widersprechenden Schluss, dass hier in erster Linie periphere Wechselwirkungen über Ionenkanäle vorliegen. 12 Behr’s Verlag, Hamburg 2 Quantitative Modulation durch Mischung von Geschmacksstoffen 2.1 Homogen-binäre Mischungen Homogene Mischungen sind Mischungen von Substanzen mit gleicher Geschmacksqualität, die aber nicht notwendigerweise denselben Signalentstehungs- und -übertragungsmechanismus benutzen. Wenn verschiedene Rezeptormoleküle und Übertragungsmechanismen für unterschiedliche Substanzen derselben Geschmacksqualität vorliegen, dann kann es eine Reihe von Wechselwirkungen über periphere Rezeptionsund intrazelluläre Mechanismen geben [62]. Wechselwirkungen zwischen den beteiligten Substanzen werden in Form von Hypound Hyperadditivität oder Antagonismus (Unterdrückung) und Synergie (Verstärkung) beschrieben [63]. Additivität liegt vor, wenn die in der Mischung resultierende Geschmacksintensität sich aus der Summe der Intensitäten der Einzelkomponenten entsprechend ihren psychophysikalischen Funktionen ergibt. Es liegt in diesem Fall also keine Wechselwirkung vor [64]. In homogenen süßen und umami Mischungen wurde häufig signifikante Hyperadditivität gefunden, d. h. die experimentell festgestellte Intensität der Mischung liegt höher als die aufgrund der psychophysikalischen Funktion der Einzelsubstanzen erwartete Intensität. Im Allgemeinen unterstützt die Literatur die Hypothese, dass es im unteren Bereich der sigmoiden psychophysikalischen Funktion zu Verstärkungen kommt, im mittleren Bereich meist Additivität vorliegt und im oberen Bereich häufig Unterdrückungsphänomene festzustellen sind [65]. Süße homogen-binäre Mischungen Der größte Teil der Literatur über homogene binäre Mischungen beschäftigt sich mit süßen Mischungen. Süß-Mischungen mit hochintensiven Süßstoffen tendieren zu verstärkter Intensität. Die deutlichste Synergie kann bei der Mischung AspartamAcesulfam K über einen weiten Konzentrationsbereich und bei Aspartam-Saccharin bei niedrigen Konzentrationen festgestellt werden. In niedrigen Konzentrationsbereichen liegt häufig Synergie vor, bei hohen Konzentrationen wird selten von einer Verstärkung, sondern meist von Unterdrückung berichtet [65]. Umami homogen-binäre Mischungen Natriumglutamat weist mit den Natriumsalzen der Ribonucleotide Dinatrium-5’inosinat und -guanylat eine starke Synergie des pikant-würzigen Umami-Geschmacks auf [66–68]. IMP hat selbst keinen Geschmack, sondern bewirkt eine UmamiWahrnehmung durch Synergien mit im Speichel befindlichem Glutamat [69]. Erst unlängst wurde bestätigt, dass der synergistische Effekt von Ribonucleotiden auf den Gustatorische Wahrnehmungen gezielt abwandeln 13 2 Quantitative Modulation durch Mischung von Geschmacksstoffen Umami-Geschmack durch Wechselwirkungen an den Geschmacksrezeptoren T1R1/T1R3 verursacht ist [37]. Salzige homogen-binäre Mischungen Natriumchlorid und Kaliumchlorid weisen bei niedrigen Konzentrationen einen synergistischen Effekt auf die wahrgenommene Salzig-Intensität auf, bei höheren Konzentrationen allerdings zeigen sich Unterdrückungseffekte [70]. Saure homogen-binäre Mischungen Mischungen schwacher Säuren erweisen sich entweder als weniger sauer in der Wahrnehmung als die Summe der Intensitäten erwarten ließe [71] oder als genau additiv [72]. Bittere homogen-binäre Mischungen Wenn bittere Substanzen gemischt werden, ist die resultierende Intensität der Bitterwahrnehmung geringer als die erwartete Summe der einzelnen Intensitäten [71]. Harnstoff unterdrückt die Bitter-Wahrnehmung vieler bitterer Substanzen, während Denatoniumbenzoat die Intensität der Bitter-Wahrnehmung einiger anderer bitterer Substanzen verstärkt [73]. 2.2 Heterogene Mischungen Die Literatur über heterogene Mischungen ist noch widersprüchlicher als diejenige über homogene Mischungen. Die Interaktionsarten bei unterschiedlichen Geschmacksqualitätskomponenten sind noch zahlreicher als bei homogenen Mischungen. Es kann auch sogenannte nicht-monotone (Verstärkung und Unterdrückung) und asymmetrische Intensitätsänderungen geben. Der biochemische Mechanismus dieser Interaktionen ist weitgehend unbekannt. TALAVERA et al. berichten über einen Kationen-Tunnel (TRPM5) in den Geschmackssinneszellen, der bei der Entstehung süßen Geschmacks eine wichtige Rolle spielt und der durch bestimmte Bitterstoffe wie Chinin aber nicht durch Denatonium blockiert wird. Diese Blockade des TRPM5-Tunnels blockiert auch die Entstehung süßen Geschmacks [56]. TRPM5 wird generell als ein sehr wichtiger Modulationsort der Geschmackswahrnehmung diskutiert. TRPM5 ändert seine Eigenschaften auch durch Temperatur und dürfte so für die Temperaturabhängigkeit der SüßWahrnehmung verantwortlich sein [74]. 14 Behr’s Verlag, Hamburg