Oktober 2015 ifaa-Praxisnewsletter

Transcription

Oktober 2015 ifaa-Praxisnewsletter
ifaa | 29. Oktober 2015i
Unter der Lupe: Führungsleistung im Unternehmen
Die Analyse und Verbesserung der Führungskultur mit dem
Instrument „Exzellent Führen“
In diesem Praxisnewsletter wird beschrieben, wie ein Unternehmen durch den Einsatz des Instruments „Exzellent Führen – ein Instrument zur Analyse und Verbesserung der Führungskultur“ nachhaltige Maßnahmen zur Erhöhung der Führungsleistung und der Mitarbeitermotivation umsetzen konnte. Das Unternehmen wurde dabei
durch den Verbandsingenieur eines regionalen Arbeitgeberverbandes unterstützt.
Die Ausgangslage im Unternehmen
Das konzerngebundene Unternehmen mit ca. 450 Mitarbeitern im Bereich Metalltechnik
durchlief einen umfassenden Wandlungsprozess. Aufgrund der Wirtschaftskrise von
2008/2009 hatte ein Personalabbau und eine Umstrukturierung der Aufbau- und Ablauforganisation stattgefunden. Zum Wandlungsprozess gehörte auch die Einführung eines unternehmensweiten Produktionssystems.
Gründe für die Teilnahme an einer Analyse und Beurteilung der Führungskultur waren betriebliche Problemstellungen. Dazu zählten eine unzureichende Unterstützung der Mitarbeiter durch die Führungskräfte, eine ineffiziente Kommunikationsstruktur und die unzureichende Personalentwicklung von Führungskräften und Mitarbeitern in der Vergangenheit. Das führte häufig zu Konflikten zwischen den verschiedenen Abteilungen. Entscheidungsprozesse waren unzureichend strukturiert und Qualitätsmängel häuften sich.
Analyse und Auswertung der Ergebnisse
Nach zwei Vorgesprächen mit Geschäftsleitung und Betriebsrat fanden Interviews durch
den Verbandsingenieur mit insgesamt sieben Führungskräften und zwei Workshops mit
jeweils 12 Mitarbeitern statt. Im Anschluss an die Auswertung von Fragebögen und die
Zusammenstellung der Workshop- und Interview-Dokumentationen wurden mögliche
Maßnahmen durch den Verbandsingenieur formuliert und mit der Geschäftsleitung abgestimmt und eingeleitet.
Vier Führungsdimensionen wurden in 36 Fragestellungen (Items) analysiert:

Vision, Ziele und Werte
1 von 6



Leistung und Motivation
Ergebnisse und Veränderungen
Anwendung von Führungsinstrumenten
1 Unsere Führungskräfte vermitteln Vision und strategische Ziele des Unternehmens.
Anzahl
MA im eigenen Unternehmen
Antworthäufigkeit in Prozent
23
26
284
MA aller Unternehmen
FK im eigenen Unternehmen
106
FK aller Unternehmen
nicht / kaum (1)
30
11
7
Mittelwert
35
13
41
15
5
31
24
teilweise (2)
-24
2,1
16
weitgehend (3)
3
2,5
14
55
-13
2,3
13
71
Handlungsbedarf
22
2,8
umfassend (4)
1
2
3
4
3 Unsere Führungskräfte setzen klare Prioritäten.
Anzahl
MA im eigenen Unternehmen
Antworthäufigkeit in Prozent
23
13
284
MA aller Unternehmen
FK im eigenen Unternehmen
nicht / kaum (1)
44
8
39
30
4
46
7
27
teilweise (2)
umfassend (4)
13
2,1
23
weitgehend (3)
-11
2,6
14
49
Handlungsbedarf
2,3
16
86
106
FK aller Unternehmen
Mittelwert
-24
2,9
1
2
29
3
4
5 Unsere Führungskräfte setzen Vertrauen in ihre Mitarbeiter.
Anzahl
MA im eigenen Unternehmen
MA aller Unternehmen
FK im eigenen Unternehmen
FK aller Unternehmen
nicht / kaum (1)
Antworthäufigkeit in Prozent
23
4
284
6
Mittelwert
39
39
29
7
14
106
14
teilweise (2)
18
44
21
86
57
weitgehend (3)
Handlungsbedarf
2,7
14
2,8
20
2,9
28
umfassend (4)
24
3,1
1
2
3
Die Abbildung 1 zeigt ausgewählte Ergebnisse aus der Führungsdimension Vision, Ziele und Werte
Bezüglich der ersten Feststellung „Unsere Führungskräfte vermitteln Vision und strategische Ziele des Unternehmens“ fällt auf, dass sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter
dieses Item im Vergleich zur Referenzstichprobe aus anderen Unternehmen, die das In-
2 von 6
41
4
strument angewandt haben schlechter beurteilen. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich auch
beim dritten Item „Unsere Führungskräfte setzen klare Prioritäten“.
Das bedeutet, dass im Unternehmen Unsicherheiten in Bezug auf Vision und strategische
Ziele des Unternehmens bestehen. Dies ist aufgrund der Ausgangslage des Unternehmens, die von aktuellen Reorganisationsprozessen und Umstrukturierungen innerhalb des
Konzerns geprägt ist, wenig überraschend.
Diese Ergebnisse stehen exemplarisch für die quantitative Gesamtauswertung. Die Ergebnisdiskussion mit der Geschäftsführung machte deutlich, dass sich diese Erkenntnisse
sehr stark mit der eigenen Wahrnehmung deckten. Im Themenfeld Vision, Ziele und Werte
wurde der größte Handlungsbedarf identifiziert.
Parallel wurden auch die Ergebnisse der qualitativen Analysen (Interviews mit Führungskräften, Mitarbeiterworkshops) ausgewertet und diskutiert.
Ergebnisse der Mitarbeiterworkshops
Im Rahmen der Mitarbeiterworkshops wurden die positiven und negativen Aspekte der
Führung getrennt erhoben und dokumentiert.
Eine positive Sicht ergab sich auf die Aktivitäten im Umfeld des Produktionssystems. Dieses wird als Erleichterung in der täglichen Arbeit wahrgenommen und von den Führungskräften aktiv unterstützt. Auch das (wieder) hohe Vertrauen in die Geschäftsführung wurde
als positives Signal gedeutet.
Erfahrungsgemäß überwogen im Rahmen der Mitarbeiterworkshops die negativen Aspekte
der Führung. Insbesondere die fehlende Wertschätzung, der Führungsstil und die mangelnde Präsenz der Führungskräfte vor Ort wurden kritisiert. Lange Entscheidungswege
und (schlechte) Improvisation führten zu Qualitätsmängeln in der Produktion.
3 von 6
Negative Aspekte der Führung




















Zu wenig Information im täglichen Ablauf
Fehlende Wertschätzung (Kritik überwiegt Lob)
Keiner übernimmt Verantwortung -> zu viel Improvisation
Zu viele Hierarchieebenen / Entscheidungswege zu lang
Bei Produktionsproblemen sind die Führungskräfte nicht ansprechbar
Standards werden zum Teil nicht beachtet
Geschäftsführung sollte vor Ort präsenter sein
Fehlende Kommunikation zwischen den Abteilungen
Produktion „fällt hinten runter“
Fehlende Rückmeldung zu Leistung und Ergebnissen
Negatives wird zu stark betont und in den Mittelpunkt gestellt
Teilweise „diktatorischer“ Führungsstil
Mitarbeiter werden mit Problemen allein gelassen
Schuldfrage steht bei Problemen im Vordergrund
Wenig Konsequenz in der Umsetzung von Neuem -> dauert zu lange
Zu viele und zu lange Meetings
Fachliche Qualifikation und Motivation zur Leistungsbeurteilung fehlt
Qualifizierungswünsche werden nicht aufgegriffen -> Demotivation
Schlechte Unterweisung an Maschinen
Schlechte Kooperation zwischen Abteilungen
Ableitung von Maßnahmen
Im Rahmen der Ergebnispräsentation wurden auch die Ergebnisse der Workshops und der
Interviewbefragung (hier nur auszugsweise wiedergegeben) diskutiert und im Hinblick auf
Umsetzungsmaßnahmen ausgewertet. Insbesondere die zukünftigen Rollen und Aufgaben
der neu zusammengesetzten Geschäftsleitung wurden intensiv diskutiert und in konkrete
Maßnahmen überführt. Einen Überblick über die zentralen Maßnahmen gibt die folgende
Abbildung.
Mögliche Maßnahmen / Ansatzpunkte
1. Fachliche und methodische Qualifikationen der Führungskräfte
a) Vorbereitung auf die Übernahme von Führungsaufgaben systematisieren und intensivieren
b) Fachliche Ausgangsqualifikation der Führungskräfte in Stellenbeschreibungen genauer festlegen
2. Verbesserung der Kommunikation
a) Durchgängigkeit der Führungsinstrumente (z.B. Policy Deployment) verbessern
b) Zusammenarbeit mit der QS verbessern (Mögliche konkrete Maßnahmen: vorbeugende QS, QSMitarbeiter zeitweise in die Produktion einbinden)
c) Elektronische Kommunikationsregeln erarbeiten und vereinbaren
d) Regelkommunikation prüfen und verbessern (z.B. regelmäßige Abstimmungen in der Produktion)
3. Führungsthemen in Personalentwicklung stärker aufgreifen
a) Motivation / Mitarbeiterführung
b) Fehlzeiten / Krankenrückkehrgespräche
c) Leistungsbeurteilung
4. Change Management / Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte
a) Betroffene zu Beteiligten machen - in Projekt einbinden
b) Führungskräfte stärker in betriebswirtschaftliche Themen einbinden
4 von 6
Präsentation der Ergebnisse
Bei der Ergebnispräsentation hat sich ein zweistufiges Vorgehen in der betrieblichen Praxis bewährt:
1. Stufe:
Darstellung der quantitativen und qualitativen Ergebnisse durch den Verbandsingenieur zunächst auf Geschäftsführungsebene mit Diskussion über erste grobe
Empfehlungen und Diskussion möglicher Maßnahmen
2. Stufe:
Zweiter Workshop mit der Geschäftsleitung und zusätzlich mit dem inneren Führungskreis mit erster Maßnahmenableitung und –umsetzung.
Aufbauend auf den Ergebnissen wurden von der Geschäftsleitung konkrete Maßnahmen
vorgestellt und diskutiert. Im Anschluss wurde ein Maßnahmen- und Umsetzungsplan erstellt und von allen Teilnehmern als Zeichen des Commitments unterschrieben.
Neben Maßnahmen, die kurzfristig realisiert wurden (z.B. Schulungen der Führungskräfte
zur tariflichen Leistungsbeurteilung und Mitarbeiterführung) wurden auch strategische
Maßnahmen eingeleitet, deren Umsetzung einen längeren Zeitraum und eine weitere Konkretisierung erfordern. Insgesamt wurden mehrere Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht, u.a.:

Systematisierung der Regelkommunikation im Rahmen des Produktionssystems:
Insgesamt weniger Management Meetings dafür mehr regelmäßige Abstimmungen
– insbesondere in der Produktion im Sinne des Gemba-Prinzips.

Regelmäßige Information zur betriebswirtschaftlichen Situation des Unternehmens
durch die Geschäftsführung.
Konkrete Schulungsmaßnahmen für Führungskräfte (z.B. Durchführung der tariflichen Leistungsbeurteilung, Mitarbeitergespräche, Krankenrückkehrgespräche).
Klärung und Neubestimmung der Zuständigkeitsbereiche und Kompetenzen der
Führungskräfte.
Professionalisierung der betrieblichen Personalentwicklung gemeinsam mit einem
externen Partner (z.B. Demografie- und Qualifikationsanalyse, Erstellung von Anforderungsprofilen, Nachfolgeplanung).



Der Ausblick
Zur Begleitung des Fortschritts finden seit Beginn der Umsetzungsphase der Maßnahmen
regelmäßige Follow-Up Gespräche und Workshops über alle Hierarchieebenen hinweg
statt. Diese bieten auch die Möglichkeit bei Bedarf nach zu justieren.
Aufgrund der positiven Erfahrungen plant das Unternehmen den erneuten Einsatz der Fragebögen für das 4. Quartal 2015, um Veränderungen der Führungskultur aus Sicht der
Mitarbeiter und Führungskräfte zu erfassen.
Aus Sicht der Beteiligten stellt die Teilnahme am Projekt „Exzellent Führen“ einen Erfolg
dar. Das Projekt hat mit dazu beigetragen, nach einer schwierigen Reorganisationsphase
wieder Stabilität und Verlässlichkeit im Rahmen der Führungskultur zu etablieren. Damit
wurde den Beschäftigten ein motivierendes Arbeitsumfeld geschaffen.
5 von 6
Für Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie besteht zukünftig die Möglichkeit, über
das ifaa auf entsprechende Referenz- bzw. Benchmarkingwerte der Branche zuzugreifen,
um die im eigenen Unternehmen ermittelten Werte noch besser interpretieren zu können.
Eine Datenbank mit entsprechenden Referenzwerten befindet sich im Aufbau. Weitere
methodische Unterstützung kann über das ifaa und die M+E-Verbände in Rheinland-Pfalz,
Nordrhein Westfalen und Hessen abgerufen werden.
Mehr zum Instrument und über das Projekt können Interessierte im Beitrag in der „Leistung
& Entgelt: Exzellent Führen. Ein Instrument zur Bestandsaufnahme und Verbesserung der
Führungskultur“ lesen. Diese ist über den Heider-Verlag unter http://www.heiderverlag.de/Artikelliste.aspx?artikelgruppe=24 zu bestellen.
...................................................................................................................................................
ANSPRECHPARTNERIN: Christine Molketin M.A.
Uerdinger Straße 56, 40474 Düsseldorf, Tel 0211 542263-26, Fax 0211 542263-37, [email protected]
...................................................................................................................................................
HERAUSGEBER: Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa)
Uerdinger Straße 56, 40474 Düsseldorf, Tel 0211 542263-0, Fax 0211 542263-37, [email protected]
www.arbeitswissenschaft.net
...................................................................................................................................................
INSTITUTSDIREKTOR: Prof. Dr.-Ing. Sascha Stowasser
6 von 6