Osang ´s back - Rationalgalerie

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Osang ´s back - Rationalgalerie
Osang ´s back
Das Bauernopfer
Autor: Max Mütze
Datum: 10. April 2007
Vor drei Jahren hatte ich Alexander Osang die Zuneigung aufgekündigt. Über
eine privat klingende Mailadresse ließ ich den zum SPIEGEL-Erfolgsautor
Avancierten im fernen New York wissen, nach 15 Jahren sei zumindest ich
wohl aus der Zielgruppe gefallen. Seine Geschichten hatten diese Besonderheit
verloren - die entscheidenden Nebensätze, perfekt getarnten Botschaften und
den genauen Blick. Für mich war Osang der Gegenstand abhanden und er selbst
angekommen, als fähiger Quoten-Ostler, begraben unter Ehrungen, Preisen und
Tarifgehalt West. Eher halbherzig las ich deshalb vor einigen Wochen in dem
Hamburger Nachrichtenmagazin einen längeren Beitrag von ihm über »Wir sind
Oscar« und das deutsch-deutsche Gespann Donnersmarck – Mühe an. Und
siehe, da war plötzlich wieder etwas: In einst gewohnter, völlig emotionsloser
Manier sezierte O. so präzise wie entlarvend Verhalten und Verhältnis des
absonderlichen Duos. Wie beiläufig webte er die Geschichte um Mühes
niederträchtigen Feldzug gegen dessen Ex-Ehefrau im Krebs-Endstadium ein –
wieder ganz ohne eigene Meinung. Auf den ersten und zweiten Blick.Am letzten
Samstag brachte dann die Berliner Zeitung, einst Osangs Hausblatt und
Sprungbrett in die Welt der Edelfedern, eine Ostergeschichte des inzwischen
gemäß Wikipedia im Bötzow-Viertel und damit ja fast wieder in Ost-Berlin
Lebenden. Die ging schon trefflich los: Eine Wochenendsiedlung politisch und
ökologisch sehr korrekter, arrivierter (West)Berliner im brandenburgischen
Umland wird vom Mord an einem alteingesessenen, vormals
»antikollektivistischen« Grundbesitzer erschüttert. Den ermittelnden Beamten
lässt der Autor als einen dieser vierschrötigen Typen in Lederjacke beschreiben,
»wie sie Diktaturen hervorbringen«. Da muss man weiter lesen, und es lohnt
sich. Denn der Fall ist zwar relativ früh gelöst, aber ohnehin nur Staffage für
einen – natürlich fiktiven! – Einblick in eine Welt, für die der einstige
Instandhaltungsmechaniker und Genosse Osang nun schon seit Jahren ein
Dauerticket besitzt. So eindringlich und nur scheinbar distanziert, wie er
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Anfang der 90er ostdeutsche Absteiger in den Weiten blühender Landschaften
porträtierte, so schwelgend gnadenlos zeichnet er nun ein gerafftes
Sittengemälde linksliberaler Sieger der Geschichte. Es scheint, als habe Osang
die Botschaft Edzard Reuters vernommen, der erst am Ende seines glanzvollen
Weges feststellte, ungeachtet aller Würdigungen herkunftsbedingt eben doch
nie wirklich dazu gehört zu haben. Dass ihm derlei erspart bleiben möge, hatte
ich Leser dem Erfolgsjournalisten, der in den Westen ging, in meinem
Aufkündigungsschreiben 2004 herzlichst gewünscht. Offenbar hat es diesen
Zaunpfahl-Winks nicht bedurft. Auch deshalb: Welcome home, Alexander
Osang.
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