Bericht
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Böhm, Carmen PH Weingarten Universidade Federal de Santa Catarina (Brasilien) Studienfächer: Alltagskultur und Gesundheit - Geographie – Mathematik im 3. Semester Sommersemester 2013 Vorbereitung des Aufenthaltes In der VH Ravensburg und in der FH Weingarten habe ich einen brasilianisch-portugiesisch-Kurs für Anfänger belegt, der einmal die Woche war. Für mehr als „Oi“ und „Tudo bem?“ hat es nicht gereicht. Getreu dem Motto: im Land lernt man es eh am Besten. Mein Visum habe ich problem in Frankfurt beantragt. Kann man aber auch z.B. in München und anderen Städten beantragen. Empfehlenswert ist es ein bisschen Bargeld in Euro mitzunehmen und direkt am brasilianischen Flughafen in Reais zu wechseln. Der Wechselkurs ist in Brasilien besser als in Deutschland. Meinen Flug habe ich erst einen Monat vor Abflug bei TAM, einer brasilianischen Fluggesellschaft, gebucht. Die Bestätigung von Brasilien kam erst ziemlich spät. Mein Hin- und Rückfug hat zusammen ca. 800 Euro gekostet. Meine Wohnung in Weingarten habe ich für den Zeitraum meines Auslandssemesters möbliert untervermietet. Eine Wohnung in Brasilien habe ich mit Hilfe des brasilianischen international offices gefunden. Das international office schickt einem per E-Mail eine Liste mit freien Immobilien. Eine Auslandskrankenversicherung habe ich bei HanseMerkur beantragt. Studium im Gastland Der Unicampus ist sehr groß und sauber. Mithilfe einer Unicampus-Karte kann man sich gut orientieren und auch vor Ort gibt es immer hilfsbereite Studenten oder Sicherheitspersonal, die bereitwillig den Weg erklären. Die Verwaltung hingegen ist sehr unübersichtlich. Die Zuständigkeitsfelder der einzelnen Sekretariate sind unklar und undurchschaubar. Niemand weiß so recht, für was man zuständig ist und generell wird man immer woanders hingeschickt! Von den fünf Kursen, die ich belegen wollte, wurde ich nur in drei Kursen angenommen, wobei zwei Kurse zeitgleich waren. Hier war ich von dem international office ein bisschen enttäuscht, dass sie mir da so wenig entgegengekommen sind. So musste ich zu den jeweiligen Departement meiner Fächer (Departement Matematica, departement Nutricao, departement Geographia) gehen und dort einen Antrag auf andere Vorlesungen stellen, die letztendlich alle abgelehnt wurden. Allgemein muss ich sagen, dass ich von der Betreuung durch das international office in Brasilien ein bisschen enttäuscht war. Man wird nur in sehr geringem Maße über die Unistruktur informiert und aufgeklärt. Treffen mit anderen ausländischen Studenten gab es nur am ersten Tag. Das Einzige, was geplant war, war eine Rundreise. Ansonsten hätte ich mir hier noch gemeinsame Workshops oder gemeinsame Kulturangebote gewünscht. Die Vorlesung an der Uni selbst zeichnet sich dadurch aus, dass der Unterricht später anfängt und früher als nach Plan aufhört. Studenten kommen zu spät, gehen raus, um sich einen Kaffee zu holen und kommen eine halbe Stunde später wieder zurück. Es herrscht eine ständige Unruhe, die von den Dozenten toleriert und ignoriert wird. Ich hatte keine einzige Power-Point-Präsentation während der ganzen Uni-Zeit. Alles wird grundsätzlich als Frontalunterricht oder im Plenum durchgesprochen. Der Umfang der Materie ist um einiges geringer als in Deutschland. Es besteht eine Anwesenheitsliste und man kann bis zu 8mal in einem Semester fehlen. Es gibt je Disziplin drei kleine Tests während des Semesters und ein großes Examen am Schluss. Das Mensaessen an der Uni wird vom Staat subventioniert und wird 7-Tage-die-Woche angeboten. Das Essen ist einseitig und günstig, aber gut. Reis, Gemüse, Bohnen, Linsen, Fleisch, Salat und einen kleinen Nachtisch gibt es für umgerechnet unter einem Euro. Eine gute und nährreiche Möglichkeit, wenn man nicht viel Geld ausgeben will. Freizeit-Kurse werden an der Uni viele angeboten. Das Spektrum ist groß: von Samba über Handball zu Volleyball gibt es hier quasi für Jedermann etwas. Einziger Haken: die meisten Kurse sind nicht umsonst, aber auch nicht überteuert. Aufenthalt im Gastland Angekommen in Florianopolis – einer Insel im Bundesstaat Santa Catarina, die im südlichen Brasilien liegt – stand ich vor verschlossener Haustüre und habe auf meinen Mitbewohner gewartet. 5Stunden lang! Unpünktlichkeit ist hier gang und gebe. Rechne immer mit einer 30minütigen Verspätung (Minimum!). Fortbewegungsmittel in Brasilien sind besser, als ich erwartet hatte. Das Bussystem ist sehr gut ausgebaut und ermöglicht es von A nach B zu fahren. Dank Studententarif ist das Busfahren sehr günstig. Auch wenn man mal das Festland erkunden will, ist der Bus die einfachste, bequemste und günstigste Möglichkeit zur Fortbewegung. Andere Transportmittel gibt es nicht. Fahrräder gibt es, aber bei der temperamentvollen Fahrerei der Brasilianer kann ich das nicht empfehlen. Züge gibt es hier grundsätzlich nicht. Das Leben in einer brasilianischen WG stellte sich als pures Abendteuer heraus. Mal hat man kein Internet, mal kein fließendes Wasser, mal kein Gas zum Kochen, niedliche Äffchen im Garten, einen Hund der versucht die Affen zu essen, einen Mitbewohner der zwischen 6 Uhr morgens und 23 Uhr Saxophon spielt, etc. Das WG-Leben in Brasilien ist anders, aber nicht unbedingt schlechter. Allerdings ist es wichtig, offen für Neues zu sein. Kochen und Backen scheint auf den 1. Blick erstmal schier unmöglich. Die Küchenausstattung ist rar und gekocht/gebacken wird grundsätzlich nur mit Gas. Mein Zimmer ist klein, aber gibt alles her, was man braucht – ein Bett, Schrank, Tisch und Kommode. Mein Fenster im Zimmer lässt sich allerdings nicht schließen. Bei Unwetter regnet es rein und ich muss mein Bett an das andere Ende des Zimmer stellen. Ansonsten wird es sehr frisch nachts. (Ich war im Wintersemester in Brasilien). Meine Wohngegend (Lagoa da Coneicao) ist der reinste Traum. Auf der anderen Seite Dünen, die direkt zu dem Joaquina Strand führen und auf der anderen Seite einen großen See. Die brasilianische Kultur unterscheidet sich sehr von der deutschen. Ich habe die Brasilianer als sportlich, hübsch, gelassen, unpünktlich, relaxt und teils auch temperamentvoll empfunden. Der Fokus für viele brasilianischen Mädels ist das Aussehen. Großer Po, große Oberweite, schmale Hüften. Der Druck nach dem perfekten Look ist groß und viele Mädchen in meinem Alter (ich bin 21Jahre alt) unterziehen sich Schönheitsoperationen wie Brust- oder Po-Implantate, Fettabsaugen, etc. Um ihrem Ideal näherzukommen ist Sport machen ein essentieller Teil ihres Lebens. Den Männern gefällt es und ein hinterherpfeifen und hinterherhupen von selbst 60-jährigen-Männern ist total normal. Beeindruckt war ich v.a. von Capoeira (brasilianische Kampfkunst), das man an vielen öffentlichen Stellen bestaunen und bewundern kann. Die Nähe zum Meer und zum See ermöglicht es Wassersport zu betreiben, wie z.B. stand-uppaddeling, segeln, Tretbootfahren oder surfen. Die Strände bieten sich sehr gut zum Surfen an- sei es für Anfänger oder Profis. Angenehm ist, dass Supermärkte 7-Tage-die-Woche offen haben. Märkte mit frischem Obst gibt es hier en masse, sowohl unter der Woche als auch am Wochenende. Früchteshakes, caldo de cana (Zuckerrohrgetränk) und Kokosnusswasser werden hier überall günstig und gut verkauft. Außerdem gibt es viele Frutas do Mer (Meeresfrüchte), wie Krebs, Muscheln, Austern, Shrimps, Fisch, die es günstig und frisch zu erwerben gibt. Teilnahme an Tagungen, Workshops, etc. An der Uni habe ich einen Sambakurs und Portugiesisch-Kurs für Ausländer belegt. Privat habe ich zusätzlich noch einen Surfkurs belegt. Ansonsten war ein Angebot an Workshops und Tagungen kaum vorhanden. Praktische Tipps • bringe genügend warme Kleidung mit, wenn du im Wintersemester gehst • Kleidung und Kosmetikprodukte sind in Brasilien teurer als in Deutschland, bringe aus Deutschland genügend mit • der Wechselkurs in Brasilien ist besser als in Deutschland, tausche das Geld am besten vor Ort um • habe neben dem Geldbeutel immer ein bisschen Bargeld in der Hosentasche, für den Fall dass du überfallen wirst, damit du noch was hast • meide es, deinen Geldbeutel in der Öffentlichkeit zu zeigen • meide den Bezirk „Pantanal“ nachts; es gibt dort viele Diebstähle und Kriminalität • wenn du Magenprobleme hast, dann kaufe dir Biovicerin in der Apotheke • plane genügend Zeit ein, um zu reisen • und v.a. habe Spaß und genieße deinen Aufenthalt. Persönliche Wertung des Aufenthalts an der Gasthochschule und im Gastland Für mich war mein Auslandssemester in Brasilien ein großes Abendteuer, das mich hin und wieder mal an meine Grenzen stossen ließ. Ich habe in dieser Zeit sehr viel über mich selbst gelernt. Außerdem bin ich kritischer gegenüber bestimmter Themen geworden. Überrascht war ich von dem Bild über Europäern vor Ort. Als Deutscher wird man automatisch als reich von der Bevölkerung abgestempelt. So meinte mein Mitbewohner mal: „Kann ich deinen Laptop kurz haben? (..) Warum soll ich denn auf deinen Laptop aufpassen? Wenn der kaputt geht, dann kaufst dir halt einfach einen Neuen. Bist doch Europäer. Ihr habt doch das Geld!! “ Erschreckend für mich war es, anzusehen, dass viele Studenten mit einem Minimum an Geld auskommen mussten. Einmal habe ich einen Kommilitonen besucht, der mit anderen Leuten in einem kleinen, verschimmelten, dreckigen und dunklen Keller gelebt hat. Ich habe mich nicht mal getraut mich hinzusezten, so verschmutzt war alles. Lebensumstände, die für mich als inhuman und bis dahin total unvorstellbar waren. Der Aufenthalt hat mir die Möglichkeit gegeben, ein Land kennenzulernen, das mir davor relativ unbekannt war, einen Einblick in ein anderes Unisystem zu bekommen und Kultur und Leute vor Ort kennenzulernen. „Hiermit stimme ich zu, dass mein Erfahrungsbericht auf der Homepage des Akademischen Auslandsamtes/International Office veröffentlich werden darf.“