Deutschland
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NR. 39, 18. JULI 2014 DEUTSCHE AUSGABE Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904 BRASILIEN GROSSARTIGER GASTGEBER SEPP BLATTER DEUTSCHLAND SETZT MASSSTÄBE GÉRARD HOULLIER SO FUNKTIONIERT FUSSBALL HEUTE WM 2014 Es war fantastisch W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY I N H A LT 6 Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com Grosses Kino Mit einem Traumtor in der 113. Minute setzte Deutschland der WM 2014 ein glamouröses Ende. Wir blicken nochmals zurück auf das Turnier und suchen nach Gründen des Erfolges und des Misserfolges einzelner Teams. Dabei wagen unsere fünf Autoren auch einen Blick in die Zukunft. 17 USA: Der Soccer-Hype Noch nie hatte eine Fussball-Weltmeisterschaft in den USA mehr Interesse ausgelöst als 2014. Jetzt erhofft sich die Major League Soccer einen Aufschwung. Trotzdem ist Geduld gefragt. 19 Sepp Blatter “Deutschland ist ein würdiger Weltmeister”, hält der FIFA-Präsident in seiner Kolumne fest. “Gleichzeitig gibt es aber 15 000 WM-Teil nehmer, die eine Goldmedaille verdient haben: die Volunteers.” 37 Verweis mit Folgen 1972 wurde Afrikas Fussballlegende Abdel Moneim Hussein von der Schule geschmissen. Erst dieser Verweis lancierte seine Karriere. Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com 9 Argentinien Gutes Spiel, schlechte Chancenverwertung: Warum es dem Team von Superstar Messi nicht zum dritten Titel gereicht hat. 24 Brasilien Allen Befürchtungen zum Trotz: Brasilien erwies sich als herzlicher Gastgeber. Das Turnier wurde zur WM der Lebensfreude. Es war fantastisch Mario Götze, wer sonst, ziert diese Woche unser Titelbild. Die Aufnahme ist eine gute halbe Stunde nach seinem 1:0-Treffer im WM-Finale entstanden. Laurence Griffiths / Getty Images FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft 5. bis 24. August 2014, Kanada 2 T H E F I FA W E E K LY Olympische Jugendfussballturniere 14. bis 27. August 2014, Nanjing Getty Images (3) The-FIFA-Weekly-App The FIFA Weekly, das Magazin der FIFA, erscheint jeden Freitag neu und in fünf Sprachen – und ist auch auf Ihrem Tablet verfügbar. D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L Europa 54 Mitglieder www.uefa.com Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com 30 18 Viel Qualität Der ehemalige Liverpool-Trainer Gérard Houllier analysiert die WM mit wissenschaftlicher Akribie: “Die Intensität vieler Spiele war phänomenal.” imago (1) Deutschland Der Titelgewinn hat eine Vorgeschichte, die vor zehn Jahren begann. FIFA Klub-Weltmeisterschaft 10. bis 20. Dezember 2014, Marokko FIFA U-20-Weltmeisterschaft 30. Mai bis 20. Juni 2015, Neuseeland FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 6. Juni bis 5. Juli 2015, Kanada T H E F I FA W E E K LY 3 UNCOVERED Ein Leben lang N un liegen sie irgendwo am Swimmingpool, vielleicht unerkannt mit Sonnenbrille und Sonnenhut. Abends geniessen sie an der Strandbar einen Drink, womöglich schaut dann doch noch ein Autogrammjäger vorbei. Gibt es als deutscher Nationalspieler in diesen Tagen eine schönere Pflicht? Sie signieren jetzt als Weltmeister – ein Leben lang. Diese Ehre kommt wenigen zu. Cruyff oder Beckham jedenfalls nicht. Sven Goldmann würdigt den Titelgewinn Deutschlands und erklärt, weshalb sich Joachim Löw Zeit lässt, sich über seine Zukunftspläne zu äussern. Darüber hinaus bewerten vier Autoren das Abschneiden der grossen und kleinen Fussballnationen und sagen, mit welchen Teams in den nächsten Jahren zu rechnen ist. N eben schönem Fussball präsentierte sich Brasilien als grossartiger Gastgeber. Perikles Monioudis hat sich bis zum letzten Turnier-Tag in Brasilien aufgehalten um die Atmosphäre aufzugreifen. Sein Fazit: Die zwanzigste WM war ein Wettbewerb der Lebensfreude. Wie es das fünftgrösste Land der Welt trotz aller Skepsis geschafft hat, ein fantastisches Turnier auszurichten, lesen Sie in der dreiseitigen Reportage. S epp Blatter stuft den Triumph von Deutschland als logische Konsequenz ein. In seiner Kolumne spricht der FIFA-Präsident über die kontinuierliche Aufbauarbeit von Löws Team und schickt zum Turnierabschluss einen besonderen Dank an die 15 000 Volunteers: “Sie haben mit hervorragender Arbeit alle WM-Gold verdient.” U m unsere WM-Ausgabe zu komplettieren, haben wir nach dem Finale mit dem Franzosen Gérard Houllier gesprochen. Der ehemalige Liverpool-Trainer analysiert die Spiele w issenschaftlich und sagt: “Herausragend war, dass es keine krass unterlegenen Mannschaften gab. Ich wünsche mir, dass in Zukunft weiterhin diese spielerische und technische Qualität im Vordergrund steht.” Å Alan Schweingruber Instagram (2), Twitter (1) Grüsse aus dem Urlaub Mesut Özil (oben), Bastian Schweinsteiger (rechts) und Mario Götze (mit Sängerin Rihanna). T H E F I FA W E E K LY 5 W M - A N A LY S E Grosses Kino 6 T H E F I FA W E E K LY DEUTSCHLAND Mehr geht nicht Angeführt von Bastian Schweinsteiger präsentiert sich der neue Weltmeister seinen Fans. Sven Goldmann, Rio de Janeiro A “The Winner Takes it All.” Aber was machte Deutschland zum Weltmeister? Weshalb ist Argentinien gescheitert? Und wie geht’s mit Brasilien und Italien weiter? Fünf WM-Autoren auf Spurensuche. Alex Livesey/Getty Images lle herzten die Kanzlerin. Das gehört mittlerweile zum Pflichtprogramm, seit der Weltmeisterschaft 2006, als Angela Merkel zum ersten Mal im Mannschaftshotel, auf der Tribüne und in der Kabine auftauchte. Fussball ist in Deutschland schon immer ein bisschen Politik gewesen, und was hat eine Bundeskanzlerin im Sommer auch anderes zu tun, als nach Rio de Janeiro zu fliegen und ihren Jungs die Daumen zu drücken? Das Maracanã hat ihnen zugejubelt nach diesem 1:0-Sieg im WM-Finale über Argentinien. Knapp 10 000 waren aus Deutschland angereist, sie machten den grössten Lärm, obwohl doch viel mehr Argentinier dort waren, aber auch die verneigten sich vor dem neuen Weltmeister, denn er ist ein würdiger Weltmeister. Die grössten und buntesten und schönsten Kränze flochten die Torcedores aus Brasilien. Die Liebhaber des schönen Spiels, das sie bei ihrer Mannschaft so sehr vermisst und überraschenderweise bei den Deutschen wiedergefunden haben. Der Sieg im Finale im Maracanã war der finale Federstrich unter ein Gemälde, dessen weitgehende Fertigstellung das Land des Fussballs doch schon vier Tage vorher hatte besichtigen müssen. Oder dürfen? Von Brasilianern herzlich empfangen Brasilien weinte nach diesem epochalen 1:7 seiner Seleção im Halbfinale gegen Deutschland. Aber die Tränen trockneten schnell. Nach dem Spiel wagten sich die deutschen Fans nur zögerlich ins nächtliche Belo Horizonte. Wie würden die gedemütigten Brasilianer reagieren? Warum patrouillierte so viel schwer bewaffnetes Militär durch die Strassen? Aber als sie dann stolz und leise in die Bars und Cafés traten, da sprangen die Männer, Frauen, Greise und Jugendlichen in ihren gelben Hemden auf, umarmten die Gäste und bedankten sich für das in Vollendung vorgeführte Spiel, und schon standen die ersten Biere und Caipirinhas auf den Tischen, und es wurde noch eine lange Nacht. Das alte Land des Fussballs hat sich neu verliebt in diesen Wochen der “Copa”. Und für wen anderes hätten die Torcedores beim Endspiel schon in die Tröten blasen können, wenn nicht für diese neuen Interpreten der Leidenschaft und Schönheit? Natürlich hat die deutsche Mannschaft im Endspiel nicht so dominiert wie im Halbfinale. Dafür waren die T H E F I FA W E E K LY 7 DEUTSCHLAND Und noch einmal zum Geniessen Das Tor von Mario Götze in der 113. Minute des Finales. Vorname, Name, Stadt-Ort Joachim Löw macht weiter, weil ihm die Arbeit so viel Spass macht. 8 T H E F I FA W E E K LY Fussball zelebrieren statt arbeiten Auch in dieser Umkehrung der früheren Verhältnisse lag der Zauber des Endspiels. Argentinien hatte die besseren Torchancen, aber Deutschland spielte den besseren Fussball. Mit einem Ensemble, in dem es keinen Schwachpunkt gab und keinen Superstar, allenfalls zwischenzeitlich herausragende Spieler – es war in jedem Spiel ein anderer. Gegen Portugal Thomas Müller, gegen Brasilien Toni Kroos, im Endspiel Bastian Schweinsteiger, der eben kein ewig Unvollendeter ist, was er schon vor einem Jahr im Champions-League-Finale mit den Bayern bewiesen hatte. Schweinsteiger war die überragende Figur des Finales, mit einer Passquote von annähernd 100 Prozent. Aber in Erinnerung wird bleiben, wie die Deutschen das Spiel für sich entschieden. Nicht mit einem Glücksschuss oder einem Elfmeter, sondern mit einer Komposition aus drei Ballkontakten – Flanke, Annahme, Volleyschuss, technisch perfekt in der Seitenlage. Mario Götze, der spät eingewechselte Autor dieses Meisterwerks, zählt zu dieser nachgewachsenen Generation, die Fussball nicht mehr arbeitet, sondern zelebriert. Und dabei doch nicht die intellektuell-strategische Komponente vernachlässigt, wie noch vor zwei Jahren bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. Es gab auch in Deutschland eine Zeit, da hielten es viele Fussballfans eher mit den Gegnern von Deutschland. Das hatte, wohl als Spätfolge des Zweiten Weltkrieges, gewiss auch politische Gründe, aber nicht nur. Heute ist es diese Kombination aus Schönheit und Effizienz, von der die Fans auf der ganzen Welt – und auch in Deutschland selbst – fasziniert sind. So wie diese Spieler ihren Job auf dem Rasen erledigen, wollen die Deutschen auch im Alltag sein und von den anderen wahrgenommen werden. Löw ist altmodisch unberechenbar Über allem steht der Mann, der den Paradigmenwechsel gegen jeden Widerstand und trotz öffentlicher Angriffe auf seine Position durchgedrückt hat. Der Bundestrainer Joachim Löw interessiert sich durchaus für andere Meinungen, nimmt sich aber die Freiheit, sie daraufhin zu überprüfen, ob sie sich mit seinen Überzeugungen vereinbaren lassen. Er war sich nicht zu schade, sein System während der WM von 4-3-3 auf 4-2-3-1 umzustellen. Nicht weil es ihm andere einredeten, sondern weil er selbst es für richtig hielt. Löw ist auf eine altmodische Art unberechenbar. Nach dem gewonnenen WM-Finale hatten viele mit seinem Rückzug gerechnet, weil doch jetzt alle Ziele erreicht seien. So aber denkt der Bundestrainer nicht. Natürlich macht er weiter, aber nicht aus karrieristischen Motiven, sondern weil ihm die Arbeit so viel Spass macht. Weil eben nichts zu Ende ist, sondern gerade erst anfängt. Deswegen hat auch noch keiner der neuen Weltmeister mit grosser Geste seinen Rücktritt erklärt. Es ist dieser Spass ohne weitergehende Berechnung, der das neue Deutschland auf dem Rasen so authentisch macht. Å imago, Jamie McDonald/Getty Images Argentinier zu gut. Auf eine Weise, die an die einstmals verächtlich als “typisch deutsch” k arikierten Tugenden erinnerte: Kampf und Disziplin – allerdings auf einem technisch sehr viel höheren Niveau. ARGENTINIEN Andrew Warshaw, Belo Horizonte Z u Tausenden strömten sie in blau-weissen Horden nach Rio de Janeiro. Sie nutzten dafür alle Mittel, die ihnen zur Verfügung standen. Manche nahmen eine zweitägige Reise im Wohnmobil in Kauf, da längst alle Flüge ausgebucht waren. Die Copacabana wurde praktisch besetzt, der berühmte Strand von Rio de Janeiro in ein zweites Zuhause verwandelt. Sie sangen ihre Lieder – viele davon auf grausame Weise an die Gastgebernation gerichtet – und huldigten ihrem Genie. Dieser Mann, auch unter dem Namen Lionel Messi bekannt, sollte die grösste Trophäe des Sports zum ersten Mal seit 28 Jahren aus dem Feindesland über die Grenze nach Argentinien zurückbringen. Doch dies gelang nicht. Am Ende des Finals blieb Messi, seinen Teamkameraden und dem zurückhaltenden argentinischen Trainer A lejandro Sabella nichts als Niedergeschlagenheit. Und der quälende Gedanke, was möglich gewesen wäre, wenn die Mannschaft eine der wenigen erstklassigen Chancen genutzt hätte. Die grösste Ironie in der Niederlage der Argentinier im WM-Finale gegen Deutschland liegt wohl darin, dass sie ihren bis dahin besten Fussball gezeigt haben. Im Moment des herzzerreissenden Schmerzes nach der Finalniederlage lobte Sabella den Kampfgeist seiner Mannschaft und sprach von einem ausgeglichenen Duell. Doch jeder, der A rgentinien regelmässig verfolgt hat, würde wohl zustimmen, dass das Team gehemmt wirkte. Dass es ihm am Glauben fehlte, an Bewegung und K reativität mangelte. Wie zum Beispiel in der Partie gegen Iran. Wenn das iranische Team seine Chancen in Belo Horizonte genutzt hätte, wären wir möglicherweise Zeugen einer der grössten Überraschungen der WM-Geschichte geworden. Dass sich Argentinien in diesem Spiel nicht zum einzigen Mal im Verlauf des Turniers durchmogelte, verdankt das Team vor allem einem Mann – Messi. Gleichwohl muss Sabella zugutegehalten werden, dass er fast alles richtig gemacht hat. Mascherano bewies, dass er noch immer in der körperlichen Verfassung ist, um im Mittelfeld mit den Besten mitzuhalten. Martín Demichelis, der im Verein in der letzten Saison als Schwachpunkt galt, strömte in der argentinischen Innenverteidigung eine souveräne Ruhe aus. Und natürlich führen im Fussball viele Wege nach Rom. Ein schwer zu überwindendes Team zu sein, ist eine Möglichkeit. Daran besteht kein Zweifel. Doch ohne die nötige Inspiration und Kreativität in anderen Bereichen war die argentinische Mannschaft zu sehr davon abhängig, dass ihr launischer Messi sie aus der Klemme befreit. Argentinien ist es immerhin gelungen, bis zum letztlich bitteren Ende im Turnier zu bleiben. Auch wenn dies eher dem Pragmatismus des Teams als seiner Brillanz zu verdanken ist. Und der immer noch erst 27-jährige Messi wird wohl noch mindestens eine WM vor sich haben. Der unterbewertete Sabella hingegen, der die Mannschaft 2011 übernahm und nun wahrscheinlich gehen wird, flösste der Mannschaft eine lobenswerte Arbeitsmoral und die dringend benötigte taktische Disziplin ein. Für manche wird er als derjenige Mann in die Geschichte eingehen, der Argentinien zum ersten Mal seit 24 Jahren in ein Finale führte. Für andere als der Mann, der so nah dran war und gleichzeitig so weit entfernt. Zum Leidwesen Sabellas erinnern sich viele Menschen nur an die Sieger. Å Sabella muss zugute gehalten w erden, dass er fast alles richtig g emacht hat. Irgendwann kommt eine neue Chance Argentiniens Coach Alejandro Sabella und sein Superstar Lionel Messi. T H E F I FA W E E K LY 9 BRASILIEN Seleção – wie weiter? Dieser Gedanke nach dem 0:3 gegen die Niederlande lässt sich auf die gesamte Entwicklung des brasilianischen Fussballs übertragen. P Der Verband wird an einer gründlichen Ursachen forschung nicht vorbei kommen. 10 T H E F I FA W E E K LY elé, quasi die höchste moralische Instanz im Weltfussball, twitterte schon im Moment des 1:7 gegen Deutschland beschwichtigende Worte: “Der Fussball ist wie eine Wundertüte – dieses Resultat hätte niemand erwartet. Wir werden den sechsten Titel 2018 in Russland gewinnen.” Dem König des Fussballs zu widersprechen, wagt niemand öffentlich. Hinter vorgehaltener Hand werden bezüglich der Wettbewerbstauglichkeit des brasilianischen Fussballs – auf Verbandsstufe – aber grosse Fragezeichen gesetzt. Man verlasse sich zu sehr aufs Talent und (vergangene) Erfolge und vergesse dabei die Grundlagenarbeit im Nachwuchsbereich. Der Schlusspunkt als Höchststrafe: Gellende Pfiffe und deftige Schmährufe hallten letzten Samstag durchs Estádio Nacional in Brasília, auf den Tribünen das kollektive Kopfschütteln und auf dem Rasen die grosse Leere. Die brasilianische Nationalmannschaft verlor auch das Spiel um Platz 3 sangund klanglos – 0:3 gegen die Niederlande. Dabei sah das Drehbuch ein ganz anderes Szenario vor. Trainer Luiz Felipe Scolari, der Brasilien 2002 zum fünften WM-Titel geführt hatte, hatte einen klaren Auftrag erhalten: die Komplettierung der Hexa, den Gewinn des 6. WM-Titels – und die Tilgung der Schmach von 1950, als Brasilien die WM vor heimischem A nhang an Uruguay verspielt hatte. Nach dem Gewinn des Konföderationen- Pokals 2013 sahen es die meisten Brasilianer als qu asi gottgegebenes Recht, dass ihre Mannschaft auch in diesem Juli triumphiert – und klammerten zwei Dinge grosszügig aus: In der Offensive lastete praktisch der ganze Druck auf den Schultern eines 22-jährigen Jünglings (Neymar), und in der Defensive bot die Seleção ab dem ersten Spiel gegen Kroatien grosse Angriffsflächen. Teams wie Deutschland und Argentinien, aber auch Holland oder Chile, waren ihr bezüglich Organisation und taktischer Disziplin überlegen. Als Neymar im Spiel gegen Kolumbien mit einem gebrochenen Lendenwirbel vom WM-Rasen getragen wurde, verflüchtigte sich der vermeintlich offensive Ballzauber auf Nimmerwiedersehen. Und beim 1:7 gegen Deutschland brach das Unheil kübelweise über Brasilien herein. Gary Lineker, der englische WM-Torschützenkönig von 1986 und heutiger BBC-Kommentator, sagt: “Es war der Abend, als Brasiliens schönes Spiel starb. Nichts mehr ist wie vorher.” Ebenso deutlich wird der frühere argentinische Nationalspieler und heutige Trainer Gabriel Calderón: “Diese Niederlage stellt im brasilianischen Fussball vieles in Frage – den Trainer, die Spieler, die Taktik. Lange träumten alle davon, wie Brasilien zu spielen. Dann hat Spanien den Fussball auf eine neue Stufe gehoben – und jetzt setzen die Deutschen den Massstab. Sie spielen wie früher die Brasilianer.” Die brasilianischen Junioren-Auswahlen gehören momentan nicht zu den besten. Die U-17-Mannschaft scheiterte an der WM 2013 in den Vereinigten Arabischen Emiraten in den Viertelfinals an Mexiko, die U-20-Mannschaft war im gleichen Jahr an der WM in der Türkei nicht dabei. Der Verband wird an einer gründlichen Ursachenforschung nicht vorbeikommen – und an deren Ende dürfte die Erkenntnis stehen: zurück auf Feld 1 – mit einem neuen Konzept, einem neuen Ausbildungsprogramm und einem neuen Trainer für die Nationalmannschaft. Denn mit dem WM-Titel von 2002 lässt sich in der Gegenwart nichts mehr kaufen. Å The Asahi Shimbun/Getty Images, imago Thomas Renggli, Rio de Janeiro L AT EIN AMERIK A Jordi Punti D eutschland hat das Finale gewonnen und ist verdient Weltmeister geworden, aber wenn wir unseren Blick etwas weiter schweifen lassen, erkennen wir, dass der grosse Gewinner dieser WM Amerika war – und zwar ganz Amerika, vom Norden bis in den Süden. Die WM in Brasilien hat nun in einigen Bereichen für Klarheit gesorgt. Da wäre zunächst einmal die Topform, in der sich die Torhüter präsentierten, die in vielen Partien die entscheidende Rolle spielten. Diese Tatsache trifft mit dem nahezu vollständigen Fehlen des klassischen Mittelstürmers zusammen, dem Mann mit der Trikotnummer 9, dessen Aufgabe es ist, an vorderster Front auf seine Chance zu warten und Tore zu erzielen. Ein weiterer Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist der Tribut, den die anspruchsvollen Wettbewerbe in Europa und die hohe Anzahl der Partien gefordert haben, welche die Spieler bestreiten müssen. Dies führte dazu, dass zahlreiche grosse Stars (Reus, Montolivo, Falcao, Ribéry, Strootman) gar nicht erst zur WM antreten konnten. Hinzu kamen schwere Verletzungen während der WM (Di María) sowie die Formtiefs weiterer wichtiger Spieler (Cristiano Ronaldo). In diesem Zusammenhang lässt sich jedoch auch eine neue, positive Tendenz beobachten, und zwar das hohe Niveau des amerikanischen Fussballs. Teams wie Chile, Costa Rica und Kolumbien boten technisch einige der besten Partien dieser WM und zeigten dabei Fussball mit hohem Unterhaltungswert. Die Hälfte der Teams, denen der Einzug in die zweite Runde gelang, stammte aus Amerika. Zahlreiche Spieler lieferten hier Glanzleistungen ab und man könnte problemlos eine Traumelf aus Akteuren zusammenstellen, deren Mannschaften am Ende noch nicht einmal das Halbfinale erreichten. Probieren wir es doch e infach einmal. Tor: Keylor Navas (Costa Rica). Abwehr: Eugenio Mena (Chile), Diego Godín (Uruguay), Rafael Márquez (Mexiko). Mittelfeld: Michael Bradley (USA), James Rodríguez (Kolumbien), Juan Cuadrado (Kolumbien), Jermaine Jones (USA). Angriff: Alexis Sánchez (Chile), Edinson Cavani (Uruguay), Joel Campbell (Costa Rica). Natürlich sind die Erfolge der Teams zum Grossteil auch den jeweiligen Nationaltrainern zu verdanken. Herrera (Mexiko) und Tabárez (Uruguay) haben es geschafft, Mannschaften Charakter zu verleihen, die im Vorfeld der WM von vielen Zweifeln umgeben waren. Ohne die Bescheidenheit ausser Acht zu lassen, hat Pinto es geschafft, dass die Costa Ricaner in der wohl schwierigsten Gruppe überhaupt daran geglaubt haben, dass sie mehr sein könnten als blosse Komparsen. Genau wie Sampaoli in Chile und Pekerman in Kolumbien ist es diesen Trainern ausserdem gelungen, noch einen Schritt weiterzugehen: Sie haben zukunftsträchtige Teams auf die Beine gestellt und eine solide Basis dafür geschaffen, dass man es durchaus noch weiterbringen könnte. Mit Ausnahme von Pekerman, der bislang noch nicht bestätigt hat, dass er Kolumbien weiterhin trainieren wird, wird die Mehrheit dieser Trainer mit den entsprechenden Teams anlässlich der Copa América 2015 in Chile aufeinandertreffen. Teilweise dürfte sich das Ganze ausnehmen wie eine Art Déjà-vu der jüngsten Weltmeisterschaft. Bei diesem Turnier werden Spieler wie Sánchez und Vidal bei Chile sowie James Rodríguez und Cuadrado bei Kolumbien Gelegenheit haben, ihr grosses Talent zu bestätigen. Gleichzeitig werden die ewigen Favoriten Brasilien und Argentinien auf dem Prüfstand stehen, die bei der WM zwar weitergekommen sind als alle anderen, ihre Spielweise aber vermutlich überdenken müssen. Å Teams wie Chile, Costa Rica und K olumbien boten technisch einige der besten Partien dieser WM. Starkes Lateinamerika Die sechs “Heim”- Nationen Chile, Kolumbien, Costa Rica, Uruguay, Argentinen und Mexiko erreichten in Brasilien alle die K.-o.-Phase. T H E F I FA W E E K LY 11 ENGLAND “Die Premier League drängt unsere Nationalmannschaft in den Schatten” Der Engländer Rio Ferdinand gehört zu den erfolgreichsten Spielern der Gegenwart. In Brasilien stand er als TV-Experte im Einsatz – und schwankte zwischen Begeisterung für die WM und Enttäuschung über die englische Leistung. Name Rio Ferdinand, wie fällt Ihre persönliche Bilanz der WM aus? Rio Ferdinand Es war fantastisch. Viele Tore, epische Dramen, ein grosses Spektakel – viele Mannschaften, die über sich hinausgewachsen sind. Ich denke an Costa Rica, Mexiko, Kolumbien – aber auch an die Niederlande. Kaum jemand hätte das Team so stark erwartet. Auch Organisation und Atmosphäre waren perfekt. Die ganzen negativen Voraussagen sind nicht eingetreten. Was kann man sich Besseres wünschen, als eine Fussball-WM zwischen Maracanã und Copacabana? Diese WM war grossartig – ich habe jeden Moment genossen. 7. November 1978, London Ich glaube nicht – schliesslich qualifizierten sich mit der Niederlande und Deutschland auch zwei europäische Mannschaften für die Halbfinals. Und das Klima war von Spielort zu Spielort sehr unterschiedlich – ja teilweise sogar recht kühl. England zum Beispiel verlor die entscheidende Partie gegen Uruguay bei fast schon britischem Wetter. Ich glaube nicht, dass sich die Bedingungen auf die Resultate ausgewirkt haben. Sie machen nicht das brasilianische Klima für das englische Scheitern verantwortlich? Nein – das war für mich keine Überraschung. Ich habe schon vor der WM in einer Kolumne geschrieben, dass es ein grosser Erfolg wäre, wenn sich England für die K.-o.-Phase qualifizieren würde. Aber mit einem derartigen Desaster rechneten auch Sie nicht? Desaster ist ein zu hartes Wort – es war eine grosse Enttäuschung. England hat schlicht zu schlecht gespielt. Diese Leistung genügte nicht, um weiterzukommen. Am Beispiel von Costa Rica sieht man, was möglich gewesen wäre. Alle haben damit gerechnet, dass der Aussenseiter auf dem letzten 12 T H E F I FA W E E K LY Klubs West Ham, Bournemouth, Leeds, Manchester United Erfolge Sechsfacher Meister Champions-League-Sieger (alles mit ManU) Nationalteam 81 Einsätze, 3 Tore Platz landet. Dann gewann er die Gruppe. Jeder kriegt an einer WM, was er verdient. Aber die Zukunft für England sieht möglicherweise nicht so schlecht aus. Schliesslich stehen einige junge hoffnungsvolle Spieler in der Mannschaft. Man muss jetzt die Schlüsse aus diesem Turnier ziehen – und dem Trainer die Gelegenheit geben, ein Umfeld zu schaffen, in dem Erfolge möglich werden. Auch die Premier League muss über die Bücher. Letztlich hält sie den Schlüssel für die Zukunft der Nationalmannschaft in den Händen. Die Liga dominiert alles – und drängt die Nationalmannschaft in den Schatten. Das heisst, es müssten Reglemente geschaffen werden, damit mehr englische Spieler in den Klubs tragende Rollen spielen … Die FA muss sich überlegen, die Ausländerzahl zu limitieren oder eine Mindestzahl für einheimische Spieler festzulegen. Das wäre ein Ansatz. Aber in der freien Marktwirtschaft ist das schwierig. Das Geld bestimmt, wo und wie der Ball rollt. Und die Premier League geniesst die höhere Priorität als die Nationalmannschaft. Das tut mir weh – auch für die Fans. Die englischen Fans gehören zu den besten der Welt. War es hart für Sie, die Spiele als Aussenstehender anzuschauen? (lacht) Sehr schwer – ich litt fast mehr als auf dem Spielfeld. Das war die erste WM seit meiner Kindheit, die ich als Zuschauer erlebte. Und ich spielte quasi immer noch mit – probierte, die Bälle zu stoppen oder sie in Richtung Tor zu schiessen. Sie stehen am Ende Ihres Vertrages mit Manchester United. Geht Ihre Karriere als Spieler noch weiter? Ich möchte mindestens noch ein Jahr spielen – und stehe mit verschiedenen Klubs in Verhandlung. Unterschrieben ist noch nichts. Sie haben hier in Rio de Janeiro auch die Favelas besucht – und mit den Menschen gesprochen. Ist die WM auch dort wichtig? Wenn Brasilien spielte, schauten natürlich alle zu. Gleichzeitig fühlen sich die Menschen aber von der eigenen Regierung ungerecht behandelt. Die Menschen in den Favelas sagten mir, dass sie kein Geld wollen, sondern infrastrukturelle Verbesserungen, die ihnen erhalten bleiben – im Bildungswesen, in der medizinischen Versorgung, im öffentlichen Verkehr. Wir beklagen uns ja auch in England oft über die Situation. Aber bei uns ist die medizinische Versorgung gratis und das System funktioniert. Das muss einem immer bewusst bleiben. Mit Rio Ferdinand sprach Thomas Renggli Christopher Thomond/Guardian, imago Im Vorfeld war oft vom Heimvorteil der südamerikanischen Nationen die Rede. Gab es den wirklich? Geburtsdatum, Geburtsort EUROPA Luigi Garlando C hristoph Kolumbus ist in gewisser Weise endlich auch im Fussball angekommen: Erstmals hat eine europäische Mannschaft einen Titel in Amerika geholt. Der Titelgewinn der deutschen Mannschaft hat das Scheitern zweier Fussballmächte des Alten Kontinents – Spanien und Italien, die die beiden letzten Weltmeisterschaften gewonnen hatten, – wieder wettgemacht. Dennoch endete für diese beiden Teams die WM in einem Desaster. Die Gründe für das spanische Scheitern sind offensichtlich: das bevorstehende Ende einer Goldenen Generation und einer einzigartigen Spielweise, die nun ebenso wie ein Computerprogramm eines Upgrades bedarf. Doch im Schatten von Xavi & Co. lauern bereits neue Spieler, die eine grossartige Zukunft vor sich haben. Von der spanischen Mannschaft, die im Juni 2013 das Endspiel der U-21-Europameisterschaft gewann, standen vier Spieler im letzten Champions-League-Finale: Koke, Isco, Morata und Carvajal. Thiago Alcántara, der damals drei Treffer erzielt hatte, avancierte inzwischen zu einem Schlüsselspieler von Bayern München, während andere ebenfalls zu den Stammkräften von Topklubs gehören: De Gea, Tello, Montoya ... Diese sind keine Hoffnungsträger mehr, sondern ausgereifte Spieler, die bereits internationale Erfahrung vorweisen können. Spanien verfügt über Talente, Ausbildungseinrichtungen und eine starke Spielweise – also über alles, was für einen Neuanfang nötig ist. Beim nächsten Turnier wird bestimmt wieder eine konkurrenzfähige Furia Roja zu sehen sein. In Italien hingegen sieht es anders aus, zumal das Land eine tief greifende Strukturkrise durchlebt, die in Massenrücktritten – unter anderem des Teamchefs und der Verbandsspitze – nach dem WM-Debakel kulminierte. Von jener italienischen Mannschaft, die das U-21-Finale gegen Spanien verloren hatte, konnten bis dato nur Verratti (Paris Saint-Germain) und Insigne (SSC Neapel) Champions-League-Luft schnuppern. Die Serie A zählt in puncto Nachwuchs- spieler zu den europäischen Schlusslichtern und weist zudem das höchste Durchschnittsalter auf. In Italien gibt es zwischen Nachwuchs- und A-Mannschaften ein regelrechtes schwarzes Loch, das Generationen von Talenten verschlingt, da es an Reservemannschaften mangelt, die in besser entwickelten Ländern die Youngsters in “echten” Meisterschaften mit professionellen Trainingsmethoden an den Spitzenfussball heranführen. Italien bleiben nur noch Pirlo und Buffon, während man weiterhin auf eine Weiterentwicklung Balotellis hofft und ängstlich in die Zukunft blickt. Bei drei europäischen Mannschaften, die in Brasilien für hohen Unterhaltungswert sorgten und auch bei der EM 2016 in Frankreich im Fokus stehen werden, spielten hingegen die jungen Akteure gross auf: Wijnaldum und Depay bei den Niederländern, Courtois und Origi bei den Belgiern sowie Varane und Pogba, der beste junge Spieler der WM, bei den Franzosen. Diese Mannschaften haben eines gemeinsam: die Fähigkeit, die eigene Tradition neu zu interpretieren und darüber hinaus zu gehen. Van Gaal hat die offensive Ausrichtung des niederländischen Fussballs nicht verraten, sondern mit drei Innenverteidigern vielmehr eine starke Defensive hinzugefügt. Dasselbe gilt für Deschamps: Muskeln und Champagner. Belgien konnte die graue Taktik seiner Vergangenheit hinter sich lassen und durch ein farbenfrohes Offensivspektakel ersetzen. Mit etwas weniger Glück, aber sehr viel Mut versuchte auch Roy Hodgson, seine Engländer vom klassischen Kick-and-Rush abzubringen und stattdessen auf ballorientierteren Angriffsfussball zu setzen. Ganz zu schweigen von Joachim Löw, der die Deutschen brasilianischer spielen liess als Brasilien selbst, ohne dabei die typisch deutsche Stabilität zu vernachlässigen. Youngsters und neue Konzepte – bei der WM hat man gesehen, dass Europa gesund und auf einem guten Weg ist. Bis auf Italien. Å Man sieht, dass Europa auf einem g uten Weg ist. Bis auf Italien. Ein Aus mit Würde Frankreich, hier Jungstar Paul Pogba, scheiterte an Weltmeister Deutschland. T H E F I FA W E E K LY 13 EVERY GASP EVERY SCREAM EVERY ROAR EVERY DIVE EVERY BALL E V E RY PAS S EVERY CHANCE EVERY STRIKE E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L SHALL BE SEEN SHALL BE HEARD S H A L L B E FE LT Feel the Beauty BE MOVED THE NEW 4K LED TV “SONY” and “make.believe” are trademarks of Sony Corporation. BLICK IN DIE LIGEN I N Primera División Peruana Provinzielle Luft Sven Goldmann ist Fussballexperte beim “Tagesspiegel” in Berlin. Das WM-Finale im Maracanã ging gerade in die Verlängerung, da wurde es auch woanders in Südamerika ernst. Einmal quer über den Subkontinent in Richtung Nord westen. Peru hat die Weltmeisterschaft in Brasilien nach einem kleinen Zwischenhoch dann doch ziemlich deutlich verpasst und deswegen im Ligabetrieb keine Pause eingelegt. Auf dem Kunstrasen im Estadio Elías Aguirre von Chiclayo empfing der Aufsteiger Los Caimanes am sechsten Spieltag der Apertura Real Garcilaso aus Cusco, die Überraschungsmannschaft der jüngsten Geschichte der Primera DivisiÓn Peruana. HO Real Garcilaso ist ein fussballerisches Start-up- Unternehmen aus Cusco im Andenhochland. Den Verein gibt es erst seit fünf Jahren, gegründet von Absolventen der Schule Inca Garcilaso de la Vega, benannt nach einem peruanischen Chronisten der spanischen S I Conquista. So richtig ernst genommen hat man Real lange Zeit nicht. Weder daheim in Cusco, wo der Traditionsverein Club Sportivo Cienciano schon immer das Sagen hatte als erster und bisher einziger peruanische Klub, der die Copa Sudamericana gewann (vor elf Jahren im Finale gegen Boca Juniors), und erst recht nicht in der Hauptstadt Lima, dem Zentrum des peruanischen Fussballs. Die beiden grossen Mannschaften Universitario de Deportes und Alianza spielen hier seit Ewigkeiten den “Clásico peruano” aus und sind der Konkurrenz zumeist turmhoch überlegen. Alianza ist zwar die frühere Heimat der Nationalhelden Teófilo Cubillas und Claudio Pizarro, hat aber erst 22 Titel gewonnen – vier weniger als Universitario. Und dann kam auf einmal Real Garcilaso, genannt La Maquina Celeste, die himmelblaue Maschine. Der Klub marschierte durch die Instanzen und wäre beinahe schon in der vergangenen Saison, im zweiten Jahr der Erstklassigkeit, Peruanischer Meister geworden. Erst im dritten Spiel der Finalserie setzte sich Universitario mit 2:1-Siegen gegen den Emporkömmling durch, das entscheidende Spiel wurde erst im Elfmeterschiessen gewonnen. Es ist neue Konkurrenz erwachsen, und D E das Establishment aus Lima flucht jetzt doppelt, wenn es mal wieder vom Río Rímac am Pazifik ins Andenhochland geht. Die Luft im 3400 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Cusco ist neuerdings auch sportlich sehr dünn. Real ist nicht so grossartig in die neue Saison gestartet und doch gut genug, um wieder oben anzugreifen. Bei der “Visita a Lacoste”, wie sie die Reise zu den Kaimanen von Chiclayo nennen, sprang durch ein Tor von César Ortiz Mitte der zweiten Halbzeit ein 1:0-Sieg heraus. Das bedeutet erst mal Platz 6. Und die beiden Mannschaften aus Lima? Taten sich schwer. Alianza kam zu Hause nur zu einem torlosen Unentschieden gegen César Vallejo, Universitario musste gar eine 1:2-Niederlage bei Universidad Técnica de Cajamarca einstecken. Mit der Tabellenspitze hat das Establishment aus der Hauptstadt zurzeit ebenso wenig zu tun wie der Emporkömmling aus den Anden. Ganz oben thront eine andere Mannschaft aus der Provinz. Mit vier Siegen aus sechs Spielen heisst die Mannschaft der Stunde Inti Gas Deportes aus Ayacucho. Ebenfalls eine Stadt in den Bergen, aber nicht ganz so hoch und nicht ganz so weit weg von Lima. Å Das Über raschungsteam in Peru Real Garcilaso aus dem Andenhochland. T H E F I FA W E E K LY 15 Bereit für die Liga Alan von Salzburg traf im Pokalspiel gegen Sollenau viermal. Salzburg will vier perfekte Spiele Andreas Jaros ist freier Autor Ligavorstand Christian Ebenbauer nicht lange. Mit einem besseren Preis-Leistungs Verhältnis und einem Wohlfühlambiente in den Stadien soll der Abwärtstrend gestoppt werden. Bereits fixiert sind kundenfreundlichere Anpfiffzeiten ab September: 16 Uhr und 18.30 Uhr an Samstagen. und lebt in Wien. Draussen beim Wakeboardlift flogen Hobbysportler spektakulär über die Wellen der Neuen Donau, und drinnen in der Eventlocation “wake up”, wo Österreichs Bundesliga erstmals die sommerliche Saisonauftakt- Pressekonferenz mit allen Trainern und Kapitänen abhielt, ging es erst recht um den optimalen Drive. “Den Schwung der WM mitnehmen”, lautete die Devise von Bundes liga-Präsidenten Hans Rinner für die am Wochenende startende Meisterschaft, für die der deutsche Wettanbieter Tipico als Bewerbssponsor gewonnen werden konnte. Ob 2014/15 noch mehr Tore fallen als zuletzt? Der Schnitt von 3,3 kann sich absolut sehen lassen. Trotzdem kamen weniger Zuschauer (6165 pro Spiel). “Der brennendste Punkt”, fackelte 16 T H E F I FA W E E K LY Red Bull Salzburg “lieferte” vergangene Saison zu jedem Zeitpunkt: Mit gnadenlos hohem, intensivem Pressing und einer Siegesserie wurde die Europa League buchstäblich im Sturm erobert. Ajax Amsterdam – immerhin mit den späteren WM-Dritten Jasper Cillessen (Torhüter) und Daley Blind (als Abwehrspieler der Niederlande sogar Torschütze gegen Brasilien im Spiel um Platz 3) – war zweimal vorgeführt worden: 3:0 und 3:1, Salzburg erreichte glanzvoll das Achtelfinale, wo dann als erneut besseres Team gegen den FC Basel Endstation war. In der Liga legten die Mozartstädter ein Solo hin. Schon Ende März waren sie, nach 28 von 36 Runden, Meister. Am Ende betrug der Vorsprung auf den Zweiten, Rekordmeister Rapid, sagenhafte 18 Punkte. Titelverteidiger Austria Wien bezahlte die fünf Zähler in der Champions-League-Gruppenphase mit Platz 4, noch hinter Sensationsaufsteiger Grödig. In der neuen Saison würde es Rapid trotz kräftigen personellen Aderlasses (die ab gewanderten Sabitzer, Burgstaller und Boyd erzielten zusammen 33 Tore) gerne spannender machen – dieser Versuch muss allerdings im ungeliebten Happel-Stadion unternommen werden, denn das stimmungsvolle GerhardHanappi-Stadion wird abgerissen und das neue Heimstadion wird erst 2016 fertig sein. Doublegewinner Salzburg, das Regionallist Sollenau im Pokal letzten Samstag 10:1 schlug, konnte seine Schlüsselspieler halten. Das ist keine gute Nachricht für die Konkurrenz. Das überregionale Ziel von Trainer Adi Hütter, der den von Bayer Leverkusen abgeworbenen Roger Schmidt ersetzte: erstmals die Champions-League-Gruppenphase erreichen. “Dazu müssen wir in Topverfassung sein, wir brauchen vier perfekte Spiele!” Die denkbar idealste Einstimmung: Der Liga-Auftaktknaller am Samstag, 19. Juli, daheim gegen Rapid. Å Mario Kneisel / Gepa / EQ Images Österreichische Bundesliga Major League Soccer Das Geduldsspiel Roland Zorn ist Fussballexperte und lebt in F rankfurt am Main. Es wird noch dauern, bis die Vereinigten Staaten “DreamTeams” zu Fussballweltmeisterschaften schicken können, deren Spieler vorzugsweise aus der Major League Soccer (MLS) kommen. Es mag aber auch sein, dass sich diese Sehnsucht nie erfüllt. Doch die Zeichen der Hoffnung sind gesetzt. Wie zuletzt 2002, als die Amerikaner überraschend das Viertelfinale bei der WM erreichten und dann mit etwas Pech am späteren Finalisten Deutschland scheiterten, könnte die MLS auch nach der WM in Brasilien einen Boom erleben. Einen kleinen zumindest, da sich die Amerikaner wie nie zuvor für eine Weltmeisterschaft begeisterten, während der auch für das Team der USA ein belebender Faktor war. Die Mannschaft von Trainer Jürgen Klinsmann, dem deutschen Weltmeister von 1990, schied nach leidenschaftlichen Auftritten zwar schon im Achtelfinale aus, hinterliess aber einen guten Eindruck, weil sie amerikanische Tugenden verkörperte: Sie gab nie auf, kämpfte sich durch eine schwierige Gruppe und hielt dank ihres eisernen Willens auch mit spielstärkeren Teams mit. “Wir haben der Welt bewiesen, dass wir eine Fussballnation sind”, sagt Don Garber, seit 1999 Commissioner der MLS. Ihr Chefpromoter sieht sich ab sofort gefordert, einen Teil der öffentlichen Anteilnahme auf die MLS zu übertragen. Die 19 Klubs starke Liga hat an dem Wochenende, da in Rio de Janeiro der neue Weltmeister gesucht wurde, schon wieder in ihrer Eastern und Western Conference gespielt. Wenn die im Durchschnitt von rund 18 000 Zuschauern besuchten Begegnungen der Major Soccer League stattfinden, versammeln sich vor den Bildschirmen aber nicht mehr bis zu 25 Millionen Menschen, wie beim WM-Gruppenspiel der Amerikaner gegen Portugal, sondern durchschnittlich nur noch 220 000. Das sind deutlich weniger als die im Schnitt 400 000 Fussballfans, die sich die live ausgestrahlten Partien aus der Premier League anschauen. Qualität hat ihren Reiz. einem raschen Tempo, auch was den FanZuspruch und die Qualität der Mannschaften angeht. Dennoch ist der Weg, der vor uns liegt, noch lang.” Und doch verheisst Garber gerade im Blick auf Klinsmanns Team, dass “unsere Fanbasis grösser wird und die Einschaltquoten im Fernsehen höher sein werden”. Es ist ein Geduldsspiel, das die MLS unter dem Konkurrenzdruck der grossen amerikanischen Profiligen im American Football, Baseball und Basketball bestehen muss, aber es ist auch eine grosse Chance, da sich mehr und mehr Augen auf die Major League Soccer richten. Klinsmann, von Natur aus Optimist, sagt: “Die Liga wächst wirtschaftlich in “Wir haben der Welt bewiesen, dass wir eine F ussballnation sind.” Diejenigen, die ihn in Zukunft mitgehen wollen, sind in der Welt des Fussballs nicht ganz unbekannt. So wird der brasilianische Weltstar Kaká 2015 das neugegründete Team Orlando City SC ebenso bereichern wie der spanische Nationalspieler David Villa den im selben Jahr in die MLS aufgenommen New York City FC. David Beckham, die Fussball-Ikone aus England, will einen Klub aus Miami zukünftig in die MLS integrieren so wie auch in Atlanta eine neue Mannschaft geplant ist. “Bis 2022 wollen wir eine der besten Ligen der Welt sein”, verspricht Garber. Don Garber imago Die Neugier auf mehr Fussball ist in den Vereinigten Staaten geweckt, Investoren stehen bereit, bei der Jugend ist der weltweit beliebteste Sport mindestens so populär wie Baseball, die zwanzig Spieler der MLS, die bei der WM im Einsatz waren, – so viele wie nie zuvor – werden von Jahr zu Jahr besser, die Nachwuchsarbeit gewinnt an Professionalität: Gute Voraussetzungen, einen schlafenden Riesen wach zu kitzeln. “Unsere Liga”, sagt Garber und hofft, mit seiner These recht zu bekommen, “wird durch die Massenbegeisterung rund um die WM wichtiger und wertvoller.” Å New Yorker Sieg Federico Higuaín (links) von Columbus verlor letzten Samstag in der Red Bull Arena in New Jersey 1:4 (rechts: Lloyd Sam). T H E F I FA W E E K LY 17 DEBAT T E Ohne Scheuklappen Der letzte Schliff des Meisters Mit grosser Geduld und technischem Verständnis hat Trainer Joachim Löw massgeblich zur Entwicklung beigetragen. Perikles Monioudis A ls grössten Erfolg des deutschen Fuss balls seit dem Wunder von Bern im Jahr 1954 feiert die deutsche Qualitätspresse den Triumph des Löw-Teams in Brasili en. Der Vergleich stimmt nur schon des wegen, weil die deutsche Nationalmann schaft zehn Jahre zuvor – wie damals auch – am Boden war. Der Wiederaufbau des DFB-Teams seit 2014 kann aber nun, nach der WM 2014, als gelungen angesehen werden. Bundestrainer Joachim Löw trat 2006 an die Stelle von Jürgen Klinsmann, dessen Assis tent er zwei Jahre lang gewesen war. In der Pressekonferenz am Vortag zum WM-Finale 2014 machte Löw im Bauch des Maracanã-Sta dions in Rio keinen Hehl daraus, dass er und sein Team beim Wiederaufbau der Nationalelf überall dort Anleihen gemacht haben, “wo wir 18 T H E F I FA W E E K LY etwas Neues beobachten konnten”, eine über raschende Tendenz im Spielsystem, neue Me thoden – ob in den Niederlanden oder sonst wo auf der Welt. Vorbild der Seleção? Dieser langwierige Prozess des Wiederaufbaus steht im brasilianischen Fussball nun an. Die Deutschen haben es vorgemacht: Ohne Scheuklappen haben sie sich den Realitäten des gegenwärtigen Fussballs gestellt. Für die Deutschen hiess das, die Freude an der Schön heit des Spiels für sich zu entdecken, die Lust am schönen Spiel. Sie taten das, ohne dabei über Bord zu werfen, was sie stets ausgezeich net hatte: Durchsetzungswillen und Wett kampfhunger. Dazu kam die über zehn Jahre ausgeprägte Fähigkeit, ein Spiel auch unter ästhetischen Gesichtspunkten zu dominieren – mit innovativen Passfolgen und Freistoss varianten, mit einem flexiblen Stil. Die Brasilianer traten an ihrer Heim-WM dagegen körperbetont auf. Das “Joga bonito”, einst die Grundbedingung des brasilianischen Fussballs, wurde zugunsten eines eher aggres siven Spiels aufgegeben; das variantenreiche Spiel mit dem Ball schien durch das simple Spiel auf den Mann ersetzt worden zu sein. Zurück in die Zukunft Wann wird es den Brasilianern gelingen, ihr schönes Spiel wiederzuerlangen und darin die guten Seiten des Körperbetonten einzuflech ten? Zunächst scheint es angebracht, über dem neuen Spielsystem zu brüten – das gilt nicht nur für die Seleção. Das gilt auch für das spanische Nationalteam, das mit Deutschland einen wür digen Nachfolger in Brasilien gefunden hat. Å Die Weekly-Debatte. Was brennt Ihnen unter den Nägeln? Über welche Themen wollen Sie diskutieren? Ihre Vorschläge an: [email protected] imago Das deutsche Nationalteam hat in den letzten zehn Jahren seine traditionellen Tugenden mit neuen Ideen versehen. Der Seleção steht dieser erfolgversprechende Prozess nun bevor. DEBAT T E PRESIDENTIAL NOTE Die Eindrücke der FIFA.com-User von der Weltmeisterschaft : Dank der Magie des Fernsehens konnte ich 60 von 64 Spielen live verfolgen. Es muss eine unglaubliche Erfahrung sein, ein Spiel live im Stadion zu sehen. Nun bin ich traurig, dass alles vorbei ist und ich habe erst noch die Abschlussfeierlichkeiten verpasst. Ich hoffe, irgendein TV-Sender wird diese im Nachhinein bald noch übertragen. Die FIFA-WM war mit Sicherheit unterhaltsam und spektakulär. Gratulation an den Gast geber Brasilien, vielen Dank für ein höchst genussreiches und unvergessliches Turnier! pinkpearl417, Kanada Meiner Meinung nach wurde das beste Tor an dieser aussergewöhnlichen Weltmeisterschaft von James Rodríguez geschossen! Alvin94270, Frankreich Trotz des enttäuschenden Endresultates von Brasilien in dieser WM muss gesagt werden, dass Scolari ein grossartiger Trainer ist. Er hat sein Team 2002 zu einem WM-Titel geführt und Portugal in das EM-Finale gebracht. Aber die Aufgabe, mit diesem Team einen weiteren Titel auf heimischem Boden zu erkämpfen, war einfach zu gross. Brasilien – so glaube ich – kann von Glück sprechen, dass überhaupt die Halbfinals erreicht wurden. Und mit dem Fehlen von zwei der besten Spieler war es unmöglich, Deutschland zu schlagen! Sauer-Kraut, Kanada Gratulation, deutsche Mannschaft! Spielt auf dieselbe Art und Weise in Russland und die Trophäe wird für immer in euren Händen sein! hubec80, Serbien Herzlichen Glückwunsch an die deutsche Nationalmannschaft! Sie hat ein grossartiges Turnier gespielt und den vierten Stern wahrlich verdient! Sir-Galaxy, Frankreich “Die beste Weltmeisterschaft überhaupt.” Diese war die beste Weltmeisterschaft überhaupt! Ich habe sie in vollen Zügen genossen: die Organisation, die Menschen, das Wetter … tanta_17, Ägypten Die Weltmeisterschaft 2014 hielt sehr viele wunderschöne und ganz wenige traurige Momente für uns bereit! Die Verletzung von Neymar war ein grosser Schock. (Und ich bin davon überzeugt, dass die SeleÇão sogleich wusste, dass nun die Katastrophe nicht weit ist!) ForcaBraNey, Frankreich “Herzlichen Glückwunsch an die deutsche Mannschaft!” 15 000-mal Gold T ore, Spektakel, Dramen. Die WM in Brasilien hat uns verzaubert und gefesselt – und passend zu diesem grossartigen Fussballfest erlebten wir eines der schönsten Tore am Schluss: Der Siegestreffer von Mario Götze für Deutschland im Endspiel gegen Argentinien war ganz hohe Fussballkunst – und er schrieb Sportgeschichte. Erstmals triumphierte auf amerikanischem Boden eine europäische Mannschaft. Dass diese Ehre ausgerechnet Deutschland zukommt, ist kein Zufall. Denn die DFB-Auswahl hat die wohl erstaunlichste Entwicklung aller Spitzenteams hinter sich: Seit 2006 setzt sie spielerische und kreative Massstäbe – und zeigt technische Qualitäten, die man früher nur von südländischen Mannschaften kannte. Gleich zeitig konnte sie die herausragende mentale Belastbarkeit und die weltmeisterliche Konstanz bewahren. Seit 2002 klassierte sie sich an jeder WM-Endrunde in den Top 3. So gesehen, ist der Triumph von Rio de Janeiro die logische Konsequenz einer kontinuierlichen Aufbauarbeit. Das deutsche Team ist der würdige Weltmeister. Gleichzeitig gibt es aber 15 000 andere WM-Teilnehmer, die eine Goldmedaille verdient hätten – die Volunteers, die das freundliche G esicht des Turniers entscheidend geprägt haben. Ob in den Stadien, Hotels, Flughäfen, Medienzentren, Kongresslokalitäten oder an den Bushaltestellen – bei Problemen war immer eine helfende Hand und ein guter Rat erhältlich. Letztlich bleiben die spektakulären Bilder von den Spielen in den Köpfen der Menschen haften. Alle sprechen von Götze, Messi und Neuer. Doch die heimlichen Stars an dieser WM sind die Volunteers. Für ein T-Shirt, e inen Trainingsanzug und ein Paar Schuhe lieferten sie die organisatorische Basis. Ohne die 15 000 freiwilligen Helfer hätte Mario Götze nie zum WM-Helden werden können. Ohne die Volunteers wäre ein Anlass dieses Ausmasses nie denkbar. Für diese Hilfe möchte ich mich aufrichtig und herzlich bedanken! Ihr Sepp Blatter T H E F I FA W E E K LY 19 20 T H E F I FA W E E K LY First Love O r t: Tek n a f, Ba ng l adesc h Datum: 21. Juni 2012 Zeit: 14. 32 Uhr AP / Keystone T H E F I FA W E E K LY 21 © 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group. instinct takes over #predatorinstinct adidas.com/predator SPLIT TER F ussball ist auch ein Spiel der Einsamkeiten – selbst im Spiel der Spiele, im WM-Finale. Zur zweiten Halbzeit erschien der deutsche Kapitän P hilipp Lahm als Erster auf dem Platz, er joggte in die Platzmitte, begleitet von einem nur ganz kurzen Applaus der seinem Team gewogenen Zuschauer im Maracanã zu Rio de Janeiro, und begann dort mit Stretching, bevor er ein paar schnelle Stampfschrittfolgen und breit abgestützte Rückwärtsschritte vollführte, die ein Verteidiger, auch ein Vorwärtsverteidiger wie der Bayern-Kapitän, so oft im Spiel anwendet. Er liess sich Zeit. Ab und zu blickte er zum entfernten Spielertunnel, aber da tat sich noch lange nichts; und auf den Rängen schienen sich die Menschen mit ihren Kameras oder Smartphones genug Beschäftigung zu bereiten. Lahm verlor sich auf dem weiten Feld, keiner schien ihn zu beachten. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Er war für sich allein; mit sich und seinen Gefühlen. Anderthalb Stunden später stemmte er den WM-Pokal siegreich in die Höhe. Å Perikles Monioudis imago P ünktlichkeit sei bei Brasilianern eine Interpretationssache, heisst es immer wieder. Und “Relaxa e aproveita” (entspannen und geniessen) laute das nachahmenswerte Lebensgefühl. Tatsächlich macht in Brasilien niemand einen Aufstand, wenn eine Verabredung mit 15 Minuten Verspätung eingehalten wird. Der Toleranzspielraum ist fast immer grösser als die Ungeduld. In den Grossstädten hat dies auch einen pragmatischen Hintergrund. Je nach Verkehrsfluss kann eine Autofahrt auf gleicher Strecke fünf Minuten oder eine Stunde dauern. Der Chronist lernte Brasilien in den vergangenen fünf Wochen aber auch von einer anderen Seite kennen: Zum Besuch von 19 Spielen an der Fussball-WM waren zwischen Manaus und Porto Alegre insgesamt 21 Inlandflüge nötig. Gesamtbilanz: 20-mal pünktlich oder zu früh am Ziel; einmal mit 30 Minuten Verspätung. Fazit: Hätten die brasilianischen Fussballer so zuverlässig gearbeitet wie die n ationalen Fluggesellschaften, wären sie kaum im Halbfinale abgestürzt. Å Thomas Renggli D as neue Verhältnis der Deutschen zur Fussballkunst ist in den vergangenen Tagen ausgiebig diskutiert und gewürdigt worden. Zwei deutsche Fans leiteten aus dem Stil ihrer Mannschaft das Recht ab, ein a ngemessenes Souvenir mit nach Hause zu nehmen. Auf dem Rückflug bei einer Zwischenlandung in São Paulo besuchten die beiden in Deutschlandtrikots eine temporäre Ausstellung mit dem schönen Titel “Schiess den Ball!”. Sie hatten ja genügend Zeit. Dabei nutzten sie einen vermeintlich unbeobachteten Augenblick, um eine gewichtige Bronzeskulptur unter einem Plexiglaszylinder hervorzuziehen und im Handgepäck zu verstauen. Dummerweise gibt es in der brasilianischen Öffentlichkeit keine unbeobachteten Augenblicke, weil alles mit K ameras gefilmt wird. Die Polizei stellte die beiden Kunstdiebe kurz vor dem Abflug und verhalf ihnen zu kurzer Berühmtheit. Die Bilder der Überwachungskameras liefen danach rund um die Uhr auf allen Fernsehkanälen. Å Sven Goldmann D ie kleine Bar liegt gut. Links die Tram station, rechts ein Feinkostladen, etwas weiter hinten der Geschäftskomplex. Nun, nachdem die WM vorbei ist und sich der Fussballfan wieder den elementaren Dingen zuwenden darf (Lebensunterhalt verdienen, Politikartikel lesen, Blumen kaufen), hat sich die kleine Bar einen Spass gemacht. Besitzer Giovanni öffnet gegen Abend alle Fenster und lässt auf einem grossen Fernseher abwechslungsweise die WM-Spiele der Jahre 1982 und 2014 laufen. Giovanni sagt, das seien seine Lieblings turniere. Darum geht es aber nicht. Es geht darum, dass der Gastronom ein gutes Gespür für den wirtschaftlichen Nutzen hat. Giovanni surft auf der letzten WM-Welle. Er macht Profit mit seinem Spass. Altobelli-Rossi-Tor! Schürrle-Götze-Tor! Immer wieder die gleichen Bilder. Immer wieder die gleichen LiveKommentare. Die Leute bleiben stehen und schauen rein. Und dann tritt Giovanni auf den Plan: “Lust auf einen Campari? Birra? Bruschetta?” Å Alan Schweingruber T H E F I FA W E E K LY 23 DANKE, BR ASILIEN Ort eines grandiosen Finales Rio de Janeiro und sein Maracanã. Eine WM der Lebensfreude Was hatte man vor Brasilien 2014 in den Medien nicht alles befürchtet – Massendemonstrationen, unfertige Stadien, defensiven Hitzefussball. Doch es kam alles ganz, ganz anders. Herzenssache Die friedlichen Fans in Brasilien, im Bild die chilenischen, bleiben noch lange in Erinnerung. 24 T H E F I FA W E E K LY Gustavo Pellizon, AFP Perikles Monioudis, Rio de Janeiro DANKE, BR ASILIEN Public Viewing an der Copacabana Das beliebte FIFA-Fan-Fest in Rio hatte ein Fassungsvermögen von 20 000 Besuchern. Carlos Becerra / Anadolu Agency / Getty Images D ie Argentinier sind weg. Zu Zehntausenden waren sie mit ihren Kleinwagen nach Rio de Janeiro gefahren, um ihrem Team im WM-Finale beizustehen. Sie parkten die Copacabana voll, kochten aus mitgebrachten Töpfen Reis und G emüse und sangen zwei Tage lang. Am d ritten Tag aber, am Montag nach der spektakulären Partie im Maracanã, war schon bei Sonnenaufgang in Rio kaum mehr ein argentinisches Nummernschild auffindbar. Die a rgentinischen Fans hatten die Stadt noch in der Nacht verlassen – ohne die Belohnung durch den Finalsieg. Als gute Verlierer nahmen sie ihr Schicksal hin. Zu Auseinandersetzungen z wischen ihnen und den Deutschen oder den Einheimischen, die unverhohlen für die deutsche Elf und dabei vor allem gegen den Erzrivalen Argentinien waren, kam es nicht. In der Nacht des WM-Finals blieb es in Rio – in dieser Hinsicht – ruhig. Die deutschen Fans, zahlreich, aber nicht omnipräsent wie die Argentinier, konnten schwerlich mit dem Auto anreisen; sie flogen für teures Geld über den Atlantik und verbanden ihre Reise der Hoffnung, die Verheissung vom vierten WM-Titel der DFB-Auswahl, fast schon mehrheitlich mit einem Kultur programm (Führung in der weltberühmten Bibliothek Rios oder im imposanten Opernhaus), zumindest mit einem Sightseeing auf dem Corcovado. So gehörten am Tag nach dem vierten deutschen WM-Triumph die Trikots der Nationalmannschaft in Rio noch immer zum Strassenbild – gemeinsam mit den omnipräsenten gelben Trikots des WM-Gastgebers Brasilien. Begeisterung allenthalben Die Brasilianer haben, allen Unkenrufen zum Trotz, ihre WM 2014 zu einem unvergesslichen Fest gemacht – sowohl was die grossmehrheitlich offensiv geführten Partien aller Teams a ngeht, als auch, was die Atmosphäre und die Professionalität anbelangt, mit der die “Copa” im Grossen wie im Detail absolviert wurde. Die Stadien waren voll, die Zuschauer gingen mit; der WM-Torrekord von Frankreich 1998 (171) wurde eingestellt. Was wurde nicht alles schwarzgemalt vor der WM. Das Klima würde keinen Offensivfussball zulassen, hiess es in den Medien oft genug. Ja, im Norden war es heiss, im Süden kalt, und an der Küste regnete es lange. Aber Man weiss in Brasilien noch nicht, wohin die Reise geht. die Teams spielten auf Angriff. Die Spieler wussten, worum es ging, und waren bereit, für ihre Ziele alles zu geben. Mit den Deutschen hat ein Team triumphiert, das physisch, aber auch mental bestens auf das Turnier in Brasilien eingestellt war. Den klimatischen Bedingungen trugen sie klug Rechnung; das gelang anderen europäischen Spitzenteams nicht optimal, sie schieden früh aus, während umgekehrt die lateinamerikanischen Verbände zu überzeugen wussten. Costa Rica schaffte es aus einer sehr schweren Gruppe ins Viertelfinale. Und Argentinien forderte den Deutschen im Finale alles ab. Mit Algerien und Ghana schafften es erstmals zwei Verbände aus der Afrika-Konföderation in die K.-o.-Phase. “Die Welt lacht zurück” Der deutsche Bundestrainer Joachim Löw hatte nur gerade einen eigentlichen Torjäger aufgeboten, den 36-jährigen Miro Klose, der mit seinem 16. WM-Treffer den Brasilianer Ronaldo überholte und den alleinigen Tor rekord ergatterte. Auch wenn das Achtelfinale gegen Algerien (2:1) zur Nagelprobe geriet: Die deutsche Elf katapultierte sich mit dem 7:1Sieg im Halbfinale gegen Brasilien zum gros sen Favoriten auf den WM-Titel, somit dorthin, wo sie vielleicht nach dem 4:0-Sieg im Gruppenspiel gegen Portugal schon einmal gewesen sein mochte – so oder so in der dominanten Rolle. Doch war das eine Dominanz, die an sich nicht bedrohlich wirkte, denn sie T H E F I FA W E E K LY 25 © 2014 Visa. All rights reserved. Shrek © 2014 DreamWorks Animation L.L.C. All rights reserved. Die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ ist, wo jeder von uns sein will. DANKE, BR ASILIEN Sieg gegen Chile Eine Bar in Brasilia steht nach dem Elfmeterschiessen am 28. Juni Kopf. David Gray / Reuters gründete auf den positiven Aspekten des Spiels, nicht in dessen Zerstörung. Deutschland spielte erfrischend, schön und effizient, lachte dabei aus dem Herzen. “Die Welt lacht zurück”, betitelte die Frankfurter Allgemeine ihren Leitartikel am Folgetag. Dominanz war vor dem Turnier den Spaniern zugetraut worden. Das Kurzpassspiel Tiki-Taka hat sich aber insofern überlebt, als sich sehr langer Ballbesitz an diesem Turnier der Offensivbemühungen als übermässig herausstellte. Das gekonnte schnelle Umschalten von Abwehr auf Angriff dagegen feierte Urstände. Bei ihrem 7:1-Sieg gegen Brasilien hatten die Deutschen lediglich zu 48 Prozent der Spielzeit den Ball in ihren Reihen. Und auch die Niederlande, während des Turniers wenn, dann nur im Elfmeterschiessen besiegt, kamen mit meist weniger Ballbesitz als der Gegner zum Erfolg. Brasiliens Fussball vor Neuanfang Nun, Erfolg war der Seleção nur bedingt b eschieden. Sie ging im Halbfinale gegen Deutschland unter. Der Druck, der auf dem Team lastete, war gross. Im Konföderationen Pokal 2013 noch eine Macht, brachen für das Scolari-Team an der WM alle Dämme (Unentschieden gegen Mexiko, Sieg im Elfmeterschiessen gegen Chile, Deklassierung durch Deutschland). Kein Team hat an einer WM mehr Treffer kassiert als die Seleção an der Heim-WM (17). Das Team ist am Nullpunkt a ngekommen, muss nun in allen Belangen In Rio herrscht Genugtuung darüber, sich von der besten Seite gezeigt zu haben. iederaufgebaut werden. Mit dem Team fragt w sich auch eine ganze Nation nach der eigenen Identität. In TV-Sendungen werden Trainer mit der Philosophie eines Pep Guardiola als Cheftrainer der Seleção gefordert – wenn nicht Guardiola, der FC-Bayern-Coach, selbst. Man weiss noch nicht, wohin die Reise geht. Im Oktober sind Wahlen in Brasilien. Mit dem Ausrichten der WM aber, so viel steht fest, war Brasilien nicht überfordert. Im Gegenteil: Die zwölf Stadien waren fertig, es konnte dort gespielt werden – das hatten viele Medien bis zuletzt für wenig wahrscheinlich gehalten. Und die Anreise gestaltete sich für alle problemlos. Engpässe an den Flug häfen gab es nur in den Befürchtungen der Bedenkenträger. Die fulminanten Fangesänge in den Arenen sind ein Grund dafür, dass der Funke auf die Teams übersprang und so der Weltöffentlichkeit ein ausserordentliches Spektakel, eine friedliche Gefühlswallung beschert wurde. Grosses geleistet Müssig zu erwähnen, dass Massendemonstrationen ausblieben. Der Fussball spielte während der WM die Hauptrolle. Denn die Brasilianer erwiesen sich als politikbewusste Bürger, die sehr wohl zu unterscheiden wussten zwischen den hausgemachten sozialen und wirtschaftlichen Problemen und den Leistungen der FIFA, die schon vor der WM als Sündenbock so gar nicht mehr zu taugen schien. Schon vor dem 64. FIFA-Kongress Anfang Juni in São Paolo war klar: Die Einheimischen freuen sich auf ihre “Copa do Mundo”, und sie werden davon abgehen, Kritik an den falschen Adressaten zu richten. In Rio herrschte in den Tagen nach dem WM-Finale Genugtuung darüber, sich während der WM von der besten Seite gezeigt zu haben. Auch wenn die Seleção neu Anlauf nehmen muss: Die Brasilianer haben bewiesen, dass sie etwas Grosses auf die Beine stellen können. Davon kann man zehren, und dafür dankt ihnen die Welt. Å T H E F I FA W E E K LY 27 Wir bringen alle Fans zusammen Finden Sie neue Freunde und teilen Sie Ihre Begeisterung in der Bord-Lounge der Emirates A380. #AllTimeGreats youtube.com/emirates Hello Tomorrow F I F A ’ S 11 FREE KICK Die Teams mit den meisten WM-Siegen Wenn der Magen rebelliert Alan Schweingruber A m ersten Tag nach der WM meldete sich Hubert krank. Er fühlte sich schlecht. Womöglich eine heimtückische Magen-Darm-Grippe. “Krank?”, schrie sein Chef ins Telefon. “Soll ich Ihnen das glauben, Westermann? Man sagt, Sie hätten letzte Nacht in den Strassen getanzt.” Hubert ging auf die Provokationen seines Chefs schon lange nicht mehr ein. Es war nicht das erste Mal. Bestimmt hatte das ganze Team beim Telefonat mitgehört. Wenn er eine Gelegenheit sah, sich in der Abteilung zu positionieren, liess der Chef seine Bürotür offen. Einmal hatte er Huberts Kollegin Dolores zusammengestaucht, weil diese mit ihrem Wellensittich zum Tierarzt fahren musste. Danach habe Dolores stundenlang geheult. So wurde das Hubert zumindest berichtet. Sein neues Credo hiess: Gemeinheiten dieser Art nicht mehr an sich heranlassen. Die innere Mitte finden. Er nahm ein heisses Bad, dann kochte er sich einen Tee. Am Fernsehen lief ein Zusammenschnitt der besten WM-Szenen 2014: Van Persies Flugkopfball. James’ Weitschusstor gegen Uruguay. Götzes Finaltor aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln. Herrlich. Hubert schmunzelte gequält und schaltete einen Sender weiter. Strömender Regen in Frankreich. Drei Radfahrer kämpften am Berg um die Führung. Einer schien am Bein zu bluten. Ein Sturz? Das müsste seinem Chef auf dem Weg zur Arbeit mal passieren, dachte Hubert. Er lachte kurz auf. Wenig später schlief er ein. Hubert träumte, wie er im Maracanã-Stadion einen Elfmeter ausführte. Dabei stand er vor einem Torwart, der ihn verbal beeinflussen wollte. “Trash Talk” nennt man das im Boxsport. Nicht mit Westermann! Er schwitzte, im Hintergrund lärmten 70 000 Zuschauer. Links oben? Rechts unten? Er drosch den Ball stattdessen über die Latte und alle im Stadion johlten. Am Gitter hinter dem Tor stand sein Chef. “Westermann, du Flasche!”, schrie dieser. Dann wachte Hubert auf. Sein Magen rebellierte. Es ging Hubert noch schlechter als am Vormittag. Er wankte ins Bad, danach in die Küche. Auf halbem Weg spähte er ins Wohnzimmer und sah, wie das Lokalfernsehen gerade die amateurhaften K amerabilder von vergangener Nacht aus strahlte. Eines zeigte Hubert in weissem Fussballshirt und einem zerfetzten Strohhut. Er tanzte mit einem Glas Weissbier in der Hand zu einem deutschen Schlager. Während der K ameramann die Szene heranzoomte, legte Hubert seine Lippen auf die Linse. Am anderen Tag meldete sich Westermann bis Ende Woche krank. Per E-Mail. Å Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion 1 Brasilien 70 Siege in 104 WM-Spielen 2 Deutschland 66 Siege in 106 WM-Spielen 3 Italien 45 Siege in 83 WM-Spielen 4 Argentinien 42 Siege in 77 WM-Spielen 5 Spanien 29 Siege in 59 WM-Spielen 6 Frankreich 28 Siege in 59 WM-Spielen 7 Niederlande 27 Siege in 50 WM-Spielen 8 England 26 Siege in 62 WM-Spielen 9 Uruguay 20 Siege in 51 WM-Spielen 10 Russland 17 Siege in 40 WM-Spielen 11 Schweden 16 Siege in 46 WM-Spielen Quelle: FIFA (FIFA World Cup, Milestones & Superlatives, Statistical Kit, 12.05.2014) T H E F I FA W E E K LY 29 Name: Gérard Houllier Geburtsdatum, Geburtsort 3. September 1947 Thérouanne Stationen als Spieler Liverpool Alsop Hucqueliers AC Le Touquet Stationen als Trainer AC Le Touquet US Noeux-les-Mines RC Lens Paris Saint-Germain Frankreich Liverpool Olympique Lyon Aston Villa 3-mal französischer Meister, UEFA-Pokal, FA Cup 30 T H E F I FA W E E K LY imago Grösste Erfolge DAS INTERVIEW “Wir spüren die Trends heraus” Er gewann dreimal die französische Meisterschaft, führte den FC Liverpool zu grossen nationalen und internationalen Erfolgen. An der WM in Brasilien analysierte Gérard Houllier die Spiele mit wissenschaftlicher Akribie. Das Offensivspektakel war für den Franzosen keine Überraschung. Monsieur Houllier – Sie haben die Weltmeister schaft als Chef der technischen Studiengruppe der FIFA akribisch und analytisch verfolgt. Welche Erkenntnisse bleiben? Klasse, Disziplin, taktische Leidenschaft. Es war kein Zufall, dass Chile nur hauchdünn an Brasilien scheiterte. Fussballerische Topqualität, viele Tore, grosse Unterhaltung. Die Intensität vieler Spiele war phänomenal – und die Dramaturgie kaum zu überbieten. Es begann schon in der Gruppenphase mit Mannschaften, von denen man dies kaum erwartet hätte. Herausragend war auch, dass es keine krass unterlegenen Mannschaften gab. Jedes Team hatte eine Chance auf die Achtelfinal-Qualifikation. Wäre hätte schon gedacht, dass Costa Rica ungeschlagen – und erst nach einem verlorenen Elfmeterschiessen – nach Hause fährt? Wie gross ist der Einfluss des europäischen Klubfussballs? Worin lag genau Ihre Aufgabe an der WM? Ja – aber in der Analyse der brasilianischen Leistung muss man zu einem früheren Zeitpunkt ansetzen. Das Team hatte einen schweren Weg durchs Turnier – mit den technisch starken Kroaten und Mexikanern als unbequeme Gegner. In der K.-o.-Phase waren Chile und Kolumbien hohe Hürden. Was gegen Deutschland passiert ist, war ein Unfall. Ich möchte die Leistung der Deutschen in keiner Weise kleinreden – das Team von Jogi Löw hat perfekt gespielt – aber nach dem zweiten Tor fielen die Brasilianer in eine Art Schockstarre. Das kann im Fussball passieren. Unsere Aufgabe in der technischen Studiengruppe der FIFA ist es, Tendenzen und Trends herauszuspüren. Wir analysieren jedes Spiel, ja jede Situation, werten die Informationen und Daten aus – und lassen den Bericht und eine DVD jedem Nationalverband zukommen. Diese Informationen sind die Grundlage der weltweiten Entwicklungsarbeiten und Förderungsprogramme. An der WM spürt man den Puls des Fussballs – und erkennt, wohin die Entwicklung geht. Wie ist die enorme Leistungsdichte an dieser WM zu erklären? Jede Mannschaft hat Spieler, die in Europa engagiert sind und Erfahrung und eine Botschaft nach Hause tragen. Und den Trainern stehen viel mehr Erkenntnisse und Informationen zur Verfügung als früher – auch durch unsere Analysen. Dazu kommt die immer bessere Grundlagenarbeit im Nachwuchsbereich in vielen Verbänden. Heisst das auch, dass die Stilunterschiede der einzelnen Mannschaften kleiner werden? Ich glaube, wir haben an der WM gesehen, dass viele südamerikanischen Teams mit einer quasi europäischen Organisation spielen – aber gleichzeitig ihre Leidenschaft und den Stolz behalten haben. Ich denke an Kolumbien, Argentinien und Chile. Gerade Chile ist ein hervorragendes Beispiel: Praktisch alle Spieler sind im Ausland engagiert und lassen eine Mischung aus den wichtigsten Qualitäten entstehen – gute Organisation, individuelle Der Fussball ist global – die grossen Talente kommen von allen Kontinenten. Aber selbstverständlich sind die Spitzenligen prägend für die Nationalteams. Die meisten Spieler der besten vier Teams spielen in Europa. Wer in einem europäischen Topklub spielt, bewegt sich vor allem taktisch auf einem hohen Niveau. Kommen wir zurück zu Brasilien. Das 1:7 gegen Deutschland war eines der prägenden Ereignisse des Turniers … Über dieses Spiel werden wir in 50 Jahren noch sprechen. Darin lag vermutlich das Problem des Heimteams. Im Vorfeld der WM sprachen alle über die Schmach von 1950 gegen Uruguay. Das hat einen enormen Druck aufgebaut. Die Brasilianer waren mental auf dieses Szenario nicht vorbereitet. Nach dem ersten Gegentreffer dachten sie, dass sie es noch korrigieren könnten – wie gegen Kroatien. Aber bleiben wir sachlich: Die Mannschaft hat das Halbfi nale erreicht. Wenn man es unter die besten vier Equipen der Welt schafft, ist nicht alles schlecht. Was machen Deutschland und Argentinien besser als die Konkurrenten? Die Deutschen steigerten sich im Verlauf des Turniers kontinuierlich und fanden eine Lösung für jedes Problem. Sie machten kaum Fehler und wuchsen an der Aufgabe. Seit acht Jahren spielt das Team mit Konstanz. Wer über eine so lange Zeitspanne so nah am Titel ist, entwickelt ein grosses Verlangen nach dem Triumph. Auch diese Erfahrung hat die Mannschaft so weit getragen. Und Argentinien? Alle sprechen von Messi. Aber dahinter stehen eine grossartige Organisation und eine exemplarische Disziplin. Argentinien überzeugte durch eine herausragende, defensive Qualität. Es ist kein Zufall, dass die Mannschaft in der K.-o.-Phase keinen Gegentreffer zuliess. Wie erklären Sie sich die offensive Spielweise in den vergangenen viereinhalb Wochen? Für mich kommt das nicht überraschend. Nach dem Konföderationen-Pokal im letzten Jahr habe ich ein spektakuläres, offensiv geführtes Turnier erwartet. Wir wussten schon im Vorfeld, dass für rund 50 Prozent der Trainer ihre Anstellung mit der WM endet. Das animierte wohl viele Coaches dazu, zusätzliche Risiken einzugehen. Am Ursprung der Entwicklung liegen aber auch ein paar kluge Regelanpassungen – beispielsweise das Durchgreifen bei überhartem Einsteigen von hinten. Auch die flächendeckende mediale Abdeckung hat dazu beitragen. Denn schwere Fouls werden automatisch zum grossen Thema – und die “Täter” sozusagen an den Pranger gestellt. Aber wir haben auch das Beispiel von Neymar erlebt, der vom Kolumbianer Juan Zúñiga richtiggehend niedergestreckt wurde. Das war ein Unfall – und kann in jedem Spiel passieren. Ich wage zu behaupten, dass kein Spieler seinen Gegner auf diese Art absichtlich verletzten würde. Was wünschen Sie sich für die künftige Entwicklung des Fussballs? … dass weiterhin die spielerische und technische Qualität im Vordergrund steht, dass man die Stärken der Spieler fördert, dass Kreativität und Ideen ausgelebt werden. Diese WM ist auch das Turnier der überragenden Individualisten – Messi, Robben, Müller, Neymar. Aber jeder dieser Spieler arbeitet auch viel nach hinten – und stellt das Team in den Vordergrund. Das macht den kompletten Fussballer der Gegenwart aus. Å Mit Gérard Houllier sprach Thomas Renggli T H E F I FA W E E K LY 31 ZEITSPIEGEL T H E N London, England 1953 T. Marshall / Topical Press Agency / Getty Images Feinarbeit im Gentlemen’s Club: Der Platzwart in Fulham demonstriert im Rahmen einer Schau die neueste Technik. 32 T H E F I FA W E E K LY ZEITSPIEGEL N O W Rio de Janeiro, Brasilien 2014 Buda Mendes / Getty Images Grünpflege im Maracanã: Ein Mann mäht den bekanntesten Stadion-Rasen Brasiliens. T H E F I FA W E E K LY 33 DAS FIFA-R ANKING Rang Team 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 38 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 53 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 67 69 70 71 72 73 74 75 76 77 34 Deutschland Argentinien Niederlande Kolumbien Belgien Uruguay Brasilien Spanien Schweiz Frankreich Portugal Chile Griechenland Italien USA Costa Rica Kroatien Mexiko Bosnien und Herzegowina England Ecuador Ukraine Russland Algerien Elfenbeinküste Dänemark Schottland Rumänien Schweden Venezuela Serbien Türkei Panama Nigeria Tschechische Republik Ägypten Slowenien Ungarn Ghana Honduras Armenien Tunesien Österreich Wales Japan Slowakei Island Paraguay Iran Montenegro Guinea Usbekistan Norwegen Kamerun Finnland Republik Korea Jordanien Burkina Faso Peru Mali Polen Senegal Libyen Sierra Leone Vereinigte Arabische Emirate Südafrika Albanien Israel Oman Republik Irland Bolivien Bulgarien Aserbaidschan EJR Mazedonien Kap Verde Australien Sambia T H E F I FA W E E K LY → http://de.fifa.com/worldranking/index.html Rangveränderung Punkte 1 3 12 4 6 1 -4 -7 -3 7 1724 1606 1496 1492 1401 1330 1241 1229 1216 1202 -7 2 -1 -5 -2 12 1 2 2 -10 5 -6 -4 -2 -2 -3 0 1 3 10 -1 3 -2 10 -1 0 -12 9 -1 -7 -3 6 -1 -3 1 3 5 2 -6 1 1 7 2 3 6 1 6 2 -14 -3 8 12 1 -10 7 -1 -1 8 10 0 -4 6 10 6 -36 -14 -1 1148 1098 1091 1056 989 986 955 930 917 911 901 898 897 872 850 807 734 733 724 720 717 714 684 664 646 645 644 642 642 637 635 621 614 606 604 588 570 566 563 559 555 523 520 520 508 501 500 495 487 483 478 476 471 469 466 450 444 444 443 440 429 425 410 406 401 397 396 Rang 02 / 2014 03 / 2014 04 / 2014 05 / 2014 06 / 2014 07 / 2014 1 -41 -83 -125 -167 -209 78 79 79 81 82 83 84 85 86 87 88 89 89 91 92 93 94 95 96 96 98 99 99 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 115 117 118 119 120 121 121 123 124 125 126 127 128 129 129 131 131 133 134 135 136 136 138 139 140 140 142 143 144 Platz 1 Aufsteiger des Monats Saudiarabien Marokko Angola Belarus Kongo Jamaika Trinidad und Tobago Palästina Katar Uganda Togo Nordirland Irak Benin Estland Gabun VR China Kenia DR Kongo Georgien Simbabwe Botsuana Niger Neuseeland Moldawien Lettland Litauen Bahrain Tansania Kuwait Luxemburg Ruanda Äthiopien Äquatorial-Guinea Namibia Haiti Mosambik Sudan Liberia Zentralafrikanische Republik Kanada Libanon Kuba Malawi El Salvador Aruba Tadschikistan Dominikanische Republik Burundi Kasachstan Philippinen Afghanistan Vietnam Lesotho Suriname Mauretanien Guatemala St. Vincent und die Grenadinen Neukaledonien Guinea-Bissau St. Lucia Zypern Turkmenistan Tschad Grenada Madagaskar Kirgisistan 12 -2 14 1 3 -2 -13 9 14 -1 0 1 15 -4 6 -4 9 13 -12 0 1 -7 13 -4 -1 6 2 5 7 8 11 7 -3 -9 2 -40 4 5 1 -12 -8 6 -25 1 -53 -3 2 6 2 -3 1 1 -6 8 5 4 -7 -2 4 -2 -1 3 3 -6 2 1 5 Absteiger des Monats 384 377 377 376 375 373 369 362 361 358 357 356 356 354 345 344 342 339 338 338 334 332 332 330 325 314 312 288 287 281 278 276 273 270 264 262 257 256 256 253 250 249 245 234 234 233 232 230 222 220 218 217 217 213 213 208 204 203 199 199 195 193 183 183 182 179 176 145 146 147 148 149 150 151 151 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 167 169 170 171 172 173 174 175 175 177 178 178 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 190 192 192 192 192 196 197 198 199 200 200 202 203 204 205 206 207 208 208 Malediven Syrien DVR Korea Gambia Antigua und Barbuda Malta Malaysia Indien Indonesien Singapur Guyana Puerto Rico Thailand St. Kitts und Nevis Swasiland Myanmar Belize Hongkong Bangladesch Nepal Pakistan Montserrat Liechtenstein Dominica Barbados Laos Tahiti Komoren Bermuda Guam Nicaragua Salomon-Inseln São Tomé und Príncipe Sri Lanka Chinese Taipei Jemen Turks- und Caicos-Inseln Seychellen Curaçao Färöer Mauritius Südsudan Vanuatu Fidschi Mongolei Amerikanische Jungferninseln Samoa Bahamas Brunei Darussalam Osttimor Tonga Cayman-Inseln Amerikanisch-Samoa Andorra Papua-Neuguinea Kambodscha Britische Jungferninseln Eritrea Somalia Macau Dschibuti Cook-Inseln Anguilla Bhutan San Marino 2 -6 -1 0 2 -18 2 3 4 1 1 2 -8 2 14 -1 -9 1 4 0 -1 0 -5 2 1 -2 -10 2 2 4 1 5 -5 1 -2 3 26 -1 -1 -13 -1 -1 3 0 -2 5 -1 -6 0 0 0 0 1 2 -3 -10 -2 -1 -1 -2 -1 -1 -1 -1 -1 171 169 163 161 152 146 144 144 141 140 136 134 128 124 123 122 117 114 103 102 100 99 93 93 92 87 85 84 83 79 78 78 72 71 71 70 66 64 63 61 56 43 38 31 29 28 28 26 26 26 26 21 18 16 14 13 13 11 8 7 6 5 1 0 0 THE SOUND OF FOOTBALL DAS OBJEK T Perikles Monioudis D Anti-Kommerz-Geist Hanspeter Kuenzler Vier Jahre werden wir bis zum nächsten offiziellen WM-Schlager ausharren müssen. Grund genug, Trost in “inoffiziellen” Fussballliedern zu suchen. Sion Ap Tomos “T he Official Colourbox World Cup Theme” schaffte es trotz flammender Melodie nie über die Grenzen der alternativen britischen Musikszene hinaus. Schon der clevere Scherz im Titel – es war natürlich kein offizieller FIFA-Song, sondern eine “offizielle” Colourbox-Single! – deutet an, dass man es hier nicht mit einem kruden Cash-in zu tun hat. Colourbox, das waren die Gebrüder Martyn und Steven Young, dazu die Sängerin Lorita Grahame. Jahre bevor Techno die Tanzhallen in Beschlag nahm, hatten sie in einer düsteren Kellerwohnung in Maida Vale, London, mit elektronischen Instrumenten und dem beim Hip-Hop ausgeborgten Sampling-Trick experimentiert. Dabei kam weder Krautrock im Stil von Kraftwerk noch Disco à la Giorgio Moroder heraus. Vielmehr vereinten sie Reggae-Beats mit sahninger Soul-Musik, englischem Humor und der Stimmung von Spaghetti-Western. Ein einziges, typischerweise feines Album veröffentlichten sie – es schaffte es in den Charts auf Rang 67. “The Official Colourbox World Cup Theme” erschien auf die WM von 1986 in Mexiko hin. Ganz dem damals in alternativen Musikkreisen herrschenden Anti-Kommerz-Geist folgend, gab die Band am gleichen Tag noch eine zweite Single heraus und ruinierte damit die Chancen von beiden. Schon das Cover hat einsame Klasse: die Konterfeis der englischen Fussballer Jimmy Hill (vorn) und Bobby Robson (hinten) in klassischer Sechzigerjahre-Montur. Der “Song” selber ist ein unglaublich mitreissendes und doch äusserst elegant arrangiertes Instrumentalstück, dessen einziger Text aus gelegentlichen menschlichen Grunzlauten besteht. Kurze Zeit später taten sich Colourbox mit der Gruppe A.R.Kane zusammen, um ihre Sampling-Experimente unter dem Namen M/A/R/R/S auf die Spitze zu treiben. Prompt resultierte der pionierhafte Welt-Hit “Pump up The Volume”. Die Youngs hassten den Rummel. Sie haben seither nie mehr eine Platte aufgenommen. Æ er heilige Rasen – jeder Fussballfan weiss, dass es ihn gibt. Nicht irgendwo, nein, heilig ist der Rasen nur da, wo er dazu bespielt worden ist, wo er also über Generationen hinweg von den Idolen des Spiels benutzt wurde – für ihre Tore des Jahres oder des Jahrzehnts, ihre Titelgewinne. Heilig ist der Rasen da, wo er zu Höherem diente. Auf Anhieb fallen dem Fussballfan bestimmt das Grün des Wembley-Stadions zu London ein und jenes weit umgürtete im Land des fünffachen Weltmeisters: der heilige Rasen des Maracanã-Stadions im brasilianischen Rio de Janeiro. 1950 spielten Brasilien und Uruguay die entscheidende Partie um den WM-Titel im damals gerade neu errichteten Maracanã aus. Das bessere Ende behielten die Uruguayer. 64 Jahre später sah das Stadion aller Stadien ein weiteres WM-Finale, wieder lag dabei für die Seleção nichts drin, denn sie war schon früher aus dem WM-Turnier ausgeschieden. Die Deutschen triumphierten 2014 auf dem heiligen Rasen des Maracanã. Der Rasen ist nun um ein Finalhighlight reicher, um einen Teil der Fussballgeschichte vielmehr, um einen veritablen Mythos, um es genau auszudrücken. Ein Stück des heiligen Rasens im FIFA-Museum in Zürich auszustellen, liegt nahe. Allein, wie bekommt man einen Rasenziegel unbeschadet über den Atlantik ins Herzen Europas, an den Zürichsee? Eine eigens dazu angefertigte Holzschachtel musste dafür herhalten (siehe Bild oben). Sie ist im Unterschied zu ihrem Inhalt zwar nicht heilig, aber immerhin kommt ihr das Verdienst zu, den heiligen Rasen befördert zu haben. Ein Platz in den Archiven des FIFA-Museums scheint ihr jetzt schon sicher. Å T H E F I FA W E E K LY 35 Only eight countries have ever lifted the FIFA World Cup Trophy. Yet over 200 have been winners with FIFA. As an organisation with 209 member associations, our responsibilities do not end with the FIFA World Cup™, but extend to safeguarding the Laws of the Game, developing football around the world and bringing hope to those less privileged. Our Football for Hope Centres are one example of how we use the global power of football to build a better future. www.FIFA.com/aboutfifa TURNING POINT Name Abdel Moneim Hussein Geburtsdatum, Geburtsort 7. Juli 1956, Khartum (Sudan) Position Defensives Mittelfeld Erfolge als Spieler 8-mal ägyptischer Meister, 2-mal ägyptischer Cup-Sieger Erfolge als Coach (Auswahl) 2-mal ägyptischer Meister, Sieger afrikanische Champions League “Der Schulrauswurf war mein Sprungbrett” Der Sudanese Abdel Moneim Hussein ist eine Legende des afrikanischen Fussballs. Diesen Status verdankt er indirekt der Roten Karte an der Universität. Getty Images I n der Fussballwelt bin ich unter dem Spitznamen “Shatta” bekannt. Das ist Arabisch und bedeutet “scharfer Pfeffer”. Ich wurde schon als Kind so gerufen, weil ich nie ruhig sitzen konnte und voller Energie war. Dieser Kraft verdanke ich auch meine Karriere. Denn sie trieb mich stets an, mehr Engagement und Aufwand zu investieren als die meisten meiner Alterskollegen. Ich wuchs mit sechs Schwestern und sechs Brüdern im Sudan auf. Da lernt man automatisch, die Ellbogen auszufahren. Fussball war für mich als Kind bloss ein Hobby. Ich spielte auf der Strasse mit Kollegen. Mehr Zeit und Energie setzte ich in meine schulische Ausbildung. Ich wollte unbedingt Ingenieur werden und erhielt einen Studienplatz an der Universität in Khartum. Das war alles andere als selbstverständlich, denn pro Jahr kam dieses Privileg nur 20 Schülern zu. Parallel zu meinem Studium spielte ich für den lokalen Klub Al Tahrir und mit der universitätsinternen Mannschaft weiter Fussball. 1972 gewannen wir in Tansania völlig überraschend den prestigeträchtigen kontinental-afrikanischen Universitäts-Cup. Ich war Torschützenkönig des Wettbewerbs und wurde zum besten Spieler gewählt. Dieses Ereignis sollte zum gros sen Wendepunkt in meinem Leben werden – a llerdings nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Als wir nämlich nach Khartum zurückkehrten, wurde ich von der Schule geschmissen – mit der Begründung, dass ich drei Wochen unentschuldigt gefehlt hätte. Zuerst war es ein Schock, rückblickend muss ich der Schulleitung für die Suspension aber dankbar sein. Denn sie öffnete mir die Türe zur grossen Fussballwelt. Dank meiner Leistungen waren diverse grosse afrikanische Klubs auf mich aufmerksam geworden. Ich entschied mich schliesslich für den ägyptischen Rekordmeister Al Ahly. Wer den ägyptischen Fussball nicht kennt, kann sich kaum vorstellen, welch grosse Bedeutung dieser Club hat. Die Derbys gegen Zamalek gehören zum heissesten, was der internationale Fussball zu bieten hat – vor einer Kulisse von 120 000 Zuschauern im Kairo-Stadion. Nach dem Rücktritt als Spieler wurde ich Trainer von Al Ahly. Der zweite grosse Wendepunkt bedeutete aber mein Engagement als technischer Direktor des afrikanischen Kontinental-Verbands. In dieser Funktion verfolge ich die Leistungen der Afrikaner in Brasilien mit grösstem Interesse. Dass sich erstmals zwei u nserer Nationalmannschaften für die Achtel finals qualifizierten, ist ein Erfolg. Es wäre aber noch mehr möglich gewesen. Der afrikanische Fussball besitzt das Talent und die Inspiration für ganz grosse Erfolge. Doch er braucht eine solidere administrative und organisatorische Basis. Der Weg dorthin kann nur über mehr Wettbewerb und Konkurrenz führen: inner- wie interkontinental. Deshalb hoffe ich, dass Afrika dereinst mehr als nur fünf Startplätze an der Endrunde erhält. Schliesslich haben wir exakt gleich viele Mitglieder wie die UEFA. Å Aufgezeichnet von Thomas Renggli Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. T H E F I FA W E E K LY 37 WELCOME TO ©2014 THE COCA-COLA COMPANY. COCA-COLA® AND THE CONTOUR BOTTLE ARE REGISTERED TRADEMARKS OF THE COCA-COLA COMPANY. OFFICIAL SPONSOR The FIFA Weekly Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) Internet: www.fifa.com/theweekly FIFA - R ÄT SEL - CUP Ein WM-Trikot, Alfredos Doppelgänger und ... raten Sie mit! Herausgeberin: FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich Tel. +41-(0)43-222 7777 Fax +41-(0)43-222 7878 Präsident: Joseph S. Blatter 1 Generalsekretär: Jérôme Valcke Der Weltklasse-Stürmer spielte für drei Nationalmannschaften, zuletzt für Spanien. Er verpasste die WM 1962 wegen Verletzung. Viele Jahre spielte er für einen spanischen Spitzenklub – der andere Spitzenclub hatte ihn ebenfalls umworben. Und in dieser Stadt starb er auch. Wer? Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Walter De Gregorio Chefredakteur: Perikles Monioudis TRaymond RFerenc PFritz KLaszlo Redaktion: Thomas Renggli (Autor), Alan Schweingruber, Sarah Steiner Art Direction: Catharina Clajus Bildredaktion: Peggy Knotz 2 Produktion: Hans-Peter Frei Bei wie vielen WM-Spielen sah man dieses Trikot? A O E I Layout: Richie Krönert (Leitung), Marianne Bolliger-Crittin, Susanne Egli, Mirijam Ziegler drei oder weniger genau fünf genau sechs sieben oder mehr Korrektorat: Nena Morf, Kristina Rotach Ständige Mitarbeitende: Sérgio Xavier Filho, Luigi Garlando, Sven Goldmann, Hanspeter Kuenzler, Jordi Punti, David Winner, Roland Zorn 3 Was steht hier drauf? C L N R Mitarbeit an dieser Ausgabe: Andreas Jaros, Alissa Rosskopf, Andrew Warshaw, Andreas Wilhelm Man of The Match Golden Boot Fair Play Third Place WC 2014 Redaktionssekretariat: Honey Thaljieh Projektmanagement: Bernd Fisa, Christian Schaub Übersetzung: Sportstranslations Limited www.sportstranslations.com Druck: Zofinger Tagblatt AG www.ztonline.ch 4 Wer hat die meisten WM-Tore geschossen – die abgebildeten Spieler des englischen Klubs, des spanischen Teams, das Trio oder der zweifache Vater? (Elfmeterschiessen zählt nicht mit.) A E H K Getty Images (7), Allsport (1), HO (2) Kontakt: [email protected] Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus The FIFA Weekly, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (The FIFA Weekly, © FIFA 2014) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Die FIFA und das FIFA-Logo sind eingetragene Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt. Ansichten, die in The FIFA Weekly zum Ausdruck gebracht werden, entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der FIFA. Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautet: SEPP Ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly Inspiration und Umsetzung: cus Bitte senden Sie das Lösungswort bis Mittwoch, 23. Juli 2014, an die E-Mail-Adresse [email protected] Die korrekten Lösungen für alle seit dem 13. Juni 2014 erschienenen Rätsel nehmen im Januar 2015 an der Verlosung einer Reise für zwei Personen zum FIFA Ballon d’Or am 12. Januar 2015 teil. Vor Einsendung der Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zu finden sind: http://de.fifa.com/mm/document/af-magazine/fifaweekly/02/20/51/99/de_rules_20140613_german_german.pdf T H E F I FA W E E K LY 39 F R A G E N S I E T H E W E E K LY UMFR AGE DER WOCHE WM 2014: Welcher Fussball-Stil hat Ihnen am besten gefallen? Bei Deutschland standen sieben Spieler von Bayern München im WM-Endspiel – ist das Rekord? Ines Mares, Turin Nein. Vor vier Jahren stellte der FC Barcelona sechs Spieler in der Final-Formation der Spanier: Piqué, Puyol, Busquets, Iniesta, Xavi und Pedro. Insgesamt aber standen sieben Katalanen im Weltmeister-Kader – gleich stark sind die Bayern im aktuellen DFB-Team vertreten. Deutschlands Coach Joachim Löw komplettierte gegen Argentinien mit der Einwechslung von Mario Götze die Bayern-Fraktion. Der Höchstwert liegt 64 Jahre zurück: Im “Endspiel” von 1950 standen neun Spieler von Peñarol Montevideo im Uruguay-Kader: Máspoli, Varela, Ghiggia, Míguez, Schiaffino, Britos, González, Ortuño und Vidal. Peñarol stellte insgesamt neun Weltmeister. Rekord! (thr) Weltmeister Deutschland bestach in Brasilien mit modernem Fussball. Aber auch Costa Rica, Nigeria oder die Niederlande zeigten ansehnliche Spiele. Welcher Stil hat Ihnen besonders gut gefallen? Stimmen Sie ab unter www.fifa.com/newscentre ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE Welches Team gewinnt die FIFA-Fair-Play-Auszeichnung? (Kolumbien gewann die Auszeichnung.) 48% 31% Kolumbien Schweiz 12% Anderes Team 6% Nigeria 3% Argentinien Z AHLEN DER WOCHE Kilometer lief der 26-jährige Michael Bradley aus den USA im Achtelfinale gegen Belgien (2:1). Der Mittelfeldspieler liefert damit die beste Laufleistung des Turniers in Brasilien ab. Für den kampferprobten Bradley, der sich im wahrsten Sinne des Wortes als unermüdlicher Arbeiter und Antreiber auszeichnetet, war es die zweite WM-Teilnahme. 88 Prozent aller Pässe gelangen den Akteuren im Spiel Italien - England. Dieser Höchstwert der WM 2014 ist auch deshalb so erstaunlich, weil die zwei ehemaligen Weltmeister im tropischen Manaus aufeinandertrafen. Italien gewann die Hitzeschlacht 2:1. (Im Bild: Daniele De Rossi.) sagenhafte Kilometer pro Stunde wurden bei einem Sprint von Júnior Díaz an der WM 2014 gemessen. Keiner lief in Brasilien so schnell wie Costa Ricas Aussenverteidiger. Der 30-Jährige spielt seit 2012 in der deutschen Bundesliga für den 1. FSV Mainz 05. Getty Images 16.69 33.8