A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit II. Beteiligte III. Antragsgegenstand IV
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A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit II. Beteiligte III. Antragsgegenstand IV
[email protected] http://schlink.rewi.hu-berlin.de/staff/so Sophie Oldenburg Raum PAL 117 Arbeitsgemeinschaft zum Staatsorganisationsrecht Wintersemester 2008/2009 Übungsfall 12 Lösungsvorschlag Bundesstaatsprinzip In Betracht kommt vorliegend ein Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG. Der Antrag hat Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit Das Bundesverfassungsgericht entscheidet gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht (sog. Bund-Länder-Streit). Eine solche Konstellation liegt hier vor. II. Beteiligte Der Bund-Länder-Streit setzt gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG i.V.m. § 68 BVerfGG als kontradiktorisches Verfahren das Vorliegen der zulässigen Antragsteller und Antragsgegner voraus: für den Bund ist dies die Bundesregierung, für ein Bundesland die jeweilige Landesregierung. Somit ist die Landesregierung des Bundeslandes L zulässige Antragstellerin und die Bundesregierung der richtige Antragsgegner. III. Antragsgegenstand Antragsgegenstand im Rahmen des Bund-Länder-Streits sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder aus dem Bundesstaatsverhältnis, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht. Demgegenüber ergibt sich aus § 69 i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG das engere Erfordernis eines Streits um eine konkrete, rechtserhebliche Maßnahme bzw. ein entsprechendes Unterlassen des Antragsgegners, welches das Bundesstaatsverhältnis betrifft. Laut BVerfG stellt dies eine zulässige Konkretisierung der Vorgaben des Art. 93 I Nr. 3 GG dar. Das Bundesstaatsverhältnis ist insbesondere im Rahmen der Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG sowie das Prinzip der Bundestreue betroffen. Die Weisung des Bundesministers für Umwelt (BMU) stellt eine konkrete, d.h. auf den Einzelfall bezogene und rechtserhebliche Maßnahme (vgl. Art. 85 III GG) i.S.d. § 64 BVerfGG dar und ist mithin ein möglicher Antragsgegenstand, so dass die Frage nach der Zulässigkeit der Konkretisierung durch §§ 69, 64 BVerfGG offen bleiben kann. IV. Antragsbefugnis Die Landesregierung kann für das Bundesland L das Bundesverfassungsgericht im Bund-Länder-Streit nur anrufen, wenn es geltend macht, durch die angegriffene Maßnahme des Bundes in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen spezifisch bundesstaatlichen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein (§§ 69 i.V.m. 64 Abs. 1 BVerfGG). Dabei reicht es aus, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung lediglich nicht von vornherein völlig ausgeschlossen werden kann. Aus Art. 85 GG folgt das Recht des Landes, das AtomG als Auftragsangelegenheit auszuführen und nur aufgrund von Weisungen, die die Voraussetzungen und Schranken des Art. 85 Abs. 3 GG einhalten, bei der Wahrnehmung dieser Kompetenz vom Bund beeinflusst zu werden. Diese Rechtsposition steht dem Land zu. Das Vorbringen des Landes L, der BMU habe mit der Weisung die Voraussetzungen und Schranken für die Ausübung der Weisungsrechtes des Bundes missachtet und dadurch die im Rahmen der Art. 30, 85 GG gewährleistete Eigenstaatlichkeit des Landes (Art. 20 Abs. 1 GG) verletzt, lässt es auch als möglich erscheinen, dass eine Verletzung der Rechte des Landes vorliegt. Dagegen ist der behauptete Verstoß gegen das einfache Recht in Form des AtomG nicht geeignet, die Möglichkeit der Verletzung oder Gefährdung von durch das GG übertragenen Rechten oder Pflichten des Landes gem. § 69, § 64 Abs. 1 BVerfGG darzulegen. V. Form, Frist Anträge sind gemäß § 23 Abs. 1 BVerfGG schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen und zu begründen. Nach §§ 69, 64 Abs. 2 BVerfGG ist die Bestimmung des Grundgesetzes zu bezeichnen, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners verstoßen wird. Der Antrag muss binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden (§§69 i.V.m. 64 Abs. 3 BVerfGG). Dies ist vorliegend der Fall. VI. Zwischenergebnis Der Antrag der Landesregierung ist im Rahmen des Bund-Länder-Streits vor dem Bundesverfassungsgericht zulässig. B. Begründetheit Der Antrag der Landesregierung des Bundeslandes L ist begründet, wenn das BMU durch die Weisung an das Land gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes verstößt, die für das bundesstaatliche Rechtsverhältnis von Bedeutung ist und den Antragsteller (Land L) in dessen Rechten verletzt. Weisungen sind nach Art. 85 Abs. 3 GG, d.h. allein im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung zulässig. In Betracht kommt deshalb eine Verletzung der dem Land zustehenden Rechte, wenn keine Bundesauftragsverwaltung vorliegt bzw. die verfahrensrechtlichen oder inhaltlichen Schranken des Weisungsrechts nicht eingehalten wurden. I. Vorliegen einer Bundesauftragsverwaltung Die Erteilung atomrechtlicher Genehmigungen bzw. deren Widerruf müsste von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt werden. Ist dies nicht der Fall, ist eine Weisung in jedem Fall unzulässig. Nach Art. 30, 83 GG ist die Ausführung der Bundesgesetze Sache der Länder, soweit nicht das Grundgesetz etwas anderes bestimmt oder zulässt. Die Länder führen hierbei die Bundesgesetze grundsätzlich als eigene Angelegenheiten aus (Art. 83, 84 GG). Daneben sieht das Grundgesetz für bestimmte, von ihm selbst festgelegte oder ausdrücklich zugelassene Materien eine Ausführung "im Auftrage des Bundes" vor (Art. 85 Abs. 1 GG). Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren nach § 7 AtomG in Verbindung mit der atomrechtlichen Verfahrensverordnung betrifft Bundesrecht, das Gemäß Art. 87 c GG können Gesetze, die auf Grund des Art. 74 Nr. 14 GG ergehen und mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wurden, bestimmen, dass sie im Auftrag des Bundes ausgeführt werden. Das Atomgesetz regelt die Voraussetzungen der Erneugung und Nutzung von Kernernergie und ist damit als Bundesgesetz auf der Grundlage des Art. 74 Nr. 14 GG mit Zustimmung des Bundesrates erlassen worden. Es bestimmt in § 24 Abs. 1 AtomG, eine Ausführung durch die Länder im Auftrag des Bundes. Eine Bundesauftragsverwaltung liegt damit vor. II. Formelle Anforderungen an die Erteilung einer Weisung 1. Zuständigkeit Weisungen im Rahmen des Art. 85 Abs. 3 GG können nur von der zuständigen obersten Bundesbehörde erteilt werden. Der Bundesumweltminister T ist somit zuständig. 2. Verfahren a. Weisungsadressat Weisungen sind nach Art. 85 Abs. 3 S. 2 GG grundsätzlich, außer in Fällen einer Dringlichkeit, an die oberste Landesbehörde zu richten. Die Weisung richtete sich im vorliegenden Fall an den Landesminister für Umwelt. Die Anforderungen sind daher erfüllt. b. Grundsatz der Bundestreue Neben diesen im GG explizit aufgeführten formellen Voraussetzungen ergeben sich jedoch weitere Anforderungen aus dem Grundsatz der Bundestreue. Der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens wird aus dem Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG ) abgeleitet und verpflichtet sowohl den Bund als auch die Länder, bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates und auf die Belange der Länder nehmen. Dieser Grundsatz kann nicht zur Erweiterung von Kompetenzen herangezogen werden, er setzt jedoch der Ausübung grundgesetzlich gewährter Kompetenzen bestimmte Schranken. Allerdings liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens nicht grundsätzlich schon dann vor, wenn eine dem Bund übertragene Kompetenz in Anspruch genommen wird. Die Inanspruchnahme im konkreten Fall kann jedoch rechtsmissbräuchlich sein oder gegen bestimmte prozedurale Anforderungen verstoßen. Abgesehen von Fällen besonderer Eilbedürftigkeit muss dem Land regelmäßig Gelegenheit gegeben werden, vor Erlass der Weisung seine eigene Auffassung darzulegen; diese Stellungnahme muss vom Bundesminister erwogen werden. Dies ist im vorliegenden Fall im Rahmen mehrerer Gespräche und schriftlicher Stellungnahmen geschehen. Der gebotenen Rücksichtnahme entspricht es außerdem, dass das Land auf die Möglichkeit einer Weisung hingewiesen wird, um so die Tragweite des Konflikts abschätzen zu können. Auch dies ist vorliegend im Rahmen der Bitte des BMU an den Landesminister, er solle seine Auffassung nochmals überdenken, geschehen. Weitere formelle Anforderungen bestehen nicht. Zwischenergebnis: Die Weisung des BMU ist mithin formell rechtmäßig ergangen. III. Materielle Anforderungen an die Weisungserteilung Die Weisung müsste zudem materiell verfassungsmäßig sein. Inhaltliche Grenzen können sich aus dem Gegenstand der Weisung sowie dem Bestimmtheitsgrundsatz ergeben. Darüber hinaus ist zu klären, ob das Weisungsrecht auf Fälle einer rechtmäßigen Weisung beschränkt ist bzw. das Land für den Fall, dass es die Weisung für rechtswidrig hält an die Weisung nicht gebunden ist. 1. Der Gegenstand des Weisungsrechts Gegenstand der bundesaufsichtlichen Weisung gemäß Art. 85 Abs. 3 GG kann sowohl die nach außen wirksame Sachentscheidung selbst wie auch vorbereitendes internes Verwaltungshandeln sein. Vorliegend wies der Bundesminister T den zuständigen Landesminister an, die atomrechtliche Genehmigung der B zu widerrufen. Dies stellt eine interne vorbereitende Maßnahme zur Vornahme eines nach außen wirksamen Verwaltungshandelns durch das Land L dar, welche von Art. 85 Abs. 3 GG erfasst ist. 2. Bestimmtheitsgrundsatz Art. 85 Abs. 3 GG stellt an die rechtmäßige Inanspruchnahme der Weisungskompetenz weitere Voraussetzungen, sie sich aus der Funktion der Weisung als Instrument der Verwaltungssteuerung und der damit verbundenen Verlagerung der Sachkompetenz ergeben. Hierzu gehört, dass die angewiesene Behörde erkennen können muss, dass ihr gegenüber eine Weisung erteilt worden ist und welche Vorgaben für welches Verwaltungshandeln diese Weisung enthält. Der Adressat muss unter Zuhilfenahme seiner Erkenntnismöglichkeiten den objektiven Sinn der Weisung ermitteln können, wofür auch vorausgegangene Kontakte von Bedeutung sein können. Gegen die von T gegenüber dem Landesminister erteilte Weisung bestehen diesbezüglich keine Bedenken, da klar zum Ausdruck gebracht wurde, dass die atomrechtliche Genehmigung der B widerrufen werden soll. 3. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Weisung Fraglich ist, ob sich das Land darauf berufen kann, die Weisung des Bundes wäre rechtswidrig, und es daher an diese nicht gebunden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat eine mögliche Rechtswidrigkeit keinen Einfluss auf die Pflicht des Landesministers, die Weisung auszuführen. Dies wird wie folgt begründet: Grundsätzlich ist der Vollzug des AtomG die Sache des Landes. Unentziehbar stehe dem Land jedoch nur die sog. Wahrnehmungskompetenz, d.h. die Durchführung der Entscheidung nach außen gegenüber dem Bürger, zu. Die sog. Sachkompetenz, d.h. die Kompetenz für die Sachbeurteilung und Sachentscheidung, liegt zwar zunächst ebenfalls beim Land, der Bund kann sie aber, indem er das ihm zuerkannte Weisungsrecht in Anspruch nimmt, an sich ziehen. Im vorliegenden Fall zieht demgemäß der Bund durch Ausübung seines Weisungsrechtes die Sachkompetenz, d.h. die dem Widerruf vorgelagerte Entscheidung darüber, ob dessen Voraussetzungen gem. § 17 AtomG erfüllt sind, an sich. Dem Land bleibt dann nur noch die Wahrnehmungskompetenz, also der Erlass der Widerrufsentscheidung gegenüber der B. Für diese Auslegung spricht sowohl die Systematik als auch die Entstehung der Norm. Das Weisungsrecht aus Art. 85 Abs. 3 GG ist insofern anders als bei der landeseigenen Verwaltung nach Art. 84 GG nicht auf Ausnahmefälle begrenzt und auch nicht in besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig. Es ist, wie Art. 85 Abs. 3 GG erkennen lässt, ein reguläres Mittel, mit Hilfe dessen sich der Bund bei Meinungsverschiedenheiten in sachlicher Hinsicht durchsetzen kann. Mithin steht die Sachkompetenz des Landes von vornherein unter dem Vorbehalt ihrer Inanspruchnahme durch den Bund. Diese Lesart entspricht auch den Verfassungsgebern. Im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates wurde der Wille der zuständigen Bundesbehörde als allein entscheidend angesehen. Daher kommt nach dieser Ansicht eine Verletzung eigener Rechte des Landes nicht in Betracht, wenn das Land zu inhaltlich rechtswidrigem Verhalten angewiesen wird. Die Sachkompetenz ist dem Land bei Inanspruchnahme durch den Bund im Wege der Weisung entzogen. Die dem Land verbleibende Wahrnehmungskompetenz wird von einer rechtswidrigen Weisung aber nicht betroffen. Zwar muss das Land insoweit im Rahmen des nach außen wirkenden Weisungsvollzuges einstehen, als es bei gerichtlicher Überprüfung vor dem Verwaltungsgericht passivlegitimiert ist; dies ist allerdings nur eine Folge des Auseinanderfallens von Wahrnehmungs- und Sachkompetenz. Die parlamentarische Verantwortlichkeit liegt beim zuständigen Bundesminister, und auch die Ausgabenverantwortung liegt beim Bund, Art. 104a Abs. 2 und Abs. 5 S. 1 GG. Der behauptete Verstoß des angewiesenen Verhaltens gegen das Atomrecht ist also für die Begründetheitsfrage irrelevant. Eine Grenze alleiniger Sachverantwortlichkeit des Bundes im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung "ergibt sich allerdings in dem äußersten Fall, dass eine zuständige oberste Bundesbehörde unter grober Missachtung der ihr obliegenden Obhutspflicht zu einem Tun oder Unterlassen anweist, welches im Hinblick auf die damit einhergehende allgemeine Gefährdung oder Verletzung bedeutender Rechtsgüter schlechterdings nicht verantwortet werden kann. Diese Grenze folgt daraus, dass bei der Ausführung der Bundesgesetze Bund und Länder - unbeschadet bestehender Kompetenzverteilungen - eine gemeinsame Verantwortung für den Bestand des Staates und seiner Verfassungsordnung sowie für die Abwehr kollektiver Existenzgefährdungen tragen". Dieser Ausnahmefall einer Weisung schlechthin unverantwortbarem Verwaltungshandeln liegt aber ersichtlich nicht vor, da sich T auf ein eigenes Sachverständigengutachten berufen kann. Eine in der Literatur vertretene Auffassung (Lerche, BayVbl 1987, 321ff (322)) betont, dass die entscheidende Frage sei, wessen Rechtsmeinung über die Rechtswidrig- bzw. Rechtsmäßigkeit der Weisung sich durchsetze. Dies könne bei prinzipiell unbeschränkter Weisungsbefugnis und der damit einhergehenden Sachkompentenz des Bundes nur dieser sein. Im vorliegenden Fall wäre demgemäß die Rechtsauffassung des Bundesministers T allein maßgebend. Dieser beruft sich auf das erstellte Sachverständigengutachten, welches den Widerruf der Genehmigung rechtfertigt. Insofern liegt nach dieser Auffassung ebenfalls keine rechtswidrige Weisung vor. Damit kommen beide Ansichten zu dem Ergebnis, dass die nach Ansicht des Landes gegebene Rechtswidrigkeit des Widerrufs der Weisung keinen Einfluss auf die materielle Verfassungsmäßigkeit der Weisung des BMU hat. Damit war die Weisung verfassungsgemäß. Das Bundesland L kann somit keine Verletzung verfassungsrechtlich begründeter Rechte geltend machen. IV. Zwischenergebnis: Der Antrag ist unbegründet. C. Gesamtergebnis Der Bund-Länder-Streit ist zwar zulässig, aber unbegründet. Landesregierung von L hat somit keine Aussicht auf Erfolg. Die Klage der