Erfahrungsbericht
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Erfahrungsbericht
Erfahrungsbericht Aufenthalt an der Université Paris Sud 11 (Paris 11) am Campus Jean Monnet von September 2010 bis Februar 2011 Vorbereitung Der Erasmus-Aufenthalt war in meinem Fall ein Pflicht-Auslandssemester, insofern lief die Organisation von deutscher Seite aus recht routiniert ab. Als International-Business Student bekommt man bevorzugt einen Platz an einer der Partnerhochschulen und es bestand schon einige Erfahrung im Umgang mit der Paris 11. Die Bewerbung scheint reine Formsache gewesen zu sein, das Learning Agreement wurde aus Kursen aus dem Internet sowie Vorschlägen der Paris 11 gefüllt, und 2 Monate vor Aufenthaltsbeginn kam erst eine Zusage seitens Paris und uns wurden Unterbringungsvorschläge erteilt. Es wurden mir 3 Studentenwohnheime (Résidences universitaires) angeboten, und man durfte einen Hauptwunsch äußern. Die Zusage zum Wohnheim kam erst 2 Wochen vor Aufenthaltsbeginn. Unterkunft Im Endeffekt hatte ich mich aus Kostengründen, und der Nähe zu Park und Wald für die Residence Vincent Fayo in Chateney-Malabry entschieden. Dort kostet das reguläre 12m² Zimmer grob 200€ pro Monat warm inklusive (langsamen) Internet zusätzlich Pflicht-Hausratsversicherung. Ein größeres Zimmer gibt es für behinderte oder für Musiker mit sperrigen Instrumenten. Obwohl das Wohnheim im 'goldenen Banlieu' liegt, ist es nur zu einem Bruchteil saniert. Wie die meisten Wohnheime der Gegend ist es stark heruntergekommen und wird angeblich auch von Kakerlaken bewohnt. Im Zimmer befindet sich Bett, Tisch, viel Stauraum und ein Waschbecken mit Spiegel; -die Toiletten und die Duschen befinden sich im Gang und werden 1 mal die Woche geputzt. (Tipp: die warmen Duschen sind in den unteren Etagen). Außerdem gibt es pro Gebäude und Stockwerk eine Gemeinschaftsküche (leerer Raum mit Kochplatten, Spüle, Tisch und 3-6 Stühle, aber sonst nichts!) und für das komplette Wohnheim eine Waschküche, zwei Partyräume, einen Musikraum mit Klavier und einen Tennisplatz. Beim beziehen der Zimmer ist mit mindestens einem Tag intensivem Putzen zu rechnen, und wer es braucht sollte sich schnell um einen gebrauchten Kühlschrank oder ein Fahrrad kümmern. Dabei hilfreich ist die Association des Wohnheims. Tennis- oder Tischtennisschläger, Staubsauger und eine beachtliche Menge Spiele kann man sich am Acceuil ausleihen. Es gibt einige Bäcker, Supermärkte und Cafés in der Nähe, aber keinerlei Ausgehmöglichkeiten (→ Paris). Stattdessen punktet das Wohnheim mit der Nähe zur Autobahn, der Coulée Verte (die auch am Campus vorbeiführt), dem Parc de Sceaux und der Nähe zu Antony und dem Forêt de Verrieres. Im Parc de Sceaux und auf der Coulée Verte befinden sich zwei Trimm-Dich-Pfade in greifbarer Nähe. Im allgemeinen lädt die Lage sehr zum Laufen und Radeln ein. Verkehrsanbindung Das Wohnheim liegt an einer Buslinienkreuzung Antony<->Robinson und Velizy2<->Croix-deBerny. Mit dem Bus nach Robinson oder nach 2km auf der Coulée Verte ist man beim RER nach Paris oder dem Campus Jean Monnet. Das IUT wo der Sprachkurs stattfindet erreicht man eigentlich nur via Coulée Verte. Die großen Haken des ÖPNVs sind aber der Preis des Studententickets, dessen Austellungsdauer und das mangelhafte Nachtliniennetz. Mit einem Auto anzureisen sollte durchaus eine Überlegung wert sein: die Sportstätten des Unisports sind öffentlich schwer zu erreichen, man kann deutlich billiger einkaufen, man ist nicht an das miserable Nachtliniennetz gebunden, und man kann freier die Umgebung erkunden (zB Versailles, Fontainebleau, Rouen, Orleans etc). Nur zu den Stoßzeiten (8:00-9:30 und 17:00 -19:30) endet jegliche Autofahrt auf größeren Straßen in einem kläglichen Massenparken, Hupen und Stressdrängeln aber sonst ist der Pariser Verkehr nicht halb so schlimm wie man sich ihn vorstellt. Man sollte nur unbedingt eine Karte oder ein Navigationsgerät haben, sonst ist man wegen der vielen Einbahnstraßen und einseitiger AutobahnAb- und Auffahrten verloren bzw. fährt schnell die doppelte Strecke. Vor der Residence und in Campusnähe gibt es ausreichend Parkplätze. DieParis11 Die Université Paris Sud 11 gehört zu Frankreichs größten Unis, ist aber aufgrund der flächenmäßigen Aufsplitterung in Fakultäten keine Massenuni und bleibt recht persönlich. Meine Erfahrung bezieht sich lediglich auf den Fakultäts-Campus Jean Monnet, über den anderen teil-wirtschaftlichen Campus in Orsay kann ich nur sagen, dass er enorm schön ist und sich dort die Sportanlagen direkt auf dem Campus befinden. Der Campus Jean Monnet ist ein ausgeglichener Gebäudekomlex in erstaunlich ruhiger Lage. Einige Vorlesungen finden aber auch in einem Teilcampus in Fontenay statt. Auf dem Campus befindet sich noch eine Mensa (3€ pro Malzeit) und eine Bibliothek für WiWis und Jura. ZumStudium Vor Studiumbeginn hatte die Universität am IUT einen 2 Wochen Sprachkurs (vielmehr für Anfänger) angeboten und ihn danach 1 mal die Woche weitergeführt. Da aber auch die Termine für den fragwürdigen Intensivkurs ungeschickt gelegt werden, rate ich unbedingt den ErasmusIntensivkurs noch in der Heimat zu absolvieren. So kann man sich lockerer einen Stundenplan gestalten. Die Neugestaltung des Stundenplans kommt daher, dass alle Erasmus-Studenten vor Ort neue Learning-Agreements schließen müssen, mit deutlich erleichterter ECTS-Vergabe. Der Nachteil daran ist, dass man erst einmal testen muss was zeitlich überhaupt kombinierbar ist, wenn man die Stundenpläne unterschiedlicher Studiengänge kreuzt. Das Ganze musste man sich dann nochmals von der Heimathochschule bestätigen lassen. In meinem Fall wusste ich erst 2 Wochen vor den ersten Prüfungen welche ich nun mitschreiben durfte/musste... Unterrichtssprache ist Französisch und andere Sprachen werden, wenn es sich nicht um Fachvokabular handelt eher zur allgemeinen Erheiterung eingesetzt. Meine Fächerwahl war Marketing, Gestion de Projet, Marché international de dérivés, Communication, und Mathematiques 3. Die Fakultät schien mir vor allem in den mathematischen Fächern besonders gut besetzt und bietet viele Wirtschaftsanalytische Fächer an, zu denen mir nur leider die Grundlagen gefehlt haben. Die Professoren waren allgemein sehr wach und äußerst kompetent bezüglich ihres Sachgebietes, allerdings waren ihre pädagogischen Fähigkeiten kaum ausgebildet, und wenn sie Unterlagen zu ihren Vorlesungen verteilt haben, waren auch diese wenig hilfreich. Wenn man also vom Wissen der Profs profitieren will: fragen, fragen, fragen -meistens freuen sie sich darüber sogar. Wichtig: Da es wie gesagt keine nützlichen Unterlagen gibt sind Mitschriften und die jeweilige Literatur das einzige mit dem man lernen kann. Die Literaturhinweise sind auch besonders wichtig, weil die Mehrheit der Professoren die Literatur mindestens genauso sehr in den Prüfungen abfrägt wie den Inhalt der Vorlesungen. AlltagundFreizeit Ein gewöhnlicher Tag sah in etwa so aus: Morgens runter zur warmen Dusche - dann Brot holen beim Bäcker um die Ecke – frühstücken – packen – halbe Stunde zu Fuß oder mit Bus zur Uni – erste Vorlesung (zwischen 8:30 und 10:00) – evtl. zweite Vorlesung oder Bibliothek – Mensa – Pause – letzte Vorlesung – Unisport/Musikzimmer/Joggen/Erasmouve – gemeinsames Kochen und Essen – lernen/feiern/etc Die größte Herausforderung bezüglich Alltag ist es Kontakte zu knüpfen. Eine gewisse Grundmasse an Gesichtern wird dir mit dem Sprachkurs in die Wiege gelegt. Dazu kommen Kontakte aus der Waschküche und der Kochküche, aber dann kommt nur noch Eigenverantwortung. Gute Möglichkeiten sind der Unisport mit breitem Angebot, eine Semestermitgliedschaft im Verein der Residence Vincent Fayo (dieser organisiert Feten und stellt auch einen Drucker zur Verfügung), sowie der Erasmouve-Verein der Fakultät. Zum Einkaufen bietet sich entweder Auto, oder Bus Richtung Velizy2 an. In etwa 1,5km Entfernung liegt dort LeaderPrice und Lidl, welche im Vergleich zu den Nahegelegenen 7sur7 und PetitCasino nur halb so teuer sind. In uninähe an der Station Robinson befindet sich noch ein Monoprix und ein Minicarrefour. Für Hausratseinkäufe sollte man dann ganz bis Velizy2 fahren, einem Einkaufszentrum in Richtung Versailles. Paris selbst kommt im Alltag eigentlich nur zum Ausgehen, feiern und Freunde treffen vor, da es doch noch ein Stück entfernt ist und man ohne Auto gelegentlich nicht wieder hinauskommt. Außerdem gab es während meinem Aufenthalt 6 mal Streiks des ÖPNVs. Noch dazu ist Paris bekanntermaßen unglaublich teuer, was Menschen mit kleineren Budgets schnell den Spaß verdirbt. Fazit SchlechtesteErfahrungen: Das härteste Erlebnis war eine große Stressanstauung, die durch die imperative Neugestaltung des Learning Agreements zustande kam, und die aufgrund der späten Auflösung eigentlich sofort in Lernstress für die Prüfungen überging. Außerdem habe ich mich vom französischen Gesundheitssystem liegen gelassen gefühlt, da man dort für mich (einen nicht Privatpatienten) 4 Wochen lang gebraucht hatte um eine Nasennebenhöhlenentzündung zu attestieren. BesteErfahrungen: Am wichtigsten war mir zu wissen auch in Lage zu sein im Ausland erfolgreich zu studieren und dort, trotz meist lustiger kultureller Barrieren, Freunde zu finden. Mit ein wenig Abstand betrachtet ist es aber auch eine positive Erfahrung zu wissen, dass man auch so lange anhaltende Stresssituationen meistern kann.