Torgefahr im Anzug

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Torgefahr im Anzug
Im Fußball gelingt Mario Gomez im Moment fast alles. Hier spricht er über Stil, Geld und seine Gefühle
Chic aus Schwaben
Gomez trägt auf allen Fotos
die Frühjahrskollektion von
BOSS Black, BOSS Selection –
und seine eigene Uhr von
IWC (Chronograph Top Gun
Miramar)
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Herr Gomez, was ist härter – der Fußballer-Job
oder der des Modelns?
Wie fühlt sich das perfekte Tor an?
Ganz klar ist’s vor der Kamera schwerer. Weil
dort letztlich alles gestellt ist. Beim Fußball passiert alles aus der Situation heraus. Man muss
nicht auf Knopfdruck lachen können oder abrupt
ernst gucken.
Verändert man sich charakterlich durch
so einen gewaltigen Erfolg?
Bastian Schweinsteiger hat Sie mal als sein
modisches Stilvorbild bezeichnet.
Hat er das gesagt? Ich glaube, das war einer
seiner Scherze. Mode ist entgegen der Klischees
null Thema bei uns.
Wenn Jogi Löws babyblauer Kaschmirpulli
bundesweit Thema ist – zieht ihn seine Mannschaft
nicht auf?
Nein, den Trainer veräppelt man nie. Das ist eine
Sache des Respekts.
Mit Louis van Gaal kamen Sie nicht immer klar.
Dabei schwärmte er, Sie hätten einen
„Körper wie ein Gott“.
Glücksgefühle: Freude, Emotion, Stärke.
Sicher. Fußball ist finanziell ein Riesengeschäft,
mittlerweile auch Showgeschäft. Da so zu bleiben,
wie man von Jugend an ist, ist schwierig. Aber ich
denke nicht, dass gerade Fußballer völlig durchdrehen. Ein 20-jähriger Schreiner würde sich bei
so viel Geld auch ein tolles Auto kaufen. Deswegen muss man sich nicht als Mensch verändern.
Der Schriftsteller Albert Camus sagte:
„Nirgendwo lernt man so viel über Moral und
Werte wie im Fußball.“ Hat er Recht?
Ja, zum Beispiel beim Thema Integration ist der
Fußball eine Art Vorreiter geworden. Bei einem
Mannschaftssport muss man als Team Visionen
verfolgen. Natürlich versucht jeder Spieler darüber hinaus, für sich das Beste herauszuholen.
Fällt es schwer, auch mal zurückzustecken?
Na ja, das hat er ja nicht sportlich gemeint. Ich
selbst sehe das auch nicht so. Es gibt Spieler,
deren Körper besser definiert sind. Die tun auch
mehr dafür als ich.
Sicher. Gerade Kommentare hätte man oft auf
der Zunge, aber die werden einem heutzutage
wochenlang um die Ohren geschlagen. Vor allem
durchs Internet verfolgen einen Sprüche ja ewig.
Stimmt’s, dass Sie gern Yoga üben?
Bereuen Sie Sachen, die Sie gesagt haben?
Yoga haben wir während der WM gemacht. Privat
finde ich Pilates ganz lustig und entspannend.
Nein. Ich bin auf dem Platz sicher aufbrausend,
aber vor den Kameras halte ich mich schon zurück.
Wer beim FC Bayern bringt die größte
Kosmetiktasche mit in die Kabine?
Ist das der Spanier in Ihnen, der bei emotionalen Momenten durchbricht?
Man lernt ganz früh beim Fußball: Was in der
Kabine passiert, bleibt in der Kabine.
Eher der grundsätzliche Ehrgeiz.
Woran zeigt sich Ihre eigene Eitelkeit?
Ich nehme täglich eine gute Gesichtscreme
wegen meiner trockenen Haut. Das ist eher Sinn
für Zweckmäßigkeit. Ich ziehe auch nichts an, nur
weil es trendy ist. Ich habe immer den gleichen
Stil – schlicht.
Woran orientieren Sie sich beim Shoppen?
Nach meinem eigenen Geschmack.
Apropos Shoppen: Sie sammeln Vintage-Autos
und fahren gern Motorrad?
Sammeln ist aber übertrieben, ich habe nur
einen Oldtimer. Ich finde 50, 60 Jahre alte Autos
schön. Ein Traum wäre das 300er-SL-Flügeltüren-Modell von Mercedes. Einen Motorradführerschein habe ich nicht. Aber ich liebe alte
Motorräder.
Wofür geben Sie sonst Geld aus?
Ich esse gern und gut. Ich werfe mein Geld aber
auch nicht aus dem Fenster.
Sie gelten als einer der zehn teuersten Kicker
der Welt. Fühlen sich solche Millionensummen
nicht manchmal Schwindel erregend an?
Mein Ziel ist nur, sehr erfolgreich zu sein. Ich
habe eine Begabung für den Fußball mit auf
den Weg bekommen, und will das Beste daraus
machen. Ich versuche letztlich nur, den Ball ins
Tor zu schießen.
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Auf der Sonnenseite
Mario Gomez Garcia, 26,
wurde im schwäbischen
Riedlingen geboren.
Sein Vater ist Spanier,
seine Mutter Deutsche.
Bereits mit acht
Jahren wollte Gomez
Profi-Fußballer werden.
Schon mal geheult nach einem verlorenen Spiel?
Nein. Es gibt natürlich Momente, die anrühren.
Aber minutenlanges Heulen? So einen Moment
hatte ich noch nie.
»Es gibt wohl keinen Fußballer,
der nicht sensibel ist.
Das ist keine Schwäche«
Dramen wie der Selbstmord von Robert Enke
oder die Depressionen von Sebastian Deisler
waren öffentliches Thema:
Wie sensibel darf ein Spitzenfußballer sein?
Es gibt wohl keinen Fußballer, der nicht sensibel ist. Das ist keine Schwäche. Ohne Gefühle
funktioniert nichts auf dem Platz. Aber wenn
du mit Druck nicht umgehen kannst, fällt es
schwer, Top-Leistungen zu bringen. Wenn
du über Probleme nicht sprechen kannst,
wird es noch schwieriger. Weil du dich selber
runterziehst.
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Bei jemandem, der so im Mittelpunkt steht wie
Sie, sind die Reaktionen extrem: von großem Lob
bis zu Schmähgesängen. Wie gehen Sie damit um?
Im Moment der Kritik trifft einen so etwas. Aber
ich bin Profi-Fußballer, seit ich 18 war. Meine Karriere ging meist nach oben, zweimal ging es brutal nach unten. Ich hatte diese schwierige Zeit im
Nationalteam, als ich nicht so glücklich gespielt
habe: Ich bekam den Kopf nicht frei, die Leute
nörgelten. Solche Phasen härten ab. Ich werde
immer polarisieren. Ich bin bei Bayern, bin Stürmer, da werde ich immer Kritik abbekommen.
Wichtig ist nicht, was die Leute denken, sondern
ob ich Spaß an meinem Job habe.
Entspannt erfolgreich
Gomez führt die Liste der
Torschützen in der Bundesliga an. Bei seinem
Wechsel vom VfB Stuttgart
zum FC Bayern im Jahr
2009 flossen 30 Millionen
Euro – der teuerste Transfer in der BundesligaGeschichte. Seit 2011 hat
er einen Stammplatz in
der Nationalmannschaft
Wie gehen Sie mit der permanenten medialen
Beobachtung um?
Das ist Teil meines Lebens, kein Problem.
Wäre ein so öffentliches Leben wie das von
David Beckham für Sie vorstellbar?
Schwierig. Ich bleibe gern privat. Ich muss mein
Privatleben nicht öffentlich dokumentieren. Das
Leben ist schon durchleuchtet genug. Ich wäre
eher froh, wenn mich die Leute nach meiner
Fußballkarriere nicht mehr erkennen.
Wann haben Sie zuletzt richtig gefeiert
und einen über den Durst getrunken?
Silvester. Das gehört auch dazu. Aber ich trinke
während der Saison keinen Alkohol, nur in der
Sommer- und Winterpause.
Sind Sie mit anderen Spielern befreundet?
Mit einigen, zum Beispiel mit Sami Khedira, Andi
Ottl, Holger Badstuber, Jerome Boateng. Viele
sind es nicht, weil wir ja ohnehin mehr mit den
»Ich werde immer polarisieren.
Ich bin bei Bayern,
bin Stürmer, da werde ich immer
Kritik abbekommen«
Mitspielern als mit Freundin und Familie zusammen sind. Da bin ich froh, wenn ich die Fußballwelt auch mal hinter mir lassen kann und zu
Hause bin.
Was machen Sie dann so?
An meinem letzten freien Tag bin ich zu meinen
Eltern gefahren. Ich bin supergern dort.
Sagt Ihnen Ihre Mutter eher „Junge,
ich bin stolz auf dich“ oder „Jetzt räum mal
endlich deine Sachen auf!“?
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Beides. Wobei sie nicht jeden Tag sagen muss,
dass sie stolz auf mich ist. Sie kann stolz auf sich
sein. Meine Eltern haben einen großen Anteil an
meinem Erfolg.
Ihr Opa ist Olivenbauer in einem kleinen Dorf
in Südspanien. Haben Sie die dortige
Mario-Gomez-Straße selbst eingeweiht?
Leider nicht. Aber das ist auch nicht spektakulär
dort: Die Straße besteht nur aus drei Häusern.
Zwei gehören meinem Opa. Aber der ist mächtig
stolz auf mich.
Gab es Zeiten, in denen Ihre Familie an Ihrer
Berufswahl zweifelte?
Nein. Mein Daddy ist ja Handwerker, aber es gab
nie ein Drängen von ihm, dass ich ein Handwerk
lernen soll. Ich habe mein Fachabitur gemacht,
»So lange meine Beine
mich tragen, werde ich Fußball
spielen«
während ich schon Profi wurde. Ich wusste, die
nächsten zehn Jahre würde ich im Profisport
bleiben – wenn nichts gewaltig schiefgeht.
Wenn’s gut läuft, spielen Sie noch gut zehn
Jahre. Was wäre danach eine Option?
Vielleicht Management, Marketing. Wirtschaft
interessiert mich. Fußball ist so schnelllebig,
heute weißt du nicht, was morgen ist. Aber ich
will nicht viel überlegen. So lange meine Beine
mich tragen, werde ich Fußball spielen.
Gehen Sie vielleicht noch nach Spanien?
Ja, wenn ich irgendwann der Mannschaft nicht
mehr weiterhelfen kann, wenn ich zu alt bin,
wenn es nicht mehr reicht für Bayern. Aber
momentan habe ich nicht vor, etwas anderes zu
machen.
Was die Zukunft angeht: Mit Ihrer Freundin
sind Sie seit Jahren zusammen. Woran liegt es,
dass sich viele Fußballer so jung binden?
Man wird Profi-Fußballer mit etwa 18 Jahren,
dann beginnt die weite Reise: Du bist alle drei
Tage ein, zwei Nächte von zu Hause weg, hast
kein richtig geregeltes Leben. Da sehnt man sich
nach Geborgenheit – nach Frau, Kindern.
Viele Schauspieler, Musiker sagen, dass sie
berühmt werden wollten, um Frauen zu erobern.
Ist das bei Fußballern ähnlich?
Ich glaube nicht. Ich wollte mit acht Fußballer
werden – da habe ich kein bisschen an Mädchen
gedacht. 
Interview: E. Hartmann-Wolff / M. Schaertl
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