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Fußball und Politik
Der Bürger im Staat, 56. Jahrgang Heft 1 2006
Landeszentrale
für
politische
FrechStafflenbergstraße
38,
[email protected]
Bildung
70184
Baden-Württember
StuttgartFax
Redaktion:
(0711)
Siegfried
164099-
Inhalt
Dietrich Schulze-Marmeling: Die Geschichte der FIFA-Fußballweltmeisterschaft
Christiane Eisenberg: Fußball als globales Phänomen
Bernd-M. Beyer: Walther Bensemann. Kosmopolit des Fußballs
Verena Scheuble / Michael Wehner: Fußball und nationale Identität
Dirk Schindelbeck: „Nun siegt mal schön!“
Bernd Strauß: Das Fußballstadion als Pilgerstätte
Gunter A. Pilz: „Tatort Stadion“ – Wandlungen der Zuschauergewalt
Rainer Koch / Wolfgang Maennig: Spiel- und Wettmanipulationen – und der AntiKorruptionskampf im Fußball
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Michael Glameyer: „ballance 2006“ – Integration und Toleranz für eine friedliche
Fußballweltmeisterschaft
Uli Jäger: Straßenfußball, Fair Play und globales Lernen
Wolfgang Walla: Statistisch gesehen
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Aus dem Vorwort
„Die Welt zu Gast bei Freunden“, lautet das Motto der Fußball-WM 2006. Diesem
Sportereignis wird eine Menge aufgebürdet. Die Zeiten sind vorbei, in denen einfach das
„Runde ins Eckige“ musste. Fußball bewegt die Massen, die Köpfe und Gemüter. Fußball
„bewegt“ aber noch mehr. Zwischen Fußball, Medien, Ökonomie und Politik werden
unzählige „Doppelpässe“ gespielt.
Fußball wird heutzutage in mehr Ländern gespielt, als die UNO Mitglieder hat. Die
Erfolgsstory dieser Sportart begann als „englisches Spiel“ und erlangte im 20. Jahrhundert
auf allen Kontinenten eine herausragende Bedeutung. Dietrich Schulze-Marmeling entfaltet
die spannende und ereignisreiche Geschichte der Fußballweltmeisterschaft und zeigt, dass
in diesem weltumspannenden Ereignis stets eine gehörige Portion Politik steckt. Fußball ist
eine wahrhaft globale Sportart. Christiane Eisenberg geht den Fragen nach, worauf sich die
Popularität des Spiels gründet und welches die sozialen, ökonomischen, politischen und
kulturellen Rahmenbedingungen dieses beispiellosen Erfolges sind. Ausgehend vom
„Mutterland England“, in dem der Fußball am grünen Tisch auf eine vernünftige
organisatorische Basis gestellt und damit für andere Länder reproduzierbar wurde,
beschreibt Christiane Eisenberg den weltweiten Siegeszug dieser Sportart.
Bis zum Beginn des Nationalsozialismus symbolisierte die Person Walther Bensemann
unterschiedliche Facetten der deutschen Geschichte. Er war nicht nur der wichtigste
Fußballpionier in Süddeutschland, sondern stand zugleich für ein kosmopolitisches
Sportverständnis, das zunehmend in Konflikt mit deutsch-nationalen Strömungen geriet und
dem die NS-Diktatur ein brutales Ende bereitete. Zugleich verweist die jüdische
Herkunft Bensemanns auf den gewichtigen Beitrag, den Juden bei der Popularisierung des
Fußballs in Mitteleuropa bis in die 1930er-Jahre leisteten. Bernd-M. Beyer erinnert an einen
Fußballpionier der ersten Stunde, der beinahe in Vergessenheit geriet und dessen Andenken
es zu wahren gilt.
Fußballspiele sind in nationaler Hinsicht nicht von Politik zu trennen. Welche politische
Wirkung der Fußball hat, zeigte der deutsche Sieg bei der Weltmeisterschaft 1954 in Bern.
Der nationale Überschwang erklärte sich nicht zuletzt dadurch, dass Deutschland seine
Abseitsstellung in der Völkergemeinschaft durch das „Wunder von Bern“ relativieren
konnte. Verena Scheuble und Michael Wehner zeigen, wie die Konstrukte „Nation“ und
„nationale Identität“ als „Seelenkitt“ bei WM-Spielen aktiviert werden. Die kritische
Analyse des Zusammenhangs von Fußball und nationaler Identität stellt neben all den
Ambivalenzen und negativen Begleiterscheinungen auch die positive Funktion dieser
Symbiose dar. Nichts trägt mehr zur Bildung einer schichtenübergreifenden Gemeinschaft
bei und nichts beeinflusst die (politische) Stimmungslage mehr als
Fußballweltmeisterschaften. Gleichwohl zeigt sich auch, dass das Konstrukt der „Nation“
im deutschen Alltagsleben zwar eine wichtige, aber schwierige und historisch belastete
Bezugsgröße ist.
Fußball funktioniert nicht losgelöst von ökonomischen Gesetzmäßigkeiten. Keine andere
Sportart hat sich in den letzten Jahren in einer derart engen Wechselbeziehung mit den
Medien, mit Kommerz und Werbung entwickelt wie der Fußball. Die „Geldmaschine“
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Fußball ist ein echter Wirtschaftsfaktor geworden. In den Anfangszeiten des
bundesdeutschen Fußballs tummelten sich „ehrliche“ Amateure auf dem grünen Rasen.
Inzwischen haben sich Profifußballer zu Privatunternehmern mit Managern und Beratern
entwickelt. Werbebranche, Medien und Wirtschaft nutzen Fußball als Instrument, um
Botschaften und Produkte zu vermarkten. Dirk Schindelbeck schildert in seiner „Kleinen
Geschichte der Kommerzialisierung“ diese Entwicklung.
Spätestens seit dem 20. Jahrhundert hat es den Anschein, dass das Fußballstadion einer
der beliebtesten Versammlungsorte unserer Zivilisation ist. Und dies, obwohl es dort
gelegentlich gar nicht so zivilisiert zugeht. Immer wieder sind Stadien Orte der Aggression
und Gewalt. Warum opfern Menschen einen nicht unerheblichen Teil ihrer Freizeit mit dem
Anschauen von Fußballspielen und welchen „Kick“ erfahren sie dabei? Welche Motive
treiben die Fans in Heerscharen in die Fußballstadien? Warum pilgern sie allwöchentlich
zu Fußballspielen? Die Motive und psychologischen Facetten der Zuschauerinnen und
Zuschauer, die Bernd Strauß schildert, sind äußerst vielfältig, spannend und letztlich zutiefst
menschlich.
Warum gibt es bei Fußballspielen immer wieder gewaltsame Ausschreitungen? Welche
besondere Faszination übt Gewalt auf jugendliche Fans aus? Gunter A. Pilz geht auf die
Fangruppen der Hooligans und der Ultras ein. Hooligans suchen den Nervenkitzel bei der
Eroberung fremden Territoriums, genießen das stete Ausloten der Grenzen und gieren
förmlich nach dem „Kick“, den sie bei körperlichen Konfrontationen finden. Dieses
Phänomen ist in jüngster Zeit auch bei einem Teil der Ultras zu beobachten. Wenngleich
beide Gruppen eine Minderheit innerhalb der Fangemeinde darstellen, lässt sich an ihnen
zeigen, dass sie Verhaltensnormen der Moderne radikal ausleben und einen direkten Weg
zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse suchen. Vor diesem Hintergrund diskutiert Gunter A. Pilz
ordnungspolitische Maßnahmen, die sich im Spannungsfeld von Prävention und Repression
bewegen, die „Räume“ der jugendlichen Fans einengen, gleichzeitig aber Freiräume
lassen und Möglichkeiten der Identitätsvergewisserung erlauben.
„Verpfiffen!“ – Der Skandal, der die Karriere des Schiedsrichters Robert Hoyzer jäh
beendete, erschütterte den deutschen Fußball und die Öffentlichkeit. Bis zu diesem Vorfall
glaubte man, dass die Mannen in Schwarz unbestechliche Gehilfen der Regelkunde sind.
Auch die beliebteste aller Sportarten ist nicht frei von Skandalen und Affären. Ob
Wettmanipulationen, der Kampf um bessere Rangplätze, ob beim Sponsoring:
Verdachtsmomente und Korruptionsvorwürfe wurden schon in der Vergangenheit laut und
haben sich gelegentlich bewahrheitet. Trotz einzelner, oft spektakulärer Vorfälle gibt es
keine klaren empirischen Belege für eine verstärkte Korruption im Fußballsport. Um den
sozialen Schaden von den sportlichen Normen und Werten abzuwenden, ist eine deutliche
Anti-Korruptionspolitik im Sport erforderlich. Transparente Schiedsrichterentscheidungen, die
Verwendung technischer Kontrollsysteme, angemessene Formen der Bestrafung, die
Formulierung von Ehren- und Verhaltenskodizes sowie eine verbesserte finanzielle
Entschädigung der Schiedsrichter unterer Ligen sind nur einige der Gegenmaßnahmen, die
Rainer Koch und Wolfgang Maennig erörtern und hinsichtlich ihrer präventiven Wirkung
abwägen.
Zur Fußballweltmeisterschaft werden knapp drei Millionen Fans erwartet. Gerade die
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ausländischen Fans und Besucher werden sich ein Bild von Deutschland machen. Welches
Bild aber werden sie sich machen können? Schaffen wir es, dem Motto „Die Welt zu Gast
bei Freunden“ gerecht zu werden? Bereits im Vorfeld dieses Mega-Events machen sich
Sorgenfalten breit: Wie soll mit gewaltbereiten, zumeist jugendlichen Fans umgegangen
werden? Das 2001 ins Leben gerufene Projekt „ballance 2006“ will in und um Hessen auf
den friedlichen und fairen Charakter der WM hinwirken. Mit vielfältigen Aktivitäten wird
jungen Menschen die Erfahrung vermittelt, dass Fairness und Toleranz bessere Alternativen
als Randale, Diskriminierung und Gewalt sind. Michael Glameyer schildert die Projektziele,
beschreibt einzelne Aktivitäten und erbringt den Nachweis, dass sich Integration und
Toleranz durchaus mit sportlichem Ehrgeiz verbinden lassen.
„Vom Fußball für das Leben lernen“ – so kann das Hauptziel des Projektes „WM Schulen:
Fair Play for Fair Life“ überschrieben werden. In ganz Deutschland beteiligen sich 204
Schulen an diesem einzigartigen Projekt. Sie bekamen per Losentscheid ein FIFA-Land als
Patenland zugeteilt. Schülerinnen und Schüler sind bis zur Fußballweltmeisterschaft
Botschafter für ihr Patenland, vertreten es in der Öffentlichkeit und auf dem grünen Rasen.
Gleichzeitig will das Projekt bei den beteiligten Schulen das Interesse an der Beschäftigung
mit Themen der Entwicklungszusammenarbeit und weltweiter Verständigung fördern. So
lernen die involvierten Schülerinnen und Schüler im Unterricht und in Projekten alles über
die Themen „Fair Play“ und „Fair Life“ in der Einen Welt. Uli Jäger beschreibt die
Konzeption, die Methoden des Projektes und vermittelt Einblicke in die konkrete Arbeit in und
an den Schulen.
„...das ist nur für die Statistik“, hört man unsere Sportreporter sagen. Und doch
überbrücken sie mehr oder weniger gut dürftige Passagen eines Fußballspieles durch das
Zitieren von Daten und Zahlen. Der Beitrag von Wolfgang Walla (Statistisches Landesamt
Baden-Württemberg) zeigt, dass Zahlen es auch in sich haben können! Zumal die
interessanten Daten belegen, das Baden-Württemberg in sportlicher Hinsicht einiges zu
bieten hat.
Siegfried Frech
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