Diplomarbeit „Sportwetten, Aktienhandel und
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Diplomarbeit „Sportwetten, Aktienhandel und
Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Department Wirtschaftswissenschaften Institut für Recht der Wirtschaft Arbeitsbereich Zivilrecht Prof. Dr. Michael Adams Diplomarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades eines Diplom-Kaufmanns (Dipl.-Kfm.) „Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball” Eingereicht von: Matthias Albrecht Matr.-Nr.: 5233864 Studiengang: BWL Vogt-Groth-Weg 43 22609 Hamburg Prüfer: Prof. Dr. Michael Adams Abgabedatum: 25. Juli 2008 Bearbeitungszeit: 6 Monate Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis………………………………………………………………. I Abkürzungsverzeichnis………………………………………………………… IV Abbildungsverzeichnis…………………………………………………………. VI Tabellenverzeichnis…………………………………………………………….. VII 1 Einleitung……………………………………………………………………. 1 2 Grundlagen………………………………………………………………….. 3 2.1 Professionalisierungsbegriff im Fußball………………………………….3 2.2 Entwicklungen des europäischen Profifußballs…………………………. 5 2.2.1 Einnahmen- und Ausgabenstruktur von Fußballunternehmen…… 5 2.2.1.1 Einnahmen………………………………………………......... 5 2.2.1.2 Ausgaben……………………………………………………... 10 2.2.2 Wirtschaftsfaktor Fußball………………………………………… 13 2.3 Sportlicher Erfolg im Fußball……………………………………………. 15 2.3.1 Definition…………………………………………………………. 15 2.3.2 Erfolgsdeterminanten …………………………………………….. 17 2.4 Grundlegende Produkteigenschaften des Fußballs………………………. 18 3 Manipulation………………………………………………………………… 21 3.1 Definition und Begriffsabgrenzung……………………………………… 21 3.2 Manipulationsentscheidung……………………………………………… 22 3.2.1 Individuelle Nutzenmaximierung………………………………….22 3.2.2 Determinanten der Nutzen und Kosten……………………………22 3.3 Manipulation im Fußball………………………………………………… 24 3.3.1 Fußballspezifische Manipulationen im historischen Kontext……..24 3.3.1.1 Bundesligaskandal 1970/1971………………………………... 25 3.3.1.2 Tapie und Olympique Marseille 1992/1993………………….. 26 3.3.1.3 Fußball - Wettskandal der Bundesliga 2004/2005…………….26 3.3.1.4 Manipulationsskandal von Juventus Turin 2004/2005……….. 28 I Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 4 3.3.2 Prinzipal-Agent Beziehungen im Fußball………………………... 28 3.3.3 Formen der Manipulation………………………………………… 30 3.3.4 Kosten von Manipulation………………………………………… 33 3.3.5 Probleme der empirischen Messung ……………………………... 36 Sportwett- und Aktionärsinteressen als finanzielle Anreize der Manipulation im Profifußball……………………………………................. 38 4.1 Interessengruppen……………………………………………………....... 38 4.2 Sportwetten im Fußball………………………………………………….. 39 4.2.1 Definition und Einordnung der Sportwette………………………..39 4.2.2 Fußballereignisse als öffentliches Gut…………………………… 40 4.2.3 Entwicklung des Marktes für Sportwetten……………………….. 41 4.2.4 Vertrieb von Sportwetten über das Internet………………............. 43 4.2.5 Wettarten im Fußball…………………………………................... 44 4.2.5.1 Fußballtoto……………………………………………………. 44 4.2.5.2 Oddsetwetten…………………………………………………. 45 4.2.6 Wettbezogene Manipulation im Fußball………………..……....... 47 4.3 Aktienhandel im Fußball……………………………………………….... 49 4.3.1 Rechtsformen von Fußballunternehmen………………………….. 49 4.3.1.1 Bundesligaclubs als eingetragene Vereine……………............ 49 4.3.1.2 Kapitalgesellschaften im deutschen Profifußball…………….. 50 4.3.1.3 Rechtsformen europäischer Fußballunternehmen……………. 52 4.3.1.4 Going Public von Fußballunternehmen………………………. 52 4.3.2 Gewinn vs. Nutzenmaximierung……………………………......... 53 4.3.3 Gründe für Umwandlungen in Kapitalgesellschaften……………. 55 4.3.4 Motive für Beteiligungen an Fußballunternehmen……………….. 56 4.3.5 Einfluss auf den Unternehmenswert……………………………… 59 4.3.5.1 Sportlicher Erfolg…………………………………………...... 59 4.3.5.2 Weitere Einflussfaktoren……………………………………... 60 4.3.6 Aktionärsbedingte Anreize zur Manipulation im Fußball………... 61 II Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 5 Anreizsenkende Maßnahmen………………………………………………. 63 5.1 Aktuelle Instrumente zur Senkung von Manipulationen………………… 63 5.1.1 Frühwarnsysteme und Videobeweis……………………………… 63 5.1.2 Kritische Betrachtung…………………………………………….. 64 5.2 Maßnahmen bei Sportwetten……………………………………………. 66 5.2.1 Begrenzung der Höchsteinsätze………………………………….. 66 5.2.2 Regulierung der Wettarten………………………………………... 68 5.2.3 Kritische Betrachtung…………………………………………….. 70 5.3 Maßnahmen zur Senkung aktionärsmotivierter Manipulation………….. 71 5.3.1 Vergleich des nordamerikanischen und europäischen Ligensystems ……………………………………………………... 71 6 5.3.2 Glättungs- und Umverteilungsmechanismen……………………... 74 5.3.3 Kritische Betrachtung…………………………………………….. 76 Schlussbetrachtung………………………………………………………….. 77 Literaturverzeichnis …………………………………………………………….. VIII Ehrenwörtliche Erklärung……………………………………………………… XXII III Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Abkürzungsverzeichnis AG Aktiengesellschaft AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen BGB Bürgerliches Gesetzbuch bzw. beziehungsweise ca. circa CAGR Compound Annual Growth Rate DFB Deutscher Fußball Bund DFL Deutsche Fußball Liga GmbH DM Deutsche Mark ebd. ebenda eG eingetragene Genossenschaft EM Europameisterschaft ESSA European Sports Security Association € Euro EU Europäische Union e.V. eingetragener Verein f. folgende ff. fortfolgende FIFA Fédération Internationale de Football Association GBGC Global Betting and Gaming Consultants GmbH Gesellschaft mit begrenzter Haftung GmbH & Co. KGaA Kommanditgesellschaft mit beschränkter Haftung auf Aktien - GmbH als Komplementär Hrsg. Herausgeber HWWI Hamburgisches Weltwirtschaftsinstitut insb. insbesondere IOC International Olympic Committee IPO Initial Public Offering ISA Internationale Service Agentur Jg. Jahrgang KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien IV Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball LOS Lizenzordnung Spieler Ltd. Private Limited Companies Mio. Millionen MLB Major League Baseball Mrd. Milliarden NBA National Basketball Association NFL National Football League NHL National Hockey League Plc. Public Limited Companies S. Seite SA Sociedad Anónima SAD Sociedad Anónima Deportiva SpA Società per Azioni TV Television u.a. und andere UEFA Union of European Football Associations vgl. vergleiche WADA World Anti-Doping Agency WM Weltmeisterschaft www World Wide Web z.B. zum Beispiel V Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Durchschnittliche Zuschauerzahlen in den „Big Five Leagues“ 2000/2001 – 2005/2006……………………………………………6 Abbildung 2: Lohn- und Gehaltskosten in den europäischen „Big Five Leagues“ 2000/2001 – 2005/2006…………………………………………... 11 Abbildung 3: Umsätze der europäischen „Big Five Leagues“ 2000/20001 – 2005/2006…………………………………………..14 Abbildung 4: Interessengruppen im Fußball…………………………………….. 35 VI Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Verhältnis von Personalaufwand zum Umsatz der „Big Five Leagues“ 2000/2001 – 2005/2006……………………... 10 Tabelle 2: CAGR der „Big Five Leagues“ 1995/1996 - 2000/2001 und 2000/2001 – 2005/2006…………………………………………... 15 Tabelle 3: Fußballkapitalgesellschaften in der ersten und zweiten Bundesliga………………………………………………………… 51 Tabelle 4: Potentielle Investoren von Fußballunternehmen…………………..57 Tabelle 5: Ausgewählte Merkmale US-amerikanischer und europäischer Sportligen…..................................................................................... 71 VII Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 1 Einleitung Der europäische Profifußball hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Das Geschäft mit dem Fußball ist mit fortschreitender Kommerzialisierung ein Milliardengeschäft, und in jeder Saison berichten europäische Fußballunternehmen von neuen Umsatzrekorden.1 Erstmals hat mit Real Madrid ein europäischer Fußballclub in der Saison 2006/2007 einen Umsatz von mehr als 300 Mio. Euro erzielt.2 Die Clubs agieren zunehmend wie professionell geführte Wirtschaftsunternehmen und zusätzlich zu sportlichen Faktoren spielt der wirtschaftliche Erfolg eine immer wichtigere Rolle. Neben den Fußballclubs profitieren auch andere Wirtschaftsbranchen von diesem „Fußballboom“. Genannt sei hier der Markt für Sportwetten, der ähnlich hohe Wachstumsraten aufweisen kann wie der Fußballmarkt.3 Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung ist die steigende Nachfrage nach dem „Produkt“ Fußball. Der Fußball steht in Deutschland, wie auch in ganz Europa, im Zentrum des Sportinteresses. Allein in Deutschland besuchen Hunderttausende die Stadien an den Spieltagen und Fußballübertragungen im Fernsehen zählen zu den Sendungen mit den höchsten Einschaltquoten. Die Frage, warum der Fußball so attraktiv für viele Zuschauer zu sein scheint, lässt sich mit folgendem Zitat beantworten: "Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen wie es ausgeht."4 Entscheidendes Merkmal für die Anziehungskraft des Fußballs ist die Unsicherheit, oftmals auch als Zufall oder Glück bezeichnet, die über den sportlichen Ausgang entscheidet. Die Wahrscheinlichkeit ein Fußballspiel bzw. eine Meisterschaft zu gewinnen, kann zwar mit dem Einsatz finanzieller Mittel erhöht werden, eine absolute Sicherheit gibt es dafür jedoch nicht. Eine Gefahr besteht für die Integrität des Fußballs dann, wenn die Integrität und Offenheit des Spielausgangs nicht mehr gewährleistet werden kann. Der Verlust von Glaubwürdigkeit ist für den Fußball und alle Beteiligten mit erheblichen negativen 1 Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe Fußballunternehmen, -club und -verein Synonym für Organisationen verwendet, die eine Rechtsform in Gestalt eines Vereins oder einer Kapitalgesellschaft aufweisen. 2 Vgl. Deloitte (2008), S. 5. 3 Vgl. Dietl, Franck (2006), S. 53. 4 Zitat von Sepp Herberger, Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft von 1936-1942 und von 1950-1964. Vgl. Bausenwein (1995), S. 421. 1 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball finanziellen Auswirkungen verbunden. Daher sind bestimmte Formen von Manipulationen, die Einfluss auf Ereignisse im Fußball nehmen, zu vermeiden. Manipulationsfälle in der Vergangenheit zeigen, dass so genanntes „match-fixing“ im Sport allgegenwärtig ist. In Deutschland sorgte der Fall „Hoyzer“ 2005 für Aufsehen, in dem Fußballspiele durch Bestechung von Schiedsrichtern und Spielern manipuliert und bewettet wurden.5 Juventus Turin, Spitzenclub der italienischen Serie A, wurde mit der Aberkennung der Meisterschaften der Saisons 2004/2005 und 2005/2006 sowie dem Zwangsabstieg in die Serie B bestraft, nachdem offenkundig wurde, dass der damalige Sportdirektor Luciano Moggi Spiele der laufenden Meisterschaft beeinflusst hatte.6 Ursache für Manipulationen im Sport sind häufig finanzielle Anreize. Mit dem Profifußball kann immer mehr Geld verdient werden. Damit steigt auch die Motivation, auf den Fußball Einfluss zu nehmen. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Fokus auf zwei Gruppen gesetzt, die ein Interesse haben könnten, zu manipulieren. Zum einen sind dies Wettakteure, die unter Zuhilfenahme von Manipulationen versuchen, Gewinne aus Sportwetten zu erzielen. Der Fall „Hoyzer“ und andere zeigen, dass sich dadurch Millionen verdienen lassen.7 Zum anderen können die Eigentümer von Fußballunternehmen in Form von Aktionären Anreize haben, Einfluss auf Ereignisse im Fußball zu nehmen. Da der sportliche Erfolg einer Mannschaft mit dem wirtschaftlichen Erfolg korreliert, könnte ihre Intention sein, Spiele zu manipulieren, um den Erfolg der eigenen Mannschaft zu steigern und damit als Konsequenz eine Verbesserung ihrer finanziellen Situation zu erreichen. Im Rahmen dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, warum Manipulationen im Fußball zu vermeiden sind und aus welchen Gründen von den oben genannten Gruppen eine zunehmende Gefahr ausgeht, Ereignisse im Fußball zu beeinflussen. Des Weiteren sollen spezifische Maßnahmen diskutiert werden, mit denen die negativen Folgen von Manipulationen im Fußball reduziert werden könnten. Die Arbeit gliedert sich wie folgt: Im zweiten Kapitel wird zunächst die zunehmende ökonomische Bedeutung des europäischen Fußballs erörtert. Ebenso werden spezifische Charakteristika des Fußballs und notwendige Produkteigenschaften aufgezeigt. Kapitel 3 beschäftigt sich mit dem Komplex der Manipulation und versucht diesen weit 5 Vgl. Matz, Laux (2005). Vgl. Piller (2006), S. 20. 7 Vgl. Wulzinger (2007), S. 200 ff. 6 2 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball gefassten Begriff für die Arbeit abzugrenzen und auf den Fußball zu übertragen. Die Determinanten, von denen Individuen eine Manipulationsentscheidung abhängig machen, werden dargestellt. Schließlich werden in diesem Abschnitt auch damit verbundene Problematiken aufgezeigt. Der Markt für Sportwetten, der eng mit dem Fußball verbunden ist, wird in Kapitel 4 betrachtet. Herausgestellt wird die Entwicklung der letzten Jahre und warum von Sportwetten Manipulationsgefahren ausgehen. Ebenso wird im vierten Teil der Arbeit erläutert, aus welchem Grund die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zunehmend für professionelle Fußballunternehmen von Bedeutung ist und als Konsequenz Anreize entstehen, Einfluss auf den Fußball nehmen zu wollen. In Kapitel 5 werden Ansätze formuliert, mit denen das Ausmaß an Manipulationen im Fußball unter Umständen reduziert werden könnte. Abschließend kommt es in der Schlussbetrachtung zu einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse. 2 Grundlagen 2.1 Professionalisierungsbegriff im Fußball Die im Rahmen dieser Arbeit getroffenen Überlegungen beziehen sich ausschließlich auf den Bereich des Profifußballs. Im Folgenden wird der Begriff näher erläutert und gegenüber dem Nicht-professionellen Fußball abgegrenzt. Dem lateinischen Ursprung nach umfasst der Begriff „professio“ alle geistigen und körperlichen Berufe, zu denen man sich öffentlich bekennt. Im Fokus des Profifußballs stehen neben den internationalen und nationalen Verbänden sowie den Fußballunternehmen schwerpunktmäßig die Spieler einer Mannschaft.8 Ob ein Fußballspieler als Profi einzuordnen ist, hängt von verschiedenen Kriterien ab. Hauptmerkmal ist die Einkommenshöhe. Hinzu kommen als Einordnungskriterien der Grad der Ausbildung und qualitativen Ausübung des Fußballs und das soziale Prestige.9 Der Fußballweltverband, die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) definiert im Reglement bezüglich Spielerstatus und Transfer von Spielern einen Berufsspieler bzw. einen Profi als einen Spieler, „der über einen schriftlichen Vertrag mit einem Verein verfügt und für seine fußballerische Tätigkeit mehr Geld erhält, als zur Deckung seiner Auslagen tatsächlich notwendig ist. Alle übrigen Fußballer sind 8 9 Vgl. Fischer (1986), S. 6. Vgl. Erning (2000), S. 26 f. 3 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Amateure.“10 In diesem Zusammenhang sind Profifußballer Arbeitnehmer, die über einen gültigen Arbeitsvertrag im Arbeitsverhältnis zu einem Fußballunternehmen stehen. Im deutschen Ligenbetrieb, der ersten, zweiten und zukünftig auch dritten Bundesliga, ist ein Arbeitsvertrag zur Spielteilnahme Voraussetzung. Laut Lizenzordnung Spieler (LOS) erhalten Spieler nur dann eine für die Zulassung zum Spielbetrieb notwendige Lizenz, wenn diese einen Arbeitsvertrag mit einem Fußballunternehmen abgeschlossen haben.11 Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbranchen werden im Profifußball überdurchschnittlich hohe Gehälter gezahlt. Die häufig in den Medien genannten Spielergehälter verdienen zumeist jedoch nur die sogenannten „Stars“ und hinsichtlich der Gehälter gibt es im Profifußball zum Teil erhebliche Einkommensunterschiede.12 Durch Ausübung ihres Sports erhalten Profifußballer ein ergebnisunabhängiges Grundgehalt. Dieses erhält ein Spieler unabhängig von der sportlichen Leistung und etwaigen Verletzungen. Hinzu kommen erfolgsorientierte Zahlungen in Form von Punkt-, Tor-, Auflauf- oder individuelle Zusatzprämien.13 Vom Profifußball abzugrenzen, ist der Amateurfußball. Dieser wird aus reinem Selbstzweck betrieben und vom Amateur ohne materielle Beweggründe praktiziert. Soziale Aspekte, wie z.B. die Teilnahme am Gemeinschaftsleben, Freude an der Ausübung sowie die eigene Gesundheit und Fitness stehen für den Amateursportler im Vordergrund. Die Grenzen zwischen Profi- und Amateurfußball sind insofern fließend, als das Amateure durchaus in einem begrenzten Rahmen im Ligabetrieb der ersten und zweiten Bundesliga teilnehmen dürfen. Die Mehrheit der Spieler der beiden höchsten deutschen Spielklassen sind jedoch Profifußballer bzw. Lizenzspieler. Weltweit wird in professionellen Ligen Fußball gespielt. Aufgrund des medialen Interesses und der ökonomischen Bedeutung befindet sich vor allem der europäische Fußball im Mittelpunkt. Hier sind es wiederum die „Big Five Leagues“, die hervorzuheben sind. Dazu gehören die höchsten Spielklassen Englands, Frankreichs, Italiens, Spaniens und Deutschlands. Diese fünf Ligen erwirtschaften annähernd die Hälfte aller auf dem europäischen Fußballmarkt erzielten Umsätze in der Saison 10 Vgl. FIFA (2008a), S. 8. Vgl. DFB (2007), S. 4. 12 Vgl. Schewe, Gaede, Haarmann (2001), S. 8. 13 Vgl. Fehlauer (2007), S. 63. 11 4 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 2005/2006.14 In vielen Ländern existieren neben den jeweils höchsten Spielklassen noch weitere Ligen bzw. Divisionen, die in der Hierarchie unterhalb anzusiedeln sind. Diese werden ebenfalls dem Profifußball zugerechnet.15 In Deutschland gehören zu den professionellen Ligen die erste und zweite Bundesliga, sowie ab der Spielzeit 2008/2009 die vom Deutschen Fußball Bund (DFB) im Rahmen einer Strukturreform eingeführte dritte Bundesliga.16 2.2 Entwicklungen des europäischen Profifußballs 2.2.1 Einnahmen- und Ausgabenstruktur von Fußballunternehmen 2.2.1.1 Einnahmen Das eigentliche nutzenstiftende Produkt von Fußballunternehmen ist die Teilnahme an einem Meisterschaftsrennen im Rahmen eines Ligenwettbewerbs. Dieses setzt sich aus einer Serie von Spielen zusammen, die über eine Saison hinweg ausgetragen werden, um eine Rangfolge der teilnehmenden Mannschaften zu ermitteln. Ergänzend haben Fußballunternehmen bei entsprechender Platzierung oder erfolgreicher Qualifikation die Möglichkeit, an nationalen und internationalen Wettbewerben teilzunehmen, wie z.B. dem DFB-Pokal in Deutschland auf nationaler bzw. dem UEFA-Cup oder der Championsleague auf internationaler Ebene. Ein Großteil der Einnahmen von Fußballunternehmen wird aus der regelmäßigen Teilnahme am Ligabetrieb erzielt. Mit der Teilnahme an weiteren Wettbewerben können jedoch, in Abhängigkeit vom sportlichen Erfolg, hohe Zusatzeinnahmen verbunden sein.17 Für Fußballunternehmen sind folgende Einnahmen von besonderer ökonomischer Relevanz und stellen somit die Haupteinnahmequellen dar: • Spieltagseinnahmen • Vermarktung von medialen Übertragungsrechten • Sponsoring bzw. Werbung • Merchandising Lange Zeit waren die direkten Spieltagseinnahmen bzw. die Erlöse aus den Verkäufen von Eintrittkarten die wichtigste Einnahmequelle von Fußballunternehmen. Neben dem klassischen Verkauf von Eintrittkarten für Steh- und Sitzplätze bieten 14 Vgl. Deloitte (2007), S. 7. Vgl. Parlasca (1993), S. 50. 16 Vgl. DFB (2008a). 17 Vgl. Korthals (2006), S.7. 15 5 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Fußballunternehmen mit Business Seats, VIP-Logen, Vereinsmuseen, Hotels, Einkaufsund Gastronomiemöglichkeiten in und um den Stadien eine Vielzahl weiterer Leistungen, mit denen weitere Einnahmen generiert werden können.18 Die Spieltagseinnahmen divergieren zwischen den Fußballunternehmen. Grund hierfür sind die unterschiedlich hohen Stadionkapazitäten. Während in der ersten Bundesliga z.B. Borussia Dortmund bei Heimspielen im Signal Iduna Park die Möglichkeit hat, vor bis zu ca. 80.000 Zuschauern zu spielen, kann Bayer 04 Leverkusen in der BayArena maximal ca. 22.000 Karten für ein Heimspiel absetzen.19 Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der durchschnittlichen Zuschauerzahlen in den Stadien der „Big Five Leagues“: Quelle: Deloitte (2007), S. 12. 18 19 Vgl. Keller (2006), S. 11. Vgl. DFL (2008), S. 158. 6 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball In der Bundesliga besuchten in der Saison 2005/2006 im Durchschnitt 40.600 Zuschauer ein Bundesligaspiel. Im Vergleich der „Big Five Leagues“ hat sich Deutschland damit am positivsten entwickelt. Begründet werden kann dies mit dem Zustand der Stadien, die für die Austragung der WM 2006 ausgebaut, modernisiert und in einigen Städten auch neu gebaut wurden. Während sich in den Ligen die Zuschauerzahlen in den Stadien positiv bzw. konstant entwickelten, kam es in der italienischen Liga zu einem besonders starken Zuschauerrückgang. Ursachen dafür sind baufällige Stadien, Sicherheitsprobleme, zunehmende Gewalt und Manipulationsskandale im italienischen Fußball.20 Eine Steigerung der Einnahmen ist aufgrund einer natürlichen Beschränkung der Stadionkapazitäten nicht unbegrenzt möglich. Zu erwarten ist daher, dass in Zukunft im Segment Spieltagseinnahmen von einer (weiteren) Stagnation auszugehen ist.21 Die zunehmende ökonomische Bedeutung des europäischen Profifußballs wird auch durch die Entwicklung der Einnahmen aus der Vermarktung medialer Übertragungsrechte geprägt. Hierzu zählen vor allem die Fernseh- und Rundfunkrechte. Mit technischem Fortschritt gewinnt aber auch die Verwertung weiterer medialer Rechte, z.B. das Internet, zunehmend an Bedeutung. Die Übertragung im Fernsehen oder über andere Medien ermöglicht es, Fußballinteressierten auch außerhalb eines Stadions das Produkt Fußball in Echtzeit oder zeitversetzt zu konsumieren.22 Üblich ist, die Übertragungsrechte einer Liga entweder zentral vom nationalen Fußballverband oder über Sportrechteagenturen bzw. dezentral von Fußballunternehmen individuell vermarkten zu lassen. Im deutschen Profifußball werden die medialen Übertragungsrechte zentral von der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) vermarktet. Begründet wird dies mit der Bildung eines Umverteilungssystems, mit dem die Ausgeglichenheit der Ligen gewährleistet werden soll. Unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten wird die Zentralvermarktung jedoch kritisch beurteilt. Anfangs wurden die Einnahmen gleichmäßig unter Solidaritätsgesichtspunkten zwischen den Fußballunternehmen verteilt. Seit der Saison 2000/2001 erfolgt die Verteilung in Abhängigkeit der sportlichen Leistung. Kriterium ist die Tabellenposition zum Saisonende. 20 Vgl. Deloitte (2007), S. 13. Vgl. Fehlauer (2007), S. 30. 22 Vgl. Welling (2004), S. 276. 21 7 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Bei Teilnahmen an weiteren nationalen und internationalen Wettbewerben erhalten Fußballunternehmen noch weitere Einnahmen aus medialen Übertragungsrechten. Die Übertragungsrechte des DFB-Pokals werden von der DFL vermarktet und in Abhängigkeit der Sendezeit an die teilnehmenden Mannschaften verteilt. Für die Championsleague übernimmt die Union of European Football Associations (UEFA) die ebenfalls zentrale Vermarktung.23 Beim UEFA-Cup hingegen müssen seit 1997 die Fußballunternehmen ihre Spiele selbst vermarkten. Seit den neunziger Jahren sind die Einnahmen aus der Vermarktung medialer Übertragungsrechte um ein Vielfaches gestiegen. In Relation zu den Gesamteinnahmen sind diese für Fußballunternehmen zunehmend von Bedeutung. Durch Liberalisierung der Fernsehmärkte wurde privaten Anbietern der Zutritt zum Fernsehmarkt ermöglicht. Die damit geschaffene Konkurrenzsituation führte zu einem Wettbewerb um die Verwertung der Übertragungsrechte und in Konsequenz zu kontinuierlichen Preissteigerungen in den letzten Jahren. Zu einer weiteren Steigerung der Einnahmen führte zudem 1991 die Einführung des Pay-TV.24 In Deutschland sind die Einnahmen aus der Vermarktung von medialen Übertragungsrechten vergleichsweise niedrig. Die Bundesliga konnte 2005/06 „nur“ 325 Mio. Euro aus dem Verkauf der TV-Rechte erzielen. Dem gegenüber stehen die Einnahmen der englischen Premier League von 839 Mio. Euro, der italienischen Serie A mit 873 Mio. Euro, der spanischen Primera División mit 406 Mio. Euro und der französische Ligue 1 mit 524 Mio. Euro in der gleichen Saison.25 Im Bereich der Vermarktung medialer Übertragungsrechte wird auch in Zukunft ein weiteres Wachstum der Einnahmen zu erwarten sein. Sponsoring bzw. Werbung ist für Fußballunternehmen eine weitere wichtige Einnahmequelle. Keine andere Sportart in Europa steht so im Blickpunkt der Öffentlichkeit und weist eine so mediale Präsenz auf wie der Profifußball. Daher ist der Markt für Fußball eine ideale Plattform für Unternehmen anderer Wirtschaftsbranchen, ihren Bekanntheitsgrad bzw. den einer Marke oder eines Produkts zu steigern oder einen Imagegewinn zu erreichen. Sponsoren unterstützen Fußballunternehmen oder eine Liga mit materiellen oder finanziellen Zuwendungen. Im Gegenzug erhalten 23 Vgl. Fritz (2006), 29 ff. Vgl. Fehlauer (2007), S. 31. 25 Diese Zahlen beinhalten die gesamten Einnahmen aus TV- und Rundfunkverträgen sowie aus weiteren nationalen und internationalen Wettbewerben. Vgl. Deloitte (2007), S. 10. 24 8 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Unternehmen das Recht, als Haupt- bzw. Trikotsponsor, Nebensponsor oder Ausrüster aufzutreten, um so ihre Werbebotschaft zu kommunizieren. Klassische Formen des Sponsoring sind das Trikot- und Bandensponsoring, Videotafelsponsoring, Werbedurchsagen, sowie das Auto-, Stadionnamen- und Finanzdienstleistungssponsoring.26 Die Einnahmen aus Sponsoring divergieren jedoch zwischen Fußballunternehmen wie auch zwischen einzelnen Ligen zum Teil sehr stark. Die Beträge, die Unternehmen für Sponsoringmaßnahmen zu zahlen bereit sind, hängen von der Bekanntheit, dem Image und auch dem sportlichen Erfolg von Fußballunternehmen ab. So hat der „Branchenprimus“ der Bundesliga, der FC Bayern München, mit dem Trikotsponsoring der Deutschen Telekom in der Saison 2006/2007 die Möglichkeit, im Optimum bis zu 20 Mio. Euro an Sponsoringgeldern einzunehmen. Energie Cottbus, ein sportlich mittelklassiger Club, erzielt mit dem Trikotsponsoring der Mitteldeutschen Energie AG gerade ca. 2,5 Mio. Euro.27 Eine weitere positive Einnahmenentwicklung ist in diesem Bereich nicht zu erwarten. Ergeben sich in Zukunft keine neuen Einnahmepotentiale im Sponsoringbereich, ist von einem „Sättigungseffekt“ auszugehen.28 Weitere Einnahmen entstehen Fußballunternehmen auch aus dem Merchandising, dem Verkauf von Fanartikeln. Neben der Generierung von Einnahmen ist Ziel die Bindung des Fans an den Fußballclub. Beim Merchandising werden Markenzeichen, wie z.B. das Wappen eines Fußballunternehmens auf mittlerweile umfangreiche Fankollektionen übertragen. Dazu zählen vor allem Textilien (Trikots, Schals etc.) und Gegenstände des täglichen Bedarfs (Regenschirme, Tassen etc.). Fußballunternehmen übernehmen nur den Vertrieb von Fanartikeln. Produziert werden diese von Unternehmen, die auch den Vertrieb übernehmen oder durch Lizenzerwerb gegen eine Gebühr Produkte selbstständig vermarkten können. Determiniert werden die Merchandisingeinnahmen durch die Fanbasis bzw. die Anzahl der Fans. Diese ist wiederum abhängig vom sportlichen Erfolg, der Sympathie und Bekanntheit von Fußballunternehmen.29 26 Vgl. Fehlauer (2007), S. 35. Vgl. Salamon (2006), S. 22. 28 Vgl. Ernst & Young (2004), S. 15. 29 Vgl. Fritz (2006), S. 32. 27 9 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Neben den vier genannten Haupteinnahmequellen gibt es für Fußballunternehmen noch weitere Möglichkeiten, Einnahmen zu erzielen. Zu den sonstigen Einnahmen zählen • Transfererlöse, • Mitgliedsbeiträge, • Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung • sowie Beteiligungen an weiteren Geschäftsfeldern, wie z.B. Sportartikelherstellern, Reise-, Internet- oder Finanzdienstleistungsunternehmen.30 2.2.1.2 Ausgaben Wesentlicher Faktor für die Erstellung des Produkts Fußball ist das Humankapital von Fußballspielern. Die Aufwendungen für das Personal in Form von Löhnen und Gehältern stellen für professionelle Fußballunternehmen den größten Ausgabeposten dar. Neben den Spielergehältern fallen häufig auch erhebliche Personalkosten für den Trainerstab und die leitenden Manager an. Der relative Anteil der Personalkosten am Gesamtumsatz in den „Big Five Leagues“ schwankt zum Teil beträchtlich. Es lässt sich jedoch konstatieren, dass in den letzten Jahren in Relation zum Umsatz die Ausgaben für Spielergehälter (bis auf England) gesunken sind. Tabelle 1: Verhältnis von Personalaufwand zum Umsatz der "Big Five Leagues" 2000/2001 - 2005/2006 Land England Italien Spanien Deutschland Frankreich Quelle: Deloitte (2007), S. 14. 00/01 60% 75% 73% 54% 64% 01/02 62% 90% 72% 53% 69% Saison 02/03 61% 76% 72% 50% 68% 03/04 61% 73% 64% 52% 69% 04/05 05/06 59% 62% 62% 58% 64% 64% 44% 48% 63% 59% Absolut betrachtet sind in Deutschland, wie auch im Profifußball weltweit, die Spielergehälter seit Gründung der Bundesliga im Jahr 1963 von einem monatlich festgeschriebenen Höchstgehalt von 1.200 DM auf ein Vielfaches angestiegen. Bereits 30 Vgl. Fehlauer (2007), S. 44. 10 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 1970 wurden in Deutschland Gehälter von mehr als 500.000 DM pro Saison gezahlt.31 Rekordverdiener im Profifußball ist der Franzose Zinedine Zidane, der während seiner aktiven Spielerkarriere beim spanischen Real Madrid geschätzte 17,6 Mio. Euro im Jahr verdiente.32 Gehälter dieser Größenordnung sind zwar nicht die Regel, zeigen aber welche Summen im professionellen Fußball verdient werden können. In den letzten Jahren sind die Ausgaben für Spielergehälter in den europäischen Ligen bis auf wenige Ausnahmen konstant gestiegen. Abbildung 2 veranschaulicht die Entwicklung der Aufwendungen für Personalausgaben in den „Big Five Leagues“ in den letzten Spielzeiten: Quelle: Deloitte (2007), S. 14. 31 32 Vgl. Fehlauer (2007), S. 45 ff. Vgl. Süddeutsche Zeitung (2006). 11 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Aufgabe des Trainerstabs und des sportlichen Managements ist die Zusammenstellung einer Fußballmannschaft für die Teilnahme am sportlichen Wettbewerb. Bei der Verpflichtung von Fußballprofis, die den Spielerkader qualitativ und quantitativ verstärken sollen, müssen Fußballunternehmen häufig Transferzahlungen bzw. „Handgelder“ leisten. Diese Aufwendungen sind somit ein weiterer bedeutender Ausgabenfaktor. Transferzahlungen oder Ablösesummen sind dann zu leisten, wenn Spieler verpflichtet werden, die bei einem anderen Club unter Vertrag stehen. Beim Wechsel von Spielern, die nicht bei einem Fußballunternehmen unter Vertrag stehen, werden oftmals die sogenannten „Handgelder“ fällig. Dabei handelt es sich um eine Zahlung in Form einer Prämie an den wechselbereiten Spieler, der verpflichtet werden soll. Spieler mit auslaufenden Verträgen können einen erheblichen Teil des Betrages, den ein Fußballunternehmen an Transferzahlungen einspart, in Form eines „Handgeldes“ selber vereinnahmen.33 Das „Bosman-Urteil“ im Jahr 1995 brachte den Arbeitsmarkt für Profifußballer in Einklang mit geltendem Recht der Europäischen Union (EU) und führte zu einer umfassenden Liberalisierung.34 Spieler aus anderen Staaten der EU dürfen seither nicht mehr aufgrund von „Ausländerbeschränkungen“ zugunsten einheimischer Spieler diskriminiert werden. Außerdem können Spieler nun innerhalb der EU nach Auslaufen ihrer Verträge den Verein wechseln, ohne dass Fußballunternehmen, bei dem ein Spieler vorher unter Vertrag war, einen Anspruch auf eine Transferzahlung haben. Als Folge dessen hat sich die Verhandlungsposition der Fußballprofis gegenüber ihren bisherigen und zukünftigen potentiellen Clubs verbessert. Im Wettbewerb um qualitativ hochwertige Fußballer werden seit dem „Bosman Urteil“ hohe Transfersummen gezahlt.35 Rekordtransfer war der Wechsel von Zinedine Zidane zur Saison 2001/2002 von Juventus Turin zu Real Madrid für 73,5 Mio. Euro. In Deutschland zahlte Bayern München mit der Verpflichtung von Franck Ribéry 2007 die bisher höchste Ablösesumme von 25 Mio. Euro an Olympique Marseille.36 Infolge steigender Transferzahlungen setzen Fußballunternehmen in den letzten Jahren vermehrt auf die eigene Ausbildung von Nachwuchsspielern. 33 Vgl. Klimmer (2003), S. 22. Vgl. Busche (2004), S. 87 ff. 35 Vgl. Fehlauer (2007), S. 48 ff. 36 Vgl. Transfermarkt (2008). 34 12 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Weitere Ausgaben entstehen den Fußballunternehmen insbesondere im Rahmen der regelmäßigen Teilnahme am Spielbetrieb. Darunter sind Betriebskosten, eine etwaige Miete für die Nutzung des Stadions einzuordnen, sofern sich das Stadion nicht im Eigentum des Fußballunternehmens befindet und schließlich diverse Organisations-, Durchführungs- und Verwaltungskosten, wie z.B. Steuern, Versicherungen und Reisekosten.37 2.2.2 Wirtschaftsfaktor Fußball Der europäische Profifußball ist mittlerweile ein Markt von erheblicher ökonomischer Bedeutung. Die WM 2006 in Deutschland war ein herausragendes Großereignis. Mit geschätzten 33 Mrd. erreichten Fernsehzuschauern war die WM bis dato das populärste TV-Ereignis überhaupt.38 Die EM 2008 in Österreich und der Schweiz verspricht ebenfalls die Aufmerksamkeit von Milliarden fußballinteressierter Menschen auf sich zu ziehen. Dieser enormen Nachfrage der Fußballinteressierten ist es zu verdanken, dass sich der Markt für Fußball in der Vergangenheit wirtschaftlich derartig positiv entwickeln konnte. Neben Großereignissen, wie der WM und der EM, ist es jedoch insbesondere der „alltägliche“ Ligabetrieb, der von wirtschaftlicher Bedeutung ist. Europäische Spitzenvereine wie z.B. Real Madrid (351 Mio. €), Manchester United (315 Mio. €), FC Barcelona (290 Mio. €) oder der FC Bayern München (223 Mio. €) erzielen mittlerweile Umsätze im dreistelligen Millionenbereich.39 In Anlehnung an die Definition der Europäischen Kommission für kleine und mittlere Unternehmen sind eine Vielzahl von Fußballunternehmen anhand ihrer Kennzahlen mittlerweile kleineren und mittleren Unternehmen zuzuordnen.40 In der Saison 2005/2006 erwirtschaftete der gesamte europäische Fußballmarkt einen Gesamtumsatz von 12,6 Mrd. Euro. Im Vergleich zur Vorsaison entspricht dies einem Wachstum von einer Milliarde Euro. Die wirtschaftlich dominanten „Big Five“ Ligen generierten davon einen Umsatz von 6,7 Mrd. Euro. Der Umsatz der fünf Ligen stellt somit insgesamt 53 Prozent des europäischen Fußballmarktes dar.41 37 Vgl. Klimmer (2003), S. 21 f. Vgl. Kurscheidt (2004), S. 19. 39 Vgl. Deloitte (2008), S. 6 ff. 40 Vgl. Europäische Kommission (2006). 41 Vgl. Deloitte (2007) S. 7 ff. 38 13 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball In Abbildung 3 wird die Entwicklung der Umsätze in den „Big Five Leagues“ veranschaulicht: Quelle: Deloitte (2007), S. 8. Die deutschen Fußballunternehmen der ersten und zweiten Bundesliga gehen auch in Zukunft von einer zunehmenden Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation aus. Jedoch wird angenommen, dass es vielmehr zu einer Stabilisierung und Konsolidierung auf dem erreichten Niveau kommt. Nur ein Teil der Clubs rechnet mit weiteren leichten Verbesserungen. Andere Fußballunternehmen gehen von keinen nennenswerten Veränderungen der wirtschaftlichen Lage aus.42 Eine Betrachtung der jährlichen Wachstumsraten der Umsätze der „Big Five Leagues“ bestätigen die Annahmen der Bundesligisten. Tabelle 2 zeigt die Wachstumsraten zwischen 1995/1996 und 2000/2001 sowie zwischen 2000/2001 und 2005/2006. Während die Umsätze in der ersten Periode noch mit Wachstumsraten von 16% - 22% 42 Vgl. Ernst & Young (2007), S. 8. 14 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball stiegen, nahm das Wachstum im zweiten Zeitabschnitt ab, woraufhin die Umsätze in den „Big Five Leagues“ nur noch um 4% - 11% wuchsen.43 Tabelle 2: CAGR der "Big Five Leagues“ 1995/1996 - 2000/2001 und 2000/2001 -2005/2006 Saison England Italien 1995/96 - 2000/01 22% 21% 2000/01 - 2005/06 8% 4% Quelle: Deloitte (2007), S. 8. Land Deutschland 18% 6% Spanien 16% 11% Frankreich 18% 7% Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Fußballunternehmen ist der Umsatz jedoch nicht der alleinige Indikator. Bei Betrachtung der in 2.2.1 dargestellten Einnahmen- und Ausgabenstruktur wird deutlich, dass Fußballunternehmen auf der einen Seite ihre Einnahmen aus der Vermarktung medialer Übertragungsrechte, steigender Zuschauerzahlen und wachsender Merchandisingerträge steigern konnten. Auf der anderen Seite belasten Verbindlichkeiten eine Vielzahl von Fußballunternehmen und einhergehend mit den Einnahmen sind auch die Personal- und Transferausgaben deutlich gestiegen. Aus der Konsequenz steigender Einnahmen und Ausgaben ergeben sich für viele Clubs finanzielle Herausforderungen.44 Eine Reihe traditioneller Clubs mussten in den vergangenen Jahren Konkurs anmelden oder konnten nur mit finanzieller Unterstützung durch Spenden und anderen Zuwendungen weiterhin am Ligabetrieb teilnehmen. Genannt seien hier beispielhaft der AC Florenz, AC Parma, Borussia Dortmund, Bohemians Prag, FC Lugano, FC Sevilla, Lausanne Sports und Servette Genf.45 2.3 Sportlicher Erfolg im Fußball 2.3.1 Definition Fußballunternehmen beteiligen sich an einem sportlichen Wettbewerb. Im Fußball erfolgt dies im Rahmen eines Meisterschaftsrennens innerhalb einer Liga über einen festgelegten Zeitraum. Die Meisterschaft ermöglicht am Ende einer Saison die Erstellung eines Rankings der teilnehmenden Mannschaften und wird unter 43 Vgl. Deloitte (2007), S. 8 f. Vgl. Klimmer (2003), S. 23. 45 Vgl. Dietl, Franck (2008), S. 13. 44 15 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball standardisierten Bedingungen in Form vordefinierter Regeln durchgeführt. Es ist offensichtlich, dass kein Fußballunternehmen isoliert das „Metaprodukt“ Meisterschaft erstellen kann. Dieser Sachverhalt, auch als Kooperenz oder assoziative Konkurrenz bezeichnet, unterscheidet den Wettbewerb im Fußball von anderen Wirtschaftsbranchen. Während auf „normalen“ Märkten Unternehmen üblicherweise miteinander konkurrieren und nicht aufeinander angewiesen sind, wird im Fußball das Produkt Meisterschaft in Zusammenarbeit mit anderen Fußballclubs erstellt. Die sportliche Leistung einer Mannschaft wird in Relation zu den Leistungen anderer Teilnehmer gesetzt und ermöglicht eine Aussage über den sportlichen Erfolg eines Fußballunternehmens.46 Sportlicher Erfolg im Fußball lässt sich zeitlich differenzieren. Unterschieden werden kann zwischen kurzfristigem, mittelfristigem und langfristigem Erfolg. Bei Beurteilung des kurzfristigen sportlichen Erfolges ist der Fokus auf ein einzelnes Spiel gerichtet. Kriterium zur Messung des sportlichen Erfolgs ist das Ergebnis bzw. der Ausgang des Spiels. Dabei ist ein Sieg als sportlicher Erfolg zu bezeichnen. Ein Unentschieden kann als sportlicher Erfolg, Misserfolg oder neutrales Ergebnis bewertet werden. Abhängig ist dies von der individuellen Zielsetzung eines Fußballunternehmens. Die Niederlage einer Mannschaft in einem Spiel entspricht einem Misserfolg. Der mittelfristige sportliche Erfolg wird anhand der Platzierung am Ende einer Saison bzw. mit dem Abschneiden eines Wettbewerbes gemessen. Unterschieden wird zwischen dem regulären Ligenbetrieb und nationalen bzw. internationalen Wettbewerben (DFB-Pokal, UEFA-Cup, Championsleague), die in der Regel als K.O. Systeme konzipiert sind. Die Bilanz kurz- und mittelfristiger Erfolge über einen längeren Zeitraum wird in Abhängigkeit von der Zielsetzung eines Fußballunternehmens als Maßstab zur Bewertung des langfristigen sportlichen Erfolges zugrunde gelegt. Unter der Zielsetzung ist z.B. der Gewinn einer Meisterschaft oder eines nationalen oder internationalen Wettbewerbs, die Qualifikation für nationale oder internationale Wettbewerbe, der Aufstieg in die nächsthöhere Liga oder die Vermeidung eines Abstiegs zu verstehen.47 46 47 Vgl. Frick (2005), S. 252 f. Vgl. Klimmer (2003) S. 5 ff. 16 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 2.3.2 Erfolgsdeterminanten Weit verbreitet ist die These, dass sportlicher Erfolg käuflich sei. Im „Fußballalltag“ ist jedoch zu beobachten, dass nicht immer die finanzstärksten Fußballunternehmen den attraktivsten und erfolgreichsten Fußball spielen.48 Wenn dem so wäre, würde dies bedeuten, dass in der Bundesliga der FC Bayern München in jeder Saison erneut die Meisterschaft gewinnen würde. Die Ausgänge von Spielen bzw. Meisterschaften könnten dann schon im Vorwege sicher prognostiziert werden. Der FC Bayern München gewinnt im Vergleich zu seinen Konkurrenten zwar einen Großteil seiner Spiele und damit in Konsequenz am Ende einer Saison die Meisterschaft, jedoch gibt es immer wieder weitere Mannschaften, die in der Lage sind, einen Ligawettbewerb für sich zu entscheiden.49 Empirische Untersuchungen zeigen, dass der sportliche Erfolg mit der Finanzkraft von Fußballunternehmen in einem gewissen Maße korreliert. In den Studien wurde nachgewiesen, dass mit höheren Personal- und Transferausgaben die sportlichen Erfolge zunehmen. Investieren Fußballunternehmen im Vergleich zu Konkurrenten einen großen Anteil ihres Budgets in einen qualitativ hochwertigen Spielerkader, steigt damit die Häufigkeit von sportlichen Erfolgen. Der Zusammenhang zwischen finanziellem Einsatz und sportlichem Erfolg ist jedoch nicht linear. So nimmt die Wahrscheinlichkeit, sportlich erfolgreich zu sein, mit steigenden Ausgaben zu, jedoch mit einem abnehmenden Grenznutzen.50 Daher wird angenommen, dass neben der Finanzkraft noch weitere Faktoren existieren, die einen Einfluss auf den sportlichen Erfolg von Fußballunternehmen ausüben. Von wesentlicher Bedeutung ist hier die Determinante des Zufalls, die über den Ausgang eines Spiels und damit den sportlichen Erfolg von Fußballunternehmen entscheiden kann. In diesem Zusammenhang umfasst der Begriff Zufall all jene Umstände, die vor einem sportlichen Ereignis unbekannt und damit nicht prognostizierbar sind. Dadurch ist es nicht möglich, den Zufall zu quantifizieren und den Ausgang sportlicher Ereignisse sicher vorherzusagen. Die Existenz von Wettmärkten festigt diese Behauptung. Auf diesen werden in der Zukunft liegende Ereignisse, wie z.B. Fußballspiele, bewettet.51 48 Vgl. Korthals (2005), S. 150. Vgl. Bundesliga (2008). 50 Vgl. Swieter (2002), S. 66 ff. 51 Vgl. Quitzau (2003), S. 147 ff. 49 17 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Der Faktor Zufall setzt sich aus mindestens zwei Komponenten zusammen: Dem Glück und der Tagesform. Alle Ereignisse, die ein Spiel zugunsten einer Mannschaft beeinflussen und nicht auf der eigenen Leistung beruhen, können unter dem Oberbegriff von Glück subsumiert werden. Hier sind unter anderem Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern, Spielerverletzungen oder witterungsbedingte Einflüsse einzuordnen. Das Glück ist theoretisch zwischen Mannschaften gleich verteilt. Ex-post betrachtet wird deutlich, dass Fußballunternehmen in einem Spiel bzw. einer Saison jedoch häufig mehr vom Glück profitieren als andere Mannschaften.52 Ein Schiedsrichter kann mit seinen Entscheidungen ein Spiel zum Vor- oder Nachteil einer Mannschaft immanent beeinflussen. So geschehen beispielsweise bei der Weltmeisterschaft 1966 in England, als im Finale zwischen England und Deutschland ein umstrittenes Tor zugunsten der Engländer gegeben wurde und damit eventuell ausschlaggebend für den Sieg der Engländer war.53 Neben dem Glück ist die Tagesform eine weitere Komponente, die dem Zufall zuzuordnen ist. Die Tagesform ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Unter der Tagesform wird die Standardabweichung von der durchschnittlichen Spielerqualität bzw. von einem geschätzten Qualitätspotential verstanden. Differenziert wird zwischen der Tagesform einzelner Spieler und der einer Mannschaft insgesamt.54 2.4 Grundlegende Produkteigenschaften des Fußballs Das mit Abstand höchste Zuschauer- und Medieninteresse unter den Mannschaftssportarten erreicht in Europa der Fußball. Die Milliardenbeträge, die in und um den Markt für Fußball herum umgesetzt werden, stehen in direktem Zusammenhang mit der Nachfrage nach dem Produkt Fußball. Im Mittelpunkt der Nachfrage befindet sich der Konsument. Dies sind Fußballinteressierte aller sozialen Schichten und Altersgruppen, insbesondere die Fans, die sich mit einem Fußballunternehmen identifizieren. Die Nachfrage nach Eintrittskarten, Übertragungen im Fernsehen oder der Kauf von Merchandisingprodukten ist schließlich die messbare Konsumentscheidung für das Produkt Fußball.55 52 Vgl. Quitzau (2003), S. 147 ff. Vgl. Welt Online (2008). 54 Vgl. Quitzau (2003), S. 148 f. 55 Vgl. Hübl, Swieter (2002) S. 18 f. 53 18 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Für die Konsumbereitschaft der Fußballinteressierten werden folgende Produkteigenschaften als notwendig erachtet: • Vergleichbarkeit der sportlichen Leistung • Aussagekraft des Meisterschaftsrennens • Integrität des Wettbewerbs • Unsicherheit über den Ausgang Die Vergleichbarkeit der sportlichen Leistung wird durch die Erstellung eines Wettkampfmodus ermöglicht. Spiele einzelner Fußballunternehmen in einer Liga können so in einem übergeordneten Kontext gebracht werden. Erstellt wird die Vergleichsbasis über die Festlegung einheitlicher Regeln sowie einer Spielplanung, die jedem Fußballunternehmen ein gleichwertiges Spielpensum zuweist. Dabei sollte darauf geachtet werden, die Spielregeln im Zeitverlauf möglichst wenig zu ändern. Auf diese Weise kann die Leistung der Fußballunternehmen auch in einen historischen Bezug gebracht werden. Neben der Vergleichbarkeit der sportlichen Leistung ist die Aussagekraft des Meisterschaftsrennens eine weitere Produkteigenschaft des Fußballs. Die Nachfrage nach einem Meisterschaftswettbewerb in einer Liga ist besonders dann signifikant, wenn diese in ihrer Sportart als Monopolliga auftreten kann. Das bedeutet, die Liga ist innerhalb bestimmter Landesgrenzen oder Leistungsklassen alleiniger Anbieter einer Sportart. Die Existenz weiterer Ligen würde die Aussagefähigkeit der Meisterschaft einer Liga abschwächen. Vorstellbar wären zum Beispiel weitere Ligen in Deutschland, die, ebenfalls mit professionellen Fußballunternehmen besetzt, einen deutschen Meisterschaftstitel ausspielen. Die Frage, wer der „wahre“ Meister ist, bleibt in diesem Fall unbeantwortet.56 Die Integrität des Wettbewerbs ist eine weitere unabdingbare Produkteigenschaft des Fußballs.57 Die Glaubwürdigkeit eines sportlichen Wettkampfes nimmt ab, wenn Spiele nicht ernsthaft ausgetragenen oder im Vorweg der Ergebnisausgang abgesprochen bzw. „gekauft“ wird. Derartige Manipulationen sind zu vermeiden. Werden diese aufgedeckt, ist mit einem erheblichen Rückgang der Nachfrage zu rechnen. Betroffen sind nicht nur 56 57 Vgl. Franck (1995), S. 126. Integrität lässt sich aus dem lateinischen integritas ableiten und bedeutet so viel wie „unversehrt“, „intakt“ oder „vollständig“. 19 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball die direkt beteiligten Mannschaften, sondern eine Liga und unter Umständen die Sportart insgesamt sowie mit ihr in Verbindung stehende Wirtschaftsbranchen.58 Schließlich wird der Unsicherheit über den Ausgang im Sport eine zentrale Bedeutung beigemessen, die Auswirkungen auf die Nachfrage des Produkts Fußball haben kann. Kern dieser Ungewissheit ist die von Hoffnung und Bangen begleitete Spannung der Zuschauer.59 Daraus ist zu schließen, dass Konsumenten einen unsicheren Wettkampf einem prognostizierbaren Ausgang bevorzugen. Ein perfekt ausgeglichener Wettkampf ist gekennzeichnet durch eine gleich hohe Eintrittswahrscheinlichkeit der Ereignisse. In einem perfekt unausgeglichenen Wettkampf steht der Gewinner eines Wettbewerbes de facto mit der Wahrscheinlichkeit 1 fest. Die Tatsache, dass der Sieger eines Spiels bzw. der Gewinner einer Meisterschaft schon vor Spielbeginn feststeht, dürfte zu einem erheblichen Rückgang der Nachfrage führen. Die sogenannte „Unsicherheitshypothese“ geht noch weiter und unterstellt, dass ein Anstieg des Faktors Unsicherheit bzw. ein Anstieg der Ausgeglichenheit einhergeht mit einer Erhöhung der Nachfrage.60 Das Optimum ist genau dann erreicht, wenn die Fußballunternehmen einer Liga über genau dieselbe Spielstärke verfügen. Die „Unsicherheitshypothese“ ist nicht unumstritten. Empirische Beobachtungen zeigen, dass ein hohes Zuschauerinteresse auch vorhanden sein kann, wenn eine auf hohem Niveau spielende Mannschaft auf eine sportlich Schwächere trifft. Sollte die These jedoch zustimmen, dann ist es das Ziel der Ligaorganisation, möglichst eine Angleichung der Spielstärke zu erreichen.61 58 Vgl. Franck (1995), S. 126. Vgl. Bausenwein (1995), S. 421. 60 Vgl. Fritz (2006), S. 53. 61 Vgl. Hübl, Swieter (2002), S. 21. 59 20 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 3 Manipulation 3.1 Definition und Begriffsabgrenzung Unter einer Manipulation ist allgemein die Beeinflussung anderer Personen zu ihrem eigenen persönlichen Vorteil zu verstehen. Dabei werden häufig Einflussmethoden verwendet, die für andere nicht bzw. nur schwer durchschaubar sind. Die Beteiligten haben häufig ein Interesse, dass die Manipulation unentdeckt bleibt.62 Dies geschieht oftmals in Verbindung eines vertrags- oder normwidrigen Verhaltens eines Agenten gegenüber seinem Prinzipal, der durch eine dritte Partei Geld- oder Sachleistungen erhält und sich damit einen Nutzenvorteil verschafft. Daher wird Manipulation häufig mit dem Terminus Korruption in Verbindung gebracht. Tatbestände der Bestechung oder Vorteilsgewährung sind klassischerweise der der Korruption zuzuordnen.63 Das Spektrum der Handlungsweisen unter denen sich Manipulationen zusammenfassen lassen, ist weit gespannt. Bei vielen Formen der Beeinflussung ist es problematisch zu entscheiden, ob diese unter dem Oberbegriff der Manipulationen einzustufen sind. Nachfolgend sollen Manipulationen als Handlungen der „unerwünschten“ Einflussnahme verstanden werden, die gegen rechtliche oder moralische Normen verstoßen und häufig in bestehende Prinzipal-Agent Beziehungen eingreifen. Ein klassisches Beispiel ist ein Eingriff bei der Auftragsvergabe der öffentlichen Hand an private Unternehmen. Um den Zuschlag für einen gewinnbringenden Auftrag zu erhalten, besticht der Unternehmer den Beamten mit einem Geldbetrag. Der Beamte (Agent), eigentlich an vorgegebene Verhaltensregeln seines Arbeitgebers, dem Staat (Prinzipal), gebunden, nimmt das Geld an und vergibt den Auftrag an den bestechenden Unternehmer.64 Diese Arten von Manipulationen, sind mit einer negativen Wertung behaftet, da sie für Dritte häufig mit direkten oder indirekten Kosten verbunden sind.65 62 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2000), S. 2047 f. Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2000), S. 1831. 64 Vgl. Frank (2004), S. 185. 65 Die Argumentation, dass Manipulationen per Saldo wohlfahrtsfördernd sein können, soll in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden. Vgl. Maennig (2004), S. 263. 63 21 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 3.2 Manipulationsentscheidung 3.2.1 Individuelle Nutzenmaximierung Im Rahmen der rationalen Entscheidungstheorie („Rational Choice Approach“) versuchen Individuen ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Die Entscheidung, ob eine Handlung ausgeführt oder unterlassen wird, ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Diese können sowohl einen Nutzen als auch Kosten in verschiedenen Ausprägungen verursachen. Für unterschiedliche Alternativen werden dem möglichen Nutzen potentielle Kosten gegenübergestellt. Ein Vorhaben wird dann realisiert, wenn aus der Gegenüberstellung von Nutzen und Kosten ein positiver Nettonutzen resultiert. Der Nutzen besteht meist aus monetären Anreizen. Es sind aber auch moralische oder soziale Motive, die den Nutzen von Individuen kennzeichnen.66 Das Ergebnis des Kosten-Nutzen Vergleichs ist ein zu erwartender Nutzenwert, da die Handlungen in der Zukunft liegen und die sich daraus ergebenden potentiellen Konsequenzen mit Unsicherheit behaftet sind. Folgt man der in Abschnitt 3.1 definierten Begriffserklärung von Manipulationen, können diese mit einer kriminellen Handlung verglichen werden. Die ökonomische Analyse der Kriminalität befasst sich unter anderem damit, in Abhängigkeit von Nutzen und Kosten zu untersuchen, unter welchen Vorraussetzungen Individuen ein Verbrechen begehen bzw. unterlassen.67 3.2.2 Determinanten der Nutzen und Kosten Ökonomische Modelle zur Analyse krimineller Handlungen gehen vor allem auf die Arbeit „Crime and Punishment“ von Gary Becker zurück. In dieser werden die Determinanten, durch die Individuen bei der Entscheidung ein Verbrechen zu begehen oder zu unterlassen beeinflusst werden, formal in einem Modell beschrieben.68 In Erweiterung des Modells lässt sich das Entscheidungsverhalten von Individuen bezüglich einer Manipulation wie folgt definieren: 66 Vgl. Renner (2004), S. 293. Vgl. Becker (1968), S. 176. 68 Vgl. ebenda, S. 169 ff. 67 22 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball bezeichnet den erwarteten Nutzen als Konsequenz einer Manipulation. steht für die subjektive Wahrscheinlichkeit, dass eine Einflussnahme aufgedeckt und die „Täter“ überführt und (rechtzeitig) bestraft werden. Dabei gilt: . Im Umkehrschluss bedeutet die Wahrscheinlichkeit, dass die Manipulation nicht (rechtzeitig) aufgedeckt wird. bezeichnet die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Manipulation. Nicht jede Manipulation muss per se zum gewünschten Erfolg führen, da noch weitere Faktoren einwirken. Daher gilt auch hier: Wahrscheinlichkeit eines Misserfolges dar. Nutzenfunktion des manipulierenden Individuums. . stellt die beschreibt die jeweilige subjektive steht für das Vermögen, dass das Individuum zum Zeitpunkt der Manipulation besitzt. Die Berücksichtigung des Vermögens hat zur Folge, dass mit jeder zusätzlichen Vermögenseinheit, der Grenznutzen aus dem Gewinn von Manipulationen abnimmt. Die Variable bezeichnet den Ertrag aus einer erfolgreichen Manipulation abzüglich der Kosten von Vorbereitung, Durchführung, z.B. Bestechungsgelder, sowie der Aufwendungen zur Vermeidung einer Aufdeckung der Handlung. ist der Gegenwert der für die Manipulation drohenden Strafe in Geldeinheiten bei Aufdeckung. Neben einer meist monetären Strafe entsteht den „Tätern“ häufig noch ein Verlust an Reputation, ausgedrückt durch die Größe . ist der Nutzen aus der Manipulation selbst. Dieser kann prinzipiell einen Nutzen- oder Kostenfaktor bedeuten. Abhängig ist dies davon, ob Individuen eine Manipulation als reizvoll und stimulierend empfinden oder infolge hoher Anspannung eher eine innere Unruhe fühlen.69 Ist der aus diesem Modell erwartete (Netto-) Nutzen positiv, wird das (risikoneutrale) Individuum die Manipulation begehen. Ist der Nutzen negativ, wird die Manipulation unterlassen. Da bei Manipulationen häufig Dritte in bestehende Prinzipal–Agent Beziehungen eingreifen, müssen sowohl die Agenten, als auch Dritte einen positiven Nutzen aus der Einflussnahme erwarten.70 Zusammenfassend sind folgende Determinanten von zentraler Bedeutung, bei der Entscheidung eine Manipulation zu begehen oder nicht: Zum einen sind dies zu erwartende Gewinne (Erlöse abzüglich Kosten für die Manipulation) in Relation zum Anfangsvermögen. Zum anderen sind auch die (subjektiven) Wahrscheinlichkeiten der 69 70 Vgl. Forrest, Simmons (2003), S. 607 f. Vgl. Maennig (2004), S. 276. 23 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Manipulationsaufdeckung sowie die Höhe der zu erwartenden Strafe mit 71 einzubeziehen. Unter der Prämisse, das Maß an Manipulation zu reduzieren, sind folgende aus dem Modell abgeleitete Implikationen von Bedeutung: • Steigende bzw. sinkende Manipulationsgewinne erhöhen bzw. reduzieren die Anreize einer Einflussnahme. • Die Konsequenz höherer bzw. niedrigerer Wahrscheinlichkeiten bei der Aufdeckung senkt bzw. erhöht das Ausmaß von Manipulationen. • Je höher bzw. niedriger (finanzielle) Strafen angesetzt sind, desto weniger bzw. mehr wird manipuliert.72 3.3 Manipulation im Fußball 3.3.1 Fußballspezifische Manipulationen im historischen Kontext Die Manipulation von Sportereignissen ist kein neues Phänomen. Schon seit der Antike wird versucht, im Sport Ereignisse zum eigenen Vorteil zu manipulieren. Der erste dokumentierte Fall fand demnach schon im Jahr 388 v. Chr. bei den olympischen Spielen in Griechenland statt. Der Athlet Eupolos bestach drei seiner Gegner mit Geldbeträgen und wurde nach erfolgreichen Ergebnisabsprachen Olympiasieger im Faustkampf. Bis heute gilt Eupolos als Olympiasieger, da nach damaligen Regeln keine nachträgliche Aberkennung des Titels möglich war.73 Seitdem wird regelmäßig in den verschiedensten Sportarten versucht, Ergebnisse zu manipulieren. Auch im professionellen Fußball sind Einflussnahmen auf Spielausgänge allgegenwärtig. Ferner gerieten in den letzten Jahren beispielsweise auch Cricket, Baseball, Basketball, Sumo oder der Rad- und Pferderennsport ins Zentrum von Manipulationen.74 Im Folgenden werden Beispiele der Manipulation im Fußball dargestellt, um die damit verbundene Problematik zu verdeutlichen. 71 Vgl. Becker (1968), S. 176. Vgl. Forrest, Simmons (2003), S. 608 f. 73 Vgl. Maennig (2004), S. 264. 74 Vgl. ebenda (2004), S. 266 ff. 72 24 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 3.3.1.1 Bundesligaskandal 1970/1971 Nach Ende des offiziellen Spielbetriebs der deutschen Bundesliga wurde bekannt, dass mehrere Spiele der Saison 1970/1971 durch Ergebnisabsprachen und der Zahlung von Bestechungsgeldern manipuliert wurden. Bis dato war es der schwerwiegendste Manipulationsskandal in der Bundesliga. Involviert waren mindestens 52 Spieler, zwei Trainer sowie sechs Verbandsfunktionäre aus zehn Vereinen. Ziel war es, durch Manipulationen der Ausgänge von Ligaspielen den Abstieg von Arminia Bielefeld und Rot-Weiß Oberhausen zu verhindern. Mit dem letzten Spieltag gelang dies auch den beiden Vereinen. Leidtragender Verein war Rot-Weiß Essen, der stattdessen in die zweite Liga absteigen musste.75 Infolge der Aufarbeitung wurde Rot-Weiß Essen keine Wiedergutmachung in Form von Ausgleichszahlungen für wirtschaftliche Verluste oder ähnliches zugestanden. Die „gekauften“ Spiele wurden von Seiten des DFB nicht annulliert und werden auch so „regulär“ in den Spielstatistiken des DFB weiterhin geführt.76 Viele der Beteiligten wurden mit Geldstrafen und zunächst lebenslangen Spielsperren bestraft, die im nachhinein zu durchschnittlich zwei Jahren innerhalb von Deutschland, jedoch nicht im Ausland, reduziert wurden.77 Von den beteiligten Vereinen wurden nur Arminia Bielefeld und Kickers Offenbach mit Strafen belegt. Kickers Offenbach wurde im Juli 1971 die Lizenz für zwei Jahre entzogen. Im April 1972 wurde Arminia Bielefeld mit einer Geldbuße, Lizenzentzug sowie dem Zwangsabstieg in die Regionalliga bestraft. In den beiden folgenden Saisons kam es infolge des Skandals zu einem erheblichen Zuschauerrückgang in die Stadien. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt stellt die Saison 1972/1973 mit einem Durchschnitt von 16.387 Zuschauern je Spiel den bisherigern Zuschauernegativrekord. Aufgedeckt wurde die Spielmanipulation von dem damaligen Vereinspräsidenten von Kickers Offenbach, Horst-Gregorio Canellas, der auf seinem fünfzigsten Geburtstag der Presse ein Tonband mitgeschnittener Telefonate vorlegte, in dem die Rede von geplanten Manipulationen mit Spielern war. Zu diesem Zeitpunkt war die Saison vorbei und es stand fest, dass die Offenbacher Kickers in die zweite Bundesliga absteigen mussten. Fraglich ist, ob es überhaupt zur Aufdeckung gekommen wäre, wenn die Mannschaft von Kickers Offenbach den Abstieg hätte verhindern können.78 75 Vgl. Rauball (1972), S. 14 ff. Vgl. Planet Wissen (2008). 77 Vgl. Maennig (2004), S. 266. 78 Vgl. ARD Online (2005). 76 25 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 3.3.1.2 Tapie und Olympique Marseille 1992/1993 Olympique Marseille, Teilnehmer der französischen Ligue 1, wurde 1994 in die zweite Liga herabgestuft, nachdem publik wurde, dass der damalige Präsident des Clubs, Bernard Tapie, Spieler gegnerischer Vereine bestochen hatte und somit regelwidrig zu den Erfolgen der Mannschaft beigetragen hatte. 1993 bestach Tapie vor einem Spieltag drei Spieler des FC Valenciennes mit je ca. 40.000 Euro. Dahinter lag die Absicht, das Olympique Marseille seine Spieler vor dem Championsleague Finale gegen den AC Mailand am 20. Mai 1993 schonen konnte, trotzdem aber im Spiel gegen Valenciennes gewinnen konnte. Der Sieg des Spiels trug zum Gewinn der französischen Meisterschaft in der Saison bei.79 Außerdem entschieden sie das Championsleague Finale zu eigenen Gunsten.80 Der FC Valenciennes war dagegen nicht in der Lage mit einem Punkt Abstand zu einem Nichtabstiegsplatz, den Abstieg in die zweite Liga zu vermeiden. Nach bekannt werden des Skandals wurde Olympique Marseille die errungene Meisterschaft wieder aberkannt und der Fall juristisch aufgearbeitet. Tapie selbst wurde 1995 wegen dieser und weiterer Fälle von Bestechung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren Haft verurteilt.81 Bis zur Aufdeckung des Manipulationsskandals erreichte Olympique Marseille in den Jahren zuvor eine Vielzahl sportlicher Erfolge, wie z.B. den Gewinn der französischen Meisterschaft 1989, 1990, 1991 und 1992 sowie des französischen Pokals 1993 und, wie eingangs erwähnt, den Gewinn der Championsleague 1993. In den folgenden Jahren des Skandals ging es für den Verein infolge des Zwangsabstiegs und des Verlustes an Reputation sowohl sportlich als auch wirtschaftlich bergab und Mitte der 90er Jahre stand Olympique Marseille vor dem finanziellen Ruin.82 3.3.1.3 Fußball - Wettskandal der Bundesliga 2004/2005 Im Jahr 2004 hat der Unparteiische Robert Hoyzer durch Schiedsrichterentscheidungen Einfluss auf den Ausgang mehrerer Spielbegegnungen genommen. Dies waren von ihm geleitete Spiele im Rahmen des DFB – Pokals, der zweiten Bundesliga und der 79 Vgl. Maennig (2004), S. 266. Im Jahr 2006 wurden Vorwürfe erhoben, dass die Spieler von Olympique Marseille vor dem Finale leistungssteigernde Mittel im Sinne des Dopings erhielten. Da nach 13 Jahren keine objektive Aufarbeitung zu erwarten war, verfolgte die UEFA die Vorwürfe nicht weiter und die Untersuchung wurde eingestellt. Vgl. Oberschelp, Theweleit (2006). 81 Vgl. Maennig (2004), S. 266. 82 Vgl. Wikipedia Online Lexikon (2008a). 80 26 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Regionalliga.83 Hoyzer legte im Januar 2005 ein Geständnis ab, Spiele manipuliert zu haben. Schon einige Monate zuvor kam es zu Verdachtsmomenten ihm gegenüber, nachdem bei Hoyzer auffällig viele zweifelsfreie „Fehlentscheidungen“, wie z.B. vergebene Platzverweise oder Elfmeterentscheidungen, beobachtet wurden. Das Motiv für Hoyzer Spiele zu manipulieren, waren ihm angebotene Bestechungsgelder von einem Personenkreis, der in der Medienberichterstattung als „kroatische Wettmafia“ bezeichnet wurde. Diese „Wettmafia“ schloss Wetten auf den Ausgang von Fußballspielen ab. Ziel der Bestechung des Schiedsrichters war es, Gewinne aus der Bewettung von Hoyzer geleiteter Spiele zu generieren. Neben Hoyzer waren zum Teil auch weitere Spieler und Schiedsrichter beteiligt. Durch Ergebnisabsprachen erhielten diese einen Wissensvorsprung, ähnlich dem Insiderwissen auf Kapitalmärkten, gegenüber den Sportwettanbietern. Dabei platzierte der Hauptbeschuldigte Ante Sapina seine Wetten teilweise selbst oder über Dritte, insbesondere zwei seiner Brüder. Verlief der Spielverlauf wie besprochen, erhielt Hoyzer einen vorher fest vereinbarten „Manipulationslohn“.84 Spektakulärster Fall des Wettskandals war das Spiel der ersten DFB – Pokalrunde zwischen dem SC Paderborn und dem Hamburger SV. Der Hamburger SV war bei dieser Partie Favorit und die Wettquoten für einen Sieg des SC Paderborns waren besonders hoch. Das Spiel endete wie mit Sapina abgesprochen wunschgemäß mit 4:2 für den SC Paderborn. Eine Wiederholung des Spiels war nicht möglich, da im Verlauf des Aufklärungsprozesses schon weitere Runden des DFB – Pokals ausgespielt wurden. Als Entschädigung erhielt der Hamburger SV eine Entschädigung vom DFB von 500.000 Euro und die Zusage ein Länderspiel auszurichten, das mit weiteren Einnahmen in Höhe von ca. 1,5 Mio. Euro verbunden war. Auch andere von Hoyzer geleitete Spiele wurden nicht vom DFB annulliert. Dies hatte verschiedene Ursachen. In einigen Partien konnten keine Manipulationen festgestellt werden bzw. versuchte Manipulationen schlugen fehl. Andere Partien dagegen wurden zwar erfolgreich beeinflusst, konnten jedoch nicht wiederholt werden, da diese bereits in vergangenen Spielzeiten stattgefunden haben. Im November wurde Hoyzer zu Beihilfe zum Betrug zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Ante Sapina erhielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten wegen Betrugs in zehn Fällen.85 83 Vgl. Heermann (2005), S. 4. Vgl. Wikipedia Online Lexikon (2008b). 85 Vgl. Koch, C.-A. (2007), S. 8. 84 27 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 3.3.1.4 Manipulationsskandal von Juventus Turin 2004/2005 Luciano Moggi, Generaldirektor des italienischen Serie A Clubs Juventus Turin hat nachweislich 29 von 38 ausgetragenen Meisterschaftsspielen der Saison 2004/2005 mit Hilfe von Schiedsrichtern, Spielern und Funktionären manipuliert und Juventus Turin damit den Gewinn der italienischen Meisterschaft ermöglicht. Aufgedeckt wurden die Manipulationen 2006 durch die Turiner Staatsanwaltschaft, die Telefonate zwischen Moggi und Beteiligten abhören ließ.86 Nach Ende der Untersuchungen wurden Juventus Turin die errungenen Meisterschaften aus den Spielzeiten 2004/2005 und 2005/2006 aberkannt. Zudem musste der Verein in der Saison 2006/2007 in die italienische zweite Liga, die Serie B, zwangsabsteigen und wurde für diese Saison vom italienischen Fußballverband mit einem Abzug von neun Punkten belegt. Weitere in dem Skandal beteiligte Mannschaften wie der AC Mailand, AC Florenz und Lazio Rom wurden ebenfalls mit Punktabzügen bestraft.87 Der Skandal hatte für den italienischen Fußball erhebliche finanzielle wirtschaftliche Auswirkungen zur Folge. Durch den entstandenen Vertrauensverlust in die Glaubwürdigkeit des italienischen Fußballs sanken die Besucherzahlen in den Stadien. In der Saison 2006/2007 besuchten nur noch durchschnittlich 19.000 Zuschauer ein Fußballspiel in der italienischen Serie A.88 3.3.2 Prinzipal–Agent Beziehungen im Fußball Untersuchungsgegenstand der Prinzipal-Agent Theorie sind die vertraglichen Beziehungen zwischen einem Prinzipal und einem Agenten. Der Agent wird vom Prinzipal mit der Durchführung einer Aufgabe beauftragt und schließt mit ihm einen Vertrag, in dem die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit geregelt werden. Ein klassisches Beispiel ist das Verhältnis eines Arbeitgebers und seiner Angestellten.89 Wie in anderen Wirtschaftsbranchen gibt es Prinzipal-Agent Beziehungen auch im Profifußball. Im Bereich des Fußballs existieren derartige Vertragsverhältnisse z.B. zwischen Fußballunternehmen (Prinzipal), vertreten durch Vorstand oder 86 Vgl. Piller (2006). Ursprünglich sollte Juventus Turin mit 30 Punkten Abzug bestraft werden. In darauf folgenden Einspruchsverfahren wurden anfangs 13 und später noch einmal 8 Punkte erlassen. Vgl. Wikipedia Online Lexikon (2008c). 88 Vgl. Deloitte (2007), S. 16. 89 Vgl. Jost (2001), S. 13. 87 28 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Geschäftsführung, und Spielern und Trainern (Agenten). Ebenso stehen aber auch die nationalen Fußballverbände (Prinzipal), wie z.B. der DFB, mit in der Liga teilnehmenden Spielern und Schiedsrichtern (Agenten) in Beziehung.90 Die unter Vertrag stehenden Fußballprofis, Trainer bzw. Schiedsrichter erfüllen unter normalen Umständen ihre Aufgaben und Pflichten, wie dies mit dem Verein bzw. Verband im Rahmen einer Vertragsgestaltung vereinbart wurde. Im Allgemeinen vertreten sie damit die Interessen des Prinzipals. Dies bedeutet beispielsweise, dass ein Club von einem Spieler erwartet, dass dieser als Teil einer Mannschaft versucht, seine sportlichen Qualitäten möglichst optimal einzusetzen, um damit zum sportlichen Erfolg beitragen zu können. Genauso wird von einem Trainer erwartet, dass dieser im Rahmen seiner Möglichkeiten eine Mannschaft bestmöglich auf einen sportlichen Wettbewerb vorbereitet und für ein Spiel eine Taktik und Aufstellung einsetzt, mit der eine hohe Siegwahrscheinlichkeit erreicht werden kann. Schiedsrichter stehen in Form einer Mitgliedschaft mit dem jeweiligen nationalen Fußballverband in Beziehung. In Deutschland müssen Schiedsrichter nach der Schiedsrichterordnung Mitglieder in Vereinen der Mitgliedsverbände des DFB sein.91 Leiten Schiedsrichter im Fußball ein Spiel, so wird von ihnen erwartet, dass sie sich an die sportlichen Normen und Regeln halten. Problematisch dabei ist, dass die bisher genannten Agenten einen Informationsvorsprung gegenüber ihrem Prinzipal haben. Dieser kann nicht objektiv beurteilen, ob ein Agent im Sinne des abgeschlossenen Vertrags handelt. Man spricht auch von asymmetrisch verteilten Informationen. Ein Fußballunternehmen kann nicht beurteilen, ob ein Spieler z.B. unabsichtlich oder aufgrund exogener Einflussfaktoren eventuell vorsätzlich neben das Tor schießt. Ähnlich verhält es sich bei dem Versuch einer Einordnung der Leistung von Schiedsrichtern. Eine umstrittene Elfmeterentscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Mannschaft kann beispielsweise eine unabsichtliche, theoretisch aber auch eine „geplante“ Fehlentscheidung des Schiedsrichters sein. Die asymmetrische Informationsverteilung kann Agenten zu opportunistischem Verhalten im Sinne der individuellen Nutzenmaximierung verleiten. Zu einem Eingriff in Prinzipal-Agent Beziehungen kommt es häufig dann, wenn Dritte dem Agenten 90 91 Vgl. Kern (2007), S. 5. Vgl. DFB (2008b), S. 2. 29 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Anreize in monetärer oder nichtmonetärer Form bieten. Die Möglichkeit, dass der Agent das Informationsdefizit zu seinem eigenen Vorteil nutzt und nicht mehr im Sinne vertraglicher Beziehungen handelt, wird auch als moralisches Risiko bzw. Verhaltensrisiko („moral hazard“) bezeichnet.92 Besonders bei Manipulationen im Fußball kommt es oftmals zu derartigen Eingriffen in die Beziehung von Prinzipal und Agent. 3.3.3 Formen der Manipulation Nicht jede Form der Manipulation ist im Fußball grundsätzlich zu vermeiden. Das Anfeuern einer Mannschaft seitens der Zuschauer im Stadion kann unter Umständen den Ausgang eines Spiels entscheidend beeinflussen. In diesem Kontext kann diese Form durchaus als eine wünschenswerte Manipulation verstanden werden, die nicht explizit zu unterbinden ist, da sie die Attraktivität des Sports und folglich die Nachfrage des Fußballs steigern kann.93 Im Folgenden soll jedoch weiterhin von dem in 3.1 definierten Manipulationsbegriff ausgegangen werden. Der klassischste Fall einer solchen Manipulation ist, durch Bestechung von Spielern bzw. Schiedsrichtern Einfluss auf den Spielausgang nehmen zu wollen. Die in Abschnitt 3.3.1 dargestellten Fälle von Manipulationen verdeutlichen dies und zeigen auch, dass Einflussnahmen häufig Konsequenzen auf den sportlichen Erfolg haben. Beim Fußball, aber auch im Sport allgemein, treten Manipulationen jedoch in vielfältiger Form auf und sind zum Teil schwer bzw. nicht eindeutig abzugrenzen. Häufig kommt es im Fußball zu umstrittenen Ereignissen, bei denen nicht zweifelsfrei erwiesen ist, ob diese im Rahmen des Erlaubten oder dem in 3.1 definierten Manipulationsbegriff einzuordnen sind. Die Problematik der Abgrenzung soll an folgendem Beispiel veranschaulicht werden: Usus im Profifußball ist es, dass Trainer bei Spielen, die nicht mehr für einen Fußballclub von Relevanz sind, eine sogenannte „B-Elf“ aufstellen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich eine Mannschaft im Ligawettbewerb am letzten Spieltag durch einen Sieg bzw. eine Niederlage von der Platzierung weder verbessern noch verschlechtern kann. Die „B-Elf“ setzt sich dabei aus Spielern zusammen, die nicht regelmäßig zum Einsatz kommen und im Allgemeinen ein niedrigeres Leistungsniveau aufweisen als die 92 93 Vgl. Jost (2001), S. 30. Vgl. Koch, R. (2006), S. 143 ff. 30 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Stammspieler. Eine besondere Brisanz erhält die Aufstellung einer „B-Elf“ dann, wenn es für den Gegner in diesem Spiel um einen möglichen Abstieg bzw. Aufstieg geht. Durch das Einsetzen von sportlich schwächeren Spielern bzw. dem Nicht-Aufstellen sportlicher Leistungsträger erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der gegnerischen Mannschaft, das für sie wichtige und mit finanziellen Auswirkungen verbundene Spiel zu gewinnen. Bei diesem Beispiel kann nicht eindeutig beurteilt werden, ob es sich um eine unerlaubte Manipulation handelt.94 Einerseits kann angenommen werden, dass Trainer auf diese Weise ihren Ersatz- und Nachwuchsspielern Spielpraxis ermöglichen möchten. Andererseits könnte jedoch unterstellt werden, dass direkt oder indirekt Beteiligte des gegnerischen Clubs den Trainer bestochen haben, eine sportlich schwache Mannschaft aufzustellen, um die Siegwahrscheinlichkeit der eigenen Mannschaft zu erhöhen. Fußballverbände versuchen, mit ihren Regelwerken einen Aufschluss darüber zu geben, welche Formen der Einflussnahme zu unterbinden sind.95 „Undurchsichtigen“ nicht klar abgrenzbaren Beeinflussungen, wie das obige Beispiel, wird häufig mit einem Fair Play Gedanken begegnet. Im Fair Play Kodex der FIFA heißt es dazu: „Ein Sieg ist wertlos, wenn er nicht ehrlich und fair zustande gekommen ist. Betrügen ist einfach, aber unbefriedigend. Fair zu spielen, bedingt Mut und Charakterstärke, macht aber Spaß. Fairplay lohnt sich immer, selbst bei einer Niederlage. Fairplay bringt Anerkennung, Betrügen nur Schande. Vergiss nie: Fußball ist nur ein Spiel, das ohne Fairness, wie jedes andere Spiel auch, sinnlos ist.“96 Der DFB geht folgendermaßen in seiner Rechts- und Verfahrensordnung auf die Problematik ein: „Der Deutsche Fußball-Bund, seine Mitgliedsverbände, ihre Mitgliedsvereine und Tochtergesellschaften sowie die Spieler, Trainer, Schiedsrichter, Funktionsträger und Einzelmitglieder bekennen sich zu den Grundsätzen der Integrität, Loyalität, Solidarität und Fairness und sorgen für die Einhaltung dieser Grundsätze und für Ordnung und Recht im Fußballsport.“.97 Und folgend: „Wer es, insbesondere als Spieler, Schiedsrichter, Trainer oder Funktionsträger, unternimmt, auf den Verlauf und/oder das Ergebnis eines Fußballspiels und/oder den sportlichen Wettbewerb durch 94 Vgl. ZEIT Online (2008). Die autonome Gestaltung der Grundregegeln und der Organisation des Sports obliegt den Sportverbänden gemäß Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz. Vgl. Bannenberg, Rössner (2006), S. 220 f. 96 Vgl. FIFA (2008b). 97 Vgl. DFB (2008c), S. 2. 95 31 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball wissentlich falsche Entscheidungen oder andere unbefugte Beeinflussung einzuwirken in der Absicht, sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen, macht sich der Spielmanipulation schuldig. Dies gilt nicht für Spieler, die beim Spiel oder im Zusammenhang mit diesem durch Verletzung einer Fußballregel ausschließlich einen spielbezogenen sportlichen Vorteil anstreben; …“.98 In Anlehnung dessen lassen sich „unerwünschte“ Manipulationen in die drei Kategorien der Sabotage, des Dopings und des sogenannten „match-fixing“ einordnen. Bei der Sabotage wird die sportliche Leistung eines Teilnehmers am sportlichen Wettbewerb gesenkt. Die Leistung im Sport ist eine wesentliche Determinante für den sportlichen Erfolg. Wird die Leistung eines Wettbewerbers gemindert, steigt in Relation die Leistung des Konkurrenten und erhöht damit im direkten Vergleich die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen.99 Bezogen auf den Profifußball könnte dies z.B. bedeuten, dass sich ein Fußballunternehmen A und ein Spieler, bei einem anderen Club B unter Vertrag, über einen Wechsel nach Abschluss der laufenden Saison einigen. Treffen Club A und B in einem Spiel der gegenwärtigen Saison aufeinander und für Club A ist der Ausgang des Spiels von sportlicher Bedeutung, könnte man dem Spieler unterstellen, dass dieser nicht seine optimale Leistung in das Spielgeschehen einbringt. Durch diese Form der Einflussnahme steigt für Club A die Wahrscheinlichkeit das Spiel für sich zu entscheiden und benachteiligt Club B. Doping erhöht die sportliche Leistung eines Sportlers bzw. einer Mannschaft und damit die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen. Die World Anti-Doping Agency (WADA) definiert Doping als den „Gebrauch eines Hilfsmittels (Substanz oder Methode), das potentiell gesundheitsgefährdend ist und die sportliche Leistung des Athleten verbessert“.100 Doping ist im Sport aus verschiedenen Gründen zu vermeiden. Steigern Sportler ihre Leistung mit Dopingmitteln, erhalten diese einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten. Dabei setzen sie sich häufig gesundheitlichen Risiken aus. Solange für Sportler eine subjektiv ausreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass ihr Handeln nicht entdeckt und sanktioniert wird, haben diese einen Anreiz zu dopen. Beim „match-fixing“ wird schon im Vorwege versucht, den Ausgang des sportlichen Wettkampfes durch Ergebnisabsprachen festzulegen. Involviert sein können dabei alle direkten oder indirekten Beteiligten, die einen Einfluss auf den sportlichen Ausgang 98 Vgl. DFB (2008c), S. 5. Vgl. Preston, Szymanski (2003), S. 614 f. 100 Vgl. WADA (2004), S. 10 ff. 99 32 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball ausüben und Dritte, die finanzielle oder anderweitige Interessen an den Ausgängen sportlicher Ereignisse haben. Hinsichtlich des „match-fixing“ können Absprachen dahingehend getroffen werden, ob eine Mannschaft ein Spiel gewinnt, verliert oder unentschieden spielt, sowie über die Höhe des Ergebnisses und spezielle Vorkommnisse während des Spielverlaufes (Platzverweise, Elfmeter etc.).101 Für die folgenden Ausführungen kommt insbesondere dem „match-fixing“ im Fußball eine Bedeutung zu, insbesondere dann, wenn Manipulationen von Dritten ausgehen. 3.3.4 Kosten von Manipulation In den vorherigen Ausführungen wurde gezeigt, dass bestimmte Formen der Einflussnahme gegen rechtliche und moralische Normen verstoßen und im Fußball zu vermeiden sind. Manipulationen können direkte und indirekte Auswirkungen auf die im Fußball beteiligten Akteure und partizipierenden Wirtschaftsbranchen haben. Für viele sind diese mit Kosten verbunden. Dabei handelt es sich nicht um klassische Kosten im Sinne der Kosten- und Leistungsrechnung. Vielmehr stellen diese Kosten entgangene Gewinne dar, die infolge eines veränderten sportlichen Verlaufs nicht realisiert werden können.102 Denkbar ist, dass zwei Mannschaften im Rahmen des Ligawettbewerbs gegeneinander spielen. Dabei greifen Dritte in die Prinzipal-Agent Beziehung ein und bieten dem Schiedsrichter finanzielle Anreize, damit dieser mit seinen Entscheidungen auf dem Platz einer Mannschaft zum Sieg verhilft. Führen die Entscheidungen des Schiedsrichters zum gewünschten Manipulationserfolg, wird die nicht manipulierende Mannschaft benachteiligt. Dieses Fußballunternehmen ist der unmittelbare „Geschädigte“ der Manipulation. Die Niederlage kann in Abhängigkeit der sportlichen Bedeutung des Spiels unterschiedlich hohe Kosten in Form entgangener Einnahmen bei dem Fußballunternehmen verursachen. Dies können z.B. entgangene Preisgelder, Prämien oder nicht realisierbare Einnahmen als Folge eines Abstiegs oder einer Nichtteilnahme an einem nationalen oder internationalen Wettbewerb sein. Neben dem unmittelbar geschädigten Fußballunternehmen wirkt sich eine Manipulation unter Umständen auch auf weitere in der Liga teilnehmende Clubs aus. Anders als in Sportarten, in dem der Wettbewerb nicht innerhalb eines Ligensystems entschieden 101 102 Vgl. Preston, Szymanski (2003), S. 617 ff. Vgl. Maennig (2004), S. 272 f. 33 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball wird und nur zwei Kontrahenten den Sieger untereinander ausspielen, kann sich der Ausgang eines Fußballspieles auf die Tabellensituation der übrigen Mannschaften auswirken. Die Manipulation eines Spiels kann dazu führen, dass sich die Platzierung von Clubs verändert, die durch die Ligaverbundenheit in Beziehung zueinander stehen. Erhebliche Kosten können den mittelbar beteiligten Unternehmen gegebenenfalls in gleicher Form entstehen, wie den direkten „Geschädigten“. Um die sportliche Chancengleichheit wiederherzustellen und mögliche Benachteiligungen wieder rückgängig zu machen, ist bei aufgedeckten Manipulationen eine Wiederholung der beeinflussten Begegnungen anzustreben. Die Beispiele in Abschnitt 3.3.1 zeigen jedoch, dass Manipulationen erst mit zum Teil erheblicher zeitlicher Verzögerung, wenn überhaupt, an die Öffentlichkeit gelangen. Werden Manipulationen aufgedeckt, geschieht dies häufig erst nach Abschluss einer Saison bzw. eines Turniers. Ist ein Wettbewerb schon abgeschlossen, lassen sich etwaige sportliche und finanzielle negativen Folgen für die benachteiligten nur schwer kompensieren. In Abschnitt 3.3.1.3 war die Folge der Schiedsrichtermanipulation von Robert Hoyzer beim DFB-Pokalspiel zwischen dem SC Paderborn und dem Hamburger SV das frühe Pokalausscheiden der Hamburger. Bei bekannt werden der Manipulationsvorwürfe war die Ausspielung des DFB-Pokals weit fortgeschritten und die Möglichkeit einer Wiederholung des Spieles war im Nachhinein nicht mehr gegeben. Der Einigungsprozess zwischen dem Hamburger SV und dem DFB um einen finanziellen Ausgleich endete mit einer Kompensation von ca. 2 Mio. Euro. Inwieweit dieser Betrag den entgangenen Einnahmen durch das bedingte Ausscheiden im DFBPokal entspricht, lässt sich nicht eindeutig feststellen, da keine Aussage darüber gemacht werden kann, wie erfolgreich der Hamburger SV im weiteren Verlauf der Ausspielung des DFB-Pokal teilgenommen hätte. Die entgangenen Einnahmen lassen sich aufgrund der Unwägbarkeiten über den sportlichen Erfolg nicht eindeutig quantifizieren.103 Manipulationen, die den sportlichen Wettbewerb verzerren, verursachen jedoch nicht nur bei den am gleichen Wettbewerb teilnehmenden Fußballunternehmen Kosten in Form entgangener Gewinne. 103 Vgl. Heermann (2005), S. 13 f. 34 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Abbildung 4: Interessengruppen im Fußball Spieler Zuschauer Medien Trainer Fußball Weitere Wirtschaftszweige Fußballunternehmen Sponsoren Fußballverbände Quelle: Eigene Darstellung In und um den Fußball herum gibt es eine Vielzahl verschiedener „Stakeholder“, die ein Interesse an der Erstellung des Produkts Fußball haben. Abbildung 4 zeigt eine Auswahl dieser am Fußball direkt oder indirekt beteiligten Interessengruppen. Der Zuschauer ist im Profifußball das zentrale Element der Wertschöpfungskette. Sie determinieren durch das Maß ihrer Nachfrage die wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs. Erst mit den Zuschauern als Konsumenten des Fußballs generieren Fußballunternehmen und partizipierende Wirtschaftsbranchen ihre Einnahmen.104 Die Nachfrage wird durch die in 2.4 aufgezeigten Produkteigenschaften determiniert. Manipulationen, die den Wettbewerb verzerren, wirken auf die geforderte Integrität im Fußball. Sinkt die Integrität bzw. die Glaubwürdigkeit, verlieren die Zuschauer das Vertrauen in den Fußball. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass es nicht notwendig zu einer Manipulation kommen muss, sondern bereits Verdachtsmomente ausreichen können, die Integrität zu schädigen.105 Integritätsverletzungen führen zu einem Rückgang der Nachfrage und haben unter Umständen weit reichende Konsequenzen für Fußballunternehmen und weitere „Stakeholder“ des Fußballs. Mit abnehmenden Besucherzahlen in den Stadien sinken auch die Zuschauereinnahmen von Fußballunternehmen. Konsumieren weniger Zuschauer Fußball über das Fernsehen 104 Es kann argumentiert werden, dass mit steigendem Interesse nach dem Produkt Fußball und die damit einhergehende zunehmende wirtschaftliche Bedeutung, die Anreize zu manipulieren zunehmen. Vgl. Preston, Szymanski (2003), S. 613 und Büch, Maennig, Schulke (2006), S. 3. 105 Vgl. Quitzau (2003), S. 66. 35 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball und andere Medien, sinkt der Preis der medialen Fernsehübertragungsrechte. In Folge erlösen Fußballunternehmen weniger Einnahmen aus der Vermarktung ihrer Übertragungsrechte. Unternehmen anderer Wirtschaftsbranchen, die als Sponsor auftreten, werden zudem in andere Sportarten als in den mit einem negativen Image behafteten Fußball investieren.106 Unter Umständen überträgt ein Manipulationsskandal einer Liga auch negative externe Effekte auf andere Ligen und hat somit Folgen für den Fußball insgesamt. Deutlich wird, dass Manipulationen bei vielen Beteiligten des Fußballs Kosten in Form entgangener Gewinne verursachen können. Diese zu klassifizieren und damit die Kosten zu quantifizieren, fällt jedoch schwer. Neben den finanziellen Auswirkungen verursachen Manipulationen häufig auch „immaterielle“ Schäden, da der Fußball für eine Gesellschaft immer eine gewisse Vorbildfunktion verkörpert. Dazu gehört die Vermittlung ethischer Normen und Werte, wie z.B. Toleranz, Fairplay, Gerechtigkeit und Teamgeist. Durch den verursachten Integritätsverlust von Manipulationen besteht die Gefahr, dass die Vorbildfunktion des Fußballs nicht mehr gewährleistet ist.107 Die in diesem Abschnitt aufgezeigten negativen Auswirkungen führen zu der Annahme, dass Manipulationen im Fußball zu vermeiden sind. 3.3.5 Probleme der empirischen Messung Manipulationen im Fußball sind nur selten zu beobachten oder zu messen. Es liegt im Interesse der Akteure, dass ihre Handlungen, wie auch bei kriminellen Aktivitäten, im Verborgenen verbleiben. Inwieweit im professionellen Fußball manipuliert wird, lässt sich daher empirisch nur schwer überprüfen.108 Anhand der in der Vergangenheit aufgetretenen Fälle lässt sich zwar feststellen, dass Manipulationen im Fußball existieren. Es ist jedoch nicht möglich, Folgerungen über das Ausmaß zu schließen, da zum einen nicht jede Manipulation entdeckt wird und zum anderen nicht jede bekannt gewordene Manipulation als solche eindeutig abgegrenzt werden kann.109 Berichten öffentliche Medien vermehrt über Manipulationen im Fußball, kann daraus nicht direkt geschlussfolgert werden, dass zunehmend im Fußball manipuliert wird. 106 Vgl. Forrest, Simmons, (2003), S. 607. Vgl. Fehlauer (2007), S. 71 f. 108 Vgl. Renner (2004), S. 292 f. 109 Vgl. Ricks (1995), S. 162. 107 36 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Ursache einer gestiegenen Berichterstattung könnte in diesem Zusammenhang auch in einer erhöhten Aufklärungsquote von Manipulationen begründet sein.110 Zwei Problematiken sind von Bedeutung: Zum einen ist es schwer, eine unerwünschte Manipulation als solche zu klassifizieren. In Abschnitt 3.3.3 wird die Komplexität der Abgrenzung von Manipulationen deutlich. Zum anderen mangelt es häufig an den erforderlichen Beweisen, die eine Manipulation belegen. Verschiedene Akteure, wie z.B. Spieler, Schiedsrichter und weitere Beteiligte, wirken direkt oder indirekt auf das Spielgeschehen ein und haben Möglichkeiten, durch ihr Verhalten auf Ereignisse im Fußball Einfluss zu nehmen. Nur selten ist ein Fehlverhalten festzustellen, das den Bestand einer regelwidrigen Manipulation erfüllt. Aus der reinen Beobachtung des jeweiligen Akteurs ist ihm keine bzw. nur schwer eine Manipulation zu unterstellen. Ob ein Spieler absichtlich das Tor bei einem Schuss verfehlt, ein Eigentor erzielt oder ein Torwart vorsätzlich ein Tor der gegnerischen Mannschaft zulässt, ist nicht nachzuweisen. Ähnlich verhält es sich bei Schiedsrichtern, die bei ihren Entscheidungen einen Ermessensspielraum ausnutzen und Spielsituationen subjektiv jeweils unterschiedlich bewerten, wie z.B. die sportliche Ahndung eines regelwidrigen Foulspiels. Hinzu kommt noch die Wahrscheinlichkeit, dass Schiedsrichter Fehlentscheidungen treffen und Ereignisse auf dem Platz übersehen. Sportlich schwache Leistungen von Spielern oder ein gewisses Maß umstrittener Schiedsrichterentscheidungen sind demnach im Normbereich und müssen kein Hinweis auf Manipulationen sein. In Abschnitt 3.1 war ein charakterisierendes Merkmal einer Manipulation häufig ein Eingriff Dritter in bestehende Prinzipal-Agent Beziehungen. Dritte bieten dem Agenten meist finanzielle Anreize, sich entgegen vertraglicher Vereinbarungen zu verhalten. Neben der Problematik, Manipulationen aus dem Spielgeschehen heraus aufzudecken, kommt erschwerend hinzu, die Beziehung zwischen Dritten und dem Agenten zu beobachten und nachzuweisen, da diese alles daran setzen werden, dass ihr Vorhaben unentdeckt bleibt. Ein Spieler, der bestochen wird, um Einfluss auf das Ergebnis eines Spiels im Rahmen einer Manipulation zu nehmen, erhält dafür eine finanzielle „Belohnung“ von Dritten, die ein Interesse am Ausgang des Spiels haben. Dabei wird kein schriftlicher Vertrag 110 Im Bereich der Wirtschaftskriminalität werden in Deutschland Dunkelziffern von teilweise über 96% angenommen. Vgl. Maennig (2004), S. 270. 37 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball geschlossen und Geldbeträge werden üblicherweise in bar übergeben. Schriftliche Belege, die eine Beziehung zwischen dem Spieler und der dritten Partei beweisen, gibt es somit in der Regel nicht. Wenn Manipulationen im Fußball aufgedeckt werden, geschieht dies häufig erst in Verbindung mit aufgeklärten Straftaten des organisierten Verbrechens, wie z.B. der Geldwäsche, dem Drogenhandel, der Prostitution oder Waffengeschäften.111 4 Sportwett- und Aktionärsinteressen als finanzielle Anreize der Manipulation im Profifußball 4.1 Interessengruppen Abschnitt 3.3.4 hat unter anderem die Stakeholder des Fußballs dargestellt und damit gezeigt, dass unterschiedliche Interessengruppen am Fußball direkt oder indirekt beteiligt sind. Im Rahmen dieser Arbeit sind zwei Gruppen von Bedeutung, die mit dem Fußball finanzielle Interessen verbinden und daher mit dem Fußball in Zusammenhang stehen. Zum einen sind dies Akteure, die auf dem Markt für Sportwetten agieren. Diese bewetten Ereignisse im Fußball mit der Absicht der Gewinnerzielung. Zum anderen sind es die Eigentümer bzw. die Aktionäre von Fußballclubs, die zunehmend an Fußballunternehmen beteiligt sind. Investoren stellen finanzielle Mittel zur Verfügung und erwarten eine angemessene Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals. Deutlich wird, dass bei beiden Interessengruppen finanzielle Motive im Vordergrund stehen. Die Höhe des wirtschaftlichen Erfolgs von Wettakteuren und Aktionären bemisst sich in Abhängigkeit des Ausgangs von Ereignissen im Fußball. Beide Interessengruppen haben dann einen Anreiz im Fußball zu manipulieren, wenn dadurch zusätzliche Gewinne möglich sind und in Anlehnung an 3.2.2 ein positiver Nettonutzen zu erwarten ist.112 111 112 Vgl. Wulzinger (2007), S. 200 ff. Vgl. Forrest, Simmons (2003), S. 607 f. 38 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 4.2 Sportwetten im Fußball 4.2.1 Definition und Einordnung der Sportwette Das Wesentliche einer Wette ist, dass Personen entgegenstehende Behauptungen aufstellen. Um ihrer Behauptung Ausdruck zu verleihen, verpflichten diese sich im Fall der Unrichtigkeit zu einer Leistung demjenigen gegenüber, dessen Behauptung sich als die Richtige herausgestellt hat. Es geht demnach um einen Meinungsstreit mit der Wettsumme als Belohnung für den jeweils Rechthabenden. Häufiger Fall bei einer Wette ist eine Behauptung über das Eintreffen in der Zukunft liegender Ereignisse, die mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind.113 Bei der Sportwette werden sportliche Ereignisse bewettet. Wettakteure setzen Geldeinsätze auf das Eintreffen bestimmter zukünftiger Ergebnisse.114 Nicht zweifelsfrei erwiesen ist, ob Sportwetten, wie häufig angenommen, unter den Oberbegriff des Glücksspiels einzuordnen sind. Glücksspiele sind per Definition Spiele, bei denen Gewinn oder Verlust des Einsatzes ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen. Beispiel für ein reines Glücksspiel ist das Roulette bei den Casinospielen. Die Teilnehmer haben keine Möglichkeit individuelles Wissen oder Können einzusetzen, um ihre Gewinnwahrscheinlichkeit zu erhöhen. In Abschnitt 2.3.2 wurde gezeigt, dass eine wesentliche Determinante für den Ausgang eines Fußballspiels, neben der Qualität der Mannschaft, der Zufall ist. Unter dieser Prämisse wären Sportwetten als eine Form des Glücksspiels zu qualifizieren. Angenommen werden könnte jedoch auch, Sportwetten als ein Geschicklichkeitsspiel zu klassifizieren. Bei Geschicklichkeitsspielen lassen Teilnehmer ihr Wissen oder ihre Fähigkeiten mit einfließen, um den Ausgang eines Spiels, hier der Wette, zu ihrem Vorteil entscheiden zu können. Da bei Sportwetten der Wettakteur seine Vorhersage über den Ausgang eines sportlichen Ereignisses auch in Abhängigkeit ihm zugänglicher Informationen, wie z.B. bisherige Spielverläufe, Spielerqualitäten oder sonstigen Kenntnisständen macht, weisen Sportwetten auch Charakteristika von Geschicklichkeitsspielen auf. Sportwetten sind beispielsweise vergleichbar mit Entscheidungen, die auf dem Kapitalmarkt getroffen werden, z.B. eine Kauf- oder Verkaufsentscheidung von Wertpapieren am Kapitalmarkt. Anleger bilden ihren Erwartungswert über eine zukünftige Kursentwicklung aus den ihnen zur Verfügung 113 114 Vgl. Kreutz (2005), S. 138. Vgl. Meyers Online Lexikon (2008). 39 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball stehenden Informationen. Bei Sportwetten handelt es sich demnach genau genommen um eine Mischform von Geschicklichkeits- und Glücksspiel.115 Die deutsche Rechtsprechung geht davon aus, dass Sportwetten als Glücksspiel einzustufen sind. Merkmal der Sportwette ist, dass der Erfolg allein oder zum größten Teil vom Zufall bestimmt wird. Laut Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland handelt es sich dann um ein Glücksspiel, „wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. Auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses sind Glücksspiele.“116 Neben Sportwetten fallen auch Automatenspiele, Lotterien, Casinospiele und Gewinnspiele unter den Oberbegriff des Glücksspiels.117 Wie auch bei anderen Glücksspielen besteht bei Sportwetten eine Wahrscheinlichkeit, ein Mehrfaches des Einsatzes bei Wetterfolg zu gewinnen.118 4.2.2 Fußballereignisse als öffentliches Gut Die Mehrdimensionalität des Profifußballs erschwert es, das Produkt Fußball insgesamt als ein privates oder öffentliches Gut aufzufassen. Daher müssen Elemente des Fußballs bei einer Zuordnung differenziert betrachtet werden. Zwei Kriterien entscheiden darüber, ob Produkte bzw. eine Dienstleistungen als öffentliches oder privates Gut zu klassifizieren sind. Erstes Kriterium für öffentliche Güter ist die Nicht-Ausschließbarkeit. Das bedeutet, dass es nicht möglich ist, Personen von der Nutzung auszuschließen bzw. es aus ökonomischen effizienzbedingten Gründen nicht sinnvoll ist. Klassisches Beispiel für öffentliche Güter sind z.B. die innere Sicherheit oder die Verkehrsinfrastruktur. Zweites Kriterium zur Charakterisierung von öffentlichen Gütern ist die Nicht-Rivalität. Bei der Nicht-Rivalität bestehen ausreichend Nutzungsmöglichkeiten für die Konsumenten. Kein Nutzer schränkt andere Konsumenten durch Benutzung des Gutes ein.119 115 Vgl. Kreutz (2005), S. 139 f. Vgl. Becker, T., Dittmann (2008), S. 158 f. 117 Vgl. Becker, T. (2007), S. 5. 118 Vgl. Tolkemitt (2002), S. 43. 119 Vgl. Vöpel (2006), S. 14. 116 40 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Sind die Bedingungen der Nicht-Ausschließbarkeit und der Nicht-Rivalität erfüllt, dann handelt es sich um reine öffentliche Güter. Öffentliche Güter in reiner Form sind dadurch gekennzeichnet, dass keine Eigentumsrechte definiert werden können. Bei Sportwetten wird auf Ereignisse im Sport gewettet. Sportereignisse im Sport sind per se als ein öffentliches Gut zu definieren. Jeder, der dies möchte, kann diese „nutzen“, ohne jemanden beim Konsum zu beeinträchtigen (Nicht-Rivalität). Zudem kann niemand von der Nutzung bzw. dem Konsum von Sportergebnissen ausgeschlossen werden (NichtAusschließbarkeit). Anders verhält es sich mit dem Besuch eines Fußballspiels im Stadion. Dieser ist als ein privates Gut einzuordnen. Durch den Kauf einer Eintrittskarte erwirbt der Zuschauer das Recht, das Stadion an einem Spieltag zu betreten und einen Sitz- oder Stehplatz zu nutzen. Damit verringert sich die Nutzungsmöglichkeit für andere potentielle Stadionzuschauer um eine Einheit. Ist eine Person nicht bereit, den geforderten Preis zu bezahlen, wird dieser vom Konsum ausgeschlossen. Der Zutritt zum Stadion wird ihm verwehrt.120 Es wird deutlich, dass Fußballunternehmen zwar die bei Sportwetten bewetteten Ereignisse erstellen, aber nicht die Möglichkeit haben, Eigentumsansprüche zu erheben und Dritte von der Nutzung auszuschließen. 4.2.3 Entwicklung des Marktes für Sportwetten Sportwetten haben eine lange Tradition. Schon im alten Rom wurden im Circus Maximus Wetten auf die potentiellen Sieger sportlicher Wettbewerbe platziert. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden insbesondere Baseball in Nordamerika und Cricket in England mit Sportwetten in Verbindung gebracht.121 Einige Sportarten verdanken ihre Aufmerksamkeit gerade der Tatsache, dass diese bewettet werden können. Von Bedeutung ist hier neben dem in Florida verbreitetem Jai Alai und den in England, Irland und USA veranstalteten Hunderennen der Pferdesport. Pferderennen sind sicher auch ein gesellschaftliches Ereignis. Ein Großteil der Zuschauer besucht die Pferderennbahn jedoch mit der Absicht, auf die Ausgänge der unterschiedlichen Rennausgänge zu wetten. Vorübergehende Wettverbote in einigen Bundesstaaten der USA führten am Anfang des letzten Jahrhunderts dazu, dass die Anzahl dort veranstalteter Pferderennen erheblich abnahm.122 Ein Großteil anderer Sportarten ist 120 Vgl. Erning (2000), S. 59. Vgl. Forrest (2006), S. 41. 122 Vgl. Forrest, Simmons (2003), S. 598. 121 41 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball nicht in einem solchen Ausmaß abhängig von Sportwetten, kann aber ebenfalls in einem gewissen Rahmen von Sportwetten profitieren. Ereignisse, die im Fußball bewettet werden, erhöhen die bemessene Aufmerksamkeit für das Produkt Fußball und können im Endeffekt zu einer Erhöhung der Nachfrage führen.123 In den letzten Jahren hat sich der Markt für Sportwetten zu einem bedeutenden, expandierenden und weltweit agierenden Markt entwickelt. Das Bewetten sportlicher Ereignisse gewinnt zunehmend an gesellschaftlicher Beliebtheit und Akzeptanz. Die mit Sportwetten generierten Umsätze von Glücksspielunternehmen steigen stetig. Der in Deutschland bekannteste Anbieter ist bwin, ehemals betandwin. bwin bietet Wettkunden über verschiedene Plattformen täglich bis zu 12.500 Wetten in mehr als 90 Sportarten an.124 Ein weiteres Angebot neben Sportwetten sind vorwiegend über das Internet veranstaltete Poker-, Casino- und Geschicklichkeitsspiele sowie sogenannte Soft-Games. Die Anzahl der bei bwin abgeschlossenen Sportwetten haben sich in den letzten Jahren um ein Vielfaches erhöht. 2002 wurden bei bwin ca. 12,1 Mio. Sportwetten abgeschlossen.125 In den folgenden Jahren verlief die Entwicklung diesbezüglich positiv und im Geschäftsjahr 2007 konnte bwin über 233 Mio. Wettannahmen verzeichnen. Einhergehend mit der Zunahme abgeschlossener Wetten haben sich auch Erträge aus Sportwetten entwickelt. Betrugen die Brutto-GamingErträge (Wetteinsatz abzüglich Wettgewinn) für Sportwetten 2002 16,6 Mio. Euro, stiegen diese auf über 194 Mio. Euro in 2007.126 Weltweit werden jährlich Milliardenumsätze mit dem Anbieten von Sportwetten erwirtschaftet. Nach Angaben von Global Betting and Gaming Consultants (GBGC) werden die Brutto-Gaming-Erträge für den Gesamtmarkt in 2008 auf etwa 220 Mrd. Euro geschätzt. Dabei entfällt der größte Teil mit ca. 210 Mrd. Euro 95,3 % auf die traditionellen Buchmacher („Offline - Markt“), die Wetten nicht über das Internet anbieten. Wettanbieter, die über das Internet kommunizieren, können mit 4,7 % ca. 10 Mrd. Euro umsetzen. Wachstumschancen werden jedoch in Zukunft speziell dem „Online – Markt“ eingeräumt, der auch bisher hohe Wachstumsraten erreichen konnte. Während GBGC für den „Offline – Markt“ bis 2012 eine CAGR von jährlichen 2,2 % 123 Vgl. Forrest, Simmons (2003), S. 598 f. Vgl. bwin (2007), S. 31. 125 Vgl. bwin (2006), S. 3. 126 Vgl. bwin (2007), S. 81. 124 42 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball annimmt, wird für über das Internet angebotene Wetten ein Wachstum von 10,3 % pro Jahr bis 2012 prognostiziert.127 Schwerpunkt bei den Sportwetten ist der professionell ausgeübte Fußball. In Deutschland entfallen auf den Fußball ca. 80 % aller abgeschlossenen Sportwetten.128 Im Angebot der Glücksspielunternehmen befinden sich Ligaspiele von mehr als 500 Ligen aus ca. 90 Ländern. Hinzu kommen nationale und internationale Turniere wie die Ausspielung des DFB – Pokals, des UEFA – Cups, der Championsleague, der EM oder der WM sowie eventuell dazugehörige Qualifikationen.129 4.2.4 Vertrieb von Sportwetten über das Internet Die Betrachtung des Marktes für Sportwetten hat gezeigt, dass über das Internet vermehrt Sportwetten abgeschlossen werden. Für Sportwettenanbieter gewinnt diese Vertriebsform zunehmend an Bedeutung. Das Internet ermöglicht den Wettakteuren, theoretisch weltweit Wetten anzubieten bzw. abzuschließen. Mit realen Geldeinsätzen konnten erstmals 1996 Wetten über das Internet abgeschlossen werden. Der Weg dorthin vollzog sich in drei Stufen. Grundlage war eine 1994 von Antigua und Barbuda errichtete Freihandelszone. Wettanbieter mit Sitz in diesem Land konnten Wetten amerikanischer Wettkunden annehmen und damit das Glücksspielverbot in den USA umgehen. 1994/1995 entwickelte das Unternehmen Microgaming eine Glücksspiel-Software, mit der es möglich war, über das Internet und nicht wie bisher per Telefon zwischen den Beteiligten zu kommunizieren. Schon 1995 gab es Glücksspielunternehmen, die über das Internet Glücksspiele mit fiktiven Geldeinsätzen anboten. Um auch mit realem Geld wetten zu können, entwickelte das Unternehmen CryptoLogic 1995 ein Verfahren, mit dem digitale Daten verschlüsselt wurden und Finanztransaktionen über das Internet möglich waren. Somit waren alle Voraussetzungen gegeben, Sportwetten über das Internet anbieten zu können. InterCasino war 1996 der erste Wettanbieter mit Sitz in Antigua, dem schon bald Nachahmer folgten. Vorzugsweise verlegten die Glücksspielunternehmen dabei ihren Sitz in Staaten mit einer freizügigen Lizenzvergabe bzw. Gesetzgebung hinsichtlich des Glücksspiels. Dazu zählen Costa Rica, Antigua und Barbuda, die Niederländischen 127 Vgl. bwin (2007), S. 121 f. Vgl. ISA (2005). 129 Vgl. bwin (2007), S. 31. 128 43 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Antillen, Gibraltar, England, Malta und Belize.130 Die Zahl der Glücksspielanbieter im Internet hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Waren es 1999 noch etwa 650 Anbieter, hat sich die Anzahl auf über 2.000 Unternehmen im Jahr 2006 erhöht, die Sportwetten, Casinospiele und Lotterien im Internet offerieren.131 4.2.5 Wettarten im Fußball 4.2.5.1 Fußballtoto Erstmals wurde 1921 in England der Ausgang eines Fußballspiels bewettet. In Deutschland dagegen fanden Fußballwetten erst nach dem zweiten Weltkrieg Einzug. Da nach Ende des zweiten Weltkrieges keine finanziellen Mittel zur Förderung des Sports vorhanden waren, wurde das Fußballtoto eingesetzt, um einen Teil der Einnahmen an die Sportverbände der Länder weiterzuleiten. 1956 gründete sich der Deutsche Totoblock, der sich 1962 mit dem Deutschen Lottoblock zum Lotto- und Totoblock zusammenschloss.132 Bis zur Einführung der Oddsetwette war das Fußballtoto lange Zeit die einzige Sportwette. Unterschieden werden konnte bei der Toto-Sportwette zwischen der Ergebnis- und der Auswahlwette. Bei der Ergebniswette werden auf Basis von 13 vorgegebenen Fußballspielen die Spielausgänge getippt. Es wird jeweils versucht, einen Heimsieg, ein Unentschieden oder einen Sieg der Gastmannschaft vorherzusagen.133 Der Auswahlwette liegt ein vom Wettanbieter angebotener Spielplan zugrunde. Aus 45 Fußballspielen werden 6 Partien ausgewählt. Ziel ist es, auf die Spiele zu tippen, die mit einem Unentschieden enden. 134 Sowohl bei der Ergebniswette als auch bei der Auswahlwette werden die Gewinnquoten nicht vorher festgelegt, sondern errechnen sich nach dem Totalisatorprinzip. Das Verfahren wird auch beim Lotto angewandt und dient zur Bestimmung der Gewinnhöhe. Bei Glücksspielen die nach dem Totalisatorprinzip organisiert sind, wetten die Teilnehmer nicht gegen den Sportwettenanbieter bzw. gegen einen Buchmacher sondern untereinander. Wird in einer Spielrunde insgesamt weniger eingesetzt, so ist auch die Konsequenz ein relativ niedrigerer Gewinn. Der Veranstalter 130 Vgl. Wood (2007), S. 492 ff. Vgl. American Gaming Association (2008). 132 Vgl. Kreutz (2005), S. 140 f. 133 Neben der sogenannten Dreizehnerwette gibt es auch Varianten bei der auf eine andere Anzahl von Spielen getippt werden kann. Vgl. Lotto (2008a). 134 Vgl. Lotto (2008b). 131 44 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball agiert somit nicht als Buchmacher, sondern nur als Vermittler der Totowette. Die Veranstaltung von Fußballtotowetten ist folglich für den Anbieter mit keinem finanziellen Risiko behaftet. Für die Vermittlung erhält der Totalisateur die Hälfte der Spiel- bzw. Wetteinsätze, von dem ein bestimmter Betrag an Abgaben und Steuern an die Länder abgeführt wird. Die Ausschüttungsquote beträgt demnach nur 50 %. Diese werden als Gewinne auf einzelne Gewinnklassen mit unterschiedlicher prozentualer Verteilung ausgeschüttet. Innerhalb der Gewinnklassen wird der Gewinn gleichmäßig auf die Gewinner verteilt. Die Wettquote ist bei Abschluss der Wette noch nicht bekannt. Bis zum Start des bewetteten Ereignisses können nur vorläufige Quoten angegeben werden.135 4.2.5.2 Oddsetwetten Im Gegensatz zum Fußballtoto stehen bei Oddsetwetten die Wettquoten schon mit Abgabe der Wette fest. Die Quote kann nachträglich nicht mehr geändert werden. Der Wettende hat damit schon bei Vertragschluss Kenntnis, welchen Betrag er bei dem Eintreten seiner Voraussage erhält.136 Offiziell wurde die Oddsetwette nach skandinavischem Vorbild 1998 in Deutschland eingeführt und ursprünglich vom Deutschen Lotto- und Totoblock veranstaltet. Heutzutage wird der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch für Sportwetten mit festen Quoten benutzt und auch von privaten Veranstaltern von Sportwetten angeboten. Einhergehend mit der Zunahme von Oddsetwetten sank das Interesse der Bevölkerung für das Fußballtoto. Mittlerweile sind Wetten mit festen Quoten die häufigste Form der Fußballwette. Nicht nur im Fußball wird dieser Wetttyp angewendet. Bei fast allen zu bewettenden Einzel- und Mannschaftssportarten wird nach dem Prinzip einer vom Wettanbieter festgesetzten Quote gewettet.137 Die Quoten reflektieren die von den Wettanbietern bzw. Buchmachern erwartete Wahrscheinlichkeit für das jeweilige Ereignis. Dabei wird die Quote so kalkuliert und dementsprechend angesetzt, dass den Wettanbietern ein prozentualer Anteil als Gewinn verbleibt.138 135 Vgl. Tolkemitt (2002), S. 32 f. Die Wettquote beschreibt das Verhältnis zwischen Wetteinsatz und möglichem Gewinn. Beträgt die Quote beispielsweise für den Sieg einer Mannschaft 1,8, dann bekommt man für eine eingesetzte Geldeinheit den 1,8-fachen Wert bei Wetterfolg ausgezahlt. 137 Vgl. Kreutz (2005), S. 141 ff. 138 Vgl. Wikipedia Online Lexikon (2008d). 136 45 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Bei Sportwetten mit festen Quoten ist zwischen mehreren Wettarten zu differenzieren: Die Topwette ist eine Einzelwette, bei der es das Ziel ist, ein bestimmtes Spielereignis richtig vorauszusagen. Dabei wird z.B. auf den Sieger eines Spiels oder auf ein konkretes Spielergebnis gewettet. Weiter zählen dazu auch sogenannte Sonderwetten, deren Varianten in den letzten Jahren zugenommen haben. Auf die Platzierung einer Mannschaft im Rahmen eines Wettbewerbs oder auf die Anzahl der in einem Spiel geschossenen Tore kann hier gewettet werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, auf „exotische“ Ereignisse Wetten abzuschließen, die von Wettanbieter zu Wettanbieter unterschiedlich ausgestaltet sein können. Bewettet werden kann z.B. welcher Spieler ein Tor erzielt, welche Mannschaft den ersten Einwurf des Spiels ausführt oder wie viele Foulspiele es geben wird. Neben der Topwette ist die Kombinationswette eine weitere standardisierte Wettform. Es wird auf mehrere Ereignisse in einer beliebigen Kombination gewettet. Üblich wird auf den Ausgang mehrerer Spiele gesetzt, indem auf das genaue Ergebnis oder auf Sieg, Unentschieden oder Niederlage eines Teams je Spiel getippt wird. Die Gesamtquote errechnet sich durch Multiplikation der einzelnen Quoten miteinander. Die Kombinationswette ist gewonnen, wenn jedes einzelne Ereignis richtig vorausgesagt wurde. Je mehr Einzelwetten in die Kombinationswette einbezogen werden, desto höher sind die Quoten und damit ein potentieller Wettgewinn. Allerdings sinkt auch die Gewinnwahrscheinlichkeit mit zunehmender Anzahl der Einzelwetten. Die dritte Form der Oddsetwette ist die Handicap- oder auch als „point-spread“ bezeichnete Wette. Gewettet wird nicht direkt auf den Sieg einer Mannschaft. Eine Mannschaft wird mit einem Handicap belegt. Das bedeutet, dass die gegnerische Mannschaft einen „Vorsprung“ erhält, der zum tatsächlichen Ergebnis miteinbezogen wird. Das Ergebnis ist dann mit einem Sieg für die mit einem Handicap belegte Mannschaft zu bewerten, wenn diese trotz des fiktiven Handicaps die Partie zum eigenen Vorteil entscheiden kann. Handicapwetten werden häufig bei Sportereignissen abgeschlossen, in denen viele Punkte bzw. Tore erzielt werden können. Wird ein Fußballspiel bewettet und eine Mannschaft erhält ein Handicap von „+2“, dann gilt das Spiel für die Mannschaft als gewonnen, wenn diese mit mindestens 3 Toren Differenz gewinnt.139 139 Vgl. Koch, C.-A. (2007), S. 3 f. 46 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Schließlich ist noch die Live-Wette zu nennen, die in letzter Zeit zunehmend von Bedeutung ist. Während eines Spiels hat der Wettkunde die Möglichkeit, Wetten in Echtzeit abzugeben. Dabei werden die Quoten von den Wettanbietern während des Ereignisses angepasst und verändern sich damit im zeitlichen Verlauf entsprechend.140 4.2.6 Wettbezogene Manipulation im Fußball Die bisherigen Ausführungen zu Sportwetten haben gezeigt, dass der Markt für Sportwetten wächst und zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnt. Trotz Regulierungen des Glücksspielmarktes einiger Staaten, die von einem Verbot des Glücksspiels bis zu staatlich vergebenen Genehmigungen reichen, wächst der weltweite Markt für Sportwetten. Besonders durch das Internet stehen Veranstalter von Sportwetten zunehmend miteinander im Wettbewerb. Von einem Konkurrenzwettbewerb der Anbieter profitieren insbesondere die „Konsumenten“. Während auf Glücksspielmärkten mit einem staatlichen Monopolanbieter nur etwa 60 bis 70 % der Wetteinsätze in Form von Wettgewinnen wieder ausgeschüttet werden, beträgt auf Märkten mit mehreren Anbietern die Ausschüttung ca. 90 %.141 Die mit Sportwetten hohen erzielbaren Gewinne können ein Anreiz sein, mittels Manipulationen Einfluss auf den Fußball zu nehmen. Manipuliert wird mit der Absicht dahingehend, dass Ereignisse im Fußball genau den Ausgang nehmen, wie es mit einer abgeschlossenen Wette prognostiziert wurde. In Abhängigkeit von der Wettart, kann mit einer Manipulation in Form des „match-fixing“ ein bewettetes Ereignis dahingehend beeinflusst wird, dass dies mit Sicherheit oder mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eintritt, um einen Wetterfolg zu erreichen. Die Höhe des aus einer Wettmanipulation erzielten Gewinns errechnet sich aus der vorher bekannten Wettquote. Schon mit dem Bewetten eines Fußballereignisses mit einer hohen Wettquote können so hohe Gewinne erzielt werden. Manipulationen im Sport verschaffen den wettenden Personen einen Wissensvorteil. In 4.2.1. wurde erwähnt, dass auf in der Zukunft liegende Ereignisse gewettet wird, deren Ausgang unsicher ist. Dabei versuchen die Wettanbieter die Wettquoten so anzupassen, dass der Gewinnerwartungswert für jede Wette gleich ist. Die Wettanbieter nutzen für die Berechnung ihnen zur Verfügung stehende Informationen. Beim Fußball werden 140 141 Vgl. bwin (2008a). Vgl. Dietl, Franck (2008), S. 54 f. 47 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball zum einen qualitative Faktoren miteinbezogen. Die Spielstärke der beteiligten Mannschaften, eventuelle Verletzungen bzw. Sperren von Spielern, die Kompetenz der Trainer oder die gewählte Taktik, können darunter verstanden werden. Zum anderen werden auch Faktoren berücksichtigt, die Auswirkungen auf ein Spiel haben können, aber vielmehr psychisch bedingt sind. Dazu zählen Heim- oder Auswärtsspiel, Siegesserien, die Priorität eines Spiels, Erfahrungswerte und weitere den Wettanbietern zugängliche Informationen, die ebenfalls ihren Niederschlag in den Quoten finden. Nicht enthalten ist der Faktor Zufall (vgl. 2.3.2) ebenso wie Manipulationen des „match-fixing“, die den Sportwettenanbietern nicht bekannt sind. Derartige Manipulationen sind mit Insiderinformationen auf Kapitalmärkten vergleichbar und verschaffen Wettakteuren mit diesem Wissen einen Vorteil.142 Unter der Prämisse von Sportwetten wird versucht, sportliche Ereignisse so zu manipulieren, dass zuvor bewettete Ereignisse eintreten und in Folge Wettgewinne erzielt werden können. Die Wetten müssen dabei nicht im Sinne einer Ergebniswette auf Sieg, Unentschieden oder Niederlage einer Mannschaft getippt werden. Durch die Zunahme der Wettarten ist es möglich, Ereignisse zu bewetten, deren Manipulation mit höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich bzw. mit weniger Aufwand zu erreichen ist. Diese Manipulationen müssen beteiligte Mannschaften nicht zwingend benachteiligen und haben damit auch keine weit reichenden Konsequenzen zur Folge. Denkbar ist z.B., dass dahingehend Einfluss genommen wird, dass ein Spiel mit einer bestimmten Tordifferenz entschieden wird oder dass spielspezifische Ereignisse eintreten, wie ein Elfmeter, die Vergabe von Gelben oder Roten Karten, und zu einem Wetterfolg führen. Manipulationen, die auf Wettinteressen zurückgehen, unterscheiden sich von Manipulationen vor dem Hintergrund eigentümerorientierter Interessen von Fußballunternehmen. Diese versuchen, durch gezielte Einflussnahme den sportlichen Erfolg einer Mannschaft und damit den Wert ihrer Unternehmensbeteiligung zu erhöhen bzw. finanzielle Verluste zu vermeiden (vgl. 4.3.5). 142 Vgl. Quitzau (2006), S. 202 f. 48 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 4.3 Aktienhandel im Fußball 4.3.1 Rechtsformen von Fußballunternehmen 4.3.1.1 Bundesligaclubs als eingetragene Vereine Bis zu einer Änderung der Satzung am 24. Oktober 1998 vergab der DFB Bundesligalizenzen für die erste und zweite Liga nur an Fußballunternehmen mit der Rechtsform des eingetragenen Vereins (e.V.) nach § 21 BGB. Dabei ist der Verein ein „auf eine gewisse Dauer angelegter, körperschaftlich organisierter Zusammenschluss einer Anzahl von Personen, die ein gemeinschaftliches Ziel verfolgen“. Er tritt mit eigener Rechtspersönlichkeit als juristische Person auf. Notwendig ist die Formulierung eines Vereinszweckes in der Vereinssatzung. Zweck des Vereins bei Fußballunternehmen ist die dauerhafte Ausbildung von Spielern und die Austragung von Fußballspielen im Rahmen des Ligenwettbewerbs und weiterer nationaler und internationaler Pokalwettbewerbe.143 Das Handeln eines Vereins ist demnach nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftstrieb ausgerichtet. Von daher sind Fußballunternehmen gemeinnützige Idealvereine. Eingetragene Vereine mit dem Status der Gemeinnützigkeit können ihr Handeln daher nicht unter gewinnorientierten Aspekten ausrichten. In der Vergangenheit haben einige Fußballunternehmen so gewirtschaftet, dass keine Gewinne ausgewiesen wurden. Diese Philosophie, auch als Strategie der „Nichtgewinnerzielung“ bezeichnet, ließ sich relativ leicht umsetzen, da Mitglieder eines Vereins keinen Anspruch auf eine Gewinnausschüttung haben.144 Gemeinnützige Körperschaften sind von diversen Steuerarten befreit. Neben steuerlichen Vorteilen ergeben sich auch Erleichterungen bei dem Erhalt öffentlicher Mittel. Die dem gemeinnützigen Verein angeschlossenen wirtschaftlichen 145 Geschäftsbetriebe verfügen über keine Steuervorteile. Vertreten werden eingetragene Vereine offiziell vom Vereinsvorstand. Dieser umfasst alle Personen, die mit der Geschäftsführung eines Fußballunternehmens beauftragt sind. In Verbindung mit der Rechtsform eines eingetragenen Vereins kann grundsätzlich von einer ehrenamtlichen Tätigkeit des Vorstands ausgegangen werden. Neben den „offiziellen“ Vorständen üben, in Abhängigkeit von der jeweiligen Vereinssatzung, noch weitere Personen Funktionen des Vorstands aus. Hierzu zählen beispielsweise 143 Vgl. Erning (2000), S. 195. Vgl. Lang (2008), S. 151. 145 Vgl. Fehlauer (2007), S. 57. 144 49 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Sportdirektoren, Geschäftsführer und Präsidenten. Diese werden faktisch zum Vorstand gerechnet.146 4.3.1.2 Kapitalgesellschaften im deutschen Profifußball Im vorigen Abschnitt wurde die bis dato in der Bundesliga übliche Rechtsform des gemeinnützigen Idealvereins dargestellt. Mit dem sogenannten „Eckwertepapier“ verabschiedeten die Teilnehmer des DFB Bundestages im Oktober 1998 Änderungen der Satzung, die Fußballunternehmen die Umwandlung in Kapitalgesellschaft erlaubte und damit die bisherige Trennung zwischen dem traditionellen Sportsystem und unternehmerischen Interessen aufhob. Genau genommen handelt es sich nicht um eine Umwandlung des Vereins in eine Kapitalgesellschaft. Vielmehr erhalten Fußballunternehmen die Möglichkeit, ihre Lizenzspielerabteilung und andere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe in Kapitalgesellschaften umzuwandeln, um der wirtschaftlichen Entwicklung im Profifußball Rechnung zu tragen.147 Gleichzeitig wird durch Ausgliederung der Profifußballabteilung die Gemeinnützigkeit des „Restvereins“ gewährleistet. Eine Vielzahl der Bundesligisten hat von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht. Der DFB überlässt den Fußballunternehmen die Entscheidung, welche Rechtsform gewählt wird. Der DFB versucht dabei, eine Wettbewerbsverzerrung durch bestimmte Konstellationen der Eigentumsstrukturen zu unterbinden. Mit Änderungen der Satzung des Ligaverbandes wurde beschlossen, dass eine Kapitalgesellschaft nur dann eine Lizenz für die Bundesligen erhalten kann, wenn ein Verein mehrheitlich an der Gesellschaft beteiligt ist.148 Dies bedeutet, dass der Stammverein, der die Lizenzabteilung in eine Kapitalgesellschaft ausgliedert, mindesten 50 % der Kapital- und Stimmanteile plus eine zusätzliche Stimme innehat. Diese notwendige Bedingung ist auch als „50+1“ Regel bekannt.149 Damit soll zum einen vermieden werden, dass Fußballunternehmen im deutschen Profifußball fremdbestimmt werden. Fraglich ist, ob dadurch deutsche Fußballunternehmen weniger attraktiv für potentielle Investoren erscheinen. Zum anderen sollen Verflechtungen und damit verbundene Manipulationen zwischen Fußballunternehmen verhindert werden. So könnte sich die Situation ergeben, dass ein 146 Vgl. Lang (2008), S. 150 f. Vgl. Keller (2006), S. 19 f. 148 Vgl. DFL (2007), S. 7. 149 Bei einer KGaA muss Komplementär der Mutterverein sein bzw. eine von der KGaA zu 100 % beherrschte Tochter die Stellung des Komplementärs haben. Vgl. Erning (2000), S. 214 f. 147 50 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball externer Investor Beteiligungen an mehreren Clubs hält oder Fußballunternehmen Anteile anderer Clubs erwerben. Es wird befürchtet, dass aus wirtschaftlichen Interessen Einfluss auf sportliche Ergebnisse in Form des „match-fixing“ ausgeübt wird.150 Die „50+1“ Regel ist bei den Fußballunternehmen nicht unumstritten. Hauptargument der Kritiker ist, dass durch diese Bedingung Investoren, die sich an Fußballunternehmen beteiligen möchten, ferngehalten werden. Eine Diskussion um eine Abschaffung bzw. Änderung dieser Vorgabe wird zur Zeit geführt.151 Tabelle 3 enthält eine Übersicht der am Spielbetrieb der ersten und zweiten Bundesliga teilnehmenden Kapitalgesellschaften der Saison 2007/2008. Tabelle 3: Fußballkapitalgesellschaften in der ersten und zweiten Bundesliga Rechtsform AG GmbH GmbH & Co. KGaA KGmbH aA Fußballunternehmen Eintracht Frankfurt Fußball AG FC Bayern München AG Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH VfL Wolfsburg-Fußball GmbH Alemannia Aachen GmbH TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH FC Carl Zeiss Jena Fußball Spielbetriebs GmbH TuS Koblenz GmbH Borussia VfL 1900 Mönchengladbach GmbH DSC Arminia Bielefeld GmbH & Co. KGaA Werder Bremen GmbH & Co KGaA MSV Duisburg GmbH & Co. KGaA Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA Hannover 96 GmbH & Co. KG aA Fußball-Club Augsburg 1907 GmbH & Co. KGaA 1. FC Köln GmbH & Co. KgaA TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA SpVgg Greuther Fürth GmbH & Co. KGaA Hertha BSC KG mbH aA Quelle: DFL (2008), S.105 ff. 150 151 Vgl. Erning (2000), S. 205. Vgl. Kicker (2008). 51 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 4.3.1.3 Rechtsformen europäischer Fußballunternehmen Während Fußballvereine erst seit 1998 als Kapitalgesellschaften am Ligenbetrieb der ersten und zweiten Bundesliga teilnehmen dürfen, firmierten die europäischen Fußballunternehmen, speziell im englischen Fußball, schon viele Jahre früher als Kapitalgesellschaften. Die Professionalisierung des Fußballs wurde in England bereits 1885 durch die damalige Liga, die Football Association (FA), beschlossen. Amateur- und Profifußball sind in England organisatorisch vollständig voneinander getrennt. Die Premier League wird von der Football Association Premier League Limited vertreten und ist autonom gegenüber dem englischen Fußballverband. Die Clubs waren ursprünglich als nicht rechtsfähige „private social clubs“ organisiert. Bereits 1888 wurden aus diesen haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaften in Form von „limited companies“.152 Es gibt im Wesentlichen zwei Ausprägungen. Dies ist einerseits die „private limited company“ (Ltd.) und die „public limited company“ (Plc.), vergleichbar mit der deutschen GmbH bzw. AG.153 In Italien wechselten drei Vereine zwischen 1959 und 1964 ihre Rechtsform in eine „Società per Azioni “ (SpA), vergleichbar einer AG. Sämtliche italienischen Unternehmen im Profifußball mussten dieser Rechtsform nach Beschluss des italienischen Fußballverbandes 1966 folgen. Begründet wurde der Rechtsformwechsel, wie auch in England, mit Gründen der Haftungsbeschränkung. Schließlich soll noch kurz auf die Rechtsformgestaltung in Spanien eingegangen werden. Das in Spanien ausgestaltete Sportrecht ermöglicht dem Staat, anders als in Deutschland, Einfluss auf den Profifußball zu nehmen. Nach einer Entscheidung 1990 mussten spanische Fußballunternehmen die Rechtsform der „Sociedad Anónima Deportiva“ (SAD) annehmen. Diese Sonderform einer „Sociedad Anónima“ (SA) ist spezifiziert für den Profifußball und ähnelt einer deutschen Aktiengesellschaft.154 4.3.1.4 Going Public von Fußballunternehmen Unter einem Going Public versteht man das erstmalige Angebot von Aktien eines Unternehmens auf dem organisierten Kapitalmarkt und wird auch als Börsengang oder 152 Vgl. Fehlauer (2007), S. 143 ff. Vgl. Kern (2007), S. 28. 154 Vgl. Erning (2000), S. 200 f. 153 52 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball „Initial Public Offering“ (IPO) bezeichnet.155 Anteile eines Unternehmens werden an der Börse gehandelt und einem breiten Publikum zum Kauf angeboten. Deutlich wird die zunehmende Tendenz, dass Fußballunternehmen den Rechtsformwechsel von einem Verein in eine Kapitalgesellschaft vollziehen. In weiterer Konsequenz öffnet sich eine Vielzahl von Clubs dem Kapitalmarkt in Form eines Börsengangs.156 In Deutschland ging am 31. Oktober 2000 mit der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA das erste deutsche Fußballunternehmen an die Börse. Kommanditisten dieser Kapitalgesellschaft sind somit alle Aktionäre. Einzige Komplementärin ist die Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH. Vorteil dieser Konstruktion ist unter anderem, dass Kapitalerhöhungen durchgeführt werden können, ohne Gefahr die Stimmrechtsmehrheit auf ein Niveau zu reduzieren, das nicht mehr den Anforderungen des DFB genügt (vgl. 4.3.1.2).157 Während Borussia Dortmund das einzige Fußballunternehmen in Deutschland ist, das bisher den Gang an die Börse vollzogen hat, ist in anderen Ländern Europas die Notierung von Fußballunternehmen an der Börse keine Seltenheit. Tottenham Hotspur war 1983 das erste europäische Fußballunternehmen, das an der Börse, der London Stock Exchange, gelistet wurde. Vorzeigeaktie einer Fußballkapitalgesellschaft war die von Manchester United. Seit dem Börsengang im Jahr 1991 hat sich der Wert der Aktie vergleichsweise konstant positiv entwickelt. 2005 wurde die Aktie vom Markt genommen und Eigentümer von Manchester United ist Malcolm Glazer. Während 2003 europaweit noch 38 Fußballunternehmen an Börsen notiert waren sind es gegenwärtig noch 27 Clubs, die am Kapitalmarkt gehandelt werden (Stand: Juni 2008).158 4.3.2 Gewinn vs. Nutzenmaximierung Die Frage, welches das Primärziel von Fußballunternehmen ist, wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Verbreitet ist einerseits die Meinung, dass Fußballclubs ihre Unternehmensziele an der Nutzenmaximierung ausrichten. Im Kontext dieser Prämisse hat das Erreichen von sportlichen Erfolgen oberste Priorität. Andererseits wird auch der Standpunkt vertreten, dass Fußballunternehmen nach Gewinn strebende Organisationen 155 Vgl. Paul, Sturm (2004), S. 195. Vgl. Hödl (2002), S. 27. 157 Vgl. Paul, Sturm (2004), S. 209. 158 Vgl. Dow Jones STOXX Football Index (2008). 156 53 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball sind. Unter diesem Gesichtspunkt hat die Gewinnmaximierung Vorrang vor allen anderen Unternehmenszielen.159 Nicht ohne Grund wird diese Frage kontrovers diskutiert, da ein Wirkungszusammenhang zwischen dem sportlichem Erfolg einerseits und dem Gewinn andererseits besteht. Mit dem Erreichen sportlicher Erfolge einer Mannschaft werden die Einnahmen und unter Umständen auch die Gewinne des Fußballunternehmens steigen. Im nordamerikanischen professionellen Mannschaftssport handeln Sportunternehmen, mit Ausnahme einiger im Eigentum befindlicher „sportsman owner“, unter der Maxime der Gewinnmaximierung.160 Alle Clubs, die in den dort bedeutendsten Ligen der National Football League (NFL), National Basketball Association (NBA), Major League Baseball (MLB) und National Hockey League (NHL) teilnehmen, sind ausschließlich als Kapitalgesellschaften verfasst, deren Ziel das Erwirtschaften einer Rendite für die Eigentümer ist.161 Im europäischen Fußball ist diese Zielfunktion aufgrund kultureller und institutioneller Unterschiede im Vergleich mit dem nordamerikanischen Teamsport nicht ohne weiteres anzunehmen. In Europa hat sich der Profifußball aus der Tradition des rein sportlichen Wettkampfes entwickelt, hinter dem nicht die Absicht der Gewinnerzielung stand. In der Bundesliga war den Fußballunternehmen mit der vorgeschriebenen Rechtsform des eingetragenen Vereins bis 1998 allein rechtlich eine Gewinnerzielung nicht gestattet.162 Mitte der achtziger Jahre kam es bei vielen europäischen Fußballunternehmen zu einer Schwächung der Wettbewerbsposition, nachdem diese versuchten, im Sinne der Nutzenmaximierung (kurzfristig) sportlich erfolgreich zu sein. Um dies zu erreichen, wurden ohne Beachtung ökonomischer Restriktionen hohe Investitionen in die Verpflichtung von Spielern vorgenommen. Mittel- und langfristig wirkte sich die ineffiziente Ressourcennutzung für viele Fußballunternehmen negativ auf die sportliche und wirtschaftliche Situation aus. Sie waren mit hohen Verbindlichkeiten belastet und es fehlte an finanziellen Mitteln für Investitionen in die Spielerqualität.163 Im Hinblick auf die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des Profifußballs kann auch dem europäischen Fußball eine zunehmende Gewinnerzielungsabsicht unterstellt 159 Vgl. Korthals (2005), S. 62. Als „sportsman owner“ werden Eigentümer bezeichnet für die eine Gewinnerzielung von nachrangiger Bedeutung ist. Vgl. Vrooman (2000), S. 386. 161 Vgl. Erning (2000), S. 190. 162 Vgl. Fritz (2006), S. 20 f. 163 Vgl. Erning (2000), S. 192. 160 54 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball werden. Die Maximierung des Gewinns muss in der Zielhierarchie nicht ganz oben stehen und kann in den Fußballunternehmen, in Abhängigkeit von der Rechtsform und den dadurch beteiligten Interessengruppen, unterschiedlich ausgestaltet sein. Gerade bei Fußballunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft sind die gewinnorientierten Interessen der Eigenkapitalgeber von großer Bedeutung.164 4.3.3 Gründe für Umwandlungen in Kapitalgesellschaften Die Motive eines Fußballunternehmens, sich für eine Änderung der Rechtsform zu entscheiden, sind identisch mit denen anderer Wirtschaftsunternehmen. Wichtigstes Argument für eine Gründung bzw. Umwandlung einer Kapitalgesellschaft ist für Fußballunternehmen die Beschaffung finanzieller Mittel. Besonders durch Basel II sind Fußballunternehmen mit erschwerten Rahmenbedingungen konfrontiert bezüglich der Vergabe von Krediten. Es gelten erhöhte Bonitätsauflagen, die zu einer erschwerten Kreditaufnahme für Unternehmen führen. Infolge der restriktiveren Kreditvergabe von Bank- und Kreditunternehmen sind Fußballunternehmen auf alternative Finanzierungsformen angewiesen, wie z.B. einen Börsengang.165 Durch eine Stärkung der Eigenkapitalbasis kann die sportliche Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden. Diese ist Voraussetzung für eine nachhaltige positive Entwicklung.166 Das Eigenkapital steht dabei, im Gegensatz zu Fremdkapital, dem Fußballunternehmen für unbegrenzte Zeit zur Verfügung und erhöht dadurch die Flexibilität. Ohne Einschränkungen, wie z.B. durch Kreditlinien, kann das Kapital langfristig für Vorhaben genutzt werden.167 Verwendet werden die neuen finanziellen Mittel für verschiedene Zwecke. Ein Teil des Kapitals wird für die Verpflichtung neuer Spieler sowie für Gehaltszahlungen und für die Förderung der Nachwuchsarbeit, wie z.B. in vereinseigene Jugendinternate, eingesetzt. Abschnitt 2.2.1.2 hat gezeigt, dass in diesem Segment die Ausgaben von Fußballunternehmen in den letzten Jahren gestiegen sind. Auch für den Neubau eines Stadions oder für den Ausbau bzw. die Renovierung eines vorhandenen Stadions werden die finanziellen Mittel benötigt. Investitionen in ein Stadion sind häufig mit einem hohen Kapitalbedarf verbunden und stellen Fußballunternehmen vor eine große Herausforderung. Neben der Verwendung der 164 Vgl. Lang (2008), S. 9. Vgl. Ernst & Young (2004), S. 9. 166 Vgl. Bandow, Peters (2002), S. 175 ff. 167 Vgl. Keller (2006), S. 114. 165 55 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball finanziellen Mittel für Investitionen in „Steine und Beine“ nutzen verschuldete Fußballunternehmen den aus einer Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft generierten Kapitalzufluss für den Abbau von Verbindlichkeiten. Abgesehen von der oben genannten Verwendung zusätzlicher finanzieller Mittel weisen Fußballunternehmen noch weitere Motive für die Umwandlung des Vereins in eine Kapitalgesellschaft auf. Dazu gehören Image- und Marketingvorteile, die z.B. mit einem Börsengang und der damit verbundenen geforderten Publizität erreicht werden können. Diese trägt zu einer Steigerung des Bekanntheitsgrades des Fußballunternehmens und damit zu einer Stärkung des Markennamens bei.168 Schließlich wird mit einer Umwandlung noch eine Verbesserung der Organisationsstruktur erreicht, wobei hier vor allem eine Professionalisierung des Rechnungswesens und Managements zu erwarten ist. Hauptamtliche Manager treten anstelle bisher im Verein tätiger ehrenamtlicher Mitarbeiter und ermöglichen dadurch eine wirtschaftlichere Betrachtungsweise unter dem Aspekt der Gewinnorientierung des Fußballunternehmens. Fußballunternehmen, die in Form einer Kapitalgesellschaft fungieren, sind nicht mehr an die Gemeinnützigkeit des eingetragenen Vereins gebunden und können durch Diversifizierung weitere Geschäftsfelder erschließen und damit die Abhängigkeit vom sportlichen Erfolg reduzieren.169 Borussia Dortmund beispielsweise engagiert sich neben dem Fußball in sportnahen Geschäftsfeldern. Dazu gehören unter anderem die Beteiligungen an einem Hersteller von Sporttextilien, einer Internetagentur, eines medizinischen Leistungs- und Rehabilitationszentrums und einer Reiseagentur.170 4.3.4 Motive für Beteiligungen an Fußballunternehmen Durch die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft öffnen sich Fußballunternehmen dem Kapitalmarkt. Potentielle externe Investoren haben unterschiedliche Interessen, sich an einem Fußballunternehmen zu beteiligen. Speziell die Aktien börsennotierter Unternehmen werden einem breiten Publikum zugänglich gemacht.171 Für alle möglichen Anlegergruppen gilt, dass diese einen Nutzen aus der Beteiligung ziehen. Aus diesem Grund sind sie bereit, einen finanziellen Betrag zu investieren. 168 Vgl. Süßmilch (2002), S. 59 f. Vgl. Bandow, Peters (2002), S. 177 f. 170 Vgl. Hockenjos (2002), S. 90 ff. 171 Vgl. Keller (2006), S. 117. 169 56 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Tabelle 4 veranschaulicht die unterschiedlichen Motive für eine Investition in Fußballunternehmen. Tabelle 4: Potentielle Investoren von Fußballunternehmen Potentielle Investoren Art der Wertgenerierung Finanzinvestoren Finanzwert Finanzielle Überschüsse, die innerhalb des Fußballunternehmens erwirtschaftet werden Differenziert nach kurzfristiger und mittel- bis langfristiger Investitionsdauer Sponsoren Strategische Investoren Strategischer Wert Finanzielle Überschüsse aus Geschäften zwischen Kapitalgeber und Dritten Mäzene Fußballfans Nicht-monetärer Wert Nutzen der Kapitalgeber aufgrund von Identifikation, Ruhm, Prestige, Fußballbegeisterung Quelle: Eigene Darstellung nach Korthals (2005), S. 23 und Lang (2008), S. 10 f. Finanzinvestoren verfolgen finanzielle Interessen. Eine Beteiligung ist für sie abhängig von den zu erwartenden Gewinnen und einer Wertsteigerung der Anlage.172 Bewertungskriterium ist hierfür der Finanzwert einer potentiellen Beteiligung. Innerhalb dieser Gruppe kann eine Differenzierung nach der Investitionsdauer vorgenommen werden. Ein Teil der Anleger verfolgt die Strategie einer kurzfristigen Gewinnerzielung, die bei börsennotierten Fußballunternehmen ausgelöst wird durch Kurssteigerungen der Aktien. Bei Anstieg des Aktienkurses werden die Kursgewinne durch den sofortigen Verkauf der Aktien realisiert. Das Kapital von Anlegern mit kurzfristiger Gewinnerzielungsabsicht steht der Fußballkapitalgesellschaft demnach nicht zwingend für ein langfristiges Engagement zur Verfügung.173 Handlungen der Unternehmensleitung werden von diesen Finanzinvestoren dann als negativ beurteilt, 172 173 Vgl. Korthals (2005), S. 22. Unter „kurzfristig“ wird ein Zeitraum von weniger als zwei Jahren angenommen. Vgl. Lang (2008), S. 10. 57 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball wenn sie im Anlegezeitraum Kosten verursachen und diese sich erst nachhaltig positiv in Erträgen auswirken. Ein anderer Teil der Finanzinvestoren strebt eine längerfristige Beteiligung an. Die Investitionsentscheidung wird determiniert von einer stabilen Entwicklung des Wertes von Fußballunternehmen. Maßnahmen der Unternehmensleitung, die langfristig den Wert der Beteiligung steigern und den Bestand des Unternehmens sichern, haben für diese Anlegergruppe eine höhere Priorität.174 Zu weiteren potentiellen Investoren gehören strategische Anleger oder Sponsoren. Finanzielle Überschüsse werden hier nicht unbedingt durch eine Steigerung des Wertes des Fußballunternehmens erreicht. Vielmehr generieren strategische Investoren Einnahmen aus Geschäften mit Dritten.175 Sie betrachten die Beteiligung als ein Kommunikationsinstrument in ihrem „Marketing-Mix“. Ihr Ziel ist eine Erhöhung des Bekanntheitsgrades ihrer Produkte bzw. Dienstleistungen sowie eine Verbesserung des Images, um eine Absatzsteigerung zu erreichen. In der Bundesliga sind hier drei Fußballunternehmen zu nennen, an denen strategische Investoren beteiligt sind: Die Adidas AG am FC Bayern München, die Volkswagen AG am VFL Wolfsburg und die Bayer AG an Bayer 04 Leverkusen.176 Schließlich sind als dritte Gruppe noch Mäzene und Fußballfans zu nennen. Finanzielle Einnahmen aus ihrer Beteiligung sind von nachrangiger Bedeutung. Ein nichtmonetärer Nutzen ist Unternehmensanteile Identifikation mit der zu Ausgleich erwerben. dem Zu für den finanziellen nicht-monetären Fußballunternehmen, Aufwand, Nutzen Ruhm, zählen Prestige um z.B. oder Fußballbegeisterung.177 Einige Mäzene verlangen für ihr finanzielles Engagement keine Gegenleistung. Für diese ist eine Beteiligung an einem Fußballunternehmen ggf. nicht notwendig. Häufig legen Mäzene sogar Wert darauf ungenannt zu bleiben. Beispiele für Mäzene im Fußball sind Roman Abramowitsch in Verbindung mit Chealsea London in der englischen Premier League und Dietmar Hopp bei der TSG 1899 Hoffenheim, ab der Saison 2008/2009 vertreten in der ersten Bundesliga.178 174 Vgl. Lang (2008), S. 10 f. Vgl. Korthals (2005), S. 22 ff. 176 Vgl. ebenda, S. 64 f. 177 Vgl. ebenda, S. 23 f. 178 Vgl. Meuren (2007). 175 58 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Fans erwerben Anteile eines ihnen verbundenen Fußballunternehmens als Zeichen der Identifikation oder um, aus ihrer Perspektive betrachtet, „Bedrohungen“ für ihren Club abzuwenden. Hierunter ist z.B. die Gefährdung der Existenz des Fußballunternehmens aufgrund finanzieller Probleme oder auch eine drohende Übernahme von Investoren einzuordnen und eine damit verbundene „Entfremdung“. Die Anhänger organisieren sich in „Supporters Trusts“, einer kollektiven Beteiligung der Fans, um einen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen ausüben zu können.179 Besonders in England sind diese Formen der Beteiligung anzutreffen.180 4.3.5 Einfluss auf den Unternehmenswert 4.3.5.1 Sportlicher Erfolg Bestimmt wird der Wert eines Unternehmens unter anderem von dem zu erwartenden finanziellen Erfolg. Aus diesem leitet sich die Entwicklung des Aktienkurses bei börsennotierten Unternehmen ab. Bei Fußballunternehmen ist die sportliche Performance der Mannschaft im Wettbewerb eine wesentliche Einflussgröße auf den wirtschaftlichen Erfolg.181 Spielausgänge können für Fußballunternehmen signifikante Auswirkungen auf den Aktienkurs haben. Besonders die sogenannten „Entscheidungsspiele“ sind darunter zu fassen. Dazu zählen Spiele, die über eine Meisterschaft, über Auf- und Abstieg, Qualifikation oder Nicht-Qualifikation oder über das Weiterkommen bzw. Ausscheiden nationaler und internationaler Wettbewerbe entscheiden. Mit einem Spielausgang sind demnach unterschiedliche sportliche Folgen verbunden, die zu finanziellen Konsequenzen für ein Fußballunternehmen führen. Der AC Mailand konnte sich in der Saison 2005/2006 mit einem dritten Platz in der italienischen Meisterschaft die Teilnahme für die Championsleague Qualifikation sichern. Mit den folgenden siegreichen Begegnungen der Qualifikationsspiele gelang es dem AC Mailand, an der Championsleague teilzunehmen und im folgendem 2007 die Championsleague zu gewinnen. Geschätzte 50 Mio. Euro konnte der AC Mailand durch den Gewinn der Championsleague und den veranstalteten Spielen an zusätzlichen 179 Vgl. Kern (2007), S. 155. Vgl. Biermann (2008), S. 122 ff. 181 Vgl. Klimmer (2003), S. 70. 180 59 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Einnahmen verbuchen. Diese setzten sich zum größten Teil aus Zahlungen der UEFA, Zuschauereinnahmen und Erfolgsprämien zusammen.182 Die Ergebnisse von Spielausgängen während des Saisonverlaufs ohne unmittelbare sportliche und finanzielle Konsequenzen wirken sich dagegen weniger bedeutend auf den Aktienkurs aus.183 Die Aktien von Fußballunternehmen sind bezogen auf den Kursverlauf hohen Schwankungen unterworfen. Analysten unterstellen Fußballaktien eine Unberechenbarkeit durch die Abhängigkeit von den sportlichen Erfolgen und machen diese damit zu einer hochspekulativen Anlageform. Für risikoneutrale Anleger, die ein Wachstum ihres eingesetzten Kapitals erwarten, sind Beteiligungen an Fußballunternehmen aufgrund der hohen Volatilität daher keine Alternative. Eine interessante Anlagealternative können Fußballaktien für risikofreudige Anleger sein.184 4.3.5.2 Weitere Einflussfaktoren Neben dem sportlichen Erfolg können auch andere fußballspezifische Ereignisse den Aktienkurs beeinflussen. Dazu zählen Faktoren, die relevant für die sportliche Qualität der Mannschaft sind und über die Medien oder Ad Hoc-Meldungen kommuniziert werden. Zu nennen sind insbesondere Veränderungen im Spielerkader oder im Trainerstab, die, je nachdem ob ein Ereignis im Hinblick auf die sportliche Leistungsfähigkeit positiv, negativ oder unbedeutend zu beurteilen ist, dementsprechende Auswirkungen haben. Beispiele sind Trainerwechsel oder Zu- oder Abgänge, Vertragsverlängerungen und Verletzungen von Spielern.185 Die Bewertung eines Fußballunternehmens wird zudem von Faktoren determiniert, die nicht mit der sportlichen Performance in unmittelbaren Zusammenhang stehen. Dazu zählen einerseits gesamtmarktbeeinflussende Größen, wie etwa der Kapitalmarktzins, Branchenbewertung oder politische Entscheidungen, die Fußballunternehmen genauso wie „konventionelle“ Unternehmen betreffen. Andererseits können auch die wirtschaftliche Situation und die Geschäftspolitik eines Unternehmens den Aktienkursverlauf verändern. Bewertungsgrundlage sind unter anderem Ertragskraft, Wachstumspotential oder die Informations- und Kommunikationspolitik. Schon 182 Vgl. Elf Freunde (2007). Vgl. Klimmer (2003), S. 72 f. 184 Vgl. Mohr (2007), S. 19. 185 Vgl. Klimmer (2003), S. 102. 183 60 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Spekulationen über zukünftige Ereignisse, wie z.B. potentielle Übernahmen oder strategische Partnerschaften mit anderen Unternehmen, können Auswirkungen auf den Kursverlauf haben.186 4.3.6 Aktionärsbedingte Anreize zur Manipulation im Fußball In den vorigen Abschnitten wurde aufgezeigt, dass die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft für Fußballunternehmen vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung in der Vergangenheit zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Um im sportlichen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, öffnen sich Fußballunternehmen häufig in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft dem Kapitalmarkt zur Beschaffung finanzieller Mittel.187 Anleger, die in ein Fußballunternehmen investieren, verfolgen in der Regel die Absicht, eine angemessene Rendite ihres eingesetzten Kapitals zu erzielen. Diese ist abhängig von der wirtschaftlichen Performance des Fußballunternehmens. Da der sportliche Erfolg eine wesentliche Determinante für eben jene ist, können eigentümerorientierte Interessen zur Manipulation des Spielgeschehens im Fußball führen. Aktionäre haben ein mögliches Interesse, die Ergebnisse dahingehend zu manipulieren, dass die sportliche Performance erhöht bzw. auf einem konstanten Niveau gehalten wird, um eine Steigerung des Aktienkurses des Fußballunternehmens zu erreichen bzw. ein Sinken des Aktienkurses zu verhindern.188 Denkbar ist die Manipulation einer ganzen Serie oder von einzelnen Spielen. Die Manipulation einer Serie von Spielen ist jedoch mit einem erhöhten Entdeckungsrisiko sowie einem erhöhten Kostenaufwand verbunden. Daher werden vielmehr einzelne Spiele manipuliert. Es stehen besonders die Spiele im Fokus, die den Charakter eines „Entscheidungsspiels“ aufweisen (vgl. 4.3.5.1). Diese sind für Aktionäre in zwei Kategorien einzuordnen. Auf der einen Seite gehören dazu Spiele, deren Spielgewinn für Fußballunternehmen mit zusätzlichen Einnahmen verbunden ist und sich damit positiv auf die wirtschaftliche Performance und in Konsequenz auf den Aktienkurs auswirkt. Dazu gehört der Gewinn einer Meisterschaft oder eines nationalen bzw. internationalen Wettbewerbs, die 186 Vgl. Klimmer (2003), S. 71 ff. Vgl. Sturm, Paul (2004), S. 195. 188 Theoretisch können auch die in 4.3.4 genannten Sponsoren oder strategischen Anleger bzw. Mäzene und Fans Anreize haben den sportlichen Erfolg zu beeinflussen. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Fokus jedoch auf Finanzinvestoren gerichtet, die finanzielle Interessen verfolgen. 187 61 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Teilnahme an einem Wettbewerb in der Folgesaison oder ein Aufstieg in die nächsthöhere Liga. Die Niederlage eines solchen Spiels könnte sich in gewissem Ausmaß im Aktienkurs niederschlagen, dem Fußballunternehmen entstehen jedoch keine direkten Verluste. Andererseits sind einem „Entscheidungsspiel“ auch Spiele zuzuordnen, deren Niederlage für Fußballunternehmen mit entgangenen Einnahmen in der Zukunft verbunden ist. Hier ist insbesondere der Abstieg einer Mannschaft in eine untere Spielklasse zu verstehen. Bei einem Abstieg müssen Fußballunternehmen in der unteren Liga häufig mit erheblich niedrigeren Etats kalkulieren, da es zu Einbrüchen bei den in 2.2.1.1 dargestellten Haupteinnahmequellen kommt und unter anderem in einem sinkenden Aktienkurs seinen Niederschlag finden wird.189 Der Ausgang von den aufgeführten „Entscheidungsspielen“ kann demnach mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für ein Fußballunternehmen und damit letztendlich für deren Eigentümer verbunden sein. Es besteht also ein potentielles Interesse der Aktionäre, den Spielausgang so zu beeinflussen, dass daraus zusätzliche Einnahmen für das Fußballunternehmen generiert bzw. Verluste in Form entgehender Einnahmen vermieden werden. Besonders problematisch ist, dass Fußballunternehmen dazu neigen, sich hohe sportliche Ziele zu setzten. Darunter ist beispielsweise der Gewinn einer Meisterschaft, die Teilnahme an internationalen Wettbewerben, der Aufstieg in die nächste Spielklasse oder der Nicht-Abstieg zu verstehen. Um diese Ziele zu erreichen, investieren Clubs einen Teil ihres Kapitals in Spieler und weitere, die sportliche Leistung steigernde Faktoren.190 In einer Liga oder in einem anderen Wettbewerb stehen sich Fußballunternehmen in Konkurrenz gegenüber, die ähnliche Ziele verfolgen. Dabei besteht eine Knappheit bezüglich der Plätze, die über eine erreichte oder verfehlte Zielsetzung entscheiden. So kann in einer Liga nur eine Mannschaft Tabellenerster zum Saisonabschluss werden und sich den Meisterschaftstitel sichern. Auch kann nur eine begrenzte Zahl an Mannschaften aufsteigen bzw. nicht absteigen oder sich für nationale und internationale Wettbewerbe qualifizieren. Ein Teil der Clubs wird daher nicht die sich gesetzten Ziele realisieren. In Abhängigkeit vom eingesetzten finanziellen Input können 189 190 nicht erreichte sportliche Ziele ruinöse Auswirkungen für ein Vgl. Klimmer (2003), S. 6 f. Vgl. Dietl, Franck, Lang (2005), S. 19. 62 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Fußballunternehmen und in logischer Konsequenz für deren Eigentümer haben.191 Um diese zu vermeiden, könnten für Aktionäre Anreize bestehen, mittels Manipulationen Einfluss auf den Ausgang der oben genannten „Entscheidungsspiele“ zu nehmen, um sich einen Vorteil gegenüber konkurrierenden Fußballunternehmen zu verschaffen. 5 Anreizsenkende Maßnahmen 5.1 Aktuelle Instrumente zur Senkung von Manipulationen 5.1.1 Frühwarnsysteme und Videobeweis Manipulationen im Fußball sind zu vermeiden (vgl. 3.3.4). Verschiedene Maßnahmen wurden in der Vergangenheit entwickelt, um dass Ausmaß an Manipulationen zu reduzieren, damit die für das Produkt Fußball notwendige Eigenschaft der Integrität gewahrt wird. Auf zwei Maßnahmen, die Einführung von Frühwarnsystemen für manipulierte Sportwetten und die vielfach diskutierte Einführung eines Videobeweises, soll im Folgenden eingegangen werden. In den letzten Jahren wurden Organisationen gegründet, deren Ziel unter anderem die Überwachung des Marktes für Sportwetten ist, wie z.B. betradar.com, die European Sports Security Association (ESSA) und die speziell für den Fußball in Zukunft bedeutende und von der FIFA gegründete Early Warning System GmbH. Das Unternehmen Market Monitor AS bietet seit 2001 mit betradar.com ein Produkt an, mit dem die Anbieter von Sportwetten ihren Informationsbedarf abdecken können. Dazu zählt beispielsweise die Bereitstellung von Terminen, Start- und Quotenvorschlägen, Ad Hoc-Informationen, Statistiken und die Überwachung aktueller Wettangebote. Dabei werden die Quoten alle zwei Minuten mit dem Durchschnitt des Marktangebots verglichen. Im Fall von Wettauffälligkeiten, z.B. in Form kritischer Abweichungen, werden die Wettanbieter und betroffenen Institutionen im Fußball informiert.192 betradar.com steht in Beziehung zu 174 Wettanbietern. Darunter sind 50 global operierende Sportwettenanbieter sowie kleinere, lokal orientierte Buchmacher.193 Die ESSA versucht ebenfalls, mit Datenbanken Wettauffälligkeiten, die auf eine Manipulation schließen lassen, in Echtzeit zu erkennen. Die ESSA ist ein Verband von Glücksspielanbietern, die Sportwetten über das Internet anbieten. Entstanden ist die 191 Vgl. Frick (1999), S. 174 f. Vgl. Betradar (2008). 193 Vgl. Hamburger Abendblatt Online (2005). 192 63 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Organisation nach bekannt werden der „Hoyzer-Affäre“ in 2005 (vgl. 3.3.1.3). Neben einem Frühwarnsystem versuchen die Unternehmen durch einen selbstverpflichtenden Verhaltenskodex Insiderwetten und Wettbetrug zu verhindern. Die notwendige Registrierung von Personen als Voraussetzung der Teilnahme bei den Wettanbietern und die Möglichkeit, diese von Wetten ausschließen zu können, sind unter anderem Inhalte dieser Selbstverpflichtung.194 Die FIFA hat mit der Early Warning Systems GmbH im Juli 2007 eine Organisation gegründet, die mit eigenem Personal, eigener Infrastruktur und in Zusammenarbeit mit Wettanbietern die Integrität des Fußballs vor dem Hintergrund von Wettmanipulationen schützen soll. Auch hier liegt der Fokus auf der Beobachtung auffälliger Wettbewegungen.195 Die Einführung eines Videobeweises, wie in amerikanischen Sportarten üblich, wird für den Profifußball kontrovers diskutiert. Unter dem Videobeweis wird der Einsatz technischer Hilfsmittel, insbesondere von Kameras, verstanden, um das Geschehen sportlicher Ereignisse nachträglich objektiver beurteilen zu können. Gegner des Videobeweises argumentieren damit, dass mit dem Videobeweis der Spielfluss durch mehrere Unterbrechungen „Entmenschlichung“ des während Fußballs des Spiels befürchtet zu wird. sehr gestört Befürworter und eine sehen eine Notwendigkeit des Videobeweises, um offensichtliche Fehlentscheidungen des Schiedsrichters noch während eines Spiels korrigieren zu können. Zudem wird nach Meinung der Befürworter durch den Videobeweis einer Manipulationen im Fußball seitens des Schiedsrichters begegnet.196 In einem von der DFL erarbeitetem fünf Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog als Konsequenz auf die Wettmanipulation im Fall Hoyzer wurde 2005 auch die Einführung des Videobeweises gefordert.197 5.1.2 Kritische Betrachtung Frühwarnsysteme, die den Fokus auf Wettauffälligkeiten, wie beispielsweise ungewöhnlich hohe Einsätze auf Außenseiterwetten setzen, können ein Instrument sein, das Ausmaß von Manipulationen im Fußball zu reduzieren. Unklar ist, wie effizient sich diese in der Praxis erweisen. Problematisch bei dem Einsatz von Frühwarnsystemen ist, 194 Vgl. ESSA (2008). Vgl. FIFA (2007). 196 Vgl. Fritsch (2008). 197 Vgl. ARD Online (2005). 195 64 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball dass sie nur in der Lage sind, wettbezogene Manipulationen aufzudecken. Bei einer Manipulation der Spielergebnisse zur Beeinflussung des Aktienkurses greifen diese Systeme nicht. Zudem benutzen nicht alle Wettanbieter ein Frühwarnsystem. Aus diesem Grund wird nur ein Ausschnitt des Marktes für Sportwetten beleuchtet. Motiv, sich an einem derartigen Frühwarnsystem zu beteiligen, dürfte für Glücksspielunternehmen primär die Vermeidung finanzieller Verluste infolge von Wettmanipulationen sein. Bei Auftreten von Wettauffälligkeiten werden betroffene Wetten gestrichen und die Institutionen der „betroffenen“ Sportart informiert, die gegebenenfalls weitere Untersuchungen folgen lassen, die häufig aufgrund mangelnder Beweise nicht weiter verfolgt werden können.198 Frühwarnsysteme sind damit eher ein Mittel, die finanziellen Folgen von Wettmanipulationen der Anbieter von Sportwetten zu reduzieren, als das sie wirkungsvoll den Anreiz zur Manipulation senken. Ein effizientes Instrument, um Manipulationen insgesamt zu verhindern bzw. erheblich zu reduzieren, sind Frühwarnsysteme daher (noch) nicht. Es gibt weltweit zu viele verschiedene Wettanbieter, insbesondere auch im Online-Bereich, die noch eine Vielzahl von Manipulationen erlauben. Wie auch Frühwarnsysteme kann ein Videobeweis zu einer Abnahme von Manipulation führen. Auch hier stellt sich die Frage der Effizienz. Wird der Videobeweis als Instrument der Manipulationsbekämpfung betrachtet, dann steht überwiegend der Schiedsrichter im Zentrum der Beobachtung. Doch ob ein Schiedsrichter vorsätzlich eine Mannschaft bevor- oder benachteiligt, lässt sich unter dem Aspekt des Ermessungsspielraumes von Schiedsrichtern bei ihren Spielentscheidungen nur schwer nachweisen. Beispielsweise ist ein gegebener Elfmeter aufgrund eines Foulspiels oft Gegenstand der Kritik am Schiedsrichter. Insbesondere wenn sich diese Schiedsrichterentscheidung als spielentscheidend herausstellt, und der Elfmeter nicht für alle Beteiligten nachvollziehbar zu sein scheint, ist ein Manipulationsvorwurf möglich. Die Situation kann nicht rein objektiv beurteilt werden, subjektive Empfindungen spielen oft bei Schiedsrichterentscheidungen eine Rolle. Ferner können unbeabsichtigt Fehlentscheidungen getroffen werden, falls der Schiedsrichter das Geschehen aus seinem Blickwinkel falsch beurteilt hat (z.B. Abseits, regelwidriges Verhalten). 198 Aufgrund des Ermessensspielraums bzw. potentiell möglichen Vgl. Wulzinger (2007), S. 201. 65 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern lassen sich Manipulationen trotz des Einsatzes von Videomaterial nur schwer erkennen und beweisen. Für Individuen wirken die beiden Instrumente bei der Manipulationsentscheidung als ein Faktor, der die zu erwartenden Kosten der Einflussnahme erhöht (vgl. 3.2.2). Aber aufgrund der Komplexität der Abgrenzung und der Messbarkeit der Manipulation im Fußball ist eine Aufdeckung der unerlaubten Einflussnahme kaum möglich und Frühwarnsysteme und Videobeweis stellen keine effektiven Instrumente der Manipulationsbekämpfung im Fußball dar. Diese haben allenfalls marginale Auswirkungen auf eine Senkung der Manipulationsrate im Fußball. Im Folgenden sollen daher, getrennt für Sportwetten und Anteilseigner von Fußballunternehmen, Ansätze aufgezeigt werden, die zur Reduzierung der finanziellen Anreize für Manipulationen im Fußball führen können. 5.2 Maßnahmen bei Sportwetten 5.2.1 Begrenzung der Höchsteinsätze Mit gewonnenen Sportwetten können hohe Gewinne erzielt werden. Bei Oddsetwetten bestimmt der Wettakteur mit Abgabe der Wette die Höhe seines Einsatzes selbst. Begrenzt wird der Einsatz bei einem Teil der Wettanbieter durch einen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bestimmten Höchsteinsatz und bzw. oder einem Gewinnlimit. Die Anbieter von Sportwetten schützen sich damit vor unerwartet hohen finanziellen Verlusten. Im Hintergrund steht jedoch auch die Intention, Wettbetrug und Spielmanipulationen zu unterbinden. Höchsteinsätze legen eine Obergrenze für Beträge fest, mit der sportliche Ereignisse bewettet werden können. Gewinnlimits, bezogen auf eine Sportwette, begrenzen den maximal erzielbaren Ertrag bei einem Wetterfolg. Dividiert man Gewinnlimit durch die Wettquote errechnet man den jeweiligen Höchsteinsatz einer Wette. Gewinnlimits können auch auf einen maximal erzielbaren Gewinn pro Tag oder pro Woche bezogen werden.199 Die Größenordnungen von Höchsteinsätzen bzw. Gewinnlimits unterscheiden sich jeweils von Anbieter zu Anbieter und bewegen sich überwiegend im fünf- bis sechsstelligem Eurobereich. Bei bwin beträgt beispielsweise das Gewinnlimit pro Spieler und angebotener Wette 10.000 Euro. In einer Woche werden maximal 100.000 199 Vgl. Betpedia (2008). 66 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Euro je Spieler ausgezahlt.200 Bet365.com staffelt einen maximal auszuzahlenden Höchstgewinn innerhalb von 24 Stunden in Abhängigkeit von der Sportart. Pro Wettkonto werden bei Fußballwetten zwischen 31.000 Euro und 625.000 Euro ausgezahlt.201 Auch bei gamebookers.com wird kein fixer Höchsteinsatz genannt. Dieser berechnet sich jeweils anhand einer individuellen Wettquote. Ein Gewinnlimit liegt hier bei 175.000 Euro pro Woche.202 Theoretisch besteht demnach bei der Abgabe von Sportwetten ein Höchsteinsatz bzw. Gewinnlimit für Wettkunden. Trotzdem ist es möglich, diese Gewinnbeschränkung zu umgehen. Bei wettbezogenen Manipulationen ist häufig zu beobachten, dass der Gesamteinsatz der Wette auf mehrere Personen bzw. Benutzerkonten aufgeteilt wird. Zudem werden Wetten auf manipulierte Ereignisse oftmals bei mehreren Anbietern abgeschlossen. Besonders dann, wenn auf Außenseiter Wetten abgeschlossen werden, kann aufgrund der hohen Wettquote ein Vielfaches der eingesetzten Geldsumme gewonnen werden. Trotz der oben genannten derzeitigen Gewinnbegrenzungen durch Höchsteinsätze und Gewinnlimits der Wettanbieter kann demnach die Gesamtsumme der Gewinne aus einer Wette auf ein Ereignis erheblich gesteigert werden. Auf diese Weise können Millionenbeträge mit manipulierten Fußballspielen erzielt werden. So sollen z.B. Wettbetrüger bei einem Qualifikationsspiel für den UEFA-Cup zwischen dem estnischen FC TVMK Tallinn und dem finnischen FC Honka Espoo im Juli 2007 geschätzte 3,4 Mio. Euro verdient haben.203 Im Fall Hoyzer wurde der insgesamt verursachte Vermögensschaden auf ca. 2 Mio. Euro beziffert.204 Unter der Prämisse eine Reduzierung von wettbezogenen Manipulationen zu erreichen, sollte der Fokus auf die Höchsteinsätze und Gewinnlimits von Wettanbietern gerichtet sein. Um die Erträge und damit die Anreize für Manipulationen zu senken, müssten die Höchsteinsätze bzw. Gewinnlimits in Zukunft im Optimum vom Gesetzesgeber eines Staates so ausgestaltet sein, dass die erwarteten Kosten größer als die erwarteten Erträge aus einer Manipulation sind und diese nicht mehr „lohnenswert“ erscheinen. Explizit bedeutet dies, dass es weiterhin möglich sein wird, über viele Personen bei mehreren Anbietern von Sportwetten den Gesamteinsatz für eine Wette auf ein manipuliertes Ereignis zu „splitten“. Jedoch wird der mögliche Höchsteinsatz auf ein so niedriges 200 Vgl. bwin (2008b) Vgl. Bet365 (2008). 202 Vgl. Gamebookers (2008). 203 Vgl. Wulzinger (2007), S. 201 f. 204 Vgl. Engländer (2007), S. 472. 201 67 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Niveau gesenkt (z.B. 10 Euro), dass die Erträge in Relation zu den Kosten abnehmen. Kosten entstehen „Tätern“ durch Aufwendungen zur Vermeidung der Aufdeckung einer Manipulation und für die Durchführung der Manipulation an sich, wie z.B. gezahlte Bestechungsgelder. Ferner kommen bei wettbezogenen Manipulationen Kosten für das Abschließen der notwendigen Wette hinzu. Wird der Gesamteinsatz über viele Personen und Wettanbieter abgeschlossen, erfordert dies, in Abhängigkeit vom Umfang, einen unter Umständen hohen Organisations- und Verwaltungsaufwand. Zuerst müssen Personen gesucht werden, die sich bereit erklären, dass in ihrem Namen Wetten gesetzt werden. Annahmegemäß erwarten diese dafür eine (finanzielle) Gegenleistung. Schließlich erfolgt das Abschließen der Wetten auf ein manipuliertes Ereignis bei mehreren Wettanbietern in ihrem Namen. Im Endergebnis resultiert daraus ab einem bestimmten Höchsteinsatz ein Nettonutzen aus einer Manipulation von 0 und mit weiterer Absenkung zunehmend ein negativer Nettonutzen (vgl. 3.2.2). Konsequenz wäre ein reduziertes Ausmaß an Manipulationen, insbesondere bezüglich des „match-fixing“. 5.2.2 Regulierung der Wettarten Einhergehend mit dem wachsenden Markt für Sportwetten hat auch das Angebot der Wettarten in den letzten Jahren zugenommen (siehe auch 4.2.5). Die verschiedenen Wettarten, die sich im Angebot von Glücksspielanbietern befinden, sind in der Lage, durch ihre spezifischen Eigenschaften Manipulationen im Sport zu fördern oder zu senken. Unterschieden werden können die Wettarten diesbezüglich in zwei Kategorien. Zum einen in die „klassischen“ Sieger-, Ergebnis- und Kombinationswetten und zum anderen in Sonder-, Handicap- und Livewetten. Bei den erstgenannten Wettarten sind Wettmanipulation in Relation zu Sonder-, Handicap- und Livewetten mit großem Aufwand und einem hohen Risiko verbunden und in Konsequenz als manipulationssenkend einzustufen. Sonder-, Handicap- und Livewetten sind im Vergleich dazu eher als manipulationsfördernd einzuordnen.205 Bei Sieger- und Ergebniswetten wird auf ein genaues Ergebnis bzw. den Ausgang eines Spiels (Sieg, Unentschieden, Niederlage) gewettet. Werden vor diesem Hintergrund sportliche Ereignisse manipuliert, stellt sich für die Wettakteure folgende Problematik: Ein exakter Spielausgang ist erforderlich, damit die Wette als gewonnen gewertet 205 Vgl. Forrest, Simmons (2003), S. 608 f. 68 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball werden kann. Dies bedeutet einen hohen Aufwand, um den Spielausgang dahingehend zu beeinflussen. Schiedsrichter und/oder mehrere Spieler müssen in die Manipulation involviert sein. Trotzdem ist nicht mit absoluter Sicherheit ein Manipulationserfolg gewährleistet. Hinzu kommt, dass je mehr Personen an einer Manipulation beteiligt sind, die Wahrscheinlichkeit steigt, das diese entdeckt wird. Noch aufwendiger sind Manipulationen, wenn damit Gewinne aus Kombinationswetten erzielt werden sollen. In Abhängigkeit wie viele Begegnungen in der Kombinationswette bewettet werden, müssen diese auch dahingehend manipuliert werden, dass die prognostizierten Ergebnisse eintreten. In jedem der bewetteten Spiele müssen Personen bestochen oder andere Anreize angeboten werden. Schon die nicht erfolgreiche Manipulation eines Teilergebnisses bedeutet einen gesamten Misserfolg der abgeschlossenen Kombinationswette. Anders verhält es sich bei Sonder-, Handicap- und Livewetten. Bei Sonderwetten wird weniger ein Ergebnis, sondern vielmehr ein spezifisches Ereignis bewettet. Das Verursachen einer Roten Karte, eines Elfmeters, Foulspieles oder Einwurfs sind beispielhafte Ereignisse, die bei Sonderwetten im Fußball bewettet werden können. Bezogen auf Sonderwetten sind Manipulationen mit verhältnismäßig wenig Aufwand verbunden. Aller Voraussicht nach wird eine am Spiel beteiligte Person ausreichen, um eine erfolgreiche Einflussnahme und in Folge einen Wetterfolg sicherzustellen. Aufgedeckte Manipulationen im amerikanischen Basketball stehen häufig in Zusammenhang mit Handicapwetten. Mehrere Ergebnisse sind zulässig um eine Wette zu gewinnen, was die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Manipulation erhöht. Für Spieler, die das Spiel beeinflussen, ist eine Manipulation mit weniger moralischen Bedenken verbunden, da nach wie vor das Spiel zugunsten der gewinnenden Mannschaft entschieden wird, nur auf die Höhe des Ergebnisses wird Einfluss genommen.206 Schließlich sind noch die Livewetten zu nennen. Bei Livewetten können noch während eines Spieles Wetten abgeschlossen werden. Die Quoten werden dabei in Echtzeit angepasst. Je weiter ein Spielverlauf fortgeschritten ist, desto unwahrscheinlicher wird der Eintritt bestimmter Ereignisse und die Quote dafür steigt. Wird dahingehend manipuliert, dass bestimmte Ereignisse erst gegen Ende eines Spieles eintreten, können mit Hilfe von Livewetten noch höhere Wettgewinne erzielt werden. 206 Vgl. Wolfers (2006), S. 279. 69 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Vor dem Hintergrund Manipulationen im Fußball zu senken, wäre nach den vorherigen Ausführungen ein Verbot manipulationsfördernder Wettarten eine weitere geeignete Maßnahme. 5.2.3 Die Kritische Betrachtung Einführung eines Höchsteinsatzes bzw. Gewinnlimits und ein Verbot manipulationsfördernder Wettarten erfordern Eingriffe des Staates in den Markt für Sportwetten. Glücksspiel und die darunter fallenden Sportwetten zeichnen sich in vielen Staaten durch ein hohes Maß an staatlicher Regulierung aus. Ziel einer Regulierung ist unter anderem eine Eindämmung der Glücksspielsucht sowie der Schutz der Allgemeinheit vor Verschuldung und Kriminalität.207 Ein Verbot der Veranstaltung von Sportwetten stellt eine Marktzutrittbeschränkung für potentielle Sportwettveranstaltern dar. Der Staat hat damit die Möglichkeiten, Sportwetten grundsätzlich nicht zuzulassen, als Monopolist selbst Sportwetten zu veranstalten oder Anbietern mit staatlicher Genehmigung das Veranstalten von Sportwetten zugestatten. Da Sportwetten oftmals grenzüberschreitende Veranstaltungen darstellen, ergibt sich eine besondere Problematik. Gerade angesichts neuer verbreiteter technischer Herausforderungen in Form des Internets werden die Grenzen staatlicher Eingriffe deutlich. In vielen Staaten ist der rechtliche Rahmen für das Veranstalten von Sportwetten über das Internet nicht hinreichend definiert.208 Dies ist damit zu begründen, dass das Medium Internet zum Zeitpunkt der Bildung nationaler Gesetzgebungen noch nicht existierte.209 Die staatlichen Regulierungen von Höchsteinsätzen bzw. Gewinnlimits und Verboten von bestimmten Wettarten bei den Sportwetten kommen demnach nur zur Geltung, wenn sich das Sportwettgeschäft nicht im illegalen Bereich oder außerhalb staatlicher Grenzen abspielt. Da Sportwetten jedoch ein globales Phänomen darstellen und weltweit Wetten angeboten und abgeschlossen werden können (vgl. 4.2.4), bleibt es fraglich, ob sich regulierte Höchsteinsätze bzw. Gewinnlimits und Verbote von Wettarten durchsetzen lassen. 207 Vgl. Becker, T., Dittmann (2008), S. 115 ff.. Vgl. Bourg, Gouguet (2006), S. 744. 209 Vgl. McMullan, Rege (2007), S. 648 f. 208 70 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball 5.3 Maßnahmen zur Senkung aktionärsmotivierter Manipulation 5.3.1 Vergleich des nordamerikanischen und europäischen Ligensystems Die amerikanischen Major Leagues gelten aufgrund ihres nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolgs als Vorbilder für eine erfolgreiche Organisation des professionellen Mannschaftssports. Den Major Leagues hinzuzurechen sind die MLB, NHL, NBA und NFL.210 Die Übertragung von Elementen aus der US-amerikanischen Major League Struktur auf das europäische Ligensystem im Profifußball liefert potentielle Ansätze zur Senkung aktionärsmotivierter Manipulationen im Fußball. Daher wird in den nachfolgenden Ausführungen kurz auf die Historie der beiden unterschiedlichen Systeme eingegangen sowie ausgewählte Merkmale dieser beiden Ligensysteme einander gegenübergestellt. Tabelle 5: Ausgewählte Merkmale US-amerikanischer und europäischer Sportligen Ligasystem US-amerikanische Ligen Geschlossenes System Europäische Sportligen Offenes System Kein Auf-/Abstieg Auf-/Abstieg Einzelner Ligenwettbewerb Verschiedene Wettbewerbe Verteilung Gleichverteilung der nationalen der Einnahmen Übertragungsrechte Aufteilung der Zuschauereinnahmen Leistungsabhängige Aufteilung der Übertragungsrechte Geringe (z.B. Pokalwettbewerbe) bis keine Teilung der Einnahmen Quelle: In Anlehnung an Hoehn, Szymanski (1999), S. 215. Die amerikanischen Ligen entstanden als Weiterentwicklung aus den vor allem im Baseball verbreiteten „Barnstorming“ Teams heraus. Unternehmer gründeten Mannschaften, indem sie eine Anzahl von Spielern verpflichteten. Diese Mannschaft war in keiner Stadt fest beheimatet, sondern zog in „Zirkusmanier“ durch das Land und spielte bei verschiedenen Anlässen (z.B. Messen, Volksfesten) einzelne Spiele gegen andere „Barnstorming“ Teams. Auf diese Weise erzielten die Eigentümer durch den 210 Vgl. Franck (1995), S. 10. 71 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Verkauf von Eintrittskarten ihrer Spiele Gewinne. Die Vereinbarungen, unter denen die Teams gegeneinander antraten, wurden zwischen den Eigentümern bilateral getroffen. Ein übergeordnetes Regelwerk, an das sich die Mannschaften orientieren mussten, existierte nicht. Ziel war es, durch mehrere in Folge gewonnener Spiele eine möglichst lange Siegesserie vorweisen zu können, um in Konsequenz die Attraktivität der eigenen Mannschaft und die Zuschauernachfrage zu erhöhen. Die Eigentümer lösten häufig erfolglose Mannschaften auf und gründeten im Anschluss mit zum Teil neuen Spielern und unter anderem Namen ein neues Team. Deutlich wird, dass mit dem Spielbetrieb für die Eigentümer finanzielle Interessen im Vordergrund standen. Die Ära der „Barnstorming“ Teams endete, als sich zehn Baseballmannschaften 1871 in einer Liga zusammenschlossen und sich darauf einigten, einen Meisterschaftswettbewerb untereinander auszutragen.211 Mit langen und komplexen Entwicklungsprozessen haben die Ligen der einzelnen Mannschaftssportarten in Nordamerika ein institutionelles Rahmenwerk geschaffen, in dem sich das heutige Geschäft der Major Leagues abspielt. Hauptmerkmal der Major Leagues ist eine geschlossene Ligaorganisation, die ähnlich einer Genossenschaft auch als Kartell oder Joint Venture interpretiert werden kann, in denen Clubs als eine Art von Franchisenehmern auftreten. Neben dem Ligawettbewerb gibt es keine weiteren nationalen oder internationalen Wettbewerbe, an dem die Clubs teilnehmen. Ein Marktzutritt bzw. Marktaustritt durch sportlichen Erfolg (Aufstieg) bzw. Misserfolg (Abstieg) ist nicht möglich. Die Major Leagues verhalten sich autonom und stehen in keiner sportlichen Beziehung zu anderen Ligen. Ein Beitritt zur Liga erfordert die gemeinschaftliche Zustimmung einer Versammlung, die sich aus den Clubs der Liga konstituiert. Ein Mehrheitsbeschluss ist notwendig. Hierbei sind besonders wirtschaftliche Interessen für die Liga und damit indirekt für die beteiligten Clubs von Bedeutung.212 Erteilen die Clubs ihre Zustimmung für einen Ligabeitritt, kann dieser auf unterschiedliche Weise erfolgen. Entweder wird ein bestehendes Team übernommen oder aber die Liga vergrößert sich um zusätzliche Plätze („Expansion Franchise“). Dafür zahlt der zukünftige Franchisenehmer einen bestimmten Geldbetrag, der unter den bisher in der Liga teilnehmenden Clubs aufgeteilt wird.213 211 Vgl. Szymanski (2003), S. 1150 f. Vgl. Hoehn, Szymanski (1999), S. 213 f. 213 Vgl. Drewes (2001), S. 29 f. 212 72 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Ein weiteres Merkmal des nordamerikanischen Ligensystems ist ein hohes Ausmaß einer Einnahmenteilung, die zentral gesteuert wird. Hierzu zählen die Erlöse aus dem Merchandising, der zentralen Vermarktung medialer Übertragungsrechte und zu einem gewissen Anteil auch die Eintrittsgelder der Zuschauer in den Stadien.214 Ziel ist eine mit der Einnahmenteilung verbundene Steigerung der sportlichen Ausgeglichenheit einer Liga zu erreichen und damit die Spannung auf den Ausgang eines Spiels bzw. einer Meisterschaft zu erhöhen (vgl. 2.4). In der NFL, der ökonomisch erfolgreichsten Liga weltweit, werden ca. 90 % der gesamten Ligaeinnahmen auf die Clubs gleichmäßig verteilt.215 Dem amerikanischen Ligensystem gegenüber steht das europäische Ligensystem, das sich weltweit im Fußball kaum unterscheidet. Der Profifußball entwickelte sich ursprünglich aus dem zum Selbstzweck betriebenen Amateur- und Breitensport. Mit zunehmender Nachfrage Professionalisierung der und in der steigenden Einnahmen Hierarchie obersten kam es zu einer Ligen der jeweiligen Fußballverbände.216 Die Fußballligen in Europa sind eng an die jeweiligen nationalen Verbände gebunden. Auf europäischer Ebene sind die nationalen Verbände in der UEFA bzw. weltweit in der FIFA organisiert.217 Es handelt sich um ein „offenes“ und in der Hierarchie pyramidenförmig organisiertes Ligensystem. Der Zutritt in eine höhere Liga kann durch die sportliche Qualifikation in Form eines Aufstiegs erreicht werden. Bei sportlich schwachen Leistungen droht der Austritt aus einer Liga durch einen Abstieg.218 Im Mittelpunkt steht der regelmäßige Ligenbetrieb, der am Ende einer Saison den Sieger einer Meisterschaft ermittelt. Jedoch existieren zusätzliche Wettbewerbe, an denen Fußballunternehmen teilnehmen können. Eine ausgeprägte Einnahmenverteilung zwischen den Clubs einer Liga gibt es nicht. Die medialen Übertragungsrechte werden zwar in Deutschland und teilweise auch in anderen Ländern zentral vermarktet, verteilt werden diese jedoch in Abhängigkeit von der sportlichen Leistung der Fußballunternehmen. Eine Teilung der Zuschauereinnahmen gibt es nicht. Erlöse aus 214 Vgl. Hoehn, Szymanski (1999), S. 214 f. Vgl. Franck (2002), S. 37. 216 Vgl. Franck (1995), S. 10. 217 In England hat sich mit der Premier League die spielhöchste Liga 1992 vom nationalen Fußballverband gelöst. Vgl. Drewes (2001), S. 7. 218 Vgl. Drewes (2001), S. 7 f. 215 73 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball parallel zum Ligabetrieb stattfindenden Wettbewerben kommen fast ausschließlich nur den dort teilnehmenden Clubs zugute.219 5.3.2 Glättungs- und Umverteilungsmechanismen Im europäischen Fußball führt das derzeitige Ligensystem zur Konzentration großer Preise bzw. Gewinne („Jackpots“) auf die obersten Plätze der Tabelle und zu starken Erlössprüngen zwischen benachbarten Plätzen. Dieses ist beispielsweise der Fall, wenn ein UEFA-Pokal Teilnehmer gleich ein Mehrfaches des Nächstplatzierten erhält, dem die UEFA-Pokal Teilnahme versagt bleibt. Des Weiteren führt der Abstieg eines Fußballclubs in eine untere Liga zu erheblichen finanziellen Einbußen. Auch hier hätte eventuell eine Platzierung auf nur einem höheren Tabellenplatz einen Abstieg verhindert und demzufolge negative finanzielle Konsequenzen vermieden.220 Für Aktionäre eines Fußballunternehmens ist eine gute Tabellenplatzierung bzw. der Klassenerhalt von großer Bedeutung für die Bewertung ihrer Kapitalanteile. Aufgrund der zu erwartenden finanziellen Verluste bei einem schlechten Tabellenplatz (z.B. knappes Verfehlen einer Platzierung, die zur Spielteilnahme an einem internationalen Turnier berechtigt) bzw. Abstieg in eine untere Liga, sinkt der Aktienkurs des betreffenden Fußballunternehmens erheblich. Ähnlich bedeutend ist ein Tabellenplatz in der zweiten Liga, der einen Aufstieg ermöglicht und damit zu einem starken Kursanstieg der Aktie dieses Fußballunternehmens führen wird. Bei diesen entscheidenden Tabellenplätzen, die zu gravierenden Kursschwankungen führen, haben Aktionäre den größten finanziellen Anreiz, Spielverläufe im Fußball zu manipulieren (vgl. 4.3.6). Die Ausgestaltung der europäischen Fußballligen lässt zudem Spielraum für Manipulationen. Befindet sich beispielsweise ein Fußballclub am letzten Spieltag auf einem sicheren Nicht-Abstiegsplatz, während die gegnerische Mannschaft um den Klassenerhalt kämpft, kann ein Verlieren der Mannschaft auf dem „sicheren“ Tabellenplatz Anlass zur Manipulationsspekulation sein. Für sie ist der Spielausgang bedeutungslos, aber bei dem abstiegsbedrohten Team geht es um die nächste Spielsaison. Es ist schwer zu erkennen, ob Manipulationen die Mannschaft zum Verlieren verleitet haben, oder ob sie nur schlecht gespielt haben.221 Aktionäre, die in 219 Vgl. Hoehn, Szymanski (1999), S. 215 f. Vgl. Franck (2000), S. 23. 221 Vgl. Caruso (2003), S. 2 f. 220 74 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball diesem Fall eine Manipulation beabsichtigen, müssten kaum eine Aufdeckung ihrer unerlaubten Einflussnahme befürchten und könnten sich so vor einem Werteverlust ihrer Beteiligung schützen. Institutionelle Glättungs- und Umverteilungsmechanismen, die im nordamerikanischen Ligensystem zum Einsatz kommen, ermöglichen aktionärsbedingte Anreize für Manipulationen im Fußball zu senken. Die Ausgestaltung einer europäischen Fußballliga als geschlossenes System und eine verstärkte Umverteilung der Einnahmen zwischen den Fußballunternehmen sind in der Lage, die erheblichen Erlösunterschiede zwischen den verschiedenen Tabellenplätzen und Ligen zu vermeiden. In einem geschlossenen Ligensystem ist es nicht möglich, durch sportliche Performance in eine Liga auf- oder abzusteigen. Fußballunternehmen können in diesem Zusammenhang keine sogenannten „Jackpots“ mehr mit einem Aufstieg gewinnen bzw. erhebliche finanzielle Verluste mit einem verbundenen Abstieg erleiden. Die oben genannten Erlössprünge werden in diesem Sinne neutralisiert. Der Anreiz für Aktionäre, den sportlichen Ausgang zu manipulieren, entfällt. Eine ähnliche Wirkung können spezifische Umverteilungsmechanismen entfalten. Darunter sind nicht die „klassischen“, in den nordamerikanischen Ligensystemen eingesetzte Umverteilungen der Einnahmen zu verstehen, von der alle Ligateilnehmer zu gleichen Teilen profitieren (vgl. 5.3.1). Vielmehr sollten diese so konstruiert sein, dass eine Glättung der Erlössprünge herbeigeführt wird. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, das Fußballunternehmen, die sich für einen internationalen Wettbewerb qualifizieren konnten, einen bestimmten Anteil der erzielten Einnahmen aus diesem Wettbewerb in einen sogenannten „Solidarfond“ einzahlen.222 Fußballunternehmen, die verhältnismäßig knapp eine Platzierung zur Teilnahme am internationalen Wettbewerb verfehlt haben, erhalten dann aus diesem Fond einen finanziellen Ausgleich. Dabei sollte dem Fußballunternehmen, das nur mit einem Tabellenplatz die Teilnahme zum internationalen Wettbewerb verfehlt hat, der größte Anteil zugesprochen werden. Dem in der Tabelle darauf folgenden Unternehmen, der zweitgrößte Anteil und so weiter. Für die Bundesliga könnte dies in Bezug auf eine UEFA-Pokal Teilnahme folgendermaßen ausgestaltet sein: Am Ende einer Saison berechtigen die Plätze 1 und 2 zur Teilnahme an der Championsleague, Platz 3 zur Championsleague Qualifikation und Platz 4 und 5 zum UEFA-Pokal. Belegt eine Mannschaft Platz 6 hat sie die Teilnahmeberechtigung 222 Vgl. Federmair (2004), S. 89. 75 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball für einen internationalen Wettbewerb knapp verpasst und keine Möglichkeit zusätzliche Einnahmen in dieser Hinsicht zu erzielen. Es besteht demnach ein großer Erlössprung zwischen Platz 5 und Platz 6. Wie bereits erläutert, besteht bei diesen extremen Erlössprüngen ein erhöhter Anreiz zur aktionärsbedingten Manipulation. Im Rahmen einer Glättung der Erlössprünge könnten die an internationalen Wettbewerben teilnehmenden Mannschaften einen prozentualen Anteil der daraus resultierenden Einnahmen in einen „Solidarfond“ abführen. Aus diesem erhält das auf Platz 6 stehende Fußballunternehmen, den relativ größten Anteil. Die in der Tabelle nachfolgenden Clubs erhalten jeweils einen verhältnismäßig geringeren Anteil. Beschränken könnte man diese Form der Glättung z.B. auf die Plätze 6-10. In den Ausführungen wird deutlich, dass sowohl die Einführung eines geschlossenen Ligensystems als auch Umverteilungen Maßnahmen sein könnten, um auf Erlössprünge neutralisierend bzw. glättend einzuwirken und somit den Anreiz für aktionärsbedingte Manipulation zu minimieren. 5.3.3 Kritische Betrachtung Die Einführung eines geschlossenen Ligensystems sowie Umverteilungsmaßnahmen liefern Ansätze, aktionärsbedingte Manipulationsanreize durch Einwirkungen auf die Erlössprünge zu senken. Eine praktische Umsetzung dieser Maßnahmen könnte allerdings mit Schwierigkeiten verbunden sein. Das nordamerikanische und europäische Ligensystem unterscheiden sich fundamental. Dies ist vor allem darin zu begründen, dass sich beide Systeme aus einem jeweiligen anderen historischen Kontext heraus entwickelt haben (vgl. 5.3.1). Anders als die rein gewinnorientierten partnerschaftlichen Major Leagues der Clubeigentümer sind europäische Fußballligen nicht nur auf kommerzielle Interessen fokussiert, sondern bleiben ihren ursprünglichen sportlichen Werten verpflichtet.223 In der Satzung des DFB heißt es dazu: „Wichtigste Aufgabe des DFB ist die Ausübung des Fußballsports in Meisterschaftsspielen und Wettbewerben der Spielklassen der Regional- und Landesverbände und der Lizenzligen. Er trägt die Gesamtverantwortung für die Einheit des deutschen Fußballs… Seiner besonderen Förderung unterliegt auch der Freizeit- und Breitensport.“224 223 224 Vgl. Straub (2002), S. 106. Vgl. DFB (2008d), S. 2. 76 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Eine Abschaffung von Auf- und Abstieg würde in diesem Zusammenhang eine faktische Trennung von Profi- und Amateurfußball zur Folge und damit Auswirkungen auf die verfassten Werte im Fußball haben. Hinzu kommt, dass Auf- und Abstieg sportliche Anreize für Fußballunternehmen liefern und damit die Wettbewerbsintensität einer Liga steigern. Ein Aufstieg wirkt für Fußballunternehmen wie ein „Preis“, ein Abstieg kann als eine drohende Sanktion den Wettbewerb im unteren Tabellenbereich fördern und als Instrument gegen „Trittbrettfahrer“ aufgefasst werden. Zusätzliche Wettbewerbsanreize erhöhen das sportliche Niveau und in Folge die Attraktivität im Profifußball. Die Einführung einer geschlossenen Liga und die damit verbundene Abschaffung von Auf- und Abstieg wirken dem entgegen und führen zu einer Abnahme der sportlichen Qualität und Attraktivität einer Liga.225 Das Instrument der Umverteilung (vgl. 5.3.1) wirkt sich ähnlich auf den sportlichen Wettbewerb aus. Insbesondere aus dem Grund, dass Fußballunternehmen aus der Teilnahme an weiteren Wettbewerben erhebliche zusätzliche Einnahmen (Erlössprung) erzielen können, besteht für sie ein erhöhter Anreiz, eine gute sportliche Leistung zu zeigen. Inwieweit sich ein Eingriff auf die Erlössprünge auf den sportlichen Wettbewerb einer Liga auswirkt, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Die dargestellten Maßnahmen können das Ausmaß aktionärsbedingter Manipulationen im Fußball reduzieren. Hinsichtlich weit reichender Konsequenzen für den Fußball insgesamt ist jedoch eine praktische Umsetzung unter weiteren Gesichtspunkten sorgfältig abzuwägen. 6 Schlussbetrachtung Die Ausführungen haben gezeigt, dass sowohl in gesellschaftlicher als auch wirtschaftlicher Hinsicht die Bedeutung des europäischen Profifußballs in den letzten Jahren zugenommen hat. „Motor“ dieser Entwicklung sind die Zuschauer, die das Produkt Fußball konsumieren. Unabdingbare Voraussetzung für die Nachfrage ist die geforderte Integrität bzw. Glaubwürdigkeit der Sportart. Zu einer Integritätsverletzung kommt es dann, wenn auf den Fußball in Form von Manipulationen Einfluss genommen wird. Schon Verdachtsmomente reichen aus, die Integrität und in folgender Konsequenz 225 Vgl. Noll (2003), S. 549 f. 77 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball die Attraktivität des Fußballs zu gefährden. Für die direkt benachteiligten Fußballunternehmen, aber unter Umständen auch für eine Liga bzw. Sportart und damit in Verbindung stehende Wirtschaftsbranchen insgesamt, sind Manipulationen meist mit negativen finanziellen Auswirkungen verbunden. Daher sollten Manipulationen im Fußball, aber auch in anderen Sportarten, die ein hohes Zuschauerinteresse aufweisen, vermieden werden. Der Begriff der Manipulation ist weit gefasst und nur schwer abzugrenzen. Bei der Einordnung des Manipulationsbegriffs wurde deutlich, dass im Fußball häufig externe Interessengruppen im Rahmen von Ergebnisabsprachen („match-fixing“) in bestehende Prinzipal-Agent Beziehungen eingreifen. Klassisches Beispiel ist die Bestechung eines Agenten (Schiedsrichter, Spieler, Trainer), der die Möglichkeit hat, einen manipulativen Einfluss auf den Ausgang bzw. Eintritt sportlicher Ereignisse zu nehmen. Die beschriebenen Manipulationsskandale im Fußball veranschaulichten dies. Anreize zu manipulieren haben insbesondere die Individuen, die in Abhängigkeit von einem bestimmten Spielergebnis einen finanziellen Nutzen ziehen. Im Rahmen der Arbeit wurde der Fokus zum einen auf Akteure gerichtet, die Ereignisse im Fußball mit Absicht der Gewinnerzielung bewetten. Der Markt für Sportwetten hat sich in den letzten Jahren mit zum Teil beträchtlichen Wachstumsraten vergrößert, und weltweit werden sportliche Ereignisse bewettet. Ein Großteil der abgeschlossenen Sportwetten entfallen dabei auf den Fußball und bei eintretendem Wetterfolg können erhebliche Geldbeträge gewonnen werden. In diesem Sinne bestehen für Wettakteure finanzielle Anreize, im Fußball dahingehend zu manipulieren, dass bewettete sportliche Ereignisse den Ausgang nehmen, wie bei Wettabgabe prognostiziert wurde. Zum anderen wurden als zweite Interessengruppe die Eigentümer von Fußballunternehmen beleuchtet. Um der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des europäischen Profifußballs Rechnung zu tragen, werden Fußballunternehmen zunehmend in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführt. Einige Fußballunternehmen öffnen sich dabei dem Kapitalmarkt in Form eines Börsengangs und Aktionärsinteressen treten zunehmend in den Vordergrund. Insbesondere wenn Aktionäre einen bestimmten Renditeanspruch aus ihrer Beteiligung erwarten, bestehen Anreize der Manipulation. Es wurde erläutert, dass die wirtschaftliche Performance und damit der Aktienkurs eines Fußballunternehmens zu einem wesentlichen Teil vom sportlichen Erfolg determiniert werden. Die sogenannten „Entscheidungsspiele“ stehen im Mittelpunkt möglicher Manipulation. 78 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse wurden im letzten Abschnitt der Arbeit Lösungsmöglichkeiten aktionärsmotivierten aufgezeigt, die Manipulationen das im Ausmaß Fußball von wettbezogenen reduzieren können. und Für Wettmanipulationen bietet sich eine staatlich forcierte Begrenzung der Höchsteinsätze bzw. Gewinnlimits von Sportwetten an. Die Begrenzung sollte sich auf einem erheblich niedrigeren Niveau als bisher befinden. Ferner wird die Regulierung von manipulationsanfälligen Wettarten diskutiert. Hierzu zählen Wettarten, die mit vergleichsweise niedrigem Aufwand, geringem Entdeckungsrisiko und hoher Erfolgswahrscheinlichkeit zu manipulieren sind. Zur Senkung aktionärsbedingter Manipulationen kann eine Adaption einzelner Elemente des nordamerikanischen Major League Systems auf das europäische Fußballligensystem herangezogen werden. Ziel ist eine Glättung der zum Teil erheblichen Erlössprünge zwischen unterschiedlichen Tabellenplatzierungen. Erreicht werden kann dies beispielsweise durch die Einführung eines geschlossenen Ligensystems als auch durch Umverteilungsmechanismen der Einnahmen innerhalb einer Fußballliga. 79 Diplomarbeit Sportwetten, Aktienhandel und Manipulation im Fußball Literaturverzeichnis AMERICAN GAMING ASSOCIATION (2008): American Gaming Association, Internet Gambling, Online im www: http://www.americangaming.org/Industry/factsheets/issues_detail.Cfv?id=17, Zugriff und Download am 01.02.2008. ARD ONLINE (2005): ARD Online, Der Bundesliga-Skandal von 1971, Online http://sport.ard.de/sp/fussball/news200502/01/skandal_1971.jhtml, im Zugriff www: und Download am 01.02.2008. 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