Übersicht 1. Historische Rahmendaten (1814/15–1890)

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Übersicht 1. Historische Rahmendaten (1814/15–1890)
PD Dr. Michael Ansel: Ringvorlesung „Einführung in die Geschichte der deutschen Literatur“: Vormärz und Realismus
(WiSe 2013/14)
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Übersicht
1.
Historische Rahmendaten (1814/15–1890)
2.
2.1.
2.1.1.
2.1.2.
2.1.3.
2.2.
2.3.
2.4.
2.4.1.
2.4.2.
2.4.3.
Literatur 1830–1848
Problematik des Epochenbegriffs
Vormärz
Biedermeier
Literatur der Restaurationsepoche
Literarisches Leben
Summarische Epochencharakteristik
Wichtige Werke
Lyrik
Prosa
Drama
3.
3.1.
3.1.1.
3.2.
3.3.
3.4.
3.5.
3.5.1.
3.5.2.
3.5.3.
Literatur 1850–1890
Epochenbegriff
Binnendifferenzierung der Epoche
Literarisches Leben
Summarische Epochencharakteristik
Fontane als epochentypischer Autor
Wichtige Werke
Lyrik
Prosa
Drama
4.
4.1.
4.2.
4.3.
4.4.
Forschungsliteratur
Einführende Literatur zum Vormärz/Biedermeier
Einführende Literatur zum Realismus
Literatur zur Epochenproblematik
Quellensammlungen zum Vormärz/Biedermeier und Realismus
1. Historische Rahmendaten
1814/15
1817
1818/20
1819
1830/31
1832
1834
1848/49
1864
Wiener Kongress, Gründung des Deutschen Bundes
Wartburgfest
Verfassungen in Bayern, Baden, Württemberg, Hessen-Darmstadt
Karlsbader Beschlüsse: Demagogenverfolgungen und Einführung der Vorzensur
Julirevolution/Verfassungen in Sachsen, Hannover, Braunschweig, Hessen-Kassel
Hambacher Fest
Deutscher Zollverein
Märzrevolution/Nationalversammlung/Oktroyierte Verfassung in Preußen
Deutsch-Dänischer Krieg
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1866
1871
1890
Norddeutscher Bund
Gründung des Deutschen Reichs
Entlassung Bismarcks
2. Literatur 1830–1850
2.1. Problematik des Epochenbegriffs
Es gibt keine unumstrittene Benennung der Literatur dieses Zeitraums, als konkurrierende Begriffe
werden Vormärz (2.1.1.), Biedermeier (2.1.2.) und Literatur der Restaurationsepoche (2.1.3.) verwendet
2.1.1. Vormärz
• seit den späten 1820er Jahren kommt es zu einer deutlichen Veränderung des literarischen Klimas
• begünstigt, aber nicht eingeleitet wird diese Veränderung durch die Julirevolution in Frankreich
und deren Auswirkungen auf den Deutschen Bund (Verfassungen in einigen Mittelstaaten)
• Ludwig Börne (Zeitschrift Die Wage [1818–1821]) und Heinrich Heine (Reisebilder [1826–1831])
kultivieren schon vorher eine offene Form der Reiseprosa, die sich von konventionellen narrativen
Mustern (Roman, Novelle, Erzählung) abwendet und im Sinne eines Patchworks eine Vielzahl gesellschaftlicher, kultureller und politischer Fragestellungen integrieren kann
• operatives Literaturkonzept mit dem Thema Emanzipation, Heinrich Heine als „Soldat im Befreiungskrieg der Menschheit“ (Reise von München nach Genua): „Ideenschmuggel“ als Zensurstil
• Autoren des Jungen Deutschland (Karl Gutzkow, Theodor Mundt, Heinrich Laube, Gustav Kühne
und Ludolf Wienbarg,), die in Börne und Heine ihre Vorbilder erblickten, haben diese emanzipatorische Form der Prosa („Ideenschmuggel“) weiterentwickelt, bis es 1835 anlässlich des Skandals
um Gutzkows Wally die Zweiflerin zu ihrem Verbot kommt
• Georg Büchner (Der hessische Landbote [1834], Woyzeck [1836/37]) thematisiert pauperisierte
Unterschichten und bringt den vierten Stand auf die Bühne
• Zeitgedichte der 1840er Jahre (Franz Dingelstedt, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben,
Robert Prutz, Georg Herwegh, Heinrich Heine): ebenfalls operative Literatur mit Tendenz zur Zeitreflexion, starke Politisierung der (literarischen) Öffentlichkeit
2.1.2. Biedermeier
• bis Ende der 1820er Jahre – und darüber hinaus – prägt die Spätromantik die Literatur (Ludwig
Tieck, Joseph von Eichendorff) stark, man kann generell von einer Fortwirkung der Literatur des
Deutschen Idealismus (Klassik und Romantik) unter den politischen und gesellschaftlichen Vorzeichen seit den 1820er Jahren sprechen
• traditionales Literaturverständnis: Anbindung an klassisch-romantische Formtradition, Hochschätzung des literarischen Werks als Eigenwert, aber dessen Rückbindung an gesellschaftliche Funktion
(Ablehnung elitärer Autonomiepostulate)
• keineswegs epigonale Nachahmung der literarischen Tradition, sondern deren kreative Weiterentwicklung, in literarischer Hinsicht wegen der Werkfixierung oftmals anspruchsvollere Texte als in
der Vormärzliteratur
• Regionalisierung der Literatur, die sich schon in der Spätromantik etabliert hatte, zeigt sich in der
Gruppenbildung (Dresdner Romantik, Schwäbische Dichterschule in Stuttgart) und in den Themen
der Literatur selbst (Dorfgeschichte Jeremias Gotthelfs und Berthold Auerbachs, Beispiel Annette
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von Droste-Hülshoffs Judenbuche (1841) mit dem Untertitel Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westphalen)
• biedermeierliche Literatur ist im Gegensatz zur vormärzlichen angeblich unpolitisch und dadurch
affirmativ, der politischen Restauration zuarbeitend. Wie problematisch eine solche Generalisierung
ist, kann man an Autoren wie Adalbert Stifter (Zensurfall Brigitta) oder Annette von Droste-Hülshoff (familiäre Auseinandersetzungen um das Geistliche Jahr) studieren
2.1.3. Literatur der Restaurationsepoche
• bis 1848 steht die Literatur eindeutig unter den Vorzeichen der politischen und ideologischen Restauration seit dem Wiener Kongress, die maßgeblich von Metternich verantwortet wird
• Vorzensur seit den Karlsbader Beschlüssen von 1819 obligatorisch für alle Druckerzeugnisse unter 20 Bogen (320 Seiten), begünstigt Entwicklung eines so genannten Zensurstils
• Erstarkung des Katholizismus als Reaktion auf die dynastischen Umwälzungen seit dem Wiener
Kongress (Rheinland als Teil des protestantischen Preußen) und einer katholischen Literatur (Joseph von Eichendorff, Joseph Görres und die Zeitschrift Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland)
• „Restaurationsepoche“ ist allerdings ein politischer Begriff, der zwar eine einheitliche Klammer
für die Literatur dieses Zeitraums anbietet, diese jedoch mit einer außerliterarischen Etikett versieht
und deshalb nicht wirklich überzeugt
2.2. Literarisches Leben
• Alphabetisierung und starke Ausweitung des Lesepublikums, das gehobene Unterhaltung wünscht
• Verlage als Größen des wirtschaftlichen Lebens und ihre ökonomischen Interessen (Verlagsstadt
Leipzig und die sächsische Zensur)
• Expansion des Zeitschriftenwesens (Morgenblatt für gebildete Stände/Leser [1807–1865]) und der
Almanache und Taschenbücher, die die wichtigsten Lektürequellen darstellen
• spätromantische Salon- sowie biedermeierliche Geselligkeitskultur aristokratischer bzw. bildungsbürgerlicher Provenienz mit ihren Gesprächs- und Umgangsformen (Konversationslexika, Georg
Büchmann: Geflügelte Worte [1864]) und Festritualen (Kammermusik, Dichterlesungen [berühmt
dafür Ludwig Tieck in Dresden])
• bürgerliche Vereine und Liederkränze mit öffentlichen Auftritten und Stiftungen, die die Literatur
und Kultur vielfältig durch Reden, Rezitationen und Liebhaberaufführungen fördern und im gesellschaftlichen Leben verankern
• Theater meistens als Residenz- und Hoftheater für die eher konservativen, literarisch gebildeten
oberen Schichten
2.3. Summarische Epochencharakteristik
• es gibt klare innerliterarische Transformationsprozesse in den 1820er und 1850er Jahren, die es
rechtfertigen, von einer eigenen literarischen Epoche der Vormärz- bzw. Biedermeierliteratur zu
sprechen (Epochenproblematik)
• Epoche ist keineswegs epigonal, sondern bringt eine Vielzahl anspruchsvoller Literatur sowohl
auf Seiten der Vormärz- als auch auf Seiten der Biedermeierdichter hervor
• Literatur weist eine große Gattungsvielfalt auf. Gepflegt werden nicht nur die etablierten Gattungen wie Lyrik, Drama, Novelle und Roman, sondern deren kreative Weiterentwicklung und eine
Vielzahl innovativer Mischgattungen wie Reiseliteratur, Feuilleton (Gattungsbezeichnungen: Skizze, Bild, Fragment)
• man steht den „großen Gattungen“ (Drama, Epos) eher skeptisch gegenüber und bevorzugt eine
gesellschaftsbezogene Kunst
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• Literatur zeichnet sich durch ein klar erkennbares Bedürfnis zur künstlerischen Selbstverortung
bzw. Historisierung aus, das sich – mit Ausnahme der Spätromantik – so weder in der Weimarer
Klassik und Romantik noch im Poetischen Realismus findet
2.4. Wichtige Werke
Es versteht sich, dass hier nur eine kleine Auswahl geboten werden kann. Die folgende Auflistung
versucht sich zudem an der Leseliste deutscher Literatur in der Informationsbroschüre Germanistik
in Wuppertal (5., aktualisierte Auflage 2012) zu orientieren.
2.4.1. Lyrik
Heinrich Heine: Buch der Lieder (1827, 131855), Neue Gedichte (1844, 41853)
August Graf von Platen: Gedichte (1828, 21834)
Nikolaus Lenau: Gedichte (1832, 71844), Neue Gedichte (1838, 51844)
Eduard Mörike: Gedichte (1838, 41867)
Annette von Droste-Hülshoff: Gedichte (1844)
2.4.2. Prosa
Heinrich Heine: Reisebilder, 3 Theile und ein Nachtrag (1826–1831)
Eduard Mörike: Maler Nolten (1832)
Karl Gutzkow: Wally die Zweiflerin (1835)
Karl Leberecht Immermann: Münchhausen (1838/39)
Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne (1842)
Adalbert Stifter: Studien, 6 Bände (1844/50)
2.4.3. Drama
Georg Büchner: Danton’s Tod (1835), Woyzeck (1880 [sic!])
Christian Friedrich Grabbe: Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung (1827), Napoleon oder die
hundert Tage (1831)
Friedrich Hebbel: Judith (1841), Maria Magdalene (1844)
Franz Grillparzer: König Ottokars Glück und Ende (1825), Weh dem, der lügt! (1838)
Johann Nepomuk Nestroy: Der böse Geist Lumpazivagabundus (1833), Freiheit in Krähwinkel
(1848)
3. Literatur 1850–1900
3.1. Epochenbegriff
• „Realismus“ wird hier nicht als ästhetischer oder kunsttypologischer, sondern als ein zudem auf
deutschsprachige Verhältnisse angewendeter literaturgeschichtlicher Begriff verstanden
• man spricht vom poetischen oder bürgerlichen Realismus als Sammelbegriff für die deutschsprachige Literatur zwischen 1850 und 1900, darunter fallen auch die Literaturen Österreichs und der
Schweiz mit den Vertretern Jeremias Gotthelf, Gottfried Keller und Conrad Ferdinand Meyer
• im Gegensatz zur Bezeichnung der deutschsprachigen Literatur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist der Begriff des Realismus unstrittig und bezeichnet eine relativ homogene und langlebige literarische Epoche
• schwierig und nicht eindeutig ist das Ende der Epoche zu bestimmen, da wichtige Werke noch in
den 1890er Jahren erscheinen (Theodor Fontane: Effi Briest, Wilhelm Raabe: Die Akten des Vogel-
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sangs [beide 1895]) und es zu einer Überlappung mit Strömungen der frühen Moderne kommt
(Gerhart Hauptmann: Vor Sonnenaufgang, Arno Holz und Johannes Schlaf: Papa Hamlet [beide
1889], Stefan George: Algabal [1892])
3.1.1. Binnendifferenzierung der Epoche
• bis etwa 1860 Hochphase des programmatischen Realismus, der sich vor allem in kritischen Beiträgen von Literaturzeitschriften herauskristallisierte (Die Grenzboten [Julian Schmidt und Gustav
Freytag], Blätter für literarische Unterhaltung [Hermann Marggraff und Rudolf Gottschall], Deutsches Museum [Robert Prutz])
• man kann wegen der deutschen Reichseinigung 1870/71 eine Binnenzäsur setzen, für die Zeit danach spricht man auch von der Literatur der Gründerzeit, die sich durch die verstärkte Hinwendung
zu historischen Romanen (Felix Dahn: Ein Kampf um Rom [1876]) auszeichnet
3.2. Literarisches Leben
• Abschaffung der Vorzensur und Selbstkritik des Bürgertums nach der gescheiterten Revolution
führen zu einer deutlich spürbaren Entpolitisierung der Literatur
• starke Verstädterung in Folge der Industrialisierung sorgt für zunehmende Erstarkung eines urbanen Lesepublikums, das maßgeblich durch die städtische Erfahrungswelt geprägt wird
• ökonomische Erstarkung des Bürgertums hat spürbaren Einfluss auf das kulturelle Leben: bürgerliche Lebenswelt mit häuslicher Lektüre- und Deklamationspraxis und Vereinswesen, öffentliche
Kunst- und Museumspflege durch Stiftungen
• nachmärzlicher Literatur- und Bildungskanon: zunehmende Fixierung auf die im Vormärz stark
kritisierten Weimarer Klassiker (Schiller-Jahr 1859), wird verstärkt durch das neuhumanistische
Gymnasium
• seit dem Klassikerjahr 1867 kommt es zu einem Boom preisgünstiger Klassiker-Ausgaben, weil
die 30-jährige Schutzfrist des Urheberrechts erlischt
• Gründerzeit bringt monumentale Prachtausgaben insbesondere der Klassiker hervor, die mit einer
reichen Buchausstattung (goldgeprägte Einbanddecke, Goldschnitt) und Buchschmuck (Rahmen,
Leisten, Vignetten) sowie Illustrationen prunken und primär Einrichtungsgegenstände des Salons
sind
• Leihbibliotheken als Primärquelle für die Lektüre von Belletristik, aber auch anderer historischer
bzw. wissenschaftlicher Literatur
• Familienzeitschriften als Abnehmer von eher kleinformatiger Erzählprosa (Die Gartenlaube, Unterhaltungen am häuslichen Herd, Daheim, Westermanns Illustrierte Monatshefte, Über Land und
Meer), viele realistische Erzählungen erscheinen zuerst in diesen Periodika
3.3. Versuch einer Gesamtcharakteristik der Literatur
• Realitätszuwendung nach im Deutschen Bund gescheiterter 1848er-Revolution, das Bürgertum
macht die Ideengläubigkeit der 1830/40er Jahre für seine mangelnde politische Reife verantwortlich
• in Verbindung damit scharfe Ablehnung und Zurückweisung des romantischen und jungdeutschen
„Subjektivismus“ bzw. angeblich realitätsfremden „Idealismus“ und der Innovationen der teils sehr
experimentierfreudigen Biedermeier- und Vormärzliteratur
• die Literatur soll die konkrete Erfahrungswelt des bürgerlichen „Mittelstands“ thematisieren, dabei aber auf eine minuziöse Abbildung der Realität verzichten, sondern durch Stoffwahl und -präsentation die ganze Welt modellhaft oder symbolisch im Kunstwerk präsentieren
• dieses Literaturkonzept führt zu den Postulaten der Verklärung und des künstlerischen Humors
und begünstigt im Gegensatz zur vormärzlichen, stark von rhetorischen Wirkungskategorien geprägten Literatur eine mittlere Stillage
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• obwohl man das Verklärungspostulat nicht vorschnell ideologiekritisch abwerten sollte, kann doch
die programmatisch geforderte Realitätszuwendung der Literatur kritisch gesehen werden. Ein beachtlicher Teil der realistischen Literatur wendet sich keineswegs der zeitgenössischen Wirklichkeit
zu – hier erweist sich die als tendenziös abgelehnte vormärzliche Dichtung als oftmals wesentlich
zeitdiagnostischer –, sondern thematisiert z.B. mit der Dorfgeschichte, mit historischen Stoffen oder
mit rückwärtsgewandten, im ländlichen Raum angesiedelten Utopien (Adalbert Stifter: Der Nachsommer [1857]) vergangene Lebenswelten
• obwohl sich in der Literaturtheorie die klassizistische Hochschätzung des Dramas und des Versepos hält (Freytag: Die Technik des Dramas [1863]) und viele Realisten (Theodor Fontane, Theodor Storm, Conrad Ferdinand Meyer) auch als Lyriker Beachtliches leisten, ist der zentrale literaturgeschichtliche Ertrag des Realismus in der Erzählprosa zu erblicken
3.4. Fontane als epochentypischer Autor
• geboren 1819, also wie andere realistische Autoren in den 1810er oder 1820er Jahren und zum
Zeitpunkt der 1848/49er Revolution erwachsen (Ausnahme Raabe [1831–1910])
• freier Schriftsteller, der sich seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben verdient und Publikationskontakte zur periodischen Presse hat
• 70 Jahre oder älter geworden, kein Frühvollender wie häufig in der Romantik oder im Vormärz/Biedermeier (Novalis, Wilhelm Waiblinger, Georg Büchner), hat sich vielmehr „nach oben
geschrieben“, insbesondere Spätwerk interessant (Ausnahme Gottfried Keller: Grüner Heinrich
[1854])
• zunächst reichhaltige Balladenproduktion seit seiner Mitgliedschaft im Verein Tunnel über der
Spree als Indiz für Hochschätzung versgebundener Dichtung im 19. Jahrhundert
• als Erzähler Wechsel zwischen historischen (Schach von Wuthenow) und zeitgenössischen Stoffen
(Effi Briest), so auch Theodor Storm und Wilhelm Raabe
3.5. Wichtige Werke
Auch hier gilt das unter 2.4. Gesagte. Allerdings wurde die Lyrik im Folgenden stärker gewichtet,
weil z.B. vom Spätwerk Theodor Fontanes oder von der Lyrik Conrad Ferdinand Meyers deutlich
erkennbare Verbindungslinien zur literarischen Moderne gezogen werden können.
3.5.1. Lyrik
Theodor Fontane: Gedichte (1851, 51898), Balladen (1861)
Theodor Storm: Gedichte (1852, 71885)
Conrad Ferdinand Meyer: Gedichte (1882, 51892)
Friedrich Hebbel: Gedichte (31857)
3.5.2. Prosa
Gottfried Keller: Der grüne Heinrich (1854), Die Leute von Seldwyla, 2 Bände (1855/1874)
Gustav Freytag: Soll und Haben (1855)
Theodor Storm: Immensee (1850), Aquis submersus (1876), Der Schimmelreiter (1888)
Conrad Ferdinand Meyer: Jürg Jenatsch (1876), Die Hochzeit des Mönchs (1884), Die Versuchung
des Pescara (1887)
Theodor Fontane: Schach von Wuthenow (1883), Frau Jenny Treibel (1891), Effi Briest (1895)
Wilhelm Raabe: Abu Telfan (1868), Stopfkuchen (1891), Die Akten des Vogelsangs (1896)
3.5.3. Drama
Friedrich Hebbel: Agnes Bernauer (1855), Gyges und sein Ring (1856)
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Franz Grillparzer: Ein Bruderzwist in Habsburg (1855), Die Jüdin von Toledo (1856)
Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen (1869/76)
4. Forschungsliteratur
Unter 4.1. und 4.2. sind einführende Epochendarstellungen und Standardwerke verzeichnet, in denen umfangreiche weitere bibliographische Angaben zu finden sind.
4.1. Vormärz/Biedermeier
Eke, Norbert Otto: Einführung in die Literatur des Vormärz. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2005.
Grimm, Gunter E./Max, Frank Rainer (Hg.): Deutsche Dichter. Leben und Werk deutschsprachiger
Autoren. Band 5: Romantik, Biedermeier und Vormärz. Stuttgart: Reclam 1989.
Köster, Udo: Literatur und Gesellschaft in Deutschland 1830–1848. Die Dichtung am Ende der
Kunstperiode. Stuttgart u.a.: Kohlhammer 1984.
Sengle, Friedrich: Biedermeierzeit. Deutsche Literatur im Spannungsfeld zwischen Restauration
und Revolution 1815–1848. 3 Bände. Stuttgart: Metzler 1971, 1972 u. 1980.
Titzmann, Michael (Hg.): Zwischen Goethezeit und Realismus. Wandel und Spezifik in der Phase
des Biedermeier. Tübingen: Niemeyer 2002.
4.2. Realismus
Aust, Hugo: Realismus. Lehrbuch Germanistik. Stuttgart und Weimar: Metzler 2006.
Aust, Hugo: Literatur des Realismus. 3., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart und Weimar: Metzler 2000.
Balzer, Bernd: Einführung in die Literatur des Bürgerlichen Realismus. 2., durchgesehene Auflage.
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2012.
Becker, Sabina: Bürgerlicher Realismus. Literatur und Kultur im bürgerlichen Zeitalter 1848–
1900. Tübingen und Basel: Franke 2003.
Begemann, Christian (Hg.): Realismus. Epoche – Autoren – Werke. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft 2007.
Grimm, Gunter E./Max, Frank Rainer (Hg.): Deutsche Dichter. Leben und Werk deutschsprachiger
Autoren. Band 6: Realismus, Naturalismus und Jugendstil. Stuttgart: Reclam 1989.
McInnes, Edward/Plumpe, Gerhard (Hg.): Bürgerlicher Realismus und Gründerzeit 1848–1890.
München: Hanser 1996.
Martini, Fritz: Deutsche Literatur im bürgerlichen Realismus 1848–1898. 3., mit einem ergänzenden Nachwort versehene Auflage. Stuttgart: Metzler 1974 [Erstauflage 1962].
Stockinger, Claudia: Das 19. Jahrhundert. Zeitalter des Realismus. Berlin: Akademie Verlag 2010.
4.3. Epochenproblematik
Bunzel, Wolfgang/Stein, Peter/Vaßen, Florian: „‚Romantik‘ und ‚Vormärz‘ als rivalisierende Diskursformationen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“. In: Dies. (Hg.), Romantik und Vormärz. Zur Archäologie literarischer Kommunikation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Bielefeld: Aisthesis 2003, S. 9–46.
Frank, Gustav: „Auf dem Weg zum Realismus“. In: Christian Begemann (Hg.), Realismus. Epoche
– Autoren – Werke. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2007, S. 27–44.
Segeberg, Harro: „Phasen der Romantik“. In: Helmut Schanze (Hg.), Romantik-Handbuch. 2.,
durchgesehene und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Kröner 2003, S. 31–78.
PD Dr. Michael Ansel: Ringvorlesung „Einführung in die Geschichte der deutschen Literatur“: Vormärz und Realismus
(WiSe 2013/14)
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4.4. Quellensammlungen
Bucher, Max u.a. (Hg): Realismus und Gründerzeit. Manifeste und Dokumente zur deutschen Literatur 1848–1880. Mit einer Einführung in den Problemkreis und einer Quellenbibliographie. 2
Bände. Stuttgart: Metzler 1975/76.
Hermand, Jost (Hg.): Der deutsche Vormärz. Texte und Dokumente. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart: Reclam 1997 [erstmals 1967].
Plumpe, Gerhard (Hg.): Theorie des bürgerlichen Realismus. Eine Textsammlung. Stuttgart: Reclam 2009 [erstmals 1985].
Vaßen, Florian (Hg.): Die deutsche Literatur. Ein Abriss in Text und Darstellung. Band 10: Vormärz. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart: Reclam 1997 [erstmals 1975].