dradio.de Das Museum für Hamburgische Geschichte

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PROFIL
02.03.2007 — 10:50 Uhr
Museum für Hamburgische Geschichte (Bild: Deutscher Museumsbund)
Museum der Woche
Das Museum für Hamburgische Geschichte
Von Hartwig Tegeler
Der absolute Renner bei den Besuchern ist der Störtebeker-Kopf - auch wenn nicht sicher
ist, ob der ausgestellte Schädel wirklich dem Seeräuber gehörte. Doch das Museum hat
mehr zu bieten als einen abgeschlagenen Piratenkopf: Hier wird die Geschichte der
Hansestadt von den Anfängen bis zur Gegenwart dokumentiert.
Es ist ein ganz mieser Tag für den Piraten, dieser 22. April 1401. Simon von Utrecht hat Klaus
Störtebeker vor Helgoland gestellt. Nach einer erbitterten Seeschlacht wird der Seeräuber nach
Hamburg gebracht. Was jetzt kommt, ist keine Überraschung. Scharfrichter Meister Rosenfeld
schärft sein Beil, und die Hamburger bereiten sich auf ein Volksfest vor.
600 Jahre und 'ein büschen' später.
Alexandra Bode: "Ja, wir stehen hier eigentlich mitten in 'planten un blomen', einem großen
Innenstadtpark von Hamburg, ja, und eigentlich nennt sich dieser Teil des Parkes 'alte
Wallanlagen'."
Wie kann's auch anders sein - Hamburger Schmuddelwetter. Alexandra Bode vom Museumsdienst,
gebürtige Berlinerin, hat sich dran gewöhnt.
"In der Tat befinden wir uns hier auf den Resten des einstigen Walles, der Hamburg im 17.
Jahrhundert komplett umschloss. Es gab also einen Wassergraben, der liegt jetzt hinter uns, vor
uns haben wir also das Museum für Hamburgische Geschichte, und das ist eigentlich genauso
gebaut wie ein Stück des einstigen Walles. Es ist genauso hoch. Also, wir müssten jetzt ungefähr
dreißig Meter in die Höhe klimmen, um dann über die Festungswälle rüber zu steigen."
Die es aber nicht mehr gibt, die Festungswälle; an ihrer Stelle steht nun ein Backsteingebäude mit
einer eindrucksvollen Dachlandschaft. Eröffnet wurde das Museum für Hamburgische Geschichte
1922. - Alexandra Bode geht vom Wall runter Richtung Museumsportal.
"So, und jetzt gehen wir mal zu 'Störtebeker rein."
Beziehungsweise genauer gesagt zu dessen Kopf.
"600 Jahre und 'ein büschen' früher."
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Am 20. Oktober 1401 ist alles vorbei: Klaus Störtebeker wird mit rund 30 seiner Gefährten auf
Hamburgs Richtplatz, dem Grasbrook, der Kopf abgeschlagen.
Störtebekers Schädel wird zur Abschreckung mit einem Schiffsnagel auf einen Balken gehämmert.
Das Jahr 1878. Arbeiter finden auf dem ehemaligen Hinrichtungsplatz zwei Schädel, die sehr gut
erhalten sind.
129 Jahre später.
"Ja, wir sind hier im nach gebauten Laderaum einer Kogge, also eines damaligen Transportschiffes,
und wir blicken direkt auf die Relikte der zwei Totenschädel vom Grasbrook."
Neben den nachgebauten Fässern mit Wachs aus Russland und Salz aus Lüneburg - was eine Kogge
damals so transportierte -, fällt der Blick hinter einer Glasscheibe auf die zwei Totenschädel.
Eingelassen in die Innenwände des Schiffes. Der eine als Skelett inklusive des durchgeschlagenen
Schiffsnagels. Der andere Kopf aber ... er wirkt vollkommen echt, unheimlicht echt.
"Inzwischen können Sie ja auch sehen, dass wir einem der Schädel inzwischen schon ein Gesicht
gegeben haben. Einer der beiden Schädel ist schon zerstört, ist nur noch halb da, aber der andere
ist so komplett erhalten, dass wir also tatsächlich vor anderthalb Jahren den Nachbau des Gesichtes
riskieren konnten. Natürlich nicht ganz ohne Grund, denn schon immer, seit seiner Auffindung im
Jahr 1878 spukt hier in Hamburg gerade immer der Name Störtebeker durch die Luft."
Der alte Mythos: Der Freibeuter im Kampf gegen die Reichen und Begüterten. Wenn das auch nicht
viel mit der historischen Realität zu tun hat: Der Schädel vom Grasbrook hat den Namen weg.
"Den kriegt er auch nicht mehr weg."
Spiegel-TV finanzierte vor zwei Jahren eine Gesichtsrekonstruktion durch die französische
Künstlerin Elisabeth Daynès. Nun also kann der Kopf eines blonden Mannes mit einer Zahnlücke
betrachtet werden. Aber ist das der Kopf von Klaus Störtebeker?
"Man kann sagen: Jein!"
Bevor dem Schädel der Nagel eingetrieben wurde, bohrte man ein Loch, um ihn nicht zu zerstören,
um also dem Publikum das Gesicht des Geköpften zu präsentieren.
"Und das hat man sicherlich nur bei Stars gemacht. Also bei bekannten Piraten. Ob wir jetzt Klaus
Störtebecker oder nicht doch den damals berühmteren Goodeke Michels hier vor Augen haben, das
wissen wir bis heute nicht."
Störbeker hin, Michels her: Der rekonstruierte Kopf ist bei den Besuchern des Museums auch heute
der Hit.
"Das gehört nun mal dazu, und das Mittelalter ist sowieso eine blutige Epoche gewesen, wo das
Sterben durchaus etwas Alltägliches hatte, respektive das Hinrichten war dann eine extreme Form
dieses Sterbens. Das wollen wir hier durchaus auch zum Ausdruck bringen. Dass der Tod im
Mittelalter durchaus etwas Normales hatte."
Wobei auch der Tod im 20. Jahrhundert im Museum düster repräsentiert ist.
Dazu gehört die Dauerausstellung über Hamburgs Nazizeit ebenso wie eine Installation in einem
Kellergang, die wie ein Mahnmal wirkt - dem "Hamburger Feuersturm vom Juli 1943 durchaus
angemessen: vor dem Eingang eines nach gebauten Luftschutzkellers auf dem Boden ein
"Blindgänger", eine Sprengbombe, die nicht explodierte; daneben - noch eindrucksvoller - vor
einem circa zwei mal drei Meter großen Wandfoto eines brennenden Stadtteils hängt ein altes
Holzfenster mit einem komplett erhaltenen Holzrahmen. Auf den ersten Blick nichts Besonderes.
"Aber das Glas in der Mitte ist geschmolzen. Und das geschieht erst bei Temperaturen um die 1000
Grad Celcius."
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Der abgeschlagene 'Störtebeker-Kopf', die Nazizeit, der "Hamburger Feuersturm" auf der einen, die
erlesenen Kunstwerke aus verschiedenen hanseatischen Epochen - hier prallt gemäß des Konzeptes
des Hamburger Museumsmacher etwas aufeinander:
##"Sämtliche Dinge, die man sozusagen auch zu den Schattenseiten zählt, sind hier gnadenlos
auch gezeigt."#
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