Religionskritik - Martin Heidenreich

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Religionskritik - Martin Heidenreich
Religionskritik
von Martin Heidenreich
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Was ist eigentlich Glaube oder Religion?
Glaube bzw. Religion sind Grundbegriffe der jüd.-christl. Religionswelt: das „SichVerlassen“ des Menschen auf Gott, über den der Mensch nicht verfügt. Im Christentum ist
Glaube (lat. fides) der in ursprünglichen Bezug zu seinem Grund Jesus Christus verstandene
Mut zum Sein, die Hoffnung, die auch am Tod nicht scheitert, u. die Motivationskraft der
Liebe (lat. fides qua creditur, der Glaube, mit dem geglaubt wird). Der Grund, der diesen
Glauben ermöglicht, ist das Evangelium, das allen Menschen die Freiheit von der
Entfremdung von Gott, von der Todesangst und vom Gesetz als dem vermeintliche Heilmittel
anbietet. Weil das Wort des Evangeliums dem Glauben voran steht, wird der Gott auch als
„Geschenk“ bezeichnet. Christl. Glaube hat sich in seinen verschiedenen Epochen je neu zur
Sprache gebracht u. ist deshalb, was seine sprachliche u. vorstellungsmäßige Ausformung
angeht, geschichtlich (Bekenntnisse, Dogmen – fides quae creditur, das, was geglaubt wird).
Obwohl der Begriff Glaube außerhalb des Judentums u. des Christentums in den Religionen
keine Rolle spielt, werden auch andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen in
unserem Kulturkreis „Glaube“ genannt (z.B. U. von Wilamowitz-Moellendorff, „Der Glaube
der Hellenen“ 1926). Wichtig ist jedoch die Abgrenzung des Glaubens von einem bloßen
Für-wahr-Halten religiöser Lehren, da der Glaube nicht Sache allein des Intellekts ist, sondern
Bestimmung der Person als Ganzer (fides implicata, „einschließender Glaube“).
Wer oder was ist Gott?
Gott oder Gottheit = grch. Theos, lat. Deus. Der Glaube an Gott(heiten) ist zu unterscheiden
von dem Glauben an eine numinose Macht, die mit einem melanesischen Ausdruck Mana
benannt, aber nicht als Person vorgestellt wird, und von dem Glauben an Dämonen, die auch
nicht-göttliche Personen sein können. Die Götter der Religionsgeschichte werden als
Personen vorgestellt; sie sind damit der Gefahr der Vermenschlichung, z. T. unter Verlust
ihrer Heiligkeit, ausgesetzt (z.B. in den griechischen Göttersagen).
In der Religionswissenschaft hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass nicht eine allmähl.
Entwicklung von primitiven Anfängen zu einer Hochreligion oder umgekehrt ein Abstieg von
anfänglichen Verehrung eines höchsten Wesens (Hochgottglaube) zur Vielgötterverehrung
vorausgesetzt werden kann. Nur eine Einteilung, die die einzelnen Religionen in ihrer
Eigenart erfasst u. ähnliche Religionen zu Gruppen zusammenfasst, wird den verschiedenen
Gottesvorstellungen gerecht.
Friedrich Nietzsche und „Gott ist tot“
Herr Nietzsche macht sich auf sehr ironische Art und Weise über die Religion bzw. den
Glauben an Gott lustig. „Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der ... auf den
Markt lief und ... schrie: „Ich suche Gott! Ich suche Gott!“.
Er verweißte auf all die Menschen, die realistisch wissenschaftlich nicht an Gott glauben,
sondern genauso wie er über solche Aussagen lachen müssen. „...so erregte er großes
Gelächter.“
Wo ist Gott eigentlich, wenn so viele an ihm glauben? „Ist er verloren gegangen? ... Hat er
sich verlaufen wie ein Kind?“ Er wirft viele Fragen auf, über die Leute nachdenken müssen,
wenn sie seine Texte lesen. Sie finden den Glauben an Gott, meiner Meinung nach, noch
lustiger. Gott wirkt laut seinen Beschreibungen so unwirklich und das ist er eigentlich auch.
Warum ist der an den so viele glauben nicht da und hilft ihnen? „Oder hält er sich versteckt?
Fürchtet er sich vor uns? Ist er zu Schiff gegangen?
Die Leute machen sich mit solchen Aussagen über die Gläubiger lustig.
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„Wohin ist Gott?“ Laut der Person, von der Nietzsche erzählt, haben wir Gott getötet. „Wir
alle sind seine Mörder!“ Aber wie kann man jemanden töten, der nie da war und eben nur eine
„Lichtgestalt“ wie aus einer Sage ist? Er schreibt, ist sei quasi genauso unmöglich wie das
Meer auszutrinken: „Wie vermochten wir das Meer auszutrinken?“.
Mit den folgenden Fragen stellt er das in den Vordergrund, was die Natur geschaffen hat, was
so natürlich ist und das viele Menschen trotzdem als Werk eines Menschen, als Werkes
Gottes ansehen. Ich finde das in irgendeiner Art und Weise ziemlich witzig, weil ich mich
genauso verarscht fühle, wenn ich das von „Gottesanhängern“ höre. Ich finde den Glauben an
eine Person, die für alles verantwortlich total unrealistisch, gerade weil die Wissenschaft den
größten Teil schon bewiesen und genau erklärt hat. „Was taten wir, als wir die Erde von ihrer
Sonne losketteten?“ Ich würde behaupten, wir taten gar nichts. Da es bewiesen ist, dass die
Menschheit bzw. die Evolution an sich erst viel später begann, ist die Antwort klar. Herr
Nietzsche will genau auf diese Aussage hinaus. „Wohin bewegen wir uns? Fort von allen
Sonnen? ... Gibt es noch ein Oben und ein Unten?“ Hier kann man keine konkreten
Antworten geben, die Wissenschaft schreitet sich genau so wie die verschiedenen Religionen.
Wir können auf keinen genauen bzw. gemeinsamen Nenner kommen.
Gott ist kein Mensch und war sicherlich auch nie wirklich ein Mensch, er ist nur eine
Einbildung bzw. ein Gedanke. Man hält an ihm fest und verbindet mit ihm Energie, Hoffnung
und die Erfüllung seiner Träume. Kann eine Illusion, ein Glaube wie ein Mensch sterben?
Ich denke nicht. Gott ist wie eine Sage, erfunden und weitererzählt. „Gott ist tot! Und wir
haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“ Ist der Glaube an Gott nur
Mitleid, weil wir für dessen Tod verantwortlich sind? Ist der Glaube an Gott nur Mitleid, weil
er nie da war bzw. nicht mehr da ist? Hier kann sich nun jeder selbst seine Meinung bilden.
Es wurden auf dem Markt, auf dem der Text von Nietzsche handelt, selbst die Gläubigen
ruhig. „…Sie schwiegen und blickten befremdet auf ihn. … Ich komme zu früh, ich bin noch
nicht an der Zeit.“ Die letzte Aussage kann ich nur schwierig nachvollziehen. Ist die Zeit erst
erreicht, wenn Gott, eine unwirkliche Person, im Gedanken die Zeit für angebracht hält? Ist
der Glaube an dieser Stelle übertrieben oder sollte man sich leiten lassen? Die Meinungen
können hier weit auseinander gehen. Ich finde, man sollte sich leiten lassen, bestimmte Dinge
erst dann machen, wenn sie angebracht und nicht zu überstürzt sind, aber ich brauche dafür
keinen Gott. In einem solchen System wie man es in vielen Ländern der Erde findet, wird
man in bestimmte vordefinierte Bahnen geschoben und man kann sich nicht dagegen weigern:
Ich denke zum Beispiel an die Folge Schulbildung – Ausbildung – Beruf – Weiterbildung.
Deswegen ist der Erfinder dieser Folge an bestimmten Aktivitäten noch lange kein Gott,
oder? Diese Abfolge hat sich in der Vergangenheit als günstig erwiesen und ist nun Standard,
aber was hat ein Mensch, den es, meiner Meinung nach, nie gab, vollbracht? Was hat er
besonderes erreicht, was man ehren sollte? „Was sind denn diese Kirchen noch, wenn sie
nicht die Grüfte und Grabmähler Gottes sind?“ Unsere Vorfahren haben den Glauben an Gott
für nötig gehalten und dieser wurde weitergegeben. Man kann an ihn glauben oder es auch
einfach nicht machen. Man muss deswegen allerdings trotzdem die Menschen akzeptieren, die
in Gott eine Art Führer bzw. Vorbild sehen. Wir haben doch auch nichts gegen Kirchen?
Nietzsches Text besteht zum größten Teil aus Fragen, die auch dem strengsten Gläubigen ins
Zweifeln stürzen und die Sache, dass Gott so unrealistisch ist, näher bringen. Die Fragen
befinden sich hauptsächlich in den ersten 31 Zeilen, in den restlichen Zeilen versucht er die
Fragen durch nachdenkliche Aussagen zu kräftigen.
Mit Hilfe der Gott-ist-tot-Thelogie sollen die Menschen versuchen, Gott als Geschehen
besonders im sozialen Leben zu begreifen. Sie lehnt allerdings eine theistische u.
personalistische Gottesauffassung ab.
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