Sieben verflixt gute Storys
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Sieben verflixt gute Storys
Sieben verflixt gute Storys Storytelling ist in aller Munde – aber wo nimmt man eigentlich die Ideen für die Geschichten her? Experten arbeiten mit sogenannten Plots und Archetypen – also Grundgerüsten, auf denen spannende Kommunikation aufbaut. Text von Jakob Steinschaden 34 Bestseller 5|6 2014 shutterstock Spannungsbogen. Wer eine packende Geschichte zu erzählen hat, dem wird Aufmerksamkeit geschenkt. Darum geht es beim Storytelling – zwar ein Begriff, den sich derzeit hippe Digitalagen turen gerne ins Portfolio schreiben, aber auch eine Methodik, derer sich Journalisten, Werber oder PR-Leute bedienen können. „Unser Gehirn verfügt über einen Unter bewusstseinsspeicher mit gesammelten Eindrücken und E rfahrungen aus dem bishe rigen Leben“, sagt Sabrina Oswald, die in Österreich als Kommunikationsberaterin arbeitet und als „Mrs. Storytelling“ gehan delt wird. „Wir lieben Narratives – und zwar sowohl unser Gehirn als auch unser Lang zeitgedächtnis. Dadurch arbeiten Geschich ten einfach besser.“ Der britische Journalist Christopher Booker hat 2004 mit den „Seven Basic Plots“ sieben grundlegende Erzähl strukturen definiert, die sich durch die ge samte Menschheitsgeschichte ziehen und die man bis heute in Werbespots, News-Artikeln oder Presseaussendungen finden kann: 1 Das Monster besiegen David gegen Goliath Wenn die kleine Suchmaschine DuckDuckGo Google herausfordert, wenn der Wiener Student Max Schrems gegen Facebook vor Gericht zieht, als Deutschland Öster reich in Córdoba besiegte: Die Story vom sympathischen Nobody, der den großen Ungustl besiegt, lieben die Men schen und die Medien. Auch in Kampagnen wird mit der biblischen Geschichte gerne gearbeitet – etwa, wenn sich Greenpeace-Schlauchboote großen Walfängern in den Weg stellen oder lokale Biobauern mit ihren Produkten gegen internationale Multis aufbegehren. „Im Storytelling ist es immer nötig, dass man auf seine Marktsituation blickt“, sagt Oswald. „Wo stehe ich als Marke im Gesamtmarkt und wie bin ich positioniert? Ein Marktführer wird sich niemals die Rolle des David auswählen können, denn er ist ‚der Starke‘ im Markt. Daher müssen alle Archetypen-Rollen, denen man sich in einem Storytelling-Prozess verschreibt, auf der tatsächlichen Identität der Marke oder des Unternehmens fußen.“ 3 Die Suche Abenteurer, die uns packen 2 Vom Tellerwäscher zum Millionär Harte Arbeit zahlt sich aus Sir Richard Branson, Frank Stronach, Mark Zuckerberg, Steve Jobs: Die Story der armen Kirchenmaus, die sich durch harte Arbeit, Ehrlichkeit und Witz ganz nach oben arbeitet, wohnt vielen Lebens geschichten von Milliardären inne und wird immer wieder aufgewärmt. Auch Romane von Charles Dickens oder Blockbuster wie „The Wolf of Wall Street“ oder „Slumdog Millionaire“ bauen auf dieser Erzähl form auf. In der Werbung spielt Lotto seit vielen Jahren damit, indem die selbe Person einmal als furchtbar arm und einmal als superreich dargestellt wird. „Ein traumhafter Plot, denn jeder, der ihn miterlebt, kann sich an unterschiedlichen Stufen der Geschichte emotional ein klinken, da die Hauptperson eine Ent wicklung oder Wandlung durchlebt“, sagt Oswald. „Er ist sehr gut für Pro dukte geeignet, die den Status quo durch einen Geldsegen oder die Haltung verän dern. Auch die Story von Eigentümer- geführten Unternehmen, die es zu Größe und Marktbedeutung gebracht haben, ist so gut darzustellen.“ 36 Wer sich von „Indiana Jones“, „Der Herr der Ringe“ oder „Harry Potter“ packen ließ, der kennt diese Erzählstruk tur nur zu gut. Schnitzeljagden, ganze Compu terspielreihen (zum Beispiel „Tomb Raider“) leben genauso von dieser Erzählstruktur wie das Reisemarketing, das Erlebnisurlaube – eben als Abenteuer – verkaufen will. Auch Auto-Spots, in denen sich neue, funkelnde Pkws durch unsi cheres Terrain oder den Großstadtdschungel kämpfen, sind zu dieser Kategorie zu zählen. „Hier geht es im Kern um einen geheimnisvollen Ort oder ein geheimnisvolles Ding, das es zu erreichen gilt“, sagt Oswald und verweist auf den „eingebauten Gamification-Ansatz“ bei dieser Erzählstruktur. „Solche Ansätze sind im Storytelling gut, weil sie sich auch global ver ständlich einsetzen lassen. Im Marketing sind diese Plots, wenn sie mit einem ‚spielerischen‘, mehrphasigen Ansatz gebracht werden, gerade für junge Zielgruppen reizvoll.“ 4 Reise und Rückkehr Der Held, der sich beweisen muss Christopher Booker nennt für diesen Plot große Erzählungen wie die „Odyssee“, den „Zauberer von Oz“ oder „Vom Winde verweht“ als Bei spiele. „Diese Story kann ein starker Bringer für all jene sein, die Ent decker sind“, sagt Oswald. „Es geht um das Überkommen von Grenzen.“ Bei Red Bull etwa findet sich diese Geschichte immer wieder – etwa beim weltberühmten „Projekt Stratos“, das Extremsportler Felix Baumgartner in die Stratosphäre führte und seinen Rekordsprung sehr medienwirksam inszenierte. Auch beim aktuellen Red-Bull-Film „Cerro Torre“, der das österreichische Kletterwunder David Lama beim Erklimmen eines nahe zu unbezwingbaren Berges in Südamerika begleitet, ist das Motiv wieder zufinden und hält den Zuseher in Spannung: Wird der Held es schaffen und zu uns zurückkehren? Selbst die NASA kennt die Power dieser Erzählstruktur und hat die 2012 gestartete Expedition ihres Mars-Rovers Curiosity vor allem via Social Media packend inszeniert und Milli onen Fans auf der ganzen Welt mit immer neuen Fotos und Details in Spannung gehalten. 7 5 Wiedergeburt Wie ein Phönix aus der Asche Die Komödie Boy meets Girl mit Happy End Jede Hollywood-Romanze, in der Ben Stiller, Jennifer Aniston und Co. nach Hochs und Tiefs glücklich zueinander finden, basiert auf dem Prinzip der Komödie mit gutem Ausgang. Bei Pressekonferenzen, auf denen die Kooperation zweier Firmen bekannt gegeben und eine Win-win-Situation gefeiert wird, ist das Motiv genauso zu finden wie bei den weltbekannten Axe-Werbespots – immer wieder finden Junge und Mädchen (dank des Deodorants) zueinander, nachdem sie durch dick und dünn gehen mussten. „Ein klassisches Muster, das eine klare Moral hat: ‚Wenn du dies oder das kaufst, dann findest du den Traumprinzen‘“, so Oswald. „Verbraucher können mit dieser Story sehr gut um gehen, weil sie abseits der klassischen Muster unseres Gehirns außer dem auch noch auf den archaischen Raster ‚Mann – Frau‘ aufsetzt. Und ob wir wollen oder nicht: Diesen Raster mögen wir sehr.“ „Marken, die mit dem Thema arbeiten wollen, sollten aber vor sichtig damit umgehen“, sagt Oswald: „Es ist sicherlich erfor derlich, das Thema spannend ‚auszuliefern‘ und nicht platt.“ 6 shutterstock Die Tragödie Nur schlechte News sind gute News Achtung! Werber sollten lieber die Finger von dieser Erzählform las sen – außer sie verstehen es, das Drama würdevoll zu behandeln, wie es etwa in Awareness-Kampag nen für Katastrophenopfer oder unheilbar Kranke gemacht wird. „Eindeutig ein Plot ohne jegliches Happy End, und das taugt nicht gut im Marke ting“, sagt Oswald. Doch jeder Jour nalist weiß: „Only bad news are good news“ – und so sind die Zeitungen voll mit Geschichten über Mord und Tot schlag, Betrug und Krisen, Katas trophen und Unfälle. Auch die gro ßen Erzählungen der Generation Streaming sind voller Tragödien und begeistern trotzdem die Bestseller 5|6 2014 assen – etwa bei der Netflix-Se M rie „House of Cards“, in der sich Protagonist Frank Underwood zum immer böseren Machtpolitiker wandelt, oder bei „Breaking Bad“, wo Familienvater Walter White zum Drogenboss verdirbt – ganz zu schweigen von Blockbuster „Game of Thrones“, das seine Millionen Fans Folge um Folge mit dem Ableben einer oder mehrerer Hauptfiguren schockiert. „Die ‚House of Cards‘-Helden, die int rigant, machtbesessen und mit Fehlern behaftet sind, haben etwas Sympathisches bekommen“, sagt Oswald. „Sie g eben uns das Gefühl, dass man selbst auch mit schlimmsten Persönlichkeitsstö rungen und behaftet mit Fehlern weiterkommen kann.“ In der Welt des Sports ge hören Comebacks zu den stärksten Geschichten überhaupt: Niki Lauda, Hermann Maier, Thomas Muster, sie alle hatten ihre zweite Chance und nutz ten sie. „Super mitverfol gen konnten wir das in den letzten Jahren auch bei Oliver Kahn, dem deut schen Nationalspieler, der per se ein kantiger, harter Typ am Spielfeld war und auch mit privaten YellowPress-Nachrichten nicht wirklich Sympathien auf sich zog“, sagt Oswald. „Nach einem Imagewandel, der auch offen vollzogen wurde, ist er nun ein weichgespültes und werbe taugliches Testimonial- Kuscheltierchen mit ganz kleinen Ecken und Kan ten.“ Die Wiedergeburt „light“ wird auch immer dann zelebriert, wenn alte Marken neu belebt werden, frischen Anstrich bekom men und mit neuen Slo gans versehen werden. Das größte Comeback der letzten Jahrzehnte aber schaffte wohl Steve Jobs, der Apple zuerst mit dem iMac, dann mit dem iPod und schließlich mit iPhone und iPad zurück an die Weltspitze führte. 37