Casino Royale

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Casino Royale
Casino Royale
Was hat man nicht mit Dreck geworfen, im Vorfeld, lange bevor die Dreharbeiten
überhaupt begannen? Für Daniel Craig, diesen weitgehend unbekannten kantigen,
blonden Schauspieler, habe man sich entschieden, und nicht für einen Mime vom
Format eines Hugh Jackman oder Ewan McGregor, deren Besetzung als neuer Bond
als sichere Sache gegolten hätte – groß, sehr groß also, war das Geschrei damals;
heute, noch größer: Die Stürme der Begeisterung. Natürlich waren allein durch die
Besetzung die Erwartungen nicht die höchsten – endlich aber hat man einmal etwas
gewagt im Kino. Mut nämlich, ist leider eine der seltensten Tugenden im
Filmgeschäft: Man hat gewagt, in einer von Millionen Fans geliebten Reihe mit einer
festgefahrenen Konvention zu brechen, ja, sie völlig umzudrehen: „Casino Royale“,
inszeniert von Routinier Martin Campbell, feiert die Geburt des neuen James Bond,
der sich wie die authentisch-raue Antithese liest, zu einem Weichspüler-Spion wie
sein zu Unrecht so ungescholtener Vorgänger Pierce Brosnan.
Sechs lange Jahre hat man ausharren müssen, seit „Stirb an einem anderen Tag“ – der
zweitlängsten Pause zwischen zwei 007-Streifen – und der aktuelle Teil schließt
sozusagen den Kreis, ist das Alpha und das Omega dieser Saga: Es ist der letzte noch
verbliebene Fleming-Roman und gleichzeitig die allererste Geschichte um James
Bond, die kurioserweise – aufgrund eines frühen Rechteverkaufs an die USA nach
dem Motto „ich bin jung und brauche das Geld“ – bereits zweimal verfilmt wurde:
Als schwachbrüstiger US-Fernsehfilm (in der James noch Jimmy war!), und als
gescheiterte Bond-Persiflage mit Peter Sellers und Woody Allen in den Hauptrollen...
„Casino Royale“ ist also im Grunde Sequel, Prequel und Remake zugleich – und
vielleicht einer der wenigen Fälle, in denen das voll und ganz aufgeht. Es ist
besonders der erfrischend andere, neue Grundton der Geschichte – verkörpert freilich
auch in der Besetzung Craigs –, der diesen Teil so besonders macht: Knallhart, brutal,
kompromisslos. Schon der Anfang ist völlig Bond-untypisch: Körnig-kalte SchwarzWeiß-Bilder, James Bond verdient sich hier erst seinen Doppel-Null-Status – durch
zwei kaltblütige, brutale Auftragsmorde, die er ohne eine Gefühlsregung vollstreckt.
Erst dann das berühmte Intro: Aber hier sind keine „Crooner“ am Werk, keine Tina
Turner und kein Tom Jones, hier röhrt Chris Cornells rauchig-bassige Stimme einen
beinharten Rocksong, und schon hier ist den meisten klar: „Casino Royale“ ist kein
Film über James Bond. Es ist ein Film über jemanden, der zu James Bond wird.
Diese Entstehungsgeschichte führt über Madagaskar, wo der taufrische 00-Agent
seinen ersten großen Auftrag vermasselt und dafür von Q (wieder dabei: Judy Dench)
gehörig Schelte einfahren muss. Aber er operiert auf eigene Faust weiter: Und kommt
dem geheimnisvollen Bösewicht Le Chiffre auf die Spur (glänzend verkörpert von
Mads Mikkelsen), der im Casino Royale in Montenegro für zugegeben etwas
eindimensional gezeichnete Afrikanische Terroristen mehr als 100 Millionen Euro bei
einem Pokerspiel eintreiben muss, weil es ihm sonst selbst an den Kragen geht. Ein
Novum übrigens, für einen Bond-Antagonisten, die sonst immer als
größenwahnsinnige Egomanen gezeichnet werden, die nur einen wirklichen Feind
haben: Bond selbst... Hier wird der letztere darauf angesetzt, mit Unterstützung durch
die attraktive Vesper Lynd (Eva Green), Le Chiffre im Pokerspiel zu besiegen, um ihn
auszuschalten und wertvolle Informationen zu besorgen.
Das Drehbuch, das von Neal Purvis, Robert Wade und – man staune – auch von
Oscar-Preisträger Paul Haggis geschrieben wurde, nutzt die Möglichkeit voll und
ganz aus, bei einer der spannendsten Bond-Geschichten seit langem die vielen kleinen
Details zu erzählen, wie James Bond zu dem Spion wurde, den man kennt: Woher die
Vorliebe für Wodka-Martini? Für die teuersten Sportwagen? Die elegantesten
Anzüge? Die edelsten Uhren? Und natürlich: Die berühmten charakterlichen
Manierismen, die Bond so sehr kennzeichnen. Wie wurde James Bond zum
charmantesten Tötungsmaschine des MI6, der alle Frauen abkriegt und jedem
Schurken das Handwerk legen kann? Der Film gibt Antworten. Es sind freilich nicht
die komplexesten Antworten, keine, die ein seriöses Drama tragen könnten; aber in
dieser Welt ist es eben denkbar, das eine Liebe, eine tragische Liebesgeschichte, dafür
verantwortlich ist...
„Casino Royale“ ist definitiv einer der besten, mit Sicherheit interessantesten BondFilme seit vielen Jahren, und hat alles, was das Kinoherz, das unerhalten werden will,
begehrt: Ein spannende Geschichte, bombastische Action, geschliffene Dialoge, eine
rührende Liebesgeschichte und neben anderen großartigen Akteuren einen
Hauptdarsteller, der alle Erwartungen bei weitem übertroffen hat: Daniel Craig.

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