James Bond im Kontext der Massenindustrie
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James Bond im Kontext der Massenindustrie
Mathias Bliemeister Website: http://www.lautesbuch.de Kontakt: [email protected] James Bond im Kontext der Massenindustrie Der folgende Aufsatz steht zum kostenlosen Download zur Verfügung. Das Urheberrecht und sonstige Rechte an dem Text verbleiben beim Verfasser. Eine Verwendung des Textes, auch in Auszügen, bedarf der Genehmigung des Verfassers. Für den Download des Textes wird keine Gebühr verlangt. Der Verfasser folgt insofern dem Shareware-Prinzip. Wenn Ihnen der Text zusagt und Sie die Arbeit des Autors unterstützen wollen, können Sie das Werk bei Amazon erwerben. INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG...........................................................................................................................3 DIE FILMSERIE JAMES BOND ..........................................................................................4 50 JAHRE BOND .................................................................................................................................................... 4 WIEDERKEHRENDE ELEMENTE.....................................................................................5 AUSNAHMEN ........................................................................................................................................................ 6 DIE EINGANGSSZENE ............................................................................................................................................ 7 DIE GEGENSPIELER .............................................................................................................................................. 7 DIE HELFER .......................................................................................................................................................... 8 DIE ROLLE DER FRAU ........................................................................................................9 DAS FRAUENBILD BEI BOND .............................................................................................................................. 10 DAS SPIEGELSTADIUM.....................................................................................................11 DIE LUST DES BETRACHTENS ............................................................................................................................. 13 DIE ROLLE DER FRAU BEI MULVEY.................................................................................................................... 14 DIE MASSENINDUSTRIE ...................................................................................................15 FAZIT......................................................................................................................................18 LITERATURVERZEICHNIS ..............................................................................................19 2 Einleitung Im Rahmen dieser Arbeit mit dem Titel „James Bond im Kontext der Massenindustrie“ möchte ich mich mit dem Phänomen der Massenkommunikation im Bereich der Filmindustrie auseinandersetzen. Hierbei gilt es herauszufinden, mittels welcher Stilmittel, Verfahren und Motive ein breites Publikum erfolgreich angesprochen werden kann. Im Speziellen analysiere ich dies im Kontext der James-Bond-Filme. Hierbei handelt es sich um ein Serienkonzept, welches seit Jahrzehnten mit nahezu identischen Merkmalen erfolgreich am Filmmarkt funktioniert. Aufgrund seines seriellen Charakters liegt dem Kanon der James Bond Filme derselbe Handlungsstrang zugrunde. Bestimmte Handlungsmuster werden mit jeweils variablen Dialogen und Bildeinstellungen angereichert und somit leicht verändert. Dadurch kennt der Zuschauer dieses Handlungsmuster und wartet dennoch begeistert darauf es zu sehen. Von besonderem Interesse sind hierbei jene Variationen, die der Handlung ihren individuellen Stempel aufdrücken. Des Weiteren möchte ich das Handlungsmuster im Hinblick auf Laura Mulveys Aufsatz „Visual Pleasure and Narrative Cinema“ untersuchen. Dieser 1970 erschienene Aufsatz stellt eine entscheidende Weichenstellung in der Debatte über Gender und Kino dar. Mulvey bedient sich der Psychoanalyse um herauszufinden, wie die Frau innerhalb des patriarchalischen Repräsentationssystems im Kino positioniert wird. Die James-Bond-Serie dient an dieser Stelle als ideale Plattform für meine Untersuchungen. Auf der Folie dieser beiden Analysen möchte ich außerdem versuchen darzustellen, ob es möglicherweise eine Verbindung zwischen den Werkzeugen der Massenindustrie und dem im Kino erzeugten identifikatorischen Moment zwischen Rezipienten und Protagonisten in dieser Hinsicht gibt. Essentiell ist hierbei Lacans Spiegelmoment, welches eine direkte Synthese zwischen dem Kino und seinem Rezipienten beschreibt. 3 Die Filmserie James Bond Im Jahre 1961 adaptierten die Produzenten Albert Broccoli und Harry Salzmann über ihre gemeinsam gegründete Firma namens EON die bereits bekannte Romanfigur Ian Flemings auf die Kinoleinwand. Die Rede ist von James Bond, der im Laufe von fast 50 Jahren in mittlerweile 21 Filmen durch 7 unterschiedliche Schauspieler verkörpert wurde.1 Die JamesBond-Filme gelten als die erfolgreichste Filmserie weltweit, mit regelmäßig wiederkehrenden Figuren, gleich bleibenden Handlungsstrukturen und einer schablonenhaften Dramaturgie. Mit einer fortwährenden Dynamik erscheinen in regelmäßigen Abschnitten neue Filme, die jeweils einen neuen Zyklus in der Ära der 007-Filme einläuten. Große Filmproduktionen erfordern erhebliche finanzielle Aufwendungen, sodass Filmgesellschaften ein hohes Risiko bei der Neueinführung eines Filmkonzeptes eingehen. Aus diesem Grund sind bereits erprobte und am Markt bekannte Filme bei Produktionsfirmen beliebter. Demzufolge setzten Broccoli und Saltzman schon damals auf das hohe Potenzial der Bond-Serie und nutzten die Synergieeffekte der Serialität. Sie produzierten fortan spektakuläre Großproduktionen und kündigten bereits im Abspann der zweiten James-Bond-Serie From Russia With Love die Fortsetzung an. Neben der Filmserie James Bond gibt es weitere Beispiele, denen ähnliche Konventionen zu Grunde liegen. Zu nennen wären Serien wie Rocky, Star Trek und Star Wars. Allerdings beinhaltet der Bond-Kanon verglichen mit anderen Filmserien den größten Fundus. 50 Jahre Bond Zur kausalen und logischen Weiterführung der Handlung in einer Filmserie, die über Jahrzehnte hinweg besteht, müssen bestimmte narrative Momente erzeugt werden, die dem Rezipienten die Tatsache einer Serialität darlegen. „Eine Geschichte anzufangen, ohne zu zeigen, dass ihr eine andere vorangegangen war, entzöge zwar den Helden eine zeitlang dem Gesetz der Abnutzung; doch eines Tages würde das Publikum die Absicht bemerken und die Komik der Situation wahrnehmen.“2 Umberto Eco bezieht sich hierbei auf die ComicGeschichten von Supermann, jedoch hat dieser Gesichtspunkt bei den James-Bond-Filmen ebenfalls seine Gültigkeit. Dieselbe Vorgehensweise verhilft James Bond zur Unsterblichkeit: Seit den 60er Jahren ist James Bond nicht merklich gealtert, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Serie ist über die Jahrzehnte hinweg mit kleinen Anspielungen an 1 Der Film Sag niemals nie wurde hierbei nicht mitgezählt, da er nicht von EON produziert wurde bzw. nicht im Verleih der MGM ist. 2 Eco: 1986, S. 202. 4 vergangene Folgen angereichert, damit das Konzept der Serialität funktioniert. In dem Film For Your Eyes Only besucht 007 das Grab seiner Frau Tracy, bevor er von einem Hubschrauber abgeholt wird. Diese Szene greift zurück auf die Heirat in der Episode On Her Majesty’s Secret Service zwischen Bond und Tracy, die am Ende das Opfer eines vereitelten Anschlages auf 007 wird. Wiederkehrende Elemente In den Bond-Filmen findet ausnahmslos dasselbe Grundschema Verwendung. Es legt sich wie eine Schablone über die Geschichte und bildet somit die Grenzen des Bond Universums. Man bedient sich gewissermaßen des Prinzips der Unverwechselbarkeit. Eco bezeichnet dies als eine Reihe von Konnotationen, die hierbei Verwendung finden.3 Ausgangspunkt jeder Geschichte ist ein außergewöhnliches Ereignis, das durch ein mächtiges und abscheuliches Individuum „von unklarer, allerdings zweifelsfrei nichtenglischer Herkunft“4 eingeleitet wird und die Welt bedroht. Dies bewegt M, den Chef des MI6 dazu, James Bond zu sich zu holen um ihm den Auftrag zu erteilen, damit er die Gefahr abwendet. Daraufhin begegnet er dem Bösewicht oder einer Mittlerfigur. Dabei kommt es zwischen beiden zu einer ersten Auseinandersetzung, bei der entweder Bond oder der Bösewicht gewinnt. Kurz darauf lernt Bond ein Mädchen kennen, welches mit dem Bösewicht in einer engen Verdingung steht. 007 gerät durch den Antagonisten in Gefangenschaft, meistens mit dem Mädchen zusammen. Der Antagonist foltert Bond, dieser kann sich und das Mädchen jedoch befreien und tötet den Bösewicht und seinen Mittler. Jetzt endet die Folge und Bond liegt in den Armen des Mädchens. 5 Im Folgenden möchte ich unter Verwendung einiger ausgewählter Bond-Filme exemplarisch aufzeigen, welcher Gemeinsamkeiten die Filme obliegen, und darstellen, wodurch die einzelnen Folgen variieren. Die Serie nimmt mit dem Titel Dr. No ihren Anfang. Das Serienkonzept wird bereits nahezu vollständig etabliert. Einzig die Eröffnungsszene, ein schnelles Auto sowie die Übergabe von Gadgets durch Q fehlen. Statt mit der Eröffnungsszene beginnt Dr. No hingegen gleich mit der Erkennungsmusik und dem Revolverlauf. Mit der zweiten Episode From Russia with Love ist das Bond-Konzept vollständig und findet fortan in nahezu jedem Bond-Abenteuer Verwendung. Beginnend mit einer actionhaltigen Szene als Einstieg geht es nach der 3 Vgl. Eco: 1986, S. 208. 4 Ebd. S. 293. 5 Vgl. ebd. S. 289. 5 Einspielung des Popsongs weiter mit der Einführung Bonds, die oftmals mittels einer komödiantischen Einlage angereichert wird. Das geschieht vorwiegend im Dialog mit Moneypenny. Daraufhin wird der eigentliche Handlungsstrang eingeführt, indem M ihm seinen künftigen Auftrag erklärt und er postwendend seinen Auftrag in einem entfernten Land beginnt. Für den weiteren Verlauf des Plots kommen unterschiedliche Möglichkeiten in Betracht. Sobald Bond die Karibikinsel in Dr. No erreicht hat wird eine paranoid anmutende Atmosphäre inszeniert, die durch Verfolgung und Bedrohung genährt wird. Verschiedene Figuren beobachten 007, eine Fotografin sowie der bis dahin noch unbekannte FBI-Agent Felix Leiter kreuzen seinen Weg. Bond wird am Flughafen abgeholt, doch schnell bemerkt er, dass dies eine Falle ist. Diese Szene sowie jene Atmosphäre wiederholen sich in einer fast identischen Art und Weise in From Russia With Love. Auch hier wird Bond von einem Fahrer vom Flughafen abgeholt und gleich daraufhin von anderen Figuren beobachtet. Mit dem Wissen über die letzte Folge betrachtet der Zuschauer diese Szene mit Spannung. Doch nun stellt sich heraus, dass der Fahrer ein Verbündeter ist. In Goldfinger vollzieht sich eine Abkehr von dieser Inszenierungsstrategie. Die Einführung der Handlung beginnt damit, dass James Bond Goldfinger beim Kartenspiel echauffiert und sich obendrein mit Goldfingers Freundin vergnügt. Daraufhin wird die Frau umgebracht, indem ihr Körper mit Gold überzogen wird. Damit wird der Konflikt erzeugt, der Bond dazu veranlasst Goldfinger zu bekämpfen. Das Folterthema durchzieht ebenfalls den gesamten Bond-Kanon. Zum Ende eines jeden Abenteuers befindet sich 007 in der Gefangenschaft. Er wird vom Antagonisten über seine größenwahnsinnigen Pläne informiert und soll daraufhin auf spektakuläre Weise getötet werden. In Goldfinger plant der Antagonist Bond an eine Atombombe zu fesseln, die samt dem Goldvorrat von Fort Knox explodieren soll. In From Russia With Love wird er durch einen Mittler im Zug gefoltert, bevor er sich schließlich befreit und zurückschlägt. Ausnahmen Zwei Episoden durchschneiden jedoch die eben dargestellte schablonenhafte Inszenierung dieser Konventionen des Handlungsstranges. In On Her Majesty’s Secret Service und in Casino Royale erlebt der Rezipient neue Erzählelemente und eine Abkehr von der gewohnten Narration. Besonders der jeweilige Schluss unterstreicht diese These. Beide Filme enden tragisch, Bond verliert seine Geliebte. Doch beide Filme wollen etwas erklären, was für die weitere Entwicklung Bonds lebensnotwendig ist. Sie dienen dazu seinen Charakter zu etablieren, ihn interpretierbar zu machen. Obgleich es sich bei Casino Royale um einen aktuelleren Film der Serie handelt, gilt die Story als Einleitung innerhalb der kompletten 6 Diegese. Der Film beschreibt die Anfänge Bonds und versucht zu erklären, warum Bond so handelt, wie der Zuschauer es von ihm gewohnt ist. Die Eingangsszene Charakteristisch für jede Episode ist die erste Szene, die bereits vor der Einblendung der Titel gezeigt wird. Die Eingangsszene inkludiert in einer komprimierten Form gängige Stilmittel der Bond-Serie. Dabei erzeugt sie Spannung und leitet direkt eine entsprechende Stimmung ein, die eine Erwartungshaltung des Rezipienten beschreibt. In vielen Bond-Filmen dient die erste Szene dazu, die eigentliche Geschichte einzuleiten. In Goldfinger hat die Eingangsszene jedoch mit dem weiteren Verlauf des Films nichts zu tun. Diesbezüglich lässt sich allerdings kein einheitliches Schema feststellen, meistens verbindet sie mit dem restlichen Geschehen nur ein peripherer Zusammenhang, wie etwa in Thunderball. James Bond tötet im Zweikampf einen anderen Spion und flüchtet daraufhin mit einem futuristischen Fluggerät. Später fällt der Name des Getöteten in einem Dialog während einer Sitzung der Verbrecherorganisation Phantom. Betrachtet mit Goldfinger oder Thunderball lässt sich die Szene auch mit einem Vorfilm vergleichen, der einen vollständigen und autonomen Plot beinhaltet. In From Russia With Love dient die Szene dazu, einen bedeutsamen Kontrahenten Bonds zu etablieren. Hier stranguliert die Mittlerfigur Grant in einem kurzen Zweikampf Bond. Schnell wird diese Situation entschärft, da es sich nur um einen maskierten „unechten“ Bond handelt und somit um einen anderen Gegner. Die Szene vermittelt den Eindruck, dass Grant ein potenziell gefährlicher Gegner Bonds ist und ihm sehr gefährlich werden kann. Die Eingangsszene von You Only Live Twice findet ohne James Bond statt. Sie dient vielmehr zur Einführung des Konfliktes, der eigentlichen Bedrohung, die sich wie ein Gespenst durch den gesamten Film vollzieht. Somit werden mit Hilfe der jeweiligen Eingangsszene unterschiedliche Ziele verfolgt, wie ich exemplarisch an vier Episoden aufgezeigt habe. Die Gegenspieler Als ebenbürtige Hauptakteure der Serie charakterisieren sich die Gegenspieler als eine Art Gegenpol zu Bond. „Diese merkwürdige physiognomische Einheitlichkeit aller Bösewichte vom Dienst verleiht der Beziehung Bond – Bösewicht eine gewisse Einheit [...].“6 Sie verleihen der Geschichte Sinn und erzeugen mit ihrer Gegenwart für den Zuschauer mitunter eine unangenehme Atmosphäre. Während sich der Rezipient mit 007 identifiziert, verkörpert der Antagonist das Böse und wird durch den Rezipienten als diejenige Person identifiziert, die 6 Eco: 1966, S. 79. 7 bekämpft werden muss. Der Bösewicht wird mit unterschiedlichen visuellen und dramaturgischen Stilmitteln inszeniert, sodass dieser Mechanismus funktioniert. In Dr. No wird über die Figur Dr. No bereits am Anfang der Episode gesprochen, zu Gesicht bekommt der Zuschauer ihn jedoch erst gegen Ende des Films. Zuvor hört der Zuschauer in einer kurzen Sequenz seine Stimme aus dem Off, während er seinem Mitarbeiter weitere Instruktionen zur Eliminierung Bonds gibt. Dabei ertönt laut und deutlich vernehmbar seine Stimme aus einem Lautsprecher, während sich Professor Dent auf einem kleinen Stuhl in einem kahlen Raum befindet. Jener erste Berührungspunkt zwischen dem Rezipienten und Dr. No kennzeichnet die Macht und Allgegenwärtigkeit des Antagonisten. Er scheint allwissend zu sein, denn die angeblichen Neuigkeiten des Professors sind ihm bereits hinlänglich bekannt. In den weiteren Episoden zählt die Mystifizierung des Antagonisten zu den hauptsächlichen Stilmitteln. Bei Blofeld, dem es des Öfteren gelingt James Bond zu entkommen, bleibt das Gesicht über mehrere Episoden hinweg im Verborgenen. Neben dem Gegenspieler existieren Verbündete, die als Killer und physische Gegner Bonds fungieren. Eco spricht von ihnen als „Mittlerfiguren des Antagonisten“7. Im Gegensatz zur Figur Bond, über deren Vergangenheit der Zuschauer fast vollständig im Dunkeln bleibt, wird das Profil des Gegenspielers umfänglich beschrieben. Der Gegenspieler wird oftmals als sexuell abnormal dargestellt, der anders als Bond durch sein Äußeres nicht vollwertig erscheint. Das verkörpert zusätzlich die Dominanz und die Stärke Bonds seinem Gegner gegenüber. Der Bösewicht Dr. No kann als Grundbaustein für die nachfolgenden Widersacher gedeutet werden, diese orientieren sich an seiner Person. Die Helfer In der Diegese existieren Personen, die James Bond für die Durchführung seiner Konflikte bereitwillig unterstützen. Ich unterscheide diesbezüglich zwei Gruppen. Zum einen jene, die in jeder Episode erscheinen, zum anderen diejenigen Charaktere mit einer identischen Funktion, jedoch mit einer unterschiedlichen Darstellung der Figuren. Zur ersten Kategorie gehören die Sekretärin Moneypenny, der Waffenmeister Q sowie der Chef des britischen Geheimdienstes MI6 M. Dieses Ensemble umspannt den charakteristischen und räumlichen Rahmen der Diegese, indem Vertrautheit und Wiedererkennung generiert wird. Ähnlich funktioniert die Vorgehensweise mit der zweiten angesprochenen Kategorie. Hierunter fallen die jeweiligen Kontaktpersonen, die James Bond während seiner Auslandseinsätze unterstützen. Sie empfangen Bond im jeweiligen Land, weisen ihn in die regionalen 7 Ebd. S. 74 f. 8 Besonderheiten ein und geben ihm entsprechende Informationen. Bond geht mit diesen Kontaktpersonen für gewöhnlich ein freundschaftliches Verhältnis ein, meistens wird die Person jedoch getötet. In From Russia With Love ist es der Chef des türkischen Geheimdienstes Ali Kerim Bey. In Dr. No, Thunderball und Goldfinger übernimmt Felix Leiter diese Funktion, da 007 in den Territorien der USA operiert. Somit kommt Felix Leiter in diesem Zusammenhang eine Besonderheit zuteil, da er in unregelmäßigen Abständen in der Diegese auftaucht und die verschiedenen Einsätze überlebt. Beide Personengruppen bilden den konzeptuellen Rahmen für das Serienkonzept James Bond. Die Einheitlichkeit dieses Rahmens umspannt nahezu den gesamten James-Bond-Kanon und formuliert gleichzeitig eine abstrakte Brücke zwischen den Protagonisten und dem Zuschauer. Die Rolle der Frau Die weiblichen Figuren in der Bondschen Diegese lassen sich in fünf unterschiedliche Kategorien unterteilen. Zu der ersten Kategorie gehören jene Frauen, die kurz nach ihrer Einführung durch den Antagonisten bzw. seinen Mittler getötet werden. Damit untermauert der Gegenspieler seine Überlegenheit und Bösartigkeit. Ein anderer Typ charakterisiert die gefährliche Verführerin, der es mehrfach gelingt, Bonds Schwäche auszunutzen, letztendlich aber von ihm besiegt wird. In vielen Fällen handelt es sich hierbei um sehr dominante Frauen, die einzig dem Bösewicht hörig sind. Ihre Bedrohung besteht teilweise aus einer außerordentlichen Intensität, sodass es ein ums andere Mal sehr gefährlich für 007 wird. Eine Ausnahmeerscheinung hinsichtlich dessen spielt Rosa Kleb in From Russia With Love. Sie ist, wie der Gegenpart Bonds, der Gegenpart des klassischen Bond-Girls. Sie widerspricht dem Schönheitsideal der Gesellschaft und signalisiert mit ihrem Auftritt eine negative Stimmung. Der dritte Typ entpuppt sich als Blickfang, mit keinerlei für die Handlung wichtigen Eigenschaften. Die Narration wird durch dieses Spektakel unterbrochen bzw. für einen Moment angehalten. Der vierte Typ ist durch das so genannte Bond-Girl gekennzeichnet. Sie ist zumeist anfänglich die Gespielin des Antagonisten oder sie befindet sich gewollt oder ungewollt im engeren Kreis seines Umfeldes. Hervorzuheben ist in diesem Kontext die Figur Pussy Galore. Ihr obliegt die Rolle des Bond-Girls in der Episode Goldfinger. Sie unterstützt Goldfinger bei der Realisierung seines Planes, die Goldreserven von Ford Knox atomar zu verseuchen. Bevor Goldfinger jedoch seinen Plan umsetzen kann, verfällt sie Bonds Charme und hilft ihm seinen Widersacher zu besiegen. 9 Mit dem Bond-Girl erwuchs eine Stilikone innerhalb der westlichen Gesellschaft. Legendär wurde der Auftritt von Ursula Andress in Dr. No in der Rolle der Honey Ryder. Sie wird seither als das erste und zugleich erfolgreichste Bond-Girl aller Zeiten gefeiert. Das Konstrukt eines archetypischen weiblichen Objektes oblag jedoch anscheinend nicht den Phantasien der Bond-Produzenten. Wie Colombo nachfolgend ausführt, ist es vielmehr der Typ von Frau, der in das gesellschaftliche Abbild der 60er Jahre hineinpasst: „Es ist das Modell der Unschuld ohne Jungfräulichkeit, das in den unsicheren Jahren voller Nostalgie zwischen dem Zusammenbruch der Wall Street und dem Ausbruch des Krieges auftauchte. Es folgte auf den fröhlichen und zwielichtigen Typ des kleinen Mädchens mit den schwarzgeränderten Augen, das der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg von den letzten matten Zügen der Belle Epoque vererbt worden war. [...] Als James Bond noch nicht so populär war, hatten ‚Vogue‘ und ‚Esquire‘ (1956) schon dieses Modell. Es hieß ‚the Pal-Girl‘, die Kameradin. Sie musste eine Vergangenheit haben, sonst wäre ihr Gesicht nicht von so intensiver Ausdruckskraft, ihr Lächeln für den, der sie zum Lächeln brachte, nicht so bedeutungsreich gewesen. [...] Das ‚Pal-Girl‘ war sportlich und á la Chanel gekleidet, gesund, trug wenig Schminke und das Haar gelöst, so dass es sich schnell und völlig ohne Fixiermittel durchbürsten ließ.“8 Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass man seit jeher darauf geachtet hat, dieses Prinzip aufrechtzuerhalten. In aktuellen Episoden ging man getreu diesem Prinzip dazu über, Frauenfiguren zu etablieren, die Bond in gewisser Hinsicht ebenbürtig waren. In The World is Not Enough hilft Dr. Jones Bond dabei, eine Bombe zu entschärfen. Das Frauenbild bei Bond Wie eben geschildert trägt das Frauenbild in den Bond-Filmen mitunter dazu bei, dass die Frau eine gewisse Herabwürdigung bzw. objektivistische Form erhält. Angefangen bei ihren Filmnamen lässt sich dies bereits nachvollziehen. Die herausragenden Namen in diesem Zusammenhang lauten: Honey Ryder, Pussy Galore, Kissy Suzuki, Mary Goodnight.9 Die Rolle der Frau minimalisiert sich oberflächlich betrachtet auf das bloße Spektakel im Film, während Bond eindeutig das Subjekt ist. Die Frau hat indes einen geringen Subjekt-Status. Ein zusätzliches Stilmittel weibliche Reize im Film zu einem Spektakel zu transformieren, sind Nahaufnahmen von bestimmten weiblichen Körperteilen. Das Bild der Frau wird fragmentiert.10 Zur Durchführung der Blicksteuerung werden Kamerablick, Zuschauerblick 8 Colombo: 1966, S. 138f. 9 Vgl. Eco: 1986. S. 298. 10 Vgl. Mannsperger: 2003, S. 38. 10 und Protagonistenblick miteinander verknüpft und verschmelzen zu einer Einheit. Der Rezipient bedient sich, abstrakt betrachtet, der Augen des Protagonisten. In Goldfinger wird Jill Masters zur Befriedigung Goldfingers Rache vergoldet. Die Frau als Opfer männlicher Gewalt findet hier eine neue Dimension.11 Demonstrativ wird die Frau entpersonalisiert und als eine Art Skulptur inszeniert. Die Frau verliert ihre Subjektivität und wird zu einem Objekt degradiert. Diese Sequenz ist symbolisch für die Episoden der Bond-Reihe, weil die vergoldete Frau auf diese Weise sämtliche Interpretationsmöglichkeiten der weiblichen Rolle vereinnahmt. Sie ist zugleich als Objekt und Opfer definiert und beschreibt wie keine andere Sequenz den Zusammenhang zwischen Erotik und Gewalt, der insbesondere im Kanon der Bond-Reihe im weitläufigen Mittelpunkt steht. Weitere sexuelle Anspielungen gibt es zuhauf. In The Man With The Golden Gun liefert uns die goldene Waffe von Bonds Widersacher einen direkten Hinweis. In einer eindeutigen Einstellung liebkost eine spärlich gekleidete Frau den Lauf einer goldenen Pistole. Der Vergleich mit dem männlichen Phallus ist hierbei unumstritten und symbolisiert gleichermaßen die direkte Verbindung zwischen Erotik und Gewalt.12 Das Spiegelstadium Indem sich der Rezipient mit Hilfe der Kamera des Blickes des Protagonisten bedient, entwickelt sich dieser zum Stellvertreter des Rezipienten auf der Leinwand. Mulvey bezeichnet den Protagonisten deswegen als den Träger des Blickes des Zuschauers. Sie beschreibt es so: „Der Mann kontrolliert die Phantasie des Films und tritt so in einem weiteren Sinne als Repräsentant der Macht hervor: als der Träger des Blickes des Zuschauers, indem er ihn hinter die Leinwand versetzt, um die extra-diegetischen Tendenzen, die durch die Frau als Schauobjekt hereinkommen, zu neutralisieren.“13 Das zentrale Element ist hierbei, dass dieses Prinzip lediglich möglich wird, „weil der Film um eine kontrollierende Hauptfigur strukturiert ist, mit der sich der Zuschauer identifizieren kann.“14 Mit Bond als Protagonisten gelingt dies sehr gut. „Laster, Gesten, enervierende schlechte Angewohnheiten, die uns einen vertrauten Freund wieder erkennen lassen und die gleichsam der Schlüssel zum 11 Vgl. edb. 12 Vgl. ebd. S. 220. 13 Mulvey: 1975, S. 38. 14 Ebd. 11 Eintritt in die Handlung sind.“15 James Bond ist umgeben von Luxus und Erotik. In der Diegese sehen wir teure Bars, Casinos und die schönsten Plätze der Welt, die unsere subjektiven Probleme der Realität vergessen lassen. Innerhalb dieser Welt existieren lediglich elegante Frauen und teure Autos. Das Kino übernimmt den aktiven männlichen Blick des Rezipienten und projiziert seine Phantasie auf die Weiblichkeit. Gleichzeitig wird dem Mann mit dem Werkzeug der Kamera die Rolle des aktiven Protagonisten zuteil, der den Plot aktiv vorantreibt und die Phantasie des Rezipienten hinter der Leinwand beflügelt. Die Macht des Protagonisten bildet sich auf den Zuschauer ab. Das führt mitunter dazu, dass der Rezipient den Protagonisten als sein ideales Ich identifiziert, jene bedeutende Situation, die in dem ursprünglichen Augenblick des „Wiedererkennens“ vor dem Spiegel erlebt wurde, wie es Lacan mit dem Spiegelstadium beschreibt. Es geht hierbei um die Neugierde sowie darum Ähnlichkeiten mit den Protagonisten zu erkennen. Womit wir mit Hilfe von Mulveys Ansatzes bei Lacan ankommen, der in seiner Spiegeltheorie eben dieses Theorem beschreibt. Obgleich in einem anderen Kontext, doch zahlreiche Medienwissenschaftler, wie Mulvey, verwenden Lacans Spiegeltheorie, um einen zentralen Aspekt der menschlichen Psyche mit dem Kino zu verbinden. Der Franzose Jacques Lacan war ein umstrittener Psychoanalytiker, der auf den Poststrukturalismus einen großen Einfluss ausübte. Mulvey erkennt eine starke Analogie zwischen dem Kino und dem Spiegel Lacans. Nach Lacan ist es jener bedeutungsschwere Moment, wenn das Kind sein Spiegelbild erstmalig erkennt. Es ist jener Moment, der bedeutend für die Konstitution des Selbst ist.16 Das Kind erfährt seine eigene vollständige Verkörperung vor dem Spiegelbild und wird dadurch schließlich konkretisiert. „Das Spiegelstadium stellt die Matrix aller identifikatorischen Prozesse dar [...]. Er verdeutlicht den narzisstischen Charakter menschlicher Selbstfindung insofern diese der Illusion des Eins-sein Wollens mit sich selbst als einem anderen unterliegt. Eine Anstrengung, die ebenso notwendig wie vergeblich bleibt.“17 Aufgrund dessen entspricht das Spiegelstadium der psychischen Geburt des Ichs. Umgekehrt geht der Prozess mit dem Beginn der Entfremdung einher. Mit Hilfe des Spiegels sieht das Kind erstmals seinen eigenen Körper, den es bisher noch nicht empfinden konnte. Diese Situation entwickelt sich zu einer Disharmonie des Subjekts in moi und je, so Lacan. Daraus ergibt sich der Satz „Le je n’est pas le moi.“ In der deutschen Sprache ist diese linguistische Unterscheidung interessanterweise unbekannt. 15 Eco: 1986, S. 208. 16 Vgl. Mulvey: 1975, S. 34. 17 Pagel: 1999, S. 31. 12 In der James-Bond-Serie funktioniert der identifikatorische Prozess besonders gut. Wie bereits dargelegt, konzentriert sich die gesamte Handlung auf die Figur Bond. Dem Zuschauer fällt es nicht schwer sich mit ihm zu identifizieren. Männliche Wunschvorstellungen werden mit Hilfe Bonds visuell und konkret dargestellt. Der Zuschauer projiziert mit Bond seine geheimen Wünsche auf die Leinwand und gleichzeitig werden sie erfüllt. „Der dunkle Raum des Kinos ist der Projektionsraum des Wunsches, ein Raum der Entwürfe phantasmatischer Landschaften und Kosmologien“18, so Kappelhoff. Der Erfolg eines Filmes richtet sich, laut Monaco, nach der Intensität der Identifikation mit dem Filmhelden.19 „Der Erfolg von Filmen wie der von Romanen beruht auf der anregenden Kraft dieser libidinösen Impulse.“20 Mit den libidinösen Impulsen meint Monaco Gewalt und Sex. „Film befriedigt die Libido nicht nur durch die Realisierung von Phantasien, sondern ebenfalls auf einer formalen Ebene – der Stil eines Films, seine Sprache, kann romantisch sein oder aktiv, sexuell oder gewaltsam, unabhängig von seinem Inhalt.“21 Auf der einen Art projiziert der Film bzw. der identifikatorische Held, wie bereits beschrieben, die nicht erlebbaren Phantasien der Zuschauer auf die Leinwand, zum anderen treibt er die Phantasie voran und entwickelt sie weiter. Die Lust des Betrachtens Mulvey verwendet den Begriff Skopophilie, der von Freud geprägt wurde und mit dem Wort Schaulust vergleichbar ist: „Das Kino erfüllt den ursprünglichen Wunsch nach lustvollem Betrachten, zugleich entfaltet es das narzisstische Moment der Skopophilie. Die Konventionen des gängigen Kinofilms ziehen die Aufmerksamkeit auf die menschliche Gestalt.“22 Damit wird ein direkter Bezug zwischen dem Kino und der menschlichen Psyche hergestellt. Nach Freud ist der Voyeurismus ein angeborener Instinkt und Teil der eigenen Sexualität. Im Kino geht es um die Lust zum Schauen auf andere. Freud bezeichnete dies als Skopophilie, als die geheime Beobachtung einer anderen Person. Nach Mulvey wird Skopophilie unter diesem Aspekt auf das Kino projiziert. Durch das Kino erhält der Zuschauer die Möglichkeit, isoliert in seinem Kinosessel auf die Leinwand zu schauen. Der Kinozuschauer entwickelt sich somit zu einem isolierten Subjekt. Dies könnte erklären, 18 Kappelhoff: 2003, S. 155. 19 Vgl. Monaco: 2004, S. 280. 20 Ebd. S. 280. 21 Ebd. 22 Mulvey: 1975. S. 34. 13 warum das Kino faszinierend auf uns wirkt, denn es ermöglicht mittels seiner Architektur eine Analogie zu unserem eigenen psychischen Apparat, wodurch das Subjekt im Film stets die Blickmacht erhält. „In drei Abhandlungen zur Sexualtheorie hat Freud die Skopophilie als eine der Instinktkomponenten isoliert, die als Triebe relativ unabhängig von den erogenen Zonen existieren. Dabei hat er Skopophilie im Zusammenhang gesehen damit, dass andere Leute zu Objekten gemacht, dem kontrollierenden und neugierigen Blick ausgesetzt werden.“23 Nach Mulvey existieren zwei unterschiedliche Aspekte der lustbringenden Strukturen des Schauens: Die skopophilische, also „die Trennung der erotischen Identität des Subjekts vom Objekt auf der Leinwand.“24 Zum anderen geht es um die Identifikation mit dem Bild.25 „Die erste ist eine Fiktion der Sexualtriebe, die zweite der Ich-Libido.“26 Die Rolle der Frau bei Mulvey Auf Basis der psychoanalytischen Theorien Lacans und Freuds konstruiert Mulvey die Filmsprache auf Grundlage der Geschlechterherrschaft. Bei Mulvey hat der weibliche Zuschauer im Kino keine Berechtigung, sie lässt sich lediglich „als fehlgeleitete Identifikation mit Herrschaftsstrukturen interpretieren.“27 Doch auf der Folie der Diegese macht sie es sich meines Erachtens zu einfach, wenn sie schreibt: „Die Präsenz der Frau ist ein unverzichtbares Element der Zurschaustellung im normalen narrativen Film, obwohl ihre visuelle Präsenz der Entwicklung des Handlungsstrangs zuwider läuft, den Handlungsfluss in Momenten erotischer Kontemplation gefrieren lässt.“28 Bleiben wir bei Bond, an den Mulvey mit Sicherheit bei ihrem Aufsatz gedacht haben könnte, und betrachten wir die Narration genauer, so stellt sich schnell heraus, dass die Präsenz der Frau etwas mehr ist als die bloße Zurschaustellung. Meiner Meinung nach ist sie sehr wichtig für die Entwicklung des Plots. Sie stellt mit ihren Aktionen die Weichen für Bonds weitere Maßnahmen und Aktionen innerhalb der Handlung. Mit ihrer Hilfe nimmt er den unmittelbaren Kontakt zu dem Antagonisten auf und verschafft sich somit die Möglichkeit auf den unmittelbaren Sieg über seinen Feind. In Thunderball beispielsweise unterstützt Domino effektiv die Narration. Insbesondere mindestens aufgrund ihrer Präsenz. Sie etabliert neben ihrer erotischen Ausstrahlung eine melancholische Stimmung. Der Plot inszeniert sie als Opfer männlicher 23 Ebd. S. 33. 24 Ebd. S. 35. 25 Vgl. ebd. 26 Ebd. S. 36. 27 Klippel: 2003, S. 171. 28 Mulvey: 1975, S. 37. 14 Dominanz. Eben dies scheint Bonds Motivation zu stärken, den Antagonisten Largo zu bekämpfen. Innerhalb der Narration stärkt die Frau an Bonds Seite seinen Charakter und sein Auftreten als Mann. Sie verleiht ihm Stärke und Macht. Die Frau entwickelt sich somit zum Mittelpunkt der Handlung. Sie steht zwischen dem Protagonisten und dem Antagonisten. In From Russia With Love ist es Tatjana, die James Bond in eine tödliche Falle locken soll. Sie steht bei einer Auseinandersetzung im Mittelpunkt, worin es darum geht, Bond zu eliminieren und eine Dechiffriermaschine aus dem Bestand des KGB zu stehlen. Wieder einmal ist es eine Frau, deren Hilfe sich Bond bemächtigt. Die Massenindustrie Obgleich ein stets wiederkehrendes Schema Anwendung findet, gehören die Bond-Filme zu den erfolgreichsten Filmen überhaupt. Wie lässt es sich erklären, dass ein gleich bleibendes Konzept keine Langeweile erzeugt und eine hohe Nachfragesituation erzeugt? Worin liegt der Grund für die jahrzehntelange Begeisterung der Zuschauer für die James-Bond-Filme? Eco liefert uns die nachfolgende Antwort, die zur Beantwortung dienlich ist: „Es ist der intensive Wunsch ein Schema wiederzuerleben, es wiederzuerkennen.“29 In diesem Zusammenhang sieht Eco eine Verbindung zwischen dem Geschmack am Wiederholungsschema und dem Geschmack an der Redundanz.30 Nach Eco ist die Redundanz der wichtigste Faktor für die Massenerzählung.31 Mediale Redundanz lässt sich am einfachsten in Fernsehserien und in der Comic-Literatur ermöglichen. Interessanterweise ging der Kinopräsenz Bonds eine Fernsehserie mit dem Titel Casino Royale voraus. Das Konzept, die Protagonisten und die Diegese bleiben bestehen. Einzig die Konstellation der Elemente variiert. Der Zuschauer kann sich darauf einstellen, dass eine bestimmte Situation entsteht, aufgrund der Variationen wird er jedoch ein ums andere Mal aus dem normalen Ablauf herausgerissen. 007 bereist seit seinem ersten Einsatz in Dr. No in jeder Folge mindestens ein anderes Land. Die Reiseziele, die Kontaktpersonen und die Gründe dafür sind unterschiedlich. „Das Vergnügen des Lesers besteht somit darin, an einem Spiel teilzunehmen, dessen Figuren und regeln – und sogar dessen Ausgang – er kennt; er zieht es aus der Beobachtung der minimalen Variationen, durch die der Sieger sein Ziel erreicht.“32 Diese Ansicht bedingt, dass es bei der erfolgreichen Massenkommunikation nicht unbedingt darum geht, mit dem Unvorhersehbaren zu rechnen, 29 Eco: 1986, S. 208. 30 Vgl. ebd. S. 211. 31 Ebd. 32 Ebd. S. 294. 15 sondern mit dem Bekannten. Womit die Filmserie sich als ideales Konzept herausstellt, da sich bekannte Elemente ideal kumulieren lassen. Das Wissen über die Zugehörigkeit eines Films zu einer Filmserie überträgt dem Zuschauer die nötige Motivation zur Konsumierung des Angebotes. Adornos Sichtweise auf die Kulturindustrie bezogen auf die Standardisierung von Kulturobjekten zur Maximierung ihrer Verwertungsmöglichkeit besticht insofern, als die Bond-Filme eben diese Vorgehensweise bedingen.33 Adornos Kulturkritik richtet sich an die Ökonomisierung der Kultur. Durch die Standardisierung werden Kulturprodukte reproduzierbar und nicht mehr einzigartig. Seitdem Kulturprodukte mit Geld in Verbindung gebracht werden, verliert Kultur ihren Stellenwert als Kulturgut. Das Mittel zur Standardisierung von Filmen ist das Genre. Mit Genres versucht die Filmindustrie Filme zu erklären und sie einzuordnen – in Schemen, die es jedem Rezipienten möglich machen sollen, seine Präferenzen zu erkennen und mittels der eigenen Seherfahrungen Filme einzuordnen. „Der Genrebegriff wird sehr früh mit der Produktionspraxis der Studios in den USA in Verbindung gebracht. Denn die Filmtheorie hat für die Entstehung von Genres auch Optimierungsbemühungen bei der Herstellung von Filmen ausgemacht.“34 So entstehen verschiedene Schubladen. Wir kennen Western, Eastern, Action, Thriller, Abenteuer, Krimi, Komödie, Melodram und viele mehr. Hickethier et al. sehen in der Standardisierung der Kinoproduktion das Ziel eine Effizienz hinsichtlich der Produktionskosten zu generieren. Der Versuch möglichst viele Genres in einem Film zu verknüpfen, reflektiert zugleich das Ziel auf einen hohen wirtschaftlichen Erfolg, indem möglichst viele Zuschauer mit Hilfe einer Mehrfachkodierung bzw. Mehrfachadressierung angesprochen werden. Zur Verdeutlichung dieser Annahme analysiere ich unterschiedliche Sequenzen aus drei unterschiedlichen Bond-Filmen, um aufzuzeigen, welche unterschiedlichen Genres Verwendung finden und wodurch sie charakterisiert werden. In Dr. No und in From Russia With Love erfolgt der jeweilige Einstieg als Thriller. Die Komposition aus Surprise und Suspense ist hierbei die Methode. Surprise erfolgt in Dr. No durch den plötzlichen Wandel der Blinden zu Attentätern. Suspence erfolgt durch den Überfall der Sekretärin. Die Mörder treten in das Haus ein, der Zuschauer bekommt einen vollständigen Einblick auf diese Szenerie, während die Sekretärin nichts ahnend Kontakt mit ihrem Hauptquartier aufnimmt. Goldfinger dagegen etabliert in der Anfangsszene das Actiongenre. 33 Vgl. Adorno: 1977, S. 337ff. 34 Hickethier: 2003, S. 75. 16 Bond verschafft sich auf spektakuläre Art und Weise Eintritt in eine Fabrik und lässt, nachdem er eine Wache unschädlich gemacht hat, das Gebäude, in dem Drogen hergestellt werden, mit Hilfe von Sprengstoff detonieren. Kurz darauf, und dieses Stilmittel befindet sich zusätzlich in Dr. No, erfolgt eine komödiantische Szene. In From Russia With Love geht es hingegen mit einer Szene aus dem Spionagethriller weiter. Die geheime Botschaft während des Schachturniers mit eindeutigen Instruktionen ist hierfür zweckmäßig. Bonds Ermittlungen und seine Schlussfolgerungen in Dr. No am Tatort der beiden Mordopfer erinnern an den klassischen Detektivfilm. Der Aufenthalt in dem fremden und unbekannten Zigeunerlager in From Russia With Love charakterisiert das Abendteuergenre. Ähnliches findet in Dr. No statt. Hier charakterisieren die Fahrt und der Aufenthalt auf Crab Key das Abendteuergenre.35 35 Vgl. Mannsperger: 2003, S. 36 ff. 17 Fazit Der Film als Massenmedium mit ökonomischer Tragkraft ist weit mehr als die bloße psychoanalytische Wunschapparatur des Rezipienten. Dennoch kann der Erfolg der weltweiten Filmproduktionen auch auf eben diesem identifikatorischen Moment zurückverfolgt werden. Ob im Kino oder später im Fernsehen profitiert die Unterhaltungsindustrie von ihren industriell anmutenden Fertigungsmechanismen, mit denen sie den Zuschauer auf den Film aufmerksam macht und ihn in den Bann ihrer Effekte zieht. Dazu schreibt Mulvey: „Gleichzeitig hat sich das Kino der Projektion von Ich-Idealen verschrieben, deren Ausdruck das Starsystem ist – die Stars vereinen die Präsenz auf der Leinwand mit der Präsenz in der Filmhandlung, sie setzen einen komplexen Prozess von Ähnlichkeit und Verschiedenheit in Gang [...].“36 Spektakuläre und visuell geprägte Dramaturgien genügen nicht vollständig den Anforderungen an die Generierung von Publikumswirksamkeit. Mit dieser Seminararbeit habe ich auf der Folie der James-Bond-Serie versucht aufzuzeigen, dass der ökonomisch erfolgreiche Film gerade im Hinblick auf Identifikation und Wunschvorstellungen, träumerisches Empfinden, aber auch im Wiedererkennen bestimmter Schemata funktioniert. In Analogie zu den Fertigungsmechanismen der konventionellen Industrie kann die Filmindustrie im selben Kontext gesehen werden. Die Massenindustrie hat mit James Bond eine fiktive Figur geschaffen, die in unterschiedlichen Medien und deshalb auch in vielen Bereichen der Gesellschaft ihre Berechtigung erfahren hat. 36 Mulvey: 1975, S. 35. 18 Literaturverzeichnis Adorno, Theodor W.: Kulturkritik und Gesellschaft I. Prismen, ohne Leitbild, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977. Colombo, Furio: Bonds Frauen, in: Der Fall James Bond 007 – ein Phänomen unserer Zeit hg. von Orese del Buono und Umberto Eco. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1966. Eco, Umberto: Apokalyptiker und Integrierte, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1986. Eco, Umberto: Die erzählerischen Strukturen in Flemings Werk, in: Der Fall James Bond 007 ein Phänomen unserer Zeit hg. von Orese del Buono und Umberto Eco. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1966. Hickethier, Knuth: Genretheorie und Genreanalyse, in: Moderne Film Theorie, hg. von Jürgen Felix, Bender Verlag, 2. Auflage, Mainz 2003. Kappelhoff, Hermann: Kino und Psychoanalyse, in: Moderne Film Theorie, hg. von Jürgen Felix, Bender Verlag, 2. Auflage, Mainz 2003. Klippel, Heike: Feministische Filmtheorie, in: Moderne Film Theorie, hg. von Jürgen Felix, Bender Verlag, 2. Auflage, Mainz 2003. Mannsperger, Georg: James Bond will return: der serielle Charakter der James-Bond-Filme; wiederkehrende Elemente in 40 Jahren Action-Kino, http://deposit.ddb.de/cgi bin/dokserv?idn=96871501X, Mainz 2003, Download am 03.05.2007. Monaco, James: Film verstehen, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 5. Aufl., Hamburg 2004. Mulvey, Laura: Visuelle Lust und narratives Kino, 1975. Pagel, Gerda: Jacques Lacan zur Einführung, Junius, 2. Aufl., Hamburg 1999. 19