Arbeitsrecht
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Arbeitsrecht Das Fragerecht des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren Susanne Adlberger E-Mail: [email protected] Ein immer wieder die Arbeitsgerichte beschäftigendes Thema ist das Fragerecht des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren. In diesem Spannungsfeld treffen die Interessen des Arbeitgebers an einer möglichst umfassenden Information über die Verwendbarkeit des Bewerbers und das eigene Interesse des Bewerbers am Schutz seiner Privatsphäre aufeinander und sind einer ausgewogenen Lösung zuzuführen. Mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18. August 2006 sind hinsichtlich des Fragerechts einige neue Probleme aufgeworfen worden. 1. Rechtliche Ausgangslage Generell steht es dem Arbeitgeber frei, alle Fragen, ob mündlich oder schriftlich in einem Personalbogen, zu stellen, für die er ein berechtigtes schutzwürdiges Interesse hat, also die für die Eignung des Bewerbers für die ausgeschriebene Stelle von Relevanz sind. Fragen zur Privatsphäre ohne diesen Arbeitplatz- bzw. Tätigkeitsbezug sind unzulässig, da hier das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers das Informationsinteresse des Arbeitgebers überwiegt. Als Beispiel kann hier die Frage nach dem Gesundheitszustand gelten. Regelmäßig ist die Gesundheit des Bewerbers seine Privatsache. Sie ist für den Arbeitgeber aber dann von Interesse, wenn der Gesundheitszustand Arbeitsplatzbezug aufweist, etwa wenn der Bewerber eine Krankheit hat, die eine Ansteckungsgefahr für die anderen Arbeitnehmer birgt oder seinen Einsatz am vorgesehenen Arbeitsplatz nicht oder nur eingeschränkt erlaubt. In diesen Fällen ist die Frage zulässig und der Bewerber ist verpflichtet, sie wahrheitsgemäß zu beantworten. Ebenso nach Arbeitsplatzbezug wird die Frage nach den Vorstrafen behandelt. Auch hier sind nur einschlägige Vorstrafen, beispielsweise Trunkenheit im Straßenverkehr bei einer Stelle als Kraftfahrer, zulässig und vom Bewerber anzugeben. Überschreitet der Arbeitgeber diese Grenze der Zulässigkeit, so ist der Bewerber berechtigt, auf die gestellte Frage eine falsche Antwort zu geben, denn dem Bewerber wäre kaum damit gedient, auf diese Frage nur mit Schweigen reagieren zu müssen. Dieses „Recht auf Lüge“ verhindert, dass der Arbeitgeber, wie bei sonstigen für die Einstellung ursächlichen arglistigen Täuschungen des Bewerbers, das Arbeitsverhältnis anfechten und sich damit vom Arbeitsvertrag wieder lösen kann. 2. Auswirkungen des neuen AGG Schon vor Geltung des AGG (vgl. hierzu Recht Aktuell 2/2006) mit dem Verbot der Diskriminierung wegen Geschlecht, Behinderung, Alter, Rasse und ethnischer Herkunft, Religion und Weltanschauung sowie sexueller Identität sind von der Rechtsprechung aber bestimmte Fragen als diskriminierend und damit prinzipiell für unzulässig erachtet worden. So wurde die Frage nach einer Schwangerschaft per se als unzulässige geschlechtsbezogene Benachteiligung gesehen, egal ob aufgrund der Art der Tätigkeit ein Beschäftigungsverbot für Schwangere bestehen würde. Die Frage nach einer Parteizugehörigkeit oder der Religion ist ebenso, außer bei parteipolitischen oder konfessionellen Institutionen, nicht gestattet. Auch die Frage, ob der Bewerber homosexuell sei, ist von der Rechtsprechung schon in der Vergangenheit als unzulässig eingeordnet worden. Diesbezüglich werden sich Recht Aktuell 4/2006 Seite 18 Arbeitsrecht auch durch das AGG keine Änderungen an der bisherigen Rechtslage ergeben. Sie entspricht ohnehin schon den Vorschriften des AGG. Unsicher sind noch die Entwicklungen hinsichtlich der Frage nach einer Behinderung und nach dem Alter oder auch die genaue Auslegung des Begriffs „Weltanschauung“. Jahrelang war die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft möglich, da der Arbeitgeber sich über die für einen nicht besetzten Schwerbehindertenplatz zu zahlende Abgabe und seine weitergehenden Schutzpflichten im Klaren sein musste. Dies dürfte jetzt jedenfalls mit dem AGG, wenn nicht ohnehin schon mit Einfügung des § 81 Abs. 2 SGB-IX (Benachteiligungsverbot für Schwerbehinderte) überholt sein. Die Frage nach einer Behinderung generell wird wohl nur noch als zulässig anzusehen sein, wenn ihr Fehlen wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der Arbeitspflicht ist. Bezüglich der Altersfrage betritt man Neuland. Sie wird wohl in Zukunft nicht mehr zulässig sein. In diesem Zusammenhang ebenfalls noch nicht endgültig geklärt ist, ob bereits eine unzulässige Frage nach den Diskriminierungsmerkmalen oder erst die konkrete ablehnende Einstellungsentschei- dung eine Benachteiligung nach dem AGG darstellt und schadensersatzpflichtig macht. Allerdings ist immer zu beachten, dass diskriminierende Fragen jedenfalls ein Indiz für eine schadensersatzpflichtige Benachteiligung nach dem AGG darstellen und die Beweiserleichterung des § 22 AGG für den Bewerber auslösen können. 3. Fazit Für das Fragerecht des Arbeitgebers in Bereichen, die sich nicht auf die Diskriminierungsmerkmale des AGG beziehen wie etwa Vorstrafen, Gesundheit oder auch Wettbewerbsverbote ist das Kriterium des berechtigten schutzwürdigen Interesses des Arbeitsgebers, mithin des Tätigkeits- oder Arbeitsplatzbezugs ausschlaggebend. Hinsichtlich der Fragen zu den Diskriminierungsmerkmalen wie Behinderung, Alter, Geschlecht, Religion etc. ist die genaue Ausgestaltung durch die Gerichte abzuwarten, soweit die Rechtsprechung nicht ohnehin schon in der Vergangenheit ihre Unzulässigkeit festgestellt hat. In diesen sensiblen Bereichen ist daher für den Arbeitgeber besondere Vorsicht geboten. Diesbezügliche Fragen im Einstellungsgespräch sowohl in direkter als auch in indirekter Form zu vermeiden, dürfte die sicherste Lösung sein. Recht Aktuell 4/2006 Seite 19