Abschaffung der Zeitumstellung

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Abschaffung der Zeitumstellung
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 14 /
14. Wahlperiode
22. 04. 2010
6259
Kleine Anfrage
des Abg. Günther-Martin Pauli CDU
und
Antwort
des Innenministeriums
Abschaffung der Zeitumstellung
Kleine Anfrage
Ich frage die Landesregierung:
1. Teilt sie die Ansicht, dass, auch nach 30-jähriger Anwendung, die Zeitumstellung von Winter- (Normal-) auf Sommerzeit und umgekehrt keinerlei
praktischen Nutzen erkennen lässt?
2. Teilt sie die Ansicht, dass die Zeitumstellung vielmehr zahlreiche negative
Auswirkungen (auf die Gesundheit der Bürger, den Energieverbrauch, den
Straßenverkehr etc.) hat?
3. Ist sie bereit, auf Bundes- und Europaebene die Initiative zur Abschaffung
der Zeitumstellung zu ergreifen?
31. 03. 2010
Pauli CDU
Begründung
Schon seit Einführung der Sommerzeit wird über Sinn und Unsinn der Zeitumstellung diskutiert. Dreißig Jahre Erfahrung müssten jetzt ausreichen, um
zu klaren Erkenntnissen gekommen zu sein. Das Umweltbundesamt vertrat
schon länger die Auffassung, dass man während der Sommerzeit zwar abends
Licht spare, dafür morgens aber mehr heizen müsse, was sogar zu mehr Energieverbrauch führe. Ärzte stellen schon seit längerem fest, dass es bei vielen
Eingegangen: 22. 04. 2010 / Ausgegeben: 04. 06. 2010
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
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Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 14 / 6259
Patienten durch die Umstellung zu gesundheitlichen Problemen kommt. Daneben führt die Umstellung zu zahlreichen Unannehmlichkeiten. Bei der
Umstellung auf die Sommerzeit verschwindet die Stunde einfach. Der Bahnkunde merkt es oftmals nur daran, dass er eine Stunde vor einem Haltesignal
steht, wenn er Glück hat auf einem Bahnhof, wo er sich wenigstens in der
verschwundenen Stunde die Beine vertreten kann.
Antwort*)
Mit Schreiben vom 27. Mai 2010 Nr. 1–40/9 beantwortet das Innenministerium in Abstimmung mit dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und
Verkehr, dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren und dem Wirtschaftsministerium die Kleine Anfrage wie folgt:
Ich frage die Landesregierung:
1. Teilt sie die Ansicht, dass, auch nach 30-jähriger Anwendung, die Zeitumstellung von Winter- (Normal-) auf Sommerzeit und umgekehrt keinerlei
praktischen Nutzen erkennen lässt?
2. Teilt sie die Ansicht, dass die Zeitumstellung vielmehr zahlreiche negative
Auswirkungen (auf die Gesundheit der Bürger, den Energieverbrauch, den
Straßenverkehr etc.) hat?
Zu 1. und 2.:
Die Sommerzeit wurde in Deutschland im Jahr 1980 zur besseren Ausnutzung der Tageshelligkeit im Sommer und zur Angleichung der Zeitzählung
an die benachbarten Staaten eingeführt. Deutschland sollte keine Zeitinsel
bleiben. Mit der Verabschiedung der EU-Richtlinie zur Regelung der Sommerzeit ist diese in Europa von 2002 an auf unbestimmte Zeit eingeführt
worden. Sie beginnt in jedem EU-Mitgliedstaat am letzten Sonntag im März
und endet am letzten Sonntag im Oktober.
Die EU wendet einem Bericht des Europäischen Parlaments vom 29. Oktober
1996, A4–0333/96 über den Richtlinienvorschlag zur Regelung der Sommerzeit (KOM [1996] 106) zufolge gegenwärtig die Sommerzeit hauptsächlich
deswegen an, weil die Bürger diese Regelung attraktiv fänden. Dass es
abends länger hell bleibt, werde von der Mehrheit der Bevölkerung als vorteilhaft erfahren. Durch die Sommerzeit sind abendliche Freizeitaktivitäten
länger bei Tageslicht und angenehmeren Außentemperaturen möglich. Die
Sommerzeitregelung bringe Vorteile für die Tourismus- und Freizeitbranche
mit sich. Diese Auffassung wird von dem Tourismus-Verband Baden-Württemberg e. V. und dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga)
dem Grundsatz nach geteilt.
Die Bundesregierung erklärte bereits 2005 in ihrer Antwort auf eine Kleine
Anfrage (Drucksache 15/5459) im Hinblick auf den Energieverbrauch biete
die Umstellung auf die Sommerzeit keine Vorteile. Danach haben durch das
Bundesumweltamt recherchierte Erkenntnisse ergeben, dass von einer Zeitumstellung keine positiven Energiespareffekte zu erwarten sind. So werde
die Einsparung an Strom für Beleuchtung durch den Mehrverbrauch an Heizenergie durch Vorverlegung der Hauptheizzeit überkompensiert. Aus umweltpolitischer Sicht wäre es daher nicht notwendig, die mitteleuropäische Sommerzeit beizubehalten.
*) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt.
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Drucksache 14 / 6259
Wirtschaft, Verwaltungen und Privathaushalte müssen für das Umstellen von
Maschinen, Uhren und Software technischen und bürokratischen Mehraufwand leisten. Über die mit der Zeitumstellung verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor.
Nach Aussagen der Europäischen Kommission 2007 (KOM [2007] 739) ist
zwischenzeitlich allgemein anerkannt, dass sich der menschliche Körper umstellen und der neuen Uhrzeit anpassen muss. Dies kann vereinzelt zu gesundheitlichen Beschwerden in Form von Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen führen. Bei dem gegenwärtigen Stand der Forschungen und
dem heutigen Wissensstand geht man davon aus, dass die meisten Störungen
von kurzer Dauer sind und keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen.
Aus Sicht der Landesregierung haben sich bei weitem nicht alle mit der Zeitumstellung von Winter- auf Sommerzeit verbundenen Hoffnungen erfüllt.
3. Ist sie bereit, auf Bundes- und Europaebene die Initiative zur Abschaffung
der Zeitumstellung zu ergreifen?
Zu 3.:
Die gesetzliche Regelung der Sommerzeit fällt in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die Bundesregierung will entsprechend ihrer
Erklärung vom 18. Mai 2005 am Status quo festhalten, solange die Mitgliedstaaten der EU nicht gemeinsam die Absicht haben, die Sommerzeit abzuschaffen. Der Bundestag hat sich am 13. Dezember 2007 mehrheitlich der
Auffassung der Bundesregierung angeschlossen.
Für das weitere Funktionieren des EU-Binnenmarktes ist es von wesentlicher
Bedeutung, dass Tag und Uhrzeit des Beginns und des Endes der Sommerzeit
einheitlich in der gesamten Gemeinschaft festgelegt werden. Eine Änderung
der Regelung macht daher nur Sinn, wenn die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam die Absicht haben, die Zeitumstellung abzuschaffen.
Daher plant das Innenministerium derzeit keine Initiative zur Abschaffung
der Zeitumstellung.
In Vertretung
Benz
Ministerialdirektor
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