Führen mit Werten. Die Bedeutung der Werte in einer - Muk-IT

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Führen mit Werten. Die Bedeutung der Werte in einer - Muk-IT
„Führen mit Werten. Die Bedeutung der Werte in einer
globalisierten Welt“
Pater Anselm Grün
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte in diesem Referat etwas inhaltlich beleuchten, das schon angeklungen
ist: Werte – konkret „Führen mit Werten. Werte in einer globalisierten Welt.“ Ich
erlebe immer wieder in den Diskussionen, dass auf die Globalisierung geschimpft
wird, dass sie das Klima rauher werden lässt. Natürlich hat die Globalisierung auch
Gefahren, vor allem, wenn sie nur durch die Macht des Stärkeren bestimmt wird.
Aber unsere benediktinischen Schulen haben sich auf der ganzen Welt vernetzt und
sie haben den Slogan herausgegeben: „Die Globalisierung humanisieren und die
Humanität globalisieren“. Ich denke, wir exportieren nicht nur finanzielle Werte und
Produkte, sondern unsere Aufgabe ist, gerade unsere Werte zu exportieren: Unsere
Auffassung von Gerechtigkeit, von Maß, von Fairness, von Nachhaltigkeit, von
sozialen Standards. So möchte ich nicht mit einem moralisierenden Zeigefinger über
die Werte sprechen, sondern ich möchte werben für die Werte.
Manche klagen, dass heute ein Wertverlust ist, ein Wertzerfall, doch Werte können
nicht zerfallen, Werte haben in sich einen Wert, nur die Beziehung zu den Werten,
die kann sich ändern. Wie das Wort „Wert“ schon sagt, es entstammt der Würde.
Werte entsprechen der Würde eines Menschen. Das lateinische Wort für Wert,
„virtus“, meint, Werte sind Kraftquellen, aus denen man Kraft schöpfen kann, für das
Miteinander, für die Firma. Manche meinen, wenn ich vor Firmen darüber rede, ist ja
ganz nett mit den Werten, aber erst muss das Geld stimmen und dann kommen die
Werte. Ich sage Nein, umgekehrt: Eine Firma, die Werte missachtet, verachtet den
Menschen und Selbstverachtung und Menschenverachtung machen in kurzer Zeit
eine Firma, eine Gemeinschaft, ein Land wertlos. Das zeigen durchaus auch
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betriebswirtschaftliche Untersuchungen. Die Betriebswirtschaft hat festgestellt, den
Gewinn macht man über die Stammkunden, nicht über das Immer-noch-mehr-mitdem-Preis-Runtergehen.
Für
die
Stammkunden
ist
das
Wichtigste
die
Zuverlässigkeit, die Ehrlichkeit, die Kompetenz, die Freundlichkeit, die Werte, die in
einer Firma herrschen.
Eine schwäbische Firma hat mich eingeladen, zum Thema „Wertschöpfung durch
Wertschätzung“ zu sprechen. Sie hat verstanden, wenn ich Werte schätze, werde ich
auf Dauer auch finanzielle Werte schöpfen. Dieses kurzfristige Mehr-Gewinnmachen,
Gewinnmaximierung, die Fixierung darauf, die schöpfen auf Dauer nicht Werte,
vielleicht kurzfristig, aber nicht auf Dauer. Das englische Wort für Wert, „value“,
kommt von „Valere“, aus dem Lateinischen, und das meint „gesund sein“. Werte sind
also Quellen der Gesundheit, wenn ich nach diesen Werten lebe, dann wird das
Miteinander gesund, ein Land, eine Firma, ein soziales Gefüge.
Welche Werte meine ich, wenn ich von dieser Wirkung der Werte spreche? Ich
meine die abendländischen Grundwerte, die seit 2.500 Jahren gelten, die die
griechische Philosophie, vor allem Platon und Aristoteles entwickelt haben, die auch
im christlichen Abendland immer gegolten haben und die dann durch drei christliche
Grundwerte noch ergänzt worden sind. Hans Küng hat ja das Projekt „Weltethos“ in
Gang gesetzt. Er lädt die Religionen ein, gemeinsam zu diskutieren und die Werte,
die jede Religion vielleicht in einer anderen Sprache ausdrückt, aber die doch
grundsätzlich die gleichen Werte sind, gemeinsam zu propagieren. Darin liegt die
Zukunft unserer Welt, dass sie auf Werten gegründet ist und nicht eben nur auf rein
finanziellen Werten. Wenn der Finanzwert absolut gesetzt wird, ist es eine
Verachtung des Menschen und leider ist die Ökonomisierung in vielen Bereichen
heute da, etwa in der Gesundheitspolitik, das führt dann dazu, dass der Arzt nur
noch ein Dienstleister ist und kein Arzt. Da wird ein Wert verloren, denn der Arzt ist
Helfer. Mir hat neulich ein Chefarzt einer Geriatrie erzählt, wenn wir die
Gesundheitspolitik dem Markt überlassen, dann fallen alle alten Leute raus, für die
gibt es keinen Wert, denn da gibt es keinen Markt. Das ist eine Frage der sozialen
politischen Verantwortung, dass wir nicht Dienstleister haben, sondern Ärzte, die
kranken, bedürftigen Menschen helfen.
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Die Werte fußten also auf der griechischen Philosophie, Platon spricht von vier
Kardinaltugenden. Kardinal kommt ja von Kardo, die Türangel, das meint, die
Tugenden sind wichtig, dass das Leben taugt, dass das Leben gelingt, dass eine Tür
aufgeht, dass neue Räume sich öffnen - Räume zu einem lebenswerten Leben. Der
erste Grundwert ist für Platon die Gerechtigkeit und es meint nicht in erster Linie
soziale Gerechtigkeit, sondern gerecht ist ein Mensch, der sich selbst gerecht wird,
dem eigenen Wesen gerecht wird, seinem Leib, seiner Seele, seinem Geist gerecht
wird. Heute stecken sich viele in ein Korsett, das ihrem Wesen nicht gerecht wird.
Dieses erste Spüren, wer ist der Mensch? Was ist seine Würde? Wie werde ich den
Menschen, wie werde ich mir selbst gerecht, wie lebe ich richtig und aufrecht? Und
dann, wenn ich mir gerecht werde, ist es eine wichtige Aufgabe einander gerecht zu
werden.
Gerechtigkeit meint nicht, nur Gesetze zu erfüllen, sondern den Menschen gerecht
werden. Jedem Einzelnen gerecht zu werden und Sie wissen, dass es nicht so
einfach ist, Sie alle wollen Ihre Kinder gerecht erziehen und trotzdem sagt das eine
Kind, ja, der Bruder, die Schwester ist mir vorgezogen worden. Und dann geht es um
die soziale Gerechtigkeit, also jedem das Seine zu geben. In der Bibel steht „Wer
Gerechtigkeit sät, wird Frieden ernten.“ Ohne gerechte Güterverteilung, ohne
gerechte Chancenverteilung, ohne gerechten Lohn, wird es keinen Frieden geben,
keinen Frieden in der Firma, keinen Frieden in einem Land, keinen Frieden in dieser
Welt. Deswegen ist die Globalisierung die Herausforderung, eine gerechte Verteilung
der Güter, der Chancen in den Blick zu nehmen. Das ist eine Zielvorstellung, die nie
einfach zu verwirklichen ist. Aber dieses Ringen um Gerechtigkeit im Land, das ist
ein Dienst an den Menschen, nur durch Gerechtigkeit wird Frieden entstehen.
Der zweite Wert ist die Tapferkeit, das klingt vielleicht fremd, Tapferkeit, da denken
wir an Soldaten, aber für die Griechen ist es die Haltung des Philosophen. Tapferkeit
meint eine innere Freiheit. Tapferkeit meint, Verantwortung zu übernehmen und der,
der Verantwortung übernimmt, der überzeugt ist von Werten, der geht immer auch
das Risiko ein, verletzt zu werden. Und ich denke, das gehört zum Menschen. Wir
stehen ja heute im Zeitalter des Populismus, wo wir uns immer nur nach
Zustimmungswerten richten. Man könnte sagen, wer keinen Wert in sich selber sieht,
der muss sich nach Zustimmungswerten richten, das heißt aber, er verbiegt sich
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ständig. Das führt dann zu den sogenannten Wendehälsen, wie seit 1989 dieses
Wort geprägt worden ist. Tapferkeit, ich denke jeder, der in der Politik steht, braucht
diese Tapferkeit, hinzustehen, einzutreten für Werte, auch wenn ich verletzt werde.
Es gibt nur einen Kampf für etwas. Wir sollen nicht gegen etwas kämpfen, sondern
für das Leben, für den Menschen. Denn wer kämpft, der wird immer auch verletzt. Es
ist nicht nur die Haltung der Politik, sondern die Haltung jedes Menschen. Ohne
Tapferkeit gelingt das Leben nicht. Pascal Bruck, ein französischer Philosoph und
Soziologe, hat ein Buch geschrieben mit einem provokanten Titel „Ich leide, also bin
ich“, in dem er zwei Grundhaltungen unserer Zeit kritisiert: Die Infantilisierung und die
Viktimisierung. Der Mensch der Zukunft ist ein Riesenbaby, mit Riesenansprüchen
an die Gesellschaft, an die Firma, an die Politik, aber nicht bereit, Verantwortung zu
übernehmen. Viktimisierung – ich bin immer Opfer, schuld sind immer die anderen,
wenn’s mir schlecht geht. Das ist keine Haltung, die wir brauchen. Tapferkeit, ich
möchte nur ein Beispiel erzählen: Eine Frau mit 30 Jahren kam zu mir mit ihrem
Bruder, 24 Jahre, weil sie in Sorge war um ihn. Dieser Bruder hat die elfte Klasse im
Gymnasium abgebrochen. Ich fragte, warum? Ja, die Lehrer waren so blöd, die
Elektrolehre nach einem Jahr abgebrochen, die Gärtnerlehre abgebrochen. Ich
fragte, was willst Du denn werden? Sportjournalist im Fernsehen, aber nur für
Autorennen. Das ist interessant, aber die Frage ist, meinst Du, die warten alle auf
Dich? Fernsehen ist auch eine rauhe Welt. Du musst Dich entscheiden, ob Du immer
im Nest bleiben willst und die ganze Welt anklagen, dass sie Dir, den grandios
begabten jungen Mann nicht die Chance geben, den Job geben, der ihm zusteht,
oder ob Du aufspringst und kämpfst. Und wenn Du kämpfst, wirst Du verletzt, das
gehört zum Leben, nur dann werden wir zum Mensch, wenn wir den Kampf auch
wagen und auch wagen, verletzt zu werden. Das meint Tapferkeit. Eine Haltung, die
wir heute bitter nötig haben.
Das dritte ist das Maß. Wir haben schon von Nachhaltigkeit gehört, die maßlose
Ausbeutung der Schöpfung, der maßlose Konsum, das sind Unwerte, die unser
Miteinander unmöglich machen. Aber ich denke auch an die Maßlosigkeit uns selbst
gegenüber. Ich erlebe in der Begleitung von Menschen immer wieder, dass sie
maßlose Ansprüche haben an sich selber, dass sie immer perfekt sein müssen,
immer cool, immer gut drauf sein müssen, immer erfolgreich. Es gibt heute zwei
Krankheiten, die im Vordringen sind. Das eine ist das Zunehmen von Angstattacken,
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das zweite das Zunehmen von Depressionen. Beide sind letztlich Hilfeschreie der
Seele gegen die maßlosen Ansprüche, die wir an uns selber richten. Wir dürfen
dankbar sein, dass die Seele rebelliert. Sie sagt uns, so können wir nicht leben, so
maßlos, dass wir unser eigenes Bild überfordern.
Als Benediktiner ist mir natürlich das Maß ganz wichtig. Der hl. Benedikt nennt die
weise Mäßigung die Mutter aller Tugenden. Dabei geht’s nicht um Mittelmäßigkeit,
sondern darum, das richtige Maß zu finden. Benedikt kennt drei Worte für Maß: Das
erste ist „mensura“, das Getreidemaß, mit dem ich messe, das meint, eben ein
Gespür für meine Stärken zu haben, aber auch für meine Grenzen. Meinem Maß
gerecht zu werden und auch zugleich dem Maß des anderen gerecht zu werden. Das
zweite ist „temperare“, mäßigen. Das kommt von Zeit, Tempus, das richtige Zeitmaß
finden. Heute werden viele Menschen krank, weil ihr Zeitmaß nicht stimmt. Die
Griechen kennen ja zwei Worte für Zeit: Chronos, das ist der Urgott, der die Kinder
auffrisst. Das ist so ein Bild für unsere Zeit, für den Chronometer, wo die Zeit uns
auffrisst, wo sie nie reicht. Das zweite ist Kairos. Jesus sagt, die Zeit ist erfüllt.
Kairos, die angenehme Zeit, die mir geschenkt ist, die ich genießen kann. Sich Zeit
zu nehmen ist immer eine angenehme Zeit. Chronos steht für den Druck, den wir uns
selber setzen. Und wie finden wir die angenehme Zeit? Ein wichtiger Weg ist die
Rhythmisierung, dem Rhythmus der Natur, dem eigenen Biorhythmus folgen. Wer
rhythmisiert lebt, hat mehr Energie, der Rhythmus schafft Energie im Menschen.
Denn, wenn er ständig ermüdet ist, ist es immer ein Bild, er lebt gegen den eigenen,
inneren Rhythmus. Wichtig ist, diese Zeit als angenehme Zeit zu erleben, die Rituale,
die die Zeit rhythmisieren. Ich möchte nur zwei Bilder sagen von Ritualen: Rituale
schaffen eine heilige Zeit. Heilig ist für die Griechen das, was der Welt entzogen ist
und für die Griechen vermag allein das Heilige zu heilen. Heilige Zeit heißt, die Zeit
gehört mir, ich werde nicht gelebt von außen, sondern ich lebe selber, ich genieße,
dass diese Zeit mir gehört und keiner darüber verfügen kann.
Nun denken Sie, der Mönch kann gut reden von der heiligen Zeit, wir haben keine
heilige Zeit. Das ist die Ausrede. Es gibt zwei Formen von Ritualen: Ich nehme Zeit
fürs Gebet, für die Meditation, für einen Spaziergang, oder ich tue Dinge, die ich tue,
in einer ganz bestimmten Weise. Jeder von uns steht auf, jeder wäscht sich,
frühstückt. Wie tue ich das? Mir hat eine Mutter von kleinen Kindern erzählt, die 5
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Minuten, wo ich allein im Bad bin, ist für mich eine heilige Zeit. Jeder kann eine
heilige Zeit haben, die ihn heilt, ihn ganz macht. Ohne diese heilige Zeit werden wir
von anderen gelebt und das tut uns nicht gut. Das zweite Bild: Rituale schließen eine
Türe und öffnen eine Türe. Ich erlebe, dass viele von der Arbeit heimkommen, aber
noch voll bei der Arbeit sind. Die Kinder kommen auf sie zu und sie sind überhaupt
nicht offen für sie. Die Frau erzählt was und sie hören nicht zu. Ich muss die Türe der
Arbeit erst schließen, wenn ich sie loslasse, meditiere, mich frei laufe oder wie auch
immer. Heute ist es modern, man spricht in der Zeitphilosophie von Simultanten, die
alles gleichzeitig machen wollen. Sie gehen spazieren, rufen mit dem Handy an,
machen nebenbei ihre Bankaufträge. Das klingt zwar praktisch, aber im Bild
gesprochen, die stehen immer im Durchzug. Das tut der Seele nicht gut. Wir müssen
Türen schließen, damit sich neue Türen auftun, damit wir dort sind, wo wir sind und
nicht irgendwo anders. Gut, das gehört auch zum Maß, das richtige Zeitmaß finden.
Ich habe mit jemanden von einer deutschen Bank gesprochen, der hat mir erzählt,
sein Direktor lässt 10 Stunden lang seine Mitkollegen miteinander tagen und
diskutieren. Das ist kein Zeitmaß, in 10 Stunden Diskussionen kommen nur
Aggressionen raus, da kommt absolut keine Lösung raus, weil es gegen den
Rhythmus des inneren Menschen ist. Wer gegen den Rhythmus lebt, der tut viel,
aber es kommt nichts dabei heraus.
Das dritte Wort für Maß ist „discretio“ die Gabe der Unterscheidung, ein Gespür zu
haben, für den einzelnen, was dem einzelnen gut tut. Benedikt sagt, der Abt soll so
umgehen mit den Mönchen, dass er die Starken herausfordert, dass sie noch mehr
Lust haben, etwas zu leisten und die Schwachen nicht entmutigt werden. Das ist
discretio, beiden gerecht werden, den Starken und den Schwachen.
Die vierte Tugend ist die Klugheit. Klugheit ist die Gabe, richtig zu entscheiden, im
Gespräch zu wissen, was ist klug, wie gehe ich vor, nicht die Gerissenheit und
Schlauheit, sondern die Klugheit. Thomas von Aquin meint, „prudentia“ - Klugheit kommt von „providentia“ - Voraussehen. Klug ist nur der, der den größeren Horizont
hat. Wir brauchen eine Vision für unser Wirtschaften, für unsere Politik, dann können
wir im Einzelfall auch klug entscheiden.
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Das sind die vier Grundhaltungen. Wir würden sie heute sicher anders ausdrücken.
Gerechtigkeit mit Solidarität, mit Ehrlichkeit, mit Fairness, Maß mit Nachhaltigkeit,
nicht nur nachhaltig mit der Schöpfung umgehen, sondern auch nachhaltig mit den
eigenen menschlichen Ressourcen, mit unserer Kraft umgehen. Oder Tapferkeit
nennen wir heute Zivilcourage, die Worte sind anders, aber die Grundwerte bleiben.
Sie machen das Leben wertvoll.
Die christliche Tradition hat diesen vier Werten der Humanität des Menschen noch
drei christliche Werte hinzugesellt und sie nennt sie göttliche Tugenden. Das heißt,
Tugend, sie muss geübt werden als Ertüchtigung des Menschen, als Tüchtigkeit und
zugleich ist sie Geschenk von oben. Glaube, Hoffnung, Liebe, ich möchte darüber
nicht theologisch reden, sondern als Wert. Was heißt Glaube, was hat Glaube mit
Führung zu tun? Ich denke, jeder von uns, der führt, muss Entscheidungen treffen
und tut es nach besten Wissen und Gewissen, aber ob die Entscheidung Segen
bringt, ob das, was wir tun, zum Segen wird für die Menschen, das hängt nicht allein
von uns ab. Der Glaube ist so die Ermöglichung des Vertrauens, dass das, was ich in
die Hand nehme, gesegnet ist und Segen bringt für die Menschen, dass es Frucht
bringt. Ich denke, all das, was wir tun, braucht auch den Segen Gottes. Ich kenne
Menschen, die nach der Entscheidung sich immer noch den Kopf zergrübeln, ob
alles richtig war, ob sie alles bedacht haben. Der Glaube entlastet uns.
Der zweite Aspekt: Der Glaube schenkt Freiheit. Wir denken, wir sind alle frei, aber
so viele Menschen höre ich, die ständig nachfragen, was denken die anderen, wie
halten die das, was sagen die über mich. Wir richten uns ständig nach den
Meinungen, nach den Erwartungen und Haltungen der anderen. Glaube heißt, ich
habe ein Fundament auf Gott gebaut und es gibt eine innere Freiheit in dieser Welt,
ich muss nicht bei allen beliebt sein. Das muss klar sein. Aber der Glaube an Gott
muss verbunden sein mit dem Glauben an den Menschen. Der hl. Benedikt sagt, wir
sollen in jedem Bruder, jeder Schwester Christus sehen. Das klingt vielleicht fromm,
aber was heißt das? Ich lege den Anderen nicht fest auf das, was ich sehe, sondern
ich glaube, da ist zu mindestens die Sehnsucht gut zu sein, da ist ein guter Kern, ein
göttlicher Kern. Albert Görres sagte einmal, keiner tut das Böse aus Lust am Bösen,
sondern immer aus Verzweiflung. An das Gute im Menschen glauben heißt nicht,
dass ich die rosarote Brille aufsetze und sage, alle sind lieb und nett, sondern, dass
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ich den Anderen nicht festlege, sondern durchschaue. Wenn ich glaube, kann ich
das Gute wecken im Anderen. Ohne Glauben können wir nicht führen, können wir
keine Politik machen, wir müssen an den Menschen glauben, an das Gute in ihm und
das hervorlocken.
Paul Celan, der jüdische Dichter, sagte einmal, es gibt keinen Glauben ohne
Sprache und keine Sprache ohne Glauben. Ob wir glauben oder nicht, das hängt
nicht nur an unserem Glaubensbekenntnis, sondern an der Art, wie wir sprechen. Ich
erlebe oft in den Firmen und manchmal auch in der Politik eine kalte Sprache. Wenn
ich Führungskurse halte, ist mir immer wieder wichtig dieses Thema: “Welche
Sprache sprechen wir“. In vielen Unternehmen wird eine vorwurfsvolle Sprache
gesprochen, eine bewertende, verletzende Sprache. Dolf Sternberger hat ja die
Sprache des Dritten Reiches untersucht und festgestellt, dass da die Worte mit „be-„
- befehlen, beherrschen, bestimmen, beurteilen, behandeln - vorherrschen. „Be-„
meint immer den Zugriff, ich greife ins menschliche Herz hinein. Und er musste
feststellen, als er das Buch in den 60er Jahren wieder herausgegeben hat, dass die
Sprache der Wirtschaft und in vielen Behörden sich nicht geändert hat. In der Bibel
heißt es, Deine Sprache verrät dich. Ja, unsere Sprache verrät uns. In vielen Firmen
wird eine aggressive Sprache, eine kriegerische Sprache gesprochen oder eben eine
kalte Sprache. Eine kalte Sprache führt dazu, dass die Menschen sich verschließen,
denn niemand will sich an meiner Kälte erkälten. Wir haben Pfingsten gefeiert,
Pfingsten beschreibt Lukas als Sprachereignis. Der Hl. Geist kommt in Feuerzungen
herab. Das heißt, die Sprache, die aus dem Herzen kommt, ein Funke überspringt,
wo Wärme rüber geht, das ist die andere Sprache. Henri Nouwen, ein holländischer
Theologe, sagt, wer ausgebrannt ist, der sagt vielleicht auch intelligente Worte, aber
sie klingen wie aus einem hohlen Kanister. Mir hat ein christlicher Unternehmer
erzählt, ich erreiche meine Mitarbeiter nicht, ich sage doch die gleichen Sätze, aber
weil ich ausgebrannt bin, klingen sie hohl. Wir brauchen die Glut des Hl. Geistes, der
unsere Sprache wärmt. Nur eine wärmende Sprache kann verbinden, kann Energie
stiften, kann Gemeinschaft entstehen lassen. Eine wärmende Sprache baut ein
Haus, in dem wir zuhause sein können. Eine kalte Sprache baut auch ein Haus, aber
ein Haus, aus dem man herausgeht, weil man es da nicht aushalten kann. Wir haben
in der Firma Daimler darüber gesprochen und da meinten sie: “Ja, wir haben Chefs,
die eine wärmende Sprache haben, da fühlt man sich wohl, da hat man Vertrauen.
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Aber wir haben auch andere, mit einer kalten, da verschließt man sich.“ Aber einer
meinte: „Ja, wir haben in unserer Abteilung jemanden, die Sprache klingt wärmend,
aber es ist so wie ein Trick.“ In dieser Abteilung gibt es das geflügelte Wort, ist
natürlich übertrieben und böse, aber ich sage es trotzdem: Da heißt es, bei Daimler
wirst Du so über den Tisch gezogen, dass die Reibungswärme, die dabei entsteht,
als Liebe ausgelegt wird. Es ist nicht unbedingt die Sprache des Hl. Geistes und die
Sprache des Glaubens.
Ich habe neulich einen Kurs gehalten für die christliche Stiftung „Führen mit
christlichen Werten.“ Alle waren natürlich einverstanden, natürlich es ist klar, wir
führen nach christlichen Werten. Da ging es um das Thema Sprache und auf einmal
war eine ganz hitzige Diskussion. Eine Frau sagte, wenn ich hier das sage, was ich
am Herzen habe und im Herzen spüre, werde ich überhaupt nicht gehört und ernst
genommen. Nur wenn ich eine ganz kalte, bissige Sprache spreche, werde ich
überhaupt wahrgenommen. Es kam zu einer hitzigen Diskussion, wo man gemerkt
hat, die Stiftung wollte christlich führen, aber die Sprache war unchristlich geworden.
Oder wenn Sie in die Politik schauen, Roland Koch hat in Hessen verloren, weil er
keine christliche Sprache gesprochen hat, sondern eine beurteilende, bewertende
Sprache. Da sind die Menschen heute sensibel. Natürlich können wir unsere
Sprache nicht kontrollieren, sonst könnten wir überhaupt nicht mehr anfangen zu
reden. Meine Sprache verrät mich auch, obwohl ich nicht bewerten will, ist trotzdem
vielleicht was Wertendes drinnen. Aber achtsam damit umzugehen, das ist wichtig.
Wir bauen mit der Sprache ein Haus und gerade Politiker, Unternehmer sind
verantwortlich, welche Sprache sie sprechen. Eine etwas verhöhnende oder
spaltende Sprache, eine Sprache, die öffnet oder verschließt, das ist ein ganz
wichtiger Punkt, darin zeigt sich, ob wir glauben oder nicht glauben.
Das zweite ist die Hoffnung. Hoffnung ist was anderes als Erwartung. Gabriel Marcel,
ein französischer Philosoph, hat ein Buch geschrieben: „Philosophie der Hoffnung.“
Er sagt, die Erwartung kann enttäuscht werden, wenn wir Erwartungen haben, ohne
ein Ergebnis zu haben und sie wird enttäuscht, dann ist die Erwartung enttäuscht,
aber die Hoffnung kann nicht zerschlagen werden. Hoffen heißt immer, ich hoffe für
Dich und auf Dich, ist immer etwas Personales. In den 70er Jahren gab es ganz viele
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Bücher über Hoffnung: Jürgen Moltmann – „Theologie der Hoffnung“, Ernst Bloch –
„Prinzip Hoffnung“ und sie schreiben, in allem was wir tun, vermitteln wir Hoffnung,
die auf Zuversicht gebaute Hoffnung, die Hoffnung auf Befreiung.
Ich denke, es ist wichtig, dass unsere Politik, unsere Wirtschaft, wenn wir
produzieren, nicht nur finanzielle Werte und Produkte vermitteln, sondern Hoffnung
vermitteln. Dante hat über die Hölle geschrieben: „Lasst alle Hoffnung fahren, wo
keine Hoffnung ist, ist Hölle.“ Wenn wir miteinander arbeiten, brauchen wir Hoffnung,
Hoffnung für den Menschen. Denn Paulus sagt, wir hoffen auf das, was wir nicht
sehen. In uns selber, aber auch im Anderen. Die Hoffnung gibt den Menschen nicht
auf, sie hofft auf das, was ich noch nicht sehe. Die Hoffnung ist eine göttliche
Tugend. Etwas, das wir lernen sollen, aber zugleich, was wir immer wieder
geschenkt bekommen. Aber ich denke, das ist wichtig, dass wir auch in unserem
Export nicht nur Produkte exportieren, sondern Hoffnung. Hoffen auf ein anderes
Leben, auf ein gerechteres Leben, hoffen auf den Wert, auf die Würde des
Menschen, dass wir in unserer Sprache, eine hoffnungsvolle Sprache haben. Nicht
eine leere Sprache wie in Amerika, die alles positiv sieht: Man braucht nur positiv
denken. Das ist eine Manipulation und in keinem Land gibt es so viele Depressionen.
Das ist ein Hilfeschrei der Seele, die Reaktion der Seele. Wo ich alles nur positiv
sehen brauche, da sagt mir die Seele – so nicht.
Aber Hoffnung meint was anderes. Hoffnung auf das, was ich nicht sehe, die Realität
ernst nehmen und trotzdem Hoffnung hineinmischen. Von Nelly Sachs heißt es, sie
hat die Sprache der Hoffnung gesprochen, sie hat ganz viel Leid erfahren und
trotzdem eine Sprache, die Hoffnung vermittelt. Das wäre für mich der christliche
Wert, den unsere Gesellschaft heute mehr braucht denn je. Und wenn die Jünger an
Pfingsten gesprochen haben, dann ist da Hoffnung übergegangen. Dann haben sie
so gesprochen, dass alle sich verstanden fühlten, weil die Jünger das angesprochen
hatten, was die anderen in ihren Herzen erahnt, ersehnt hatten und noch nie gewagt
haben, es selber auszudrücken. Der letzte Wert die Liebe, das klingt vielleicht zu
fromm für die Wirtschaft, für die Politik. Mir hat ein Trainer erzählt, der ein ManagerProfil erstellen sollte, dass er das nach allen Regeln der Kunst getan hat, dann sagte
sein Chef zu ihm: „Es ist richtig, was Sie geschrieben haben, aber eines haben Sie
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vergessen, man muss seine Mitarbeiter lieben.“ Es war ihm ganz neu, dass dieser
Chef, der sonst sehr leistungsorientiert war, das gesagt hat, aber es war ihm klar.
Oder ein anderes Beispiel: Seit 17 Jahren arbeite ich im Recollectio-Haus für Priester
und Ordensleute, die „burnout“ sind, erschöpft sind und wir haben mit dem
Personalreferenten darüber diskutiert, warum heute so viele Priester erschöpft sind.
Das hat viele Gründe und ich möchte das nicht jetzt zu einfach sehen. Die vielen
verschiedenen Gemeinden, die Erwartungen, die einen zerreißen usw. Aber ein
Personalreferent sagte, ja das stimmt alles, aber ich war auch mal Landpfarrer und
wenn ich die Leute mag, dann ist mir nichts zu schnell, zu viel. Ich denke, er hat was
Richtiges gesagt. Ich möchte es nicht verabsolutieren. Es gilt für jede Firma, für jede
Politik. Wenn Sie eine Sitzung halten und mit dem Gefühl hineingehen, jetzt muss ich
mich mit diesen komischen Leuten herumstreiten, dann haben Sie nach zwei
Stunden Kopfweh und sind ausgelaugt. Wenn Sie aber hineingehen mit dem Gefühl,
klar, die sind alle ein bisschen schwierig, aber ich mag sie, dann gehen Sie anders
rein, dann sind Sie nach zwei Stunden erfrischt. Sie gehen nach Hause und haben
trotzdem Kraft. In der Psychologie spricht man von Energiespendern und
Energieräubern. So eine Sitzung, wo ich die Leute mag, wo Liebe mit ist, ist ein
Energiespender. Da ist die Liebe eine „virtus“, eine Kraftquelle. Während, wenn wir in
einer Sitzung sind und das Gefühl haben, unter der Oberfläche ist einer gegen den
anderen, da gibt es lauter Intrigen, da sind Sie nach einer Stunde schon gerädert.
Die Liebe als Quelle, ich möchte nicht moralisierend reden, Du musst den Nächsten
lieben. Platon hat ein Loblied auf den Eros gesprochen, geschrieben. Eros, die Kraft
der Liebe, die Getrenntes verbindet und wenn Paulus im 1. Korinther 13 das Hohe
Lied der Liebe singt, dann spricht er nicht über die Liebe zum Nächsten oder über die
Liebe zwischen Mann und Frau oder über die Liebe zu Gott, sondern die Liebe als
„virtus“, als die Quelle, als die Kraftquelle, aus der wir schöpfen, als eine Macht.
Jeder von uns sehnt sich danach, zu lieben und geliebt zu werden und jeder erfährt
Erfüllung und Enttäuschung, beides will uns an diese innere Quelle führen. Johannes
sagt, Gott ist Liebe. Und wer Liebe ist, der ist in Gott und Gott ist in ihm. Das ist das
Ziel, Liebe zu sein und bei allem, was ich tue, wenn ich zu Sitzungen gehe, wenn ich
eine Firma leite, wenn ich in die Politik gehe, immer wieder mit dieser Quelle der
Liebe in Berührung zu kommen. Natürlich ist es nicht leicht. Jeder von uns wird
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enttäuscht, das ist bitter, aber da ist die Verantwortung, dass wir nicht Enttäuschung
und Bitterkeit weitergeben und die Atmosphäre damit verunreinigen, es gibt ja nicht
nur die wirtschaftliche Umweltverschmutzung, sondern auch die emotionale, wenn
wir unsere eigene Bitterkeit hineintragen. Da ist es wichtig, immer wieder still zu
werden, zu vertrauen unter all den negativen Gefühlen ist in mir eine Quelle die
Liebe. Wenn ich daraus schöpfe, dann werde ich was anderes vermitteln, dann
werde ich Menschen miteinander verbinden, dann werde ich ihnen den Wert zeigen,
dass sie wertvoll sind. Diese Grundwerte Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß, Klugheit,
Glaube, Hoffnung, Liebe, die machen unser Leben wertvoll. Wie gesagt, es geht
nicht darum, ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern Sie kennen alle diese
Werte. Ich habe nichts Neues gesagt, aber die Werte wieder in sich neu zu
entdecken.
Bildung ist nach Platon, dass wir uns gute Bilder einbilden. Und die Werte sind die
Bilder, die sich in uns einbilden sollen, damit wir in Berührung kommen mit dem
inneren Potenzial, das in uns steckt. Mit all den Möglichkeiten, die Gott uns
geschenkt hat. Es ist wichtig, mit welchen Bildern leben wir. Gebildet ist nach Platon
der, der gute Bilder sich eingebildet hat. Nicht, der viel weiß und die Werte sind wie
Bilder. Ich möchte ein Beispiel erzählen: Mit welchen Bildern gehen Sie morgens in
die Arbeit? Mit welchen Bildern machen Sie Ihre Politik, Ihre Firma, leiten Sie Ihre
Gemeinschaft? Ein Beispiel - eine Lehrerin erzählte mir, sie geht morgens in die
Schule mit dem Bild der Dompteuse, ein ziemlich anstrengendes Bild. Oder ein
Manager geht mit dem Bild vom Sandwich in die Arbeit. Das ist auch ziemlich
anstrengend, von oben wird gedrückt und von unten, da bleibt nicht mehr viel für ihn.
Oder ich habe einen Priester begleitet. Der konnte nicht mehr zelebrieren, weil er mit
dem Bild an den Altar ging, ich stehe am Pranger und alle schauen nach, welche
Fehler ich habe. Das sind negative Bilder.
Bilder von Hoffnung, Liebe, die sich einbilden, da geht was anderes auf. Ein
Schulleiter sagte mir, er hat das Bild, er baut eine neue Welt auf, eine eigene Welt in
der Schule. Anstatt sich zu ärgern über die bürokratischen Vorgaben des
Kultusministeriums, baut er in seiner Schule eine Welt auf, an Werten, an Bildung.
Ich denke, wenn jeder von Ihnen eine eigene Welt aufbaut, in der Politik, in der
Wirtschaft und Sie sich dieses Bild mitnehmen - natürlich keine Sonderwelt, keine
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heile Welt, aber eine Welt in dieser Welt, die Kultur hat, wo Werte gelten - dass diese
Welt, die Sie aufbauen, sich dann auswirkt in der ganzen Welt. Albert Einstein sagt
einmal, ein Gedanke, der einmal geäußert worden ist, kann nicht rückgängig
gemacht werden, das, was Sie schaffen, was Sie leben an Werten, was Sie
ausstrahlen, das kann nicht rückgängig gemacht werden. Das wird seine Spur in
diese Welt eingraben. Manche meinen, in unserer breiten Welt haben wir ganz
wenige Möglichkeiten. Nein, dort wo wir Werte leben, wird nicht nur unser eigenes
Leben wertvoll, unser Miteinander, das geht in die ganze Welt hinein. Und das
wünsche ich Ihnen für diese Tage: Dass die Diskussionen, die Sie hier haben, Ihr
Ringen um diese Werte, die wir hier in diesem Land leben wollen, dass Ihr Vertrauen
zu einem Zeichen der Hoffnung werdent über die Grenzen hinaus, über Österreich
hinaus, über Europa hinaus in die ganze Welt. Das ist unser Beitrag zur
Globalisierung, dass wir überzeugt sind von diesen Werten und festhalten an diesen
Werten, die Würde des Menschen achten und durch unsere Art, wie wir leben, nicht
nur unser Leben wertvoller machen, sondern die ganze Welt ein Stück wertvoller,
menschlicher, heller und hoffnungsvoller.
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