nicht nur ein Problem des § 49 Abs. 2 WEG

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nicht nur ein Problem des § 49 Abs. 2 WEG
Haftungsgefahren des Verwalters –
nicht nur ein Problem
des § 49 Abs. 2 WEG
Horst Müller
Kanzlei Müller & Hillmayer
www.mueller-hillmayer.de
1
I. Haftungsvoraussetzungen
1.
Schuldhafte Verletzung von Verwalterpflichten aus Vertrag / oder
aus Gesetz gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB
2.
Verwalter in der Beweispflicht für Nichtverschulden bei
eingetretenem Schaden, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB
2
II. Typische schadensträchtige Pflichtverletzungen
außerhalb von Eigentümerbeschlüssen
1.
Verzug oder Unmöglichkeit einer gem. § 12 Abs. 1 WEG
erforderlichen Zustimmung des Verwalters zu Veräußerung
von Wohnungseigentum
a)
Verzug
Der Verwalter hat die Zustimmung unverzüglich (§ 121 BGB) zu
erteilen, etwaige Versagungsgründe grundsätzlich innerhalb von
2 Wochen sorgfältig zu prüfen (OLG Düsseldorf NJW-RR 2005,
1254; Niedenführ / Kümmel / Vandenhouten § 12 RdNr. 42)
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b)
Unmöglichkeit
Kein Nachweis der Verwaltereigenschaft gem. § 26 Abs. 3 WEG,
da keine Niederschrift über den Bestellungsbeschluss vorhanden,
bei der die Unterschriften der in § 24 Abs. 6 bezeichneten
Personen öffentlich (notariell) beglaubigt sind.
c)
Eventuell Anregung, von § 12 Abs. 4 S. 1 WEG Gebrauch zu
machen: Aufhebung der Pflicht zur Zustimmung
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2.
Verspätete Erstellung der Versammlungsniederschrift, § 24
Abs. 6 S. 1 WEG
a)
Niederschrift muss mindestens 1 Woche vor Ablauf der
Beschlussanfechtungsfrist beim Verwalter zur Einsicht aufliegen
(BayObLG NZM 2001, 754; OLG Franfurt / Main WuM 1990, 461;
Merle in Bärmann, 10. Auflage, § 24 RdNr. 112)
b)
Bisherige Rechtslage bei verspäteter Erstellung
Möglichkeit einer vorsorglichen Anfechtung aller Beschlüsse mit
teilweise oder gänzlicher Antragsrücknahme nach
Protokollerstellung; Kostentragung durch den Verwalter durch
gerichtliche Entscheidung gem. § 47 WEG a. F.
c)
Rechtslage seit 01.07.2007:
Verspätete Protokollerstellung für Verwalter grundsätzlich
unschädlich, wenn er die Eigentümerbeschlüsse unverzüglich in
die Beschluss-Sammlung aufgenommen hat (LG München I,
NJW 2008, 1823 = NZM 2008, 410)
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3.
a)
b)
c)
Vorlage der Eigentümerliste
Der jeweilige Kläger hat in einem Rechtsstreit gem. §
43 WEG, in dem die Klage durch oder gegen alle
Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Gegners
erhoben wird, bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung die namentliche Bezeichnung der
Wohnungseigentümer vorzunehmen, § 44 Abs. 1 S. 2
WEG.
In der Eigentümerliste sind auch die ladungsfähigen
Anschriften anzugeben (BGH NJW-RR 2004, 1503;
BT-Drucks. 16/887 S.35 f.).
Das Gericht kann nicht gem. § 142 ZPO anordnen,
dass der Verwalter die Liste vorzulegen habe (Wenzel
in Bärmann, § 44 RdNr. 11).
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d)
Keine Pflicht des Verwalters als Beklagtenvertreter (§ 27 Abs. 2
Nr. 2 WEG) zur Vorlage der Liste dem Kläger gegenüber
(Wenzeln in Bärmann, § 44 RdNr. 11); Aber Einsichtsrecht des
klagenden Wohnungseigentümers in alle Verwaltungsunterlagen,
also auch in Eigentümerliste mit dem Recht zur Fertigung von
Kopien auf eigen Kosten (OLG Saarbrücken, ZMR 2007, 141 f.;
Merle in Bärmann, § 26 RdNr. 119).
e)
aa)
Risiken des Verwalters
Bei Nichtvorlage der Eigentümerliste wird die erhobene Klage
mangels hinreichender Bestimmtheit als unzulässig abgewiesen
(Jennißen / Suiellmann, § 45 RdNr. 27; Wenzel in Bärmann, § 44
RdNr. 17).
Folge: Kostentragungspflicht des Verwalters entweder gem. § 49
Abs. 2 WEG und / oder materiell rechtliche Schadenersatzpflicht
zur Kostenerstattung und zum Ersatz des durch die
Klageabweisung dem Kläger entstandenen Schadens.
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4.
a)
b)
aa)
bb)
Verzug bei Erfüllung der Pflicht des Verwalters gem. § 27
Abs. 1 Nr. 2 WEG (Pflicht zur Instandhaltung und
Instandsetzung gemeinschaftlichen Eigentums)
Szenario:
Ein Wohnungseigentümer meldet Feuchte und
Schimmelbildung an einer Außenwand seiner Wohnung.
Sofortpflichten des Verwalters:
Wohnungsbesichtigung
Bei nicht auszuschließender Schadhaftigkeit des
Gemeinschaftseigentums als Ursache Einschaltung eines
Sonderfachmanns, § 27 Abs. 3 Nr. 3, evtl. § 27 Abs. 3 Nr. 4 i. V.
m. § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG.
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cc)
Liegt danach Ursache in der Schadhaftigkeit des
Gemeinschaftseigentums, eventuell Herbeiführung von
Sofortmaßnahmen, jedenfalls Vorbereitung einer
Beschlussvorlage für die nächste ETV zur Instandsetzung
gemeinschaftlichen Eigentums, möglicherweise mit dem Ziel
weitere Untersuchungen vor Durchführung der
Instandsetzungsmaßnahme (s. in diesem Zusammenhang
aktuell OLG München, Beschluss vom 18.02.2009 – 32 Wx
120/08 – zur Schadenersatzpflicht der Wohnungseigentümer bei
verzögerter Instandsetzung trotz Vorliegens bestandskräftiger
Eigentümerbeschlüsse, die eine beschlossene Gesamtsanierung
aufschieben oder durch eine eingeschränkte Maßnahme
ersetzen).
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III. Schadensträchtige Pflichtverletzungen des
Verwalters anlässlich und bei Beschlussfassungen
der Wohnungseigentümer, insbesondere unter
Berücksichtigung von § 49 Abs. 2 WEG
1.
„Grobes Verschulden“ = mindestens „grobe Fahrlässigkeit“
Grob fahrlässig ist ein Handeln, bei dem die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt
wurde, insbesondere ganz naheliegende Überlegungen nicht
angestellt oder bei Seite geschoben wurden und dasjenige
unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem
aufgedrängt hätte. Es muss sich also um eine auch subjektiv
schlechte unentschuldbare Pflichtverletzung handeln (so schon
BGH NJW 1984, 789; NJW 2005, 981).
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2.
a)
aa)
bb)
cc)
dd)
ee)
ff)
gg)
hh)
ii)
jj)
kk)
Die Fälle der Verkündung fehlerhafter Beschlüsse:
Formelle Beschlussmängel
Unterbliebene Ladung einzelner Wohnungseigentümer
Nichteinhaltung der Ladungsfrist
Nichtankündigung der Beschlussfassung in der TO
Fehlerhafte Adressierung
Einberufung durch Nichtbefugte
Unzulässiger Versammlungsort
Ganz allgemein Mängel bei der Vorbereitung der
Eigentümerversammlung, z. B. fehlende oder unvollständige
Übersendung erforderlicher Unterlagen
Bewusste Nichtladung eines von der Mitwirkung bei der
Beschlussfassung nicht ausgeschlossenen Eigentümers
Grobe Fehler bei der Versammlungsleitung, Abstimmungs- oder
Beschlussfeststellung
Missachtung der GO, wie z. B. der Bestimmung über die
Protokollierung von Beschlüssen oder über die erforderliche
Stimmenmehrheit
Beschlussfassung bei fehlender Beschlussfähigkeit oder unter dem 11
TOP „Sonstiges“
b)
aa)
bb)
cc)
dd)
ee)
ff)
gg)
Materielle Beschlussmängel
Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung (z.
B. bei Beschlussfassung gem. § 16 Abs. 3 WEG)
Beschlüsse im Grenzbereich zwischen modernisierender
Instandsetzung und baulicher Veränderung
Verstöße gegen die GO (z. B. Anwendung eines falschen
Kostenverteilungsschlüssels in der Jahresabrechnung)
Verstöße gegen das Gesetz (z. B. Wahl eines aus 5 Personen
bestehenden Verwaltungsbeirats)
Verstöße bei Beschlussfassung gem. § 16 Abs. 4 WEG
- kein „Einzelfall“
- fehlerhafter Maßstab
- „Paradigmenwechsel“
Verstöße bei Beschlussfassung gem. § 22 Abs. 1 WEG:
Benachteiligung von Wohnungseigentümern im Sinne von § 14
Nr. 1 WEG
Verstöße bei Beschlussfassung gem. § 22 Abs. 2 WEG
(Modernisierung)
- Veränderung der Eigenart der Wohnanlage
- Unbillige Benachteiligung von Wohnungseigentümern
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3.
Die Fälle fehlerhafte Verkündung von Beschlüssen
a)
Erkennbare Beschlussmängel (z. B. keine Beschlussfähigkeit;
keinerlei Ankündigung in der TO)
b)
Keine Mehrheit, keine durch Gesetz oder GO vorgeschriebene
qualifizierte Mehrheit
c)
Prominente Beispiele: § 22 Abs. 2 und § 16 Abs. 4 WEG
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4.
Die Pflichten des Verwalters zur Vermeidung einer Haftung,
insbesondere gem. § 49 Abs. 2 WEG
a)
Hinweispflicht vor Verkündung eines fehlerhaften Beschlusses
gem. Ziff. 2. lit. a und b (formelle und materielle
Beschlussmängel)
b)
Nichtverkündung eines positiven Beschlusses bei Abstimmungen
über Maßnahmen nach Ziff. 3 (erkennbare Beschlussmängel,
Nichterreichen des Quorums)
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5.
a)
b)
c)
d)
Risiken des Verwalters
bei Verletzung der Hinweispflicht bzw. bei positiver
Beschlussverkündung trotz Nichterreichens des Quorums
oder eindeutiger Beschlussmängel.
Keine Haftungsgefahr bei Nichtanfechtung
Gefahr der Kostentragungspflicht bei Anfechtung gem. § 49 Abs.
2 WEG
Gefahr der Schadenersatzpflicht gem. § 280 BGB bei Anfechtung
(z. B. Folgenbeseitigung durch Rückbau)
Gefahr der Abberufung aus wichtigem Grunde
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6.
§ 49 Abs. 2 WEG und materiell-rechtlicher
Kostenerstattungsanspruch
a)
Es sind prozessökonomische Gründe, über § 49 Abs. 2 WEG
einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch schon in
die prozessuale Kostenentscheidung einzubeziehen.
a)
Macht das Gericht davon Gebrauch, verbietet es die Rechtskraft
der Kostenentscheidung, die selbe Frage unter materiellrechtlichen Gesichtspunkten abweichend zu prüfen.
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c)
d)
e)
Hat das Gericht den materiell-rechtlichen
Kostenerstattungsanspruch berücksichtigt – nicht immer
erkennbar – und verneint, kann dieser in einem weiteren
Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden.
Nur wenn das Gegenteil in den Entscheidungsgründen deutlich
zum Ausdruck kommt, kann der materiell-rechtliche
Kostenerstattungsanspruch in einem weiteren Verfahren geltend
gemacht werden.
Hat das Gericht einen materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch
zwar geprüft, aber gleichwohl keine Kostenentscheidung gem. §
49 Abs. 2 WEG getroffen (z. B. grobes Verschulden), so steht die
Entscheidung einer erneuten materiell-rechtlichen Beurteilung
nicht entgegen.
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6. Rechtliches Gehör
Dem Verwalter ist rechtliches Gehör zu gewähren. Dies gilt unabhängig
davon, ob er an dem Rechtsstreit als Partei, Vertreter, Bevollmächtigter
oder als Nebenintervenient beteiligt ist, ob er beigeladen wurde oder
nicht beigetreten ist oder ob er nicht beigeladen wurde. Selbst wenn er
Partei oder beigeladen ist, muss er darauf hingewiesen werden, dass
die Prozesskosten abweichend von §§ 91 ff. ZPO ihm auferlegt werden
können.
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7.
a)
b)
c)
Rechtsmittel
Das Gesetz sieht eine Anfechtung der Entscheidung nach Abs. 2
nicht vor.
Die Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung der eine
isolierte Kostenentscheidung betreffenden Bestimmungen der §§
91 a Abs. 2, 99 Abs. 2, 269 Abs. 5, 516 Abs. 3, 565 ZPO zu
schließen, also: befristete sofortige Beschwerde.
Kann ein Wohnungseigentümer einen materiell-rechtlichen
Kostenerstattungsanspruch nicht mehr geltend machen, weil er in
der richterlichen Kostenentscheidung ausdrücklich abgelehnt
wurde, kann der Wohnungseigentümer gegen die richterliche
Entscheidung sofortige Beschwerde einlegen, analog § 91 a
ZPO.
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8.
Rechtsprechungsbeispiele zu § 49 Abs. 2 WEG
LG Konstanz, Beschluss vom 09.01.2008
- 62 T 134/07 -, NZM 2008, 134
5. Dem Verwalter sind die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
wenn er es zu verantworten hat, dass die
Jahresabrechnung für ungültig zu erklären ist oder
wenn der Beschluss deshalb aufzuheben ist, weil
das Protokoll lückenhaft erstellt ist und sich das
Abstimmungsverhältnis nicht ermitteln lässt. § 49
Abs. 2 WEG ist auf Verfahren, die noch dem FGVerfahren unterliegen, nicht anwendbar. Es gehört
zu den elementaren Aufgaben des Verwalters, die
Gemeinschaftsordnung zu beachten.
20
AG Tempelhof/Kreuzberg, Urteil
vom 11.01.2008 - 72 C 141/07 -,
BeckRS 2008, 06182
Stellt der Verwalter als Versammlungsleiter das
Zustandekommen eines Beschlusses fest, obwohl die
erforderliche Stimmenmehrheit nicht erreicht wurde,
können ihm die Prozesskosten für eine erfolgreiche
Beschlussanfechtung auferlegt werden.
21
AG Dortmund, Beschluss vom 28.01.2008
- 511 C 3/07 – (NZM 2008, 172)
Im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens kann bei einer
Aufhebung des Beschlusses nur zu Lasten der beklagten
Wohnungseigentümer, nicht aber zu Lasten des Verbandes
„Wohnungseigentümergemeinschaft“ eine
Kostenentscheidung ergehen.
22
AG Neuss, Urteil vom 28.01.2008
- 101 C 442/07 - =ZMR 2008, 498
Wegen des Vorliegens eines „groben Verschuldens“ sind
ihm nach § 49 II WEG die Kosten aufzuerlegen.
23
AG Konstanz, Urteil vom 17.07.2008
- 12 C 16/08 -, ZWE 2008, 353
Ist die Jahresabrechnung gravierend zu beanstanden, trifft
den Verwalter ein grobes Verschulden. Er hat die
außergerichtlichen Kosten desjenigen, der den Beschluss
angefochten hat, zu erstatten.
24
AG Hannover, Urteil vom 22.07.2008
- 483 C 945/08 -
Übt der Verwalter eine ihm weisungsgebundene Vollmacht
mit der Folge nicht aus, dass deshalb ein Beschluss
rechtswidrig gefasst werden kann, können ihm die
Verfahrenskosten auferlegt werden.
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AG Düsseldorf, Beschluss vom 07.07.2008, ZMR
2008, 917
Ungenaue Bezeichnung der Tagesordnungspunkte in der Ladung
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