NZZ Stil | Juli 2012

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NZZ Stil | Juli 2012
Datum: 08.07.2012
NZZ am Sonntag
Neue Zürcher Zeitung AG
8021 Zürich
044 258 11 11
http://www.nzz.ch/magazin/stil
Medienart: Print
Medientyp: Publikumszeitschriften
Auflage: 130'756
Erscheinungsweise: wöchentlich
Alles Glück
der Welt
Aus einer alten Tradition ist eine
moderne Massenhysterie geworden:
Ohne Bettelarmhand geht es nicht
Themen-Nr.: 455.17
Abo-Nr.: 1067228
Seite: 6
Fläche: 39'049 mm²
Jahr zum Geburtstag gab
es einen Anhänger, beim Dorfjuwelier sorgfältig ausgewählt
von einem Expertenteam,
bestehend aus Grossvater, Mutter
und Vater. Verpackt wurde das kleine Silberstückchen der Zeit entsprechend in einer Mini-Plastic-Schachtel, auf beiden Seiten gut gepolstert
mit weissem Schaumstoff. Kaum
war es ausgepackt, folgte der grosse
Moment, in dem der Vater, bewaffnet mit Pinzette und Flachzange,
den neuen Anhänger kunstfertig am
Bettelarmband befestigte.
Zwölf Jahre dauerte es, bis mein
Armband «voll» war. Zwölf Jahre,
in denen mein Arm immer weiter
wuchs und das kleine Stückchen
Kette, das am Verschluss herabhing,
immer kürzer wurde. Ich hatte das
obligate Herzchen (als Zeichen der
Liebe meiner Eltern), einen Elefanten mit Emaille-Anstrich (der soll, so
die Tradition, einem ein Leben voller guter Erinnerungen bescheren)
und auch eine Seilbahn-Gondel aus
jenem Jahr, als ich zum ersten Mal in
einer solchen gefahren war.
Jedes
Urbedürfnis des Menschen
Woher der Ausdruck «Bettelarm-
Medienbeobachtung
Medienanalyse
Informationsmanagement
Sprachdienstleistungen
ARGUS der Presse AG
Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich
Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01
www.argus.ch
Argus Ref.: 46650606
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band» kommt, das weiss nicht einmal der Duden. Man nimmt an, es
habe etwas damit zu tun, dass man
sich die Anhänger über die Jahre
«zusammenbettelt». Aufschlussreicher ist vielleicht das Englische,
wo dieses Schmuckstück «Charm
Bracelet» genannt wird, also etwa
«Glücksbringerarmband». Und sich
mit Glücksbringern zu schmücken,
das ist ein urmenschliches Bedürfnis. Fundstücke aus der Steinzeit
belegen, dass man sich schon damals
Amulette um den Hals oder den
Arm legte, und auch über die folgenden Tausende von Jahren hat es
der Mensch nicht lassen können,
sich irgendetwas an den Körper zu
hängen oder zu knüpfen, das ihn
beschützen, ihm Glück bringen oder
ihn auf seinem Weg lenken soll.
Die britische Königin Victoria
(1819-1901) gilt gemeinhin als jene
Frau, die das Bettelarmband vom
reinen Glücksbringer zum modischen Accessoire machte. Sie besass
verschiedene Armbänder aus Gold,
geschmückt mit Anhängern, die sie
an ihre Familie erinnerten und zum
Beispiel eine Haarlocke ihres Ehemanns Albert enthielten.
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nach wie vor, aber irgendwie waren
die Zeiten romantischer, als der
Vater noch mit Pinzette und Zange
hantierte. Katharina Blansjaar
Wo kaufen?
Marken, die sogenannte
«Charm Bracelets»
anbieten, gibt es heute
Dutzende. Manche
haben Hunderte von
Anhängern im Sortiment.
Wer wirklich individuell
sein will, sollte sich seine
Anhänger aber lieber
bei kleinen Juwelieren
zusammensuchen.
Geschäft mit dem Glück
Das erste Bettelarmband einer
Schmuckmarke brachte 1889 Tiffany
& Co. auf den Markt. Es war eine
Kette aus dicken Silbergliedern,
dekoriert mit einem Herzanhänger und es ist noch heute erhältlich.
In den vergangenen Jahren
allerdings hat sich der Trend zum
Bettelarmband fast schon inflationär
verstärkt. Firmen wie Thomas Sabo
und die dänischen Marken Trollbeads und Pandora haben das Sammeln von Schmuckanhängern zum
Kommerz gemacht. Und anders als
früher ist so ein Bettelarmband auch
nicht mehr für die Ewigkeit, sondern
kann nach Lust und Laune angepasst
werden. Die «Charms» dieser Marken lassen sich entweder mit Karabinerverschlüssen immer wieder
anders kombinieren, oder sie sind,
wie im Fall der Dänen, Perlen, die
sich temporär auf ein Band reihen
lassen. Schön sind Bettelarmbänder
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