Vertragsarztrecht Mini oder Midi Ärztliche Schweigepflicht

Transcription

Vertragsarztrecht Mini oder Midi Ärztliche Schweigepflicht
Recht, Steuern, Betrieb – Informationen für Gesundheitsberufe und -unternehmen
Vertragsarztrecht
Welche Chancen und Risiken die
Anstellung von Ärzten birgt
Seite 2
Mini oder Midi
Was Arbeitgeber über Teilzeitjobs
wissen sollten
Seite 6
Ärztliche Schweigepflicht
Die inhaltliche, personelle und
zeitliche Reichweite
Seite 8
Michael Sabisch, Steuerberater bei Ecovis in Volkach
„Die Herkunft von Privateinlagen ins
Betriebsvermögen muss nachvollziehbar sein.“
Seite 4
ECOVISmed Ausgabe 1/2014
„Wer Ärzte anstellen will, hat seit 2007 mehr Möglichkeiten. Die Chancen und Risiken
bei Anstellungen müssen aber im Auge behalten werden.“
Isabel Wildfeuer, Rechtsanwältin bei Ecovis in München, [email protected]
VERTRAGSARZTRECHT
Spezialfragen rund um den angestellten Arzt
Die Zahl der angestellten Ärzte ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.
Was macht die Anstellung so interessant? Worauf müssen Sie achten?
D
as am 1. Januar 2007 in Kraft
getretene Vertragsarztrechts­
änderungsgesetz soll Kooperations­
formen erleichtern und eine Fle­
xibilisierung des ärztlichen Berufs
bringen. Hierbei spielt die Mög­
lichkeit der Anstellung von Kolle­
gen durch Vertragsärzte oder von
Ärzten in einem Medizinischen
Versorgungszentrum (MVZ) eine
wichtige Rolle, zumal rund zwei
Drittel aller Absolventen des me­
dizinischen Hochschulstudiums in­
zwischen Frauen sind. Die Wege
zur Anstellung sind vielfältig.
Voraussetzung für die Anstellung
eines Arztes ist grundsätzlich eine
Genehmigung durch den zustän­
digen Zulassungsausschuss. Es gibt
im Wesentlichen fünf verschiedene
Anstellungsmöglichkeiten.
Variante 1:
Der Erwerb eines Vertragsarztsitzes zum Zweck der
Anstellung
Im gesperrten Planbereich ist ein
ausgeschriebener Vertragsarztsitz
zu erwerben; gleichzeitig wird die
Genehmigung zur Anstellung eines
bestimmten Arztes beantragt. So
kann ein bereits niedergelassener
Vertragsarzt einen Verlegungs­
antrag stellen, sich an seinem Pra­
xisort auf einen ausgeschriebenen
Vertragsarztsitz bewerben und
diesen mit einem dann bei ihm
angestellten Arzt weiterführen.
Das kann er sogar am Ort des aus­
geschriebenen Vertragsarztsitzes,
sofern ihm zeitgleich eine entspre­
chende Filialgenehmigung erteilt
wird. Denn seit Inkrafttreten des
neuen Bundesmantelvertrags zum
1. Oktober 2013 kann der ange­
2
Ecov i s med 1/2014
stellte Arzt auch allein in der Filiale
tätig werden.
Variante 2:
Verzicht eines Vertragsarztes
auf seine Zulassung zum Zweck
der eigenen Anstellung
Ein Vertragsarzt, für dessen Arzt­
gruppe eine Zulassungsbeschrän­
kung angeordnet ist, kann zunächst
seinen Vertragsarztsitz verlegen.
Dann verzichtet er auf seine Zulas­
sung zugunsten seiner Anstellung
bei einem anderen Vertragsarzt im
selben Planbereich. Nach drei Mo­
naten Angestelltentätigkeit kann
er durch einen anderen Arzt ersetzt
werden. Dabei ist wieder Antrag
auf Genehmigung der Anstellung
des nachfolgenden angestellten
Arztes zu stellen.
In den Varianten 1 und 2 lässt sich
die Anstellung auf Antrag wieder
in eine Vollzulassung umwandeln.
Dies ermöglicht oft eine sichere
Praxisnachfolge. Eine Anstellungs­
zulassung kann auf vier teilzeitar­
beitende Ärzte zu jeweils 10 Stun­
den pro Woche aufgeteilt werden.
Der angestellte Arzt erhält dann
jeweils ein eigenes (anteiliges)
Regel­leistungsvolumen (RLV) bezie­
hungsweise ein Qualifikationsge­
bundenes Zusatzvolumen (QZV).
Variante 3:
Job-Sharing-Assistent
Ein Arzt kann im gesperrten Pla­
nungsbereich als Job-SharingAssistent angestellt werden. Beide
Ärzte werden dabei auf einer Zu­
lassung tätig. Um die Ausweitung
der Leistungen zu vermeiden, legt
der Zulassungsausschuss dabei für
den Praxisinhaber sowie für den
Job-Sharing-Assistenten eine ma­
ximal abrechenbare gemeinsame
Leistungsmenge fest: Diese be­
trägt in der Regel 103 Prozent der
bisherigen Leistungsmenge des
anstellenden Arztes. Der Umfang
und die Aufteilung der gemeinsa­
men Leistungserbringung werden
intern zwischen den beiden Ärzten
geregelt. Dadurch kann der Praxis­
inhaber erheblich entlastet werden.
Grundsätzlich sind sowohl Teilzeit­
tätigkeit als auch die Erweiterung
der Praxisöffnungszeiten und ein
umfassenderes Leistungsangebot
möglich.
Variante 4:
Sicherstellungsassistent/
Weiterbildungsassistent
Ist ein Vertragsarzt – etwa durch
Erkrankung, Erziehung eines Kindes
oder wegen Wahrnehmung be­
rufspolitischer Aufgaben – vorü­
bergehend gehindert, seinen ver­
tragsärztlichen Pflichten in vollem
Umfang nachzukommen, kann er
sich durch die zuständige Kassen­
ärztliche Vereinigung einen Sicher­
stellungsassistenten genehmigen
lassen.
Eine weitere Möglichkeit ist die Be­
schäftigung eines Weiterbildungs­
assistenten, also eines Arztes, der
nach Erteilung der Approbation
beziehungsweise der Berufserlaub­
nis im Rahmen einer Weiterbildung
zum Erwerb einer Facharzt-, Schwer­
punkt- oder Zusatzbezeichnung bei
einem Vertragsarzt tätig wird. Die
Anstellung eines Weiterbildungsas­
sistenten wird oft finanziell geför­
dert und bietet eine gute Chance,
den Nachwuchs schon früh mit in
den Praxisalltag einzubeziehen.
Was Sie bei allen Formen der Anstellung beachten müssen
Fachgebietsgleichheit. Im gesperrten Planbereich muss zwischen
anstellendem Arzt und angestelltem Arzt die Fachgebietsgleich­
heit bestehen. Sind keine Zulassungsbeschränkungen angeord­
net, kann auch die Anstellung eines fachgebietsfremden Arztes
erfolgen. Eine Anstellung ist mit dem neuen Bundesmantelver­
trag auch zulässig, wenn der fachübergreifende anstellende bzw.
anzustellende Arzt nur auf Überweisung hin tätig wird. Besitzt
der angestellte Arzt andere Qualifikationen für die Erbringung
vertragsärztlicher Leistungen als der Praxisinhaber, können diese
nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung an­
geboten werden. Das erweitert das Leistungsspektrum des Ver­
tragsarztes. Der Praxisinhaber hat dann auch diese fachfremden
Leistungen zu verantworten, darf sie selbst jedoch nicht erbrin­
gen. Ein Vertragsarzt in einem nicht gesperrten Planbereich darf
maximal drei Vollzeitbeschäftigte bzw. eine entsprechende An­
zahl von Teilzeitbeschäftigten anstellen, damit er dem Grundsatz
der persönlichen Leistungserbringung noch gerecht wird.
Risiko Gewerbesteuer. Ein Vertragsarzt darf vertragsarztrecht­
lich maximal drei Vollzeitbeschäftigte oder Teilzeitbeschäftigte
in einer Anzahl anstellen, die in zeitlichem Umfang ihrer Arbeits­
zeit drei Vollzeitbeschäftigten entspricht. Dann ist der Grundsatz
der vertragsärztlichen persönlichen Leistungserbringung noch
gewährleistet. Fraglich ist jedoch, ob in diesen Fällen auch noch
steuerlich von einer eigenverantwortlichen und leitenden Tä­
tigkeit im Sinne eines freien Berufs ausgegangen werden kann.
Höchst zweifelhaft ist dies bei einer Anstellung fachfremder Ärz­
te, da der Vertragsarzt in diesen Fällen nicht über die gleiche
fachliche Qualifikation verfügt. Einige Finanzgerichte bejahen
bei Beschäftigung fachfremder angestellter Ärzte die Gewerbe­
steuerpflicht des anstellenden Arztes. Steuerliche Beratung ist in
diesen Fällen daher dringend zu empfehlen. MVZs laufen nicht
Gefahr, in die Gewerbesteuerpflicht zu rutschen, da die Anstel­
lung im MVZ und nicht beim Vertragsarzt persönlich erfolgt.
Arbeitgeberpflichten und Haftung. Als anstellender Arzt begrün­
den Sie ein Anstellungsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten
wie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgewährung
und Kündigungsfristen. Außerdem haftet der Vertragsarzt für
die Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten durch den ange­
stellten Arzt und Assistenten genauso wie für die eigene Tätig­
keit. Es ist daher darauf zu achten, dass bei der Berufshaftpflicht­
versicherung ein entsprechender Deckungsschutz vorhanden ist.
Die Beschäftigung eines „freien Mitarbeiters“ ist in den darge­
stellten Varianten unzulässig und hat schwerwiegende sozialver­
sicherungsrechtliche und steuerliche Konsequenzen.
Generell ist jedoch darauf zu ach­
ten, dass die Beschäftigung von
Assistenten nicht zu einer Vergrö­
ßerung der Vertragsarztpraxis oder
der Aufrechterhaltung eines über­
großen Praxisumfangs dient.
Variante 5:
Anstellung im MVZ
J e d e s M V Z k a n n Ä r z t e u n p ro ­
blematisch anstellen, wenn der
Planbereich für die entsprechen­
de Arztgruppe nicht mit einer Zu­
lassungsbeschränkung belegt ist.
Andernfalls ist eine Anstellung nur
durch Einbringung einer Zulassung
in das MVZ möglich. Dies geschieht
einmal durch Verzicht auf die Zulas­
sung eines Vertragsarztes zuguns­
ten seiner Anstellung im MVZ oder
durch Erwerb eines Vertragsarzt­
sitzes zum Zweck der Anstellung.
Auch ein MVZ kann sich also im ge­
sperrten Planbereich um einen zur
Nachbesetzung ausgeschriebenen
Vertragsarztsitz bewerben, indem
es einen im Arztregister eingetra­
genen Arzt benennt, der als ange­
stellter Arzt im MVZ tätig werden
soll. Eine Anstellungsstelle im MVZ
kann ebenfalls maximal mit vier
Ärzten zu je 10 Stunden pro Wo­
che besetzt werden.
Alle Varianten der Anstellung von
Ärzten bieten eine attraktive Ge­
staltungsmöglichkeit, um flexibler
und wirtschaftlicher zu arbeiten.
Doch sie sind mit rechtlichen Fall­
stricken verbunden.
FAZIT:
”
Wer Ärzte anstellt, hat
einige Gestaltungsmög­
lichkeiten, muss dabei
jedoch viele Vorschriften
beachten. Eine umfas­
sende rechtliche und
steuerl­iche Beratung ist
im Einzelfall anzuraten,
um kosten­intensive
Fehler zu vermeiden.
Ecov i s med 1/2014
3
„Wenn es sich um eine private Bareinlage handelt, muss dies für Dritte klar erkennbar
sein. Daher ist ihre Herkunft entsprechend zu dokumentieren.“
„Die Rechtsprechung des Sozialgerichts München zur Unzulässigkeit der Aufrechnung
mit strittigen Forderungen gibt auch bundesweit gute Argumente im Abrechnungsstreit
mit den Krankenkassen.“
Michael Sabisch, Steuerberater bei Ecovis in Volkach, [email protected]
Ina von Bülow, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Ecovis in München, [email protected]
Gewinnermittlung
Forderungsdurchsetzung
Vorsicht bei privaten Bareinlagen
Von der Aufrechnung noch profitieren
Kann ein Steuerpflichtiger die Herkunft von Bareinlagen ins Betriebsvermögens nicht nachweisen,
darf das Finanzamt sie als Betriebseinnahmen betrachten.
Gesetzliche Krankenkassen dürfen bestrittene Rückforderungsansprüche gegen Krankenhäuser
vorerst nicht mehr aufrechnen – eine höchstrichterliche Entscheidung dazu steht noch aus.
D
B
FAZIT:
”
In der Praxis ist es
wichtig, dass die
Herkunft von Privateinla­
gen im Rahmen der
Beweisvorsorge
entsprechend dokumen­
tiert wird. Kann nämlich
bei einer Betriebsprüfung
die Herkunft der Mittel
nicht nachgewiesen
werden, kann es zu
Hinzuschätzungen von
Betriebseinnahmen durch
das Finanzamt kommen.
4
Ecov i s med 1/2014
ei Einlagen ins Betriebsvermö­
gen hat der Steuerpflichtige
eine besondere Mitwirkungspflicht
bei der Aufklärung der Herkunft
des Geldes. Kann er den Nachweis
nicht führen, so darf das Finanz­
amt unterstellen, dass die unge­
klärte Kapitalzuführung auf nicht
versteuerten Einnahmen beruht.
Dies gilt auch bei der EinnahmenÜberschuss-Rechnung gemäß Pa­
ragraf 4 Abs. 3 EStG.
In diesem Sinne hat der Bundesfi­
nanzhof (BFH) am 13. Juni 2013
entschieden, dass das Finanzamt
von Betriebseinnahmen ausge­
hen darf, wenn die Herkunft des
Geldes ungeklärt bleibt (Aktenzei­
chen: X B 132-133/12). Denn die
Ungewissheit beruhe darauf, dass
der Steuerpflichtige seiner Mitwir­
kungspflicht nicht nachgekom­
men sei. Das Finanzamt darf eine
Hinzuschätzung von Betriebsein­
nahmen auch dann vornehmen,
wenn der Steuerpflichtige seine
Angaben nicht ausreichend erklä­
ren kann oder er die Auskunft dar­
über verweigert.
Bei der Einnahmen-ÜberschussRechnung besteht zwar keine ge­
setzliche Verpflichtung, die Be­
triebseinnahmen und -ausgaben
aufzuzeichnen sowie die entspre­
chenden Belege aufzubewahren.
Wenn der Steuerpflichtige dies
nicht tut, trägt er jedoch das Risi­
ko, dass das Finanzamt die Besteu­
erungsgrundlagen nicht ermitteln
oder berechnen kann und des­
halb die Voraussetzungen für eine
Schätzung erfüllt sind.
Die Einlage der privaten Mittel
muss als objektives Verhalten des
Unternehmers für Dritte erkenn­
bar zum Ausdruck kommen. Die
Aufzeichnungen müssen also so
gehalten sein, dass es einem frem­
den Dritten möglich ist, den durch
Kassensturz festgestellten Ist-Be­
stand anhand des Kassenbuchs zu
überprüfen. Gerade bei Betrieben
mit einem hohen Anteil an Barein­
nahmen ist eine zeitgerechte Auf­
zeichnung der Geschäftsvorfälle
und eine ordnungsgemäße Kas­
senführung entscheidende Grund­
lage für die Gewinnermittlung.
Unerheblich für den BFH ist, dass
die Pflicht, die Herkunft von Einla­
gen nachzuweisen, in der Praxis zu
einer weitreichenden Dokumen­
tation über Quellen des privaten
Vermögens führen kann. Eben­
so unbedeutend ist die weitere
Verwendung des in den Betrieb
eingelegten Betrags. Eine Vermö­
genszuwachs- und Geldverkehrs­
rechnung wird nicht gefordert. Für
eine Hinzuschätzung der eingeleg­
ten Mittel zu den Betriebseinnah­
men reicht es laut BFH aus, dass
durch die Verletzung der Mitwir­
kungspflicht keine ausreichende
Sachaufklärung möglich ist.
as Sozialgericht (SG) München
hat in mehreren Entscheidun­
gen festgestellt, dass die gängige
Praxis der gesetzlichen Kranken­
kassen, ihre Rückforderungsan­
sprüche gegenüber Kliniken mit
Aufrechnung durchzusetzen, un­
zulässig ist. Im Abrechnungssystem
der Krankenhäuser über stationäre
Behandlungen haben die Kranken­
kassen zunächst innerhalb von drei
Wochen die Behandlungskosten
zu erstatten. Dann können sie eine
Rechnungsprüfung durch den Me­
dizinischen Dienst der Krankenkas­
sen (MDK) einleiten.
Ergibt diese Prüfung, dass die Ab­
rechnung fehlerhaft war, bringen
die Kassen üblicherweise die aus
ihrer Sicht unberechtigt gezahl­
te Summe in einer der nächsten
Abrechnungen in Abzug. Dies ist
dann problematisch, wenn der
Rückforderungsanspruch von der
Klinik bestritten wurde, meist also,
wenn das MDK-Gutachten im Dis­
sens erging. Hier fehlen die recht­
lichen Voraussetzungen für eine
Aufrechnung. Deshalb sieht das
SG München den Rückforderungs­
anspruch als nicht fällig an und er­
achtet daher eine Aufrechnung für
unzulässig.
Das Gericht argumentiert dabei mit
dem besonderen Vertrauensver­
hältnis zwischen Krankenhäusern
und gesetzlichen Krankenkassen,
das gerade das Bundessozialge­
richt immer wieder betont hat. Die­
ses Verhältnis ist von gegenseitigen
Forderungen, aber auch gegen­
seitiger Erfüllung von Aufgaben
geprägt. Dabei steht der schnelle
Ausgleich der vom Krankenhaus
in Vorleistung erbrachten Behand­
lung dem Interesse der Kassen an
einer umfänglichen Rechnungs­
prüfung gegenüber.
Aus diesem besonderen Verhält­
nis leitet das SG München die Ver­
pflichtung der Parteien ab, die dem
Versicherten zu gewährende Be­
handlung möglichst wirtschaftlich
und kostensparend zu erbringen.
Dies führe dazu, Aufrechnungen
nur mit unstrittigen Gegenforde­
rungen zu erklären. Ansonsten
würde der Abrechnungsvorgang
durch Hinzunahme anderer stritti­
ger Fälle erheblich verkompliziert
und bezüglich unstreitiger Forde­
rungen der Krankenhäuser unzu­
lässig verzögert. Zudem entspreche
es nicht dem besonderen Verhältnis
der Parteien, wenn sich die gesetz­
lichen Krankenkassen dem grund­
sätzlichen Einvernehmen durch
vorschnelle Aufrechnung entziehen
wollten, anstatt ihre strittige Rück­
forderung mit der Klinik abzuklären
oder gegebenenfalls mit Widerkla­
ge geltend zu machen.
Das SG München hat einer Vielzahl
von Fällen allein wegen der fehler­
haften Aufrechnung zugunsten der
klagenden Krankenhäuser stattge­
geben, teilweise sogar ohne eine
medizinische Prüfung des zugrun­
de liegenden Abrechnungsstreits
einzuleiten. Diese Spruchpraxis
wollen nun die gesetzlichen Kran­
kenkassen in der nächsten Instanz
überprüfen. Derzeit sind verschie­
dene Verfahren am Bayerischen
Landessozialgericht anhängig. Eine
Tendenz lässt sich noch nicht abse­
hen, dass es letztendlich zu einer
höchstrichterlichen Entscheidung
durch das BSG über diese weitrei­
chende Frage kommt, ist aus heu­
tiger Sicht wahrscheinlich.
Vor einer gerichtlichen Auseinan­
dersetzung sind in jedem Fall die
Voraussetzungen zu prüfen: Liegt
eine Aufrechnung mit einer bestrit­
tenen Forderung vor? Denn nur
hier ist diese auch zu beanstanden.
Wer eine Klage anstrebt, muss die
Aufrechnungsproblematik juris­
tisch sorgfältig darstellen. Dabei
hilft am besten ein Fachanwalt.
FAZIT:
”
Im Streit um Abrechnun­
gen dürfen Kranken­
kassen keine bestrittenen
Forderungen auf­rechnen.
Höhergerichtliche
Entscheidungen zu dieser
Problematik sind zu
erwarten.
Ecov i s med 1/2014
5
„Mini- und Midi-Jobs sind zusehends bei Arbeitnehmern sowie Arbeitgebern beliebt,
steuerlich begünstig – und mit einer Menge Fallstricken versehen.“
„Sozialversicherung, Arbeitsvertrag, Kündigungsfristen oder Urlaubsanspruch: Bei der
Einstellung von Mini- oder Midi-Jobbern muss eine Vielzahl an Regeln beachtet werden.“
Isabel Wildfeuer, Rechtsanwältin bei Ecovis in München, [email protected]
Tobias Koch, Steuerberater bei Ecovis in München, [email protected]
GERINGFÜGIGE BESCHÄFTIGUNG
Mini oder Midi: Was Arbeitgeber wissen müssen
Rund sieben Millionen Menschen arbeiten in Deutschland als Mini- oder Midi-Jobber. Seit diesem Jahr
gelten neue Regeln – einfacher geworden ist dadurch jedoch nichts.
D
amit Sie steuerlich und recht­
lich auf der sicheren Seite
sind, klärt die Redaktion von „ECO­
VIS med“ die wichtigsten Fragen
im Gespräch mit Isabel Wildfeuer,
Rechtsanwältin bei Ecovis, und To­
bias Koch, Steuerberater bei Ecovis.
Es gibt zwei Arten geringfügiger Beschäftigung: Mini- und
Midi-Jobs. Welches sind die Unterschiede?
Bei einem Mini-Job beträgt das
Arbeitsentgelt regelmäßig im Mo­
nat nicht mehr als 450 Euro. Ein
Midi-Jobber arbeitet hingegen mo­
natlich für einen Verdienst, der in
einer bestimmten Spanne darüber­
liegt, nämlich zwischen 450,01
Euro und maximal 850 Euro. Der
gravierende Unterschied: Bei den
Mini-Jobbern muss der Arbeitge­
ber für die Sozialversicherungsbei­
träge und eventuell auch für die
Lohnsteuer nur eine Pauschale ab­
führen. Diese Möglichkeit besteht
bei den Midi-Jobbern nicht. Für
den Arbeitgeber ergeben sich beim
Midi-Jobber keine Unterschiede zu
einem regulär Beschäftigten. Auch
die Höhe der Lohnsteuer errechnet
sich wie üblich individuell anhand
der Kriterien der Lohnsteuerkarte
und wird im Lohnsteuerabzugsver­
fahren abgeführt.
Mehr zu Lohnsteuer und Sozialversicherung unter www.ecovis.com/
mini-midi-jobber
Können sich Mini- und MidiJobber von der Sozialversicherung befreien lassen?
Mini-Jobber können sich auf An­
trag, der beim Arbeitgeber einge­
reicht werden muss, von der Ren­
6
Ecov i s med 1/2014
tenversicherungspflicht befreien
lassen. Der Arbeitgeber bleibt aber
unabhängig von der Befreiung des
Arbeitnehmers zur Abführung der
Rentenversicherungsbeiträge ver­
pflichtet. Midi-Jobber haben hin­
gegen keine Möglichkeit, sich von
der Sozialversicherung befreien zu
lassen.
Was ist zu beachten, wenn
Familienangehörige mit Minioder Midi-Job eingestellt werden? Gelten besondere Regeln?
Bei der Beschäftigung von Fa­
milienangehörigen müssen die
abgeschlossenen Verträge dem
Fremdvergleich standhalten. Das
bedeutet, dass zum einen der ver­
tragliche Inhalt dem entsprechen
muss, der auch mit einem Frem­
den vereinbart worden wäre. Zum
anderen muss der Vertrag auch
tatsächlich umgesetzt werden. Es
muss also sowohl der Arbeitsplatz
überhaupt bestehen als auch die
Lohnauszahlung zum üblichen
Zahlungszeitpunkt erfolgen.
Können Mini- bzw. Midi-Jobber
auch einen Arbeitsvertrag verlangen?
Ja, auch Mini- und Midi-Jobber
haben nach dem Nachweisgesetz
das Recht, bis zum Ende des ers­
ten Beschäftigungsmonats einen
schriftlichen Arbeitsvertrag zu er­
halten. In diesem ist neben dem
Namen und der Anschrift der Ver­
tragsparteien der exakte Beginn
des Arbeitsverhältnisses, bei be­
fristeten Arbeitsverhältnissen die
Dauer der Befristung sowie der Ar­
beitsort und eine kurze Charakteri­
sierung der zu leistenden Tätigkeit
aufzuführen. Außerdem muss der
Arbeitsvertrag Regelungen über
die Höhe des Arbeitsentgelts, den
Umfang der Arbeitszeit, die Kün­
digungsfristen und die Dauer des
jährlichen Erholungsurlaubs ent­
halten.
Muss der Arzt als Arbeitgeber
bei unbefristeten Verträgen bestimmte Kündigungsfristen einhalten?
Dem Mini- bzw. Midi-Jobber
kann grundsätzlich unter Wahrung
einer Kündigungsfrist von mindes­
tens vier Wochen zum 15. oder
zum Letzten eines Monats gekün­
digt werden. Sobald das Arbeits­
verhältnis länger als zwei Jahre
andauert, hat der Arzt als Arbeit­
geber längere Kündigungsfristen
einzuhalten. Bei mindestens zwei
Jahren Beschäftigung beträgt diese
einen Monat, bei mindestens fünf
Jahren zwei Monate. Die Kündi­
gungsfristen erhöhen sich dann
kontinuierlich mit zunehmender
Beschäftigungsdauer. Eine Aus­
nahme besteht, wenn ein außeror­
dentlicher Kündigungsgrund vor­
liegt. Beispiel: Bei einem Diebstahl
kann der Arzt seinen Mitarbeiter
fristlos, also ohne Einhalten einer
Kündigungsfrist, kündigen.
Mehr zum Thema Kündigung finden Sie in ECOVIS med, Ausgabe 4/2013, Seite 2–3 oder unter
www.ecovis.com/med
Haben geringfügig Beschäftigte auch einen Anspruch auf
bezahlten Urlaub?
Ja. Obwohl sie nur wenige Stun­
den im Monat arbeiten und somit
viel Freizeit haben, steht auch ih­
nen bezahlter Urlaub zu. Denn
arbeitsrechtlich sind Mini- und
Midi-Jobs Teilzeitarbeitsverhält­
nisse. Und nach dem Teilzeit- und
Befristungsgesetz dürfen Teilzeit­
beschäftigte nicht aufgrund ihrer
verkürzten Arbeitszeit benachtei­
ligt werden. Diese Arbeitsverhält­
nisse sind daher rechtlich einem
Vollzeitarbeitsverhältnis gleichge­
stellt. Der gesetzliche Urlaubsan­
spruch der Mini- und Midi-Jobber
beträgt nach dem Bundesurlaubs­
gesetz mindestens 24 Tage bei ei­
ner 6-Tage-Woche. Sind weniger
Arbeitstage wöchentlich verein­
bart, dann wird der Mindesturlaub
entsprechend reduziert. Dabei ist
ausschließlich relevant, an wie vie­
len Werktagen der Arbeitnehmer
pro Woche arbeitet; irrelevant sind
die Stunden pro Tag.
Und wie sieht es mit einem
Lohnfortzahlungsanspruch im
Krankheitsfall aus?
Auch hier ist nach dem Teil­
zeit- und Befristungsgesetz der
Mini- bzw. Midi-Jobber dem Voll­
zeitbeschäftigten gleichzustellen.
Im Krankheitsfall hat er also einen
Anspruch auf Lohnfortzahlung bis
zu sechs Wochen. Das Entgelt ist
für die Tage fortzuzahlen, an de­
nen der Mitarbeiter eigentlich zur
Arbeitsleistung verpflichtet wäre.
Dieser Anspruch entsteht aller­
dings – wie bei allen Beschäftig­ten – erst nach vierwöchiger Dauer
des Arbeitsverhältnisses.
Unter welchen Voraussetzungen kann der Arbeitgeber auch
Einmalzahlungen wie Urlaubsoder Weihnachtsgeld leisten?
Wie wirken sie sich aus?
Einmalzahlungen sind auch
bei geringfügig Beschäftigten
möglich. Allerdings ist zu beach­
ten, dass die Einkommensgrenze
insgesamt auf keinen Fall über­
schritten wird. Einmalzahlungen,
zum Beispiel Weihnachtsgeld, die
zu je 1/12 in die Berechnung des
Monatseinkommens eingehen,
k ö n n e n d a z u f ü h re n , d a s s d i e
450-Euro-Grenze im Jahresdurch­
schnitt überschritten wird. Die Jah­
resvergütung wäre dann allein auf­
grund der Sonderzahlung höher
als 5.400 Euro – und damit würde
das Beschäftigungsverhältnis versi­
cherungspflichtig.
Geringfügige Beschäftigung
gibt es auch in Privathaushalten.
Gelten hier spezielle Regeln?
Wird ein Mini-Jobber im Privat­
haushalt beschäftigt, reduziert sich
die Belastung für den Arbeitgeber.
Der Beitragssatz für die gesetzliche
Rentenversicherung und Kranken­
versicherung beträgt jeweils nur
5 Prozent. Hinzu kommen noch
die Beiträge für die gesetzliche Un­
fallversicherung und die Umlage­
verfahren. Außerdem findet bei
Beschäftigung im Privathaushalt
ein sogenanntes Haushaltsscheck­
verfahren statt.
Ärzte als Arbeitgeber sind ver­
pflichtet, per Einzugsermächtigung
die Pauschalbeiträge für die So­
zialversicherung im sogenannten
Haushaltsscheckverfahren durch
die Mini-Job-Zentrale abbuchen zu
lassen. Bei dem Haushaltsscheck
handelt es sich um ein Formular,
mit dem die geringfügig Beschäf­
tigten für die Sozial- und Unfall­
versicherung an- und abgemeldet
werden. Dies ist deshalb notwen­
dig, w eil im Pr ivat hausha lt a u s
verwaltungsökonomischen Grün­
den im Gegensatz zu den Arzt­
praxen keine Betriebspr ü f u n g
durchgeführt wird.
TIPP:
”
Wenn Sie mehr zu
Mini- und Midi-Jobs
wissen wollen, lesen
Sie im Internet die
Langfassung des
Interviews unter
www.ecovis.com/
mini-midi-jobber
Ecov i s med 1/2014
7
„Der Gesetzgeber hat die Verschwiegenheitspflicht mit dem
stärksten ihm zur Verfügung stehenden Mittel, nämlich der
Androhung von Geld- oder Freiheitsstrafe, geregelt.“
„Werden bei einer Plausibilitätsprüfung Auffälligkeiten festgestellt,
drohen nicht nur Honorarrückforderungen, sondern schlimmstenfalls
auch staatsanwaltliche Untersuchungen.“
Nadine Arbasowsky, Rechtsanwältin bei Ecovis in München, [email protected]
Dr. Isabel Häser, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Ecovis in München, [email protected]
Serie: Die ärztliche Schweigepflicht
Plausibilitätsprüfung
Reden ist Silber, schweigen ist Gold
Achtung vor den Konsequenzen!
Die ärztliche Schweigepflicht ist eine der Berufspflichten des Arztes und Basis für ein vertrauensvolles
Arzt-Patienten-Verhältnis – Tragweite und Ausmaß sind jedoch nicht immer bekannt.
Wer einer Plausibilitätsprüfung unterzogen wird, sollte dies nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Die Konsequenzen können existenzgefährdend sein.
Ärzte haben nach ihrer Berufsord­
nung und dem Strafgesetzbuch
über alles, was ihnen in ihrer Eigen­
schaft als Arzt anvertraut wird, zu
schweigen. Die Verletzung dieser
Pflicht hat weitreichende Konse­
quenzen. Die neue Serie soll einen
umfangreichen Überblick über die
verschiedenen Aspekte des Themas
Schweigepflicht verschaffen.
FAZIT:
”
Besprechen Sie sich mit
Ihrem Anwalt, wenn Sie
sich nicht sicher sind,
ob Sie Auskunft erteilen
dürfen oder nicht.
Nächste Folge:
Schweigepflicht und
Praxisverkauf
8
Ecov i s med 1/2014
Inhaltliche Reichweite
Die ärztliche Schweigepflicht um­
fasst alle Tatsachen, die dem Arzt
im Rahmen seiner beruflichen Tä­
tigkeit bekannt werden. Der da­
durch geschützte Bereich ist sehr
weit auszulegen. Hierzu zählen
insbesondere die Umstände, die
sich auf den Gesundheitszustand
und die familiären, beruflichen so­
wie finanziellen Verhältnisse des
einzelnen Patienten beziehen. Die
Rechtsprechung sieht bereits den
Namen des Patienten und die Tat­
sache, dass sich dieser überhaupt in
ärztlicher Behandlung befindet, als
schutzwürdig an. Die Verschwie­
genheitspflicht gilt auch bezüglich
Geheimnissen, die der Arzt vom Pa­
tienten über Dritte erfährt, sofern
der Patient an deren Geheimhal­
tung ein eigenes schutzwürdiges
Interesse hat. Dies gilt beispielswei­
se bei einem positiven HIV-Test des
Ehegatten oder bei Drogenkonsum
eines Kindes.
Das ärztliche Berufsgeheimnis gilt
im Rahmen der Ausübung des Be­
rufs, aber nicht, wenn der Arzt als
Privatperson in seiner Freizeit auf­
tritt. Die Abgrenzung ist nicht im­
mer ganz einfach. Befindet sich der
Arzt beispielsweise auf dem Golf­
platz und wird er als Freund über
eine Krankheit informiert, unter­
liegt er nicht der Schweigepflicht.
Wird er dort jedoch als Arzt um Rat
gefragt, ist er zur Verschwiegenheit
der ihm bekannt gewordenen Tat­
sachen verpflichtet.
Personelle Reichweite:
Kollegen
Die ärztliche Schweigepflicht gilt
gegenüber jedem Dritten, auch
gegenüber anderen Ärzten sowie
gegenüber Kollegen in einer Praxisgemeinschaft und für nicht ge­
meinsam angestelltes Personal.
Dort müssen zwingend getrennte
Patientenkarteikarten geführt und
sichergestellt werden, dass keine
Einsicht in die digital aufgenom­
menen Patientendaten möglich ist.
Davon ausgenommen ist nur der
Fall der gemeinsamen Behandlung
des Patienten, da der Patient den
Behandlungsvertrag mit der Ge­
meinschaftspraxis abschließt und
von einem stillschweigenden Ein­
verständnis zum Einblick und Aus­
tausch der Patientendaten durch
alle Ärzte auszugehen ist.
Personelle Reichweite:
Familienangehörige
Die Geheimhaltungspflicht gilt ge­
genüber allen Familienangehöri­
gen des Patienten. Auch gegenüber
Eltern von Minderjährigen, wenn
die Kinder einsichtsfähig sind –
also die Lage selbstständig beur­
teilen können. Es wird vermutet,
dass bei Jugendlichen über 15
Jahren Einsichtsfähigkeit vorliegt.
Bei Her­a usgabe der Patienten­
unterlagen an Dritte ist erforder­
lich – wie in allen anderen Fällen
auch – eine schriftliche Schweige­
pflichtentbindungserklärung des
Minderjährigen einzuholen. Liegt
Einsichtsfähigkeit hingegen nicht
vor, muss eine Schweigepflicht­
entbindungserklärung der sorge­
berechtigten Eltern vorliegen.
Zeitliche Reichweite
D i e ärz tl i c he Sc hweigepf licht
wirkt über den Tod des Patienten
hinaus fort. Der Arzt darf daher
grundsätzlich Erben, A n g e h ö r i ­
gen oder Dritten nach dem Tod
eines Patienten keine Auskünfte
erteilen oder Krankenunterlagen
heraus­geben.
Davon ist dann eine Ausnahme zu
machen, wenn der Arzt zu dem
Ergebnis kommt, dass seitens
des verstorbenen Patienten eine
mutmaßliche Einwilligung für die
Offenbarung der Patientendaten
vorliegt. Diese wird zum Beispiel
für den Fall angenommen, dass
die Testierunfähigkeit des Ver­
storbenen mithilfe der Patiente­
nunterlagen festgestellt oder ein
Behandlungsfehler durch die Er­
ben des Verstorbenen geltend ge­
macht werden soll.
V
iele Ärzte bemerken anfangs
gar nicht, dass sie einer Plau­
sibilitätsprüfung unterzogen wer­
den. Häufig beziehen sich die Ein­
leitungsschreiben nämlich zunächst
nur auf ein Quartal und werden als
„Abrechnungsprüfungen“ betitelt.
Die häufigsten Aufgreifkriterien für
die Prüfung sind dabei Auffälligkei­
ten in den Tages- oder Quartalszei­
ten oder zu viele gemeinsame Pati­
enten bei Praxisgemeinschaften.
In der Regel erhält man eine
freundliche Information, dass die
Abrechnung auffällig sei, und man
möge doch hierzu Stellung bezie­
hen. Wer nun „frei von der Leber
weg“ ausführlich Stellung nimmt,
hat den ersten Fehler häufig schon
gemacht. Denn den meisten ist
nicht klar, dass hinter der „Ab­
rechnungsprüfung“ immer der
Verdacht eines möglichen Abrech­
nungsbetrugs steht.
Rechtzeitig Rat einholen
Wichtig ist daher zunächst, sich
selbst einen Überblick zu verschaf­
fen, warum es zu den Auffälligkei­
ten kommt. Viele Ärzte hegen Be­
denken, bereits in diesem Stadium
einen Rechtsbeistand einzuschal­
ten, da sie befürchten, damit würde
man suggerieren, dass man „etwas
zu verbergen habe“. In Anbetracht
der drohenden Maßnahmen sollte
jedoch in jedem Fall rechtsanwaltli­
cher Rat eingeholt werden, be­
vor eine Stellungnahme abgege­
ben wird. Gelingt es nämlich nicht,
die Zweifel an der Rechtmäßigkeit
der Abrechnung auszuräumen,
kann dies nicht nur zu erheblichen
Honorarrückforderungen führen.
Leider bleibt es nämlich nicht bei
dem in den Anschreiben genann­
ten einen Quartal, sondern es darf
bis zu vier Jahre zurück geprüft
werden.
Neben der Bereinigung des gege­
benenfalls entstandenen finanziel­
len Schadens gibt es einen umfang­
reichen Katalog weitergehender
Maßnahmen, den man bereits zu
Beginn des Verfahrens im Auge
haben sollte. So wird regelmäßig
bei festgestellter Implausibilität ein
sogenanntes Disziplinarverfahren
bei der jeweiligen Kassenärzt­
lichen Vereinigung (KV) durchge­
führt, um den Betroffenen künftig
zur Einhaltung seiner vertragsärzt­
lichen Regelungen anzuhalten.
Zulassungsentzug kann drohen
Sollte das Ergebnis sein, dass die
Pflichtverletzungen oder Verstö­
ße gegen vertragsärztliche Re­
gelungen derart schwerwiegend
sind, dass die Geeignetheit des
Arztes zur weiteren Teilnahme an
der vertragsärztlichen Versorgung
nachhaltig infrage gestellt wer­
de muss, kann sogar der Entzug
der Zulassung beantragt werden.
Auch die Einschaltung der Staats­
anwaltschaft (insbesondere beim
Verdacht von Abrechnungsbetrug)
nimmt immer häufiger zu. Vielen
Ärzten ist die Regelung des § 81a
Abs. 4 des Fünften Sozialgesetz­
buches unbekannt, wonach die je­
weilige KV die Staatsanwaltschaft
unverzüglich unterrichten soll,
wenn die Abrechnungsprüfung
ergibt, dass ein Anfangsverdacht
auf strafbare Handlung mit nicht
nur gering­f ügiger Bedeutung für
die gesetzlichen Krankenversiche­
rungen bestehen könnte. Auch die
Durchführung von Berufsgerichtsbzw. Approbationsentziehungs­
verfahren können die Folge einer
Plausibilitäts­prüfung sein.
Regionale Unterschiede
Die Handhabungen der Durch­
führung der Plausibilitätsverfah­
ren sind regional äußerst unter­
schiedlich. Teilweise wi rd d e n
Ärzten durchaus ein Vertrauens­
vorschuss eingeräumt. In ande­
ren Bezirken agiert man bereits
im Anfangsstadium mit massiven
Unterstellungen und Druck, de­
ren es sich zu erwehren gilt. Häu­
fig besteht die Hauptarbeit darin,
vorgefertigte Meinungen sachlich
und mit guten Argumenten zu
beseitigen.
FAZIT:
”
Nicht jede Plausibilitäts­
prüfung führt zu
existenzbedrohenden
Konsequenzen. In jedem
Fall sollten aber bereits
zu Beginn alle Aspekte
der Angelegenheit bis
zum Ende durchdacht
werden.
Ecov i s med 1/2014
9
„Ermittelt die Staatsanwalt gegen einen Arzt, informiert sie nach Abschluss
des Verfahrens unaufgefordert die Aufsichtsbehörde der Heilberufe.“
Marcus Bodem, Rechtsanwalt bei Ecovis in Berlin, [email protected]
meldungen
Arztstrafrecht
Nach dem Strafurteil der Approbationsentzug
Strafrechtliche Verfehlungen können sich entscheidend auf die kassenärztliche Zulassung auswirken
und zum Widerruf der Approbation führen.
W
ird gegen Ärzte, Zahnärzte
und Apotheker strafrecht­
lich ermittelt, dann rücken von
Anfang an auch die möglichen be­
rufsrechtlichen Konsequenzen ins
Blickfeld. Es drohen sogar der Ent­
zug der Zulassung und der Wider­
ruf der Approbation. Dabei muss
es sich nicht einmal um Verfahren
handeln, die einen unmittelbaren
Bezug zur ärztlichen Tätigkeit ha­
ben. Auch Steuerschulden kön­
nen im Einzelfall den Widerruf der
Approbation begründen.
Staatsanwaltschaft und Gericht
bieten den Betroffenen häufig ei­
nen raschen Abschluss des Ver­
fahrens mit milder Bestrafung an.
Nicht selten gehen die Betroffenen
darauf auch ein – sie wollen ver­
ständlicherweise nicht lange auf
der Anklagebank sitzen. Doch wer
die berufsrechtlichen Konsequen­
zen übersieht, kann schnell vor dem
Aus stehen. Denn das eigentliche
Problem kommt nach dem Straf­
verfahren: Die Staatsanwaltschaft
informiert unaufgefordert die Auf­
sichtsbehörden der Heil­berufe über
ihre Ermittlungen und deren Ab­
schluss.
FAZIT:
”
Weil sich strafrechtliche
Verfehlungen entschei­
dend auf die kassenärztli­
che Zulassung auswirken
und zum Widerruf der
Approbation führen
können, sollten Betroffe­
ne frühzeitig rechtliche
Beratung suchen.
10 Ecov i s med 1/2014
Unregelmäßigkeiten bei der Über­
we i s u n g vo n P a ti e n te n , i n der
Honorar­a brechnung, und in der
Kooperation mit Dritten können
dieselben Konsequenzen auslösen.
Auch die Kassenärztlichen Vereini­
gungen (KV) sind befugt, den Ap­
probationsbehörden und Kammern
wie Ärztekammern, Kammern für
Psychologische Psychotherapeuten
und Zahnärztekammern personen­
bezogene Daten zu übermitteln.
Dies gilt für alle Daten, von denen sie
im Rahmen ihrer Aufgabenerfül­
lung – etwa im Rahmen von Wirt­
schaftlichkeits- oder Qualitätsprü­
fungen – Kenntnis erlangt haben
und die approbations- bzw. be­
rufsrechtlich von Bedeutung sind
(§ 285 SGB V). Dafür unterhal­
ten die Verbände der Ersatzkassen
sogar eigene „Ermittlungsabtei­
lungen“, die eng mit Polizei und
Staatsanwaltschaft zusammenar­
beiten.
Derartige Ermittlungen können,
sofern sie vom Gericht für zutref­
fend befunden werden, erhebliche
Folgen nach sich ziehen. In seiner
Rechtsprechung hat das Bundes­
verwaltungsgericht (BVerwG) die
Ansicht untermauert, dass allein
die in einem rechtskräftigen Straf­
urteil getroffenen Feststellungen
regelmäßig zur Grundlage der
gerichtlichen Beurteilung der Wi­
derrufsvoraussetzungen gemacht
werden können.
Anderes gilt nur dann, wenn sich
„gewichtige Anhaltspunkte für die
Unrichtigkeit solcher Feststellun­
gen“ ergeben. Neue und eigene
Ermittlungen der Behörden und
Gerichte finden in diesem Fall also
gar nicht mehr statt (BVerwG 18.
August 2011 – 3 B 6.11; OVG Lü­
neburg 19. Juni 2013 – 8 LA 79/
LA; BVerwG 27. Januar 2011 –
3 B 63.10). Solche gewichtigen
Anhaltspunkte sind nur dann ge­
geben, wenn neue Tatsachen oder
Beweismittel vorliegen, die für den
Betroffenen zu einer günstigeren
strafrechtlichen Entscheidung ge­
führt hätten.
Wer in solchen Situationen mit Be­
dacht strategisch handelt, kann ne­
gative wirtschaftliche Konsequen­
zen erheblich mindern, wenn nicht
gar vollständig vermeiden. Daher
ist der schnelle Abschluss des Straf­
verfahrens häufig eher von Nach­
teil für das berufsrechtliche Verfah­
ren und nicht zwingend immer im
Interesse des Betroffenen.
Ein erheblicher Zeitraum, der zwi­
schen der vorgeworfenen Verfeh­
lung und einem nachfolgenden
tadellosen Verhalten liegt, ist regel­
mäßig zugunsten des Betroffenen
zu berücksichtigen. In Einzelfäl­
len kann es jedoch geboten sein,
den laufenden Betrieb einer Praxis
zeitnah auf einen Dritten zu über­
tragen. Doch auch das muss vorbe­
reitet werden, zumal hier die ver­
schiedensten Optionen denk- und
machbar sind.
Behörden und Gerichte prüfen, ob
der Betroffene das erforderliche
Ansehen und Vertrauen trotz der
festgestellten Verfehlungen zurück­
erlangen konnte. Ein Grund dafür
kann vorliegen, wenn die Berück­
sichtigung aller Umstände erwar­
ten lässt, dass die selbstständige
Berufstätigkeit des Betroffenen das
Vertrauen der Öffentlichkeit in den
Berufsstand nicht mehr nachhal­
tig erschüttern kann (vgl. BVerwG
15. November 2012 – 3 B 36.12).
Die Erfüllung dieser Voraussetzun­
gen muss für Behörden feststellbar
sein. Auch deswegen empfiehlt es
sich, frühzeitig, nämlich schon zu
Beginn der ersten Ermittlungen,
eine strategische Rechtsberatung
in Anspruch zu nehmen.
Die BWA richtig lesen – und davon für die Praxis lernen
Viele Ärzte und Zahnärzte lesen ihre Betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA)
nicht oder nicht richtig, da der tatsächliche Nutzen der BWA nicht erkannt
wird. Meist fällt der einzige Blick nur auf das vorläufige Ergebnis. Dabei kann die
BWA – richtig interpretiert – ein wesentlicher Erfolgsbaustein für die Praxis sein.
Doch wie liest man sie richtig, die BWA? Der erste Schritt, um die Zahlen und die
Entwicklung der eigenen Praxis zu analysieren, ist der BWA-Vorjahresvergleich. In
einem zweiten Schritt sollten dann regelmäßige Vergleiche mit dem Branchen­
durchschnitt erfolgen. Denn um die eigene BWA besser einschätzen zu können,
sind Vergleichswerte – im Idealfall von vergleichbaren Praxen mit den gleichen Schwerpunkten und der
gleichen Größe – essenziell. Der direkte Weg zum Erfolg führt schließlich über eine individuelle Umsatz- und
Kostenplanung für zwei bis drei Jahre und einen regelmäßigen Soll-Ist-Vergleich. Bei der Erstellung solcher
Planungen können Unternehmens- und Steuerberater unterstützen.
TIPP:
”
Mehr zum Thema BWA
erfahren Sie in unter
www.ecovis.com/bwa
Haftung eines Physiotherapeuten
Viele Urteile, die sich mit der Haftung von Physiotherapeuten befassen, gibt es nicht. Bemerkenswert ist
jedoch der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz (Az. 5 U 693/12 vom 2.1.2013) in dem die Sorgfalts­
anforderungen in der Physiotherapie geregelt werden. So müssen die konkreten physiotherapeutischen
Übungen dem Alter und der Fertigkeit des Patienten angepasst werden. Der Physiotherapeut muss darüber
hinaus hinterfragen, ob eine Medikamenteneinnahme des Patienten die Durchführung beeinträchtigt und
sicherstellen, dass die Patienten den beabsichtigten Übungen auch tatsächlich gewachsen sind. Andernfalls
haftet er für den Schaden, der dem Patienten durch die fehlerhafterweise durchgeführte Übung entsteht. Ein
Verstoß gegen diese Verpflichtung ist jedoch dann nicht haftungsrelevant, wenn die vor Behandlungsbeginn
durch­geführte Befragung nichts am Übungsplan geändert hätte.
Strafe für nicht gemeldete Krebserkrankung
In vielen Bundesländern sind Krebserkrankungen meldepflichtig. Alle Ärzte, die Krebserkrankungen
in diesen Bundesländern behandeln oder diagnostizieren, egal ob ambulant oder stationär, müssen
diese melden. Tatsächlich tun das viele nicht. Durch eine geplante Einführung von Strafen soll dies
zukünftig verhindert und eine flächendeckende Erfassung von Ersterkrankungen im jeweiligen
Krebsregister des Bundeslandes erreicht werden. Das vorsätzliche, aber auch fahrlässige Unterlassen
der Meldung einer Krebserkrankung stellt dann in Zukunft eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Umset­
zung erfolgt im Einzelnen pro Bundesland. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel will diesen Verstoß mit
einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 Euro ahnden lassen.
Im April dieses Jahres wurde zudem ein Bundesgesetz zum Aufbau der bundesweiten klinischen
Krebsregister verabschiedet – das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur
Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister“ (KFRG). Die Struktur der einzelnen Krebsregister
war bisher in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Zukünftig gelten einheitliche
Vorgaben. Ziel ist es durch einheitliche Maßstäbe die Behandlung von Tumorerkrankungen zu
verbessern. Es ist daher wohl absehbar, dass die Meldepflicht sowie Sanktionen bei einem Verstoß
bald bundesweit eingeführt werden.
FAZIT:
”
Ärzte müssen einer in
ihrem Bundesland
bestehenden Melde­
pflicht bei der Diagnose
und Behandlung von
Krebserkrankungen
unbedingt nachkommen.
Zum einen, um zukünftig
drohende Strafen zu
verhindern, zum anderen
um die flächendeckende
Registrierung und somit
die bestmögliche Behand­
lung der Patienten zu
ermöglichen.
Ecov i s med 1/2014 11
ECOVIS – Das Unternehmen im Profil
Ecovis ist ein Beratungsunternehmen für den Mittelstand und zählt in Deutschland zu den Top 10 der Branche. In den mehr als 130 Büros in Deutschland sowie den über 60 internationalen Partnerkanzleien arbeiten etwa 4.000 Mitarbeiter. Ecovis betreut und berät Familienunternehmen und inhabergeführte Betriebe ebenso wie Freiberufler und Privatpersonen. Ärzte, Gemeinschaftspraxen sowie Medizinische Versorgungszentren, Krankenhäuser, Pflegeheime und Apotheken sind unter den von Ecovis beratenen verschiedenen Branchen stark vertreten – über 2.000 Unternehmen aus
dem Bereich Gesundheit/Medizin zählen zu den Mandanten von Ecovis. Um das wirtschaftliche Handeln seiner Mandanten nachhaltig zu sichern und
zu fördern, bündelt Ecovis die nationale und internationale Fach- und Branchenexpertise aller Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und
Unternehmensberater. Jede Ecovis-Kanzlei kann auf diesen Wissenspool zurückgreifen. Die ECOVIS Akademie ist zudem Garant für eine fundierte
Ausbildung sowie eine kontinuierliche und aktuelle Weiterbildung. Damit ist umfassend gewährleistet, dass die Mandanten vor Ort persönlich gut
beraten werden. Adressen und Berater Ihrer Ecovis-Kanzlei finden Sie unter www.ecovis.com/standorte
IMPRESSUM
Herausgeber . ECOVIS AG Steuerberatungsgesellschaft, Ernst-Reuter-Platz 10, 10587 Berlin, Tel. +49 (0)89-58 98 266,Fax +49 (0)89-58 98 280
Konzeption und Realisation . EditorNetwork Medien GmbH, 80805 München
Redaktionsbeirat . Tim Müller (Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht), Kathrin Witschel (Steuerberaterin).
ECOVIS med basiert auf Informationen, die wir als zuverlässig ansehen. Eine Haftung kann jedoch aufgrund der sich ständig ändernden Gesetzeslage nicht
übernommen werden.