Vertragsarztrecht Mini oder Midi Ärztliche Schweigepflicht
Transcription
Vertragsarztrecht Mini oder Midi Ärztliche Schweigepflicht
Recht, Steuern, Betrieb – Informationen für Gesundheitsberufe und -unternehmen Vertragsarztrecht Welche Chancen und Risiken die Anstellung von Ärzten birgt Seite 2 Mini oder Midi Was Arbeitgeber über Teilzeitjobs wissen sollten Seite 6 Ärztliche Schweigepflicht Die inhaltliche, personelle und zeitliche Reichweite Seite 8 Michael Sabisch, Steuerberater bei Ecovis in Volkach „Die Herkunft von Privateinlagen ins Betriebsvermögen muss nachvollziehbar sein.“ Seite 4 ECOVISmed Ausgabe 1/2014 „Wer Ärzte anstellen will, hat seit 2007 mehr Möglichkeiten. Die Chancen und Risiken bei Anstellungen müssen aber im Auge behalten werden.“ Isabel Wildfeuer, Rechtsanwältin bei Ecovis in München, [email protected] VERTRAGSARZTRECHT Spezialfragen rund um den angestellten Arzt Die Zahl der angestellten Ärzte ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Was macht die Anstellung so interessant? Worauf müssen Sie achten? D as am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Vertragsarztrechts änderungsgesetz soll Kooperations formen erleichtern und eine Fle xibilisierung des ärztlichen Berufs bringen. Hierbei spielt die Mög lichkeit der Anstellung von Kolle gen durch Vertragsärzte oder von Ärzten in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) eine wichtige Rolle, zumal rund zwei Drittel aller Absolventen des me dizinischen Hochschulstudiums in zwischen Frauen sind. Die Wege zur Anstellung sind vielfältig. Voraussetzung für die Anstellung eines Arztes ist grundsätzlich eine Genehmigung durch den zustän digen Zulassungsausschuss. Es gibt im Wesentlichen fünf verschiedene Anstellungsmöglichkeiten. Variante 1: Der Erwerb eines Vertragsarztsitzes zum Zweck der Anstellung Im gesperrten Planbereich ist ein ausgeschriebener Vertragsarztsitz zu erwerben; gleichzeitig wird die Genehmigung zur Anstellung eines bestimmten Arztes beantragt. So kann ein bereits niedergelassener Vertragsarzt einen Verlegungs antrag stellen, sich an seinem Pra xisort auf einen ausgeschriebenen Vertragsarztsitz bewerben und diesen mit einem dann bei ihm angestellten Arzt weiterführen. Das kann er sogar am Ort des aus geschriebenen Vertragsarztsitzes, sofern ihm zeitgleich eine entspre chende Filialgenehmigung erteilt wird. Denn seit Inkrafttreten des neuen Bundesmantelvertrags zum 1. Oktober 2013 kann der ange 2 Ecov i s med 1/2014 stellte Arzt auch allein in der Filiale tätig werden. Variante 2: Verzicht eines Vertragsarztes auf seine Zulassung zum Zweck der eigenen Anstellung Ein Vertragsarzt, für dessen Arzt gruppe eine Zulassungsbeschrän kung angeordnet ist, kann zunächst seinen Vertragsarztsitz verlegen. Dann verzichtet er auf seine Zulas sung zugunsten seiner Anstellung bei einem anderen Vertragsarzt im selben Planbereich. Nach drei Mo naten Angestelltentätigkeit kann er durch einen anderen Arzt ersetzt werden. Dabei ist wieder Antrag auf Genehmigung der Anstellung des nachfolgenden angestellten Arztes zu stellen. In den Varianten 1 und 2 lässt sich die Anstellung auf Antrag wieder in eine Vollzulassung umwandeln. Dies ermöglicht oft eine sichere Praxisnachfolge. Eine Anstellungs zulassung kann auf vier teilzeitar beitende Ärzte zu jeweils 10 Stun den pro Woche aufgeteilt werden. Der angestellte Arzt erhält dann jeweils ein eigenes (anteiliges) Regelleistungsvolumen (RLV) bezie hungsweise ein Qualifikationsge bundenes Zusatzvolumen (QZV). Variante 3: Job-Sharing-Assistent Ein Arzt kann im gesperrten Pla nungsbereich als Job-SharingAssistent angestellt werden. Beide Ärzte werden dabei auf einer Zu lassung tätig. Um die Ausweitung der Leistungen zu vermeiden, legt der Zulassungsausschuss dabei für den Praxisinhaber sowie für den Job-Sharing-Assistenten eine ma ximal abrechenbare gemeinsame Leistungsmenge fest: Diese be trägt in der Regel 103 Prozent der bisherigen Leistungsmenge des anstellenden Arztes. Der Umfang und die Aufteilung der gemeinsa men Leistungserbringung werden intern zwischen den beiden Ärzten geregelt. Dadurch kann der Praxis inhaber erheblich entlastet werden. Grundsätzlich sind sowohl Teilzeit tätigkeit als auch die Erweiterung der Praxisöffnungszeiten und ein umfassenderes Leistungsangebot möglich. Variante 4: Sicherstellungsassistent/ Weiterbildungsassistent Ist ein Vertragsarzt – etwa durch Erkrankung, Erziehung eines Kindes oder wegen Wahrnehmung be rufspolitischer Aufgaben – vorü bergehend gehindert, seinen ver tragsärztlichen Pflichten in vollem Umfang nachzukommen, kann er sich durch die zuständige Kassen ärztliche Vereinigung einen Sicher stellungsassistenten genehmigen lassen. Eine weitere Möglichkeit ist die Be schäftigung eines Weiterbildungs assistenten, also eines Arztes, der nach Erteilung der Approbation beziehungsweise der Berufserlaub nis im Rahmen einer Weiterbildung zum Erwerb einer Facharzt-, Schwer punkt- oder Zusatzbezeichnung bei einem Vertragsarzt tätig wird. Die Anstellung eines Weiterbildungsas sistenten wird oft finanziell geför dert und bietet eine gute Chance, den Nachwuchs schon früh mit in den Praxisalltag einzubeziehen. Was Sie bei allen Formen der Anstellung beachten müssen Fachgebietsgleichheit. Im gesperrten Planbereich muss zwischen anstellendem Arzt und angestelltem Arzt die Fachgebietsgleich heit bestehen. Sind keine Zulassungsbeschränkungen angeord net, kann auch die Anstellung eines fachgebietsfremden Arztes erfolgen. Eine Anstellung ist mit dem neuen Bundesmantelver trag auch zulässig, wenn der fachübergreifende anstellende bzw. anzustellende Arzt nur auf Überweisung hin tätig wird. Besitzt der angestellte Arzt andere Qualifikationen für die Erbringung vertragsärztlicher Leistungen als der Praxisinhaber, können diese nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung an geboten werden. Das erweitert das Leistungsspektrum des Ver tragsarztes. Der Praxisinhaber hat dann auch diese fachfremden Leistungen zu verantworten, darf sie selbst jedoch nicht erbrin gen. Ein Vertragsarzt in einem nicht gesperrten Planbereich darf maximal drei Vollzeitbeschäftigte bzw. eine entsprechende An zahl von Teilzeitbeschäftigten anstellen, damit er dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung noch gerecht wird. Risiko Gewerbesteuer. Ein Vertragsarzt darf vertragsarztrecht lich maximal drei Vollzeitbeschäftigte oder Teilzeitbeschäftigte in einer Anzahl anstellen, die in zeitlichem Umfang ihrer Arbeits zeit drei Vollzeitbeschäftigten entspricht. Dann ist der Grundsatz der vertragsärztlichen persönlichen Leistungserbringung noch gewährleistet. Fraglich ist jedoch, ob in diesen Fällen auch noch steuerlich von einer eigenverantwortlichen und leitenden Tä tigkeit im Sinne eines freien Berufs ausgegangen werden kann. Höchst zweifelhaft ist dies bei einer Anstellung fachfremder Ärz te, da der Vertragsarzt in diesen Fällen nicht über die gleiche fachliche Qualifikation verfügt. Einige Finanzgerichte bejahen bei Beschäftigung fachfremder angestellter Ärzte die Gewerbe steuerpflicht des anstellenden Arztes. Steuerliche Beratung ist in diesen Fällen daher dringend zu empfehlen. MVZs laufen nicht Gefahr, in die Gewerbesteuerpflicht zu rutschen, da die Anstel lung im MVZ und nicht beim Vertragsarzt persönlich erfolgt. Arbeitgeberpflichten und Haftung. Als anstellender Arzt begrün den Sie ein Anstellungsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten wie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgewährung und Kündigungsfristen. Außerdem haftet der Vertragsarzt für die Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten durch den ange stellten Arzt und Assistenten genauso wie für die eigene Tätig keit. Es ist daher darauf zu achten, dass bei der Berufshaftpflicht versicherung ein entsprechender Deckungsschutz vorhanden ist. Die Beschäftigung eines „freien Mitarbeiters“ ist in den darge stellten Varianten unzulässig und hat schwerwiegende sozialver sicherungsrechtliche und steuerliche Konsequenzen. Generell ist jedoch darauf zu ach ten, dass die Beschäftigung von Assistenten nicht zu einer Vergrö ßerung der Vertragsarztpraxis oder der Aufrechterhaltung eines über großen Praxisumfangs dient. Variante 5: Anstellung im MVZ J e d e s M V Z k a n n Ä r z t e u n p ro blematisch anstellen, wenn der Planbereich für die entsprechen de Arztgruppe nicht mit einer Zu lassungsbeschränkung belegt ist. Andernfalls ist eine Anstellung nur durch Einbringung einer Zulassung in das MVZ möglich. Dies geschieht einmal durch Verzicht auf die Zulas sung eines Vertragsarztes zuguns ten seiner Anstellung im MVZ oder durch Erwerb eines Vertragsarzt sitzes zum Zweck der Anstellung. Auch ein MVZ kann sich also im ge sperrten Planbereich um einen zur Nachbesetzung ausgeschriebenen Vertragsarztsitz bewerben, indem es einen im Arztregister eingetra genen Arzt benennt, der als ange stellter Arzt im MVZ tätig werden soll. Eine Anstellungsstelle im MVZ kann ebenfalls maximal mit vier Ärzten zu je 10 Stunden pro Wo che besetzt werden. Alle Varianten der Anstellung von Ärzten bieten eine attraktive Ge staltungsmöglichkeit, um flexibler und wirtschaftlicher zu arbeiten. Doch sie sind mit rechtlichen Fall stricken verbunden. FAZIT: ” Wer Ärzte anstellt, hat einige Gestaltungsmög lichkeiten, muss dabei jedoch viele Vorschriften beachten. Eine umfas sende rechtliche und steuerliche Beratung ist im Einzelfall anzuraten, um kostenintensive Fehler zu vermeiden. Ecov i s med 1/2014 3 „Wenn es sich um eine private Bareinlage handelt, muss dies für Dritte klar erkennbar sein. Daher ist ihre Herkunft entsprechend zu dokumentieren.“ „Die Rechtsprechung des Sozialgerichts München zur Unzulässigkeit der Aufrechnung mit strittigen Forderungen gibt auch bundesweit gute Argumente im Abrechnungsstreit mit den Krankenkassen.“ Michael Sabisch, Steuerberater bei Ecovis in Volkach, [email protected] Ina von Bülow, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Ecovis in München, [email protected] Gewinnermittlung Forderungsdurchsetzung Vorsicht bei privaten Bareinlagen Von der Aufrechnung noch profitieren Kann ein Steuerpflichtiger die Herkunft von Bareinlagen ins Betriebsvermögens nicht nachweisen, darf das Finanzamt sie als Betriebseinnahmen betrachten. Gesetzliche Krankenkassen dürfen bestrittene Rückforderungsansprüche gegen Krankenhäuser vorerst nicht mehr aufrechnen – eine höchstrichterliche Entscheidung dazu steht noch aus. D B FAZIT: ” In der Praxis ist es wichtig, dass die Herkunft von Privateinla gen im Rahmen der Beweisvorsorge entsprechend dokumen tiert wird. Kann nämlich bei einer Betriebsprüfung die Herkunft der Mittel nicht nachgewiesen werden, kann es zu Hinzuschätzungen von Betriebseinnahmen durch das Finanzamt kommen. 4 Ecov i s med 1/2014 ei Einlagen ins Betriebsvermö gen hat der Steuerpflichtige eine besondere Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung der Herkunft des Geldes. Kann er den Nachweis nicht führen, so darf das Finanz amt unterstellen, dass die unge klärte Kapitalzuführung auf nicht versteuerten Einnahmen beruht. Dies gilt auch bei der EinnahmenÜberschuss-Rechnung gemäß Pa ragraf 4 Abs. 3 EStG. In diesem Sinne hat der Bundesfi nanzhof (BFH) am 13. Juni 2013 entschieden, dass das Finanzamt von Betriebseinnahmen ausge hen darf, wenn die Herkunft des Geldes ungeklärt bleibt (Aktenzei chen: X B 132-133/12). Denn die Ungewissheit beruhe darauf, dass der Steuerpflichtige seiner Mitwir kungspflicht nicht nachgekom men sei. Das Finanzamt darf eine Hinzuschätzung von Betriebsein nahmen auch dann vornehmen, wenn der Steuerpflichtige seine Angaben nicht ausreichend erklä ren kann oder er die Auskunft dar über verweigert. Bei der Einnahmen-ÜberschussRechnung besteht zwar keine ge setzliche Verpflichtung, die Be triebseinnahmen und -ausgaben aufzuzeichnen sowie die entspre chenden Belege aufzubewahren. Wenn der Steuerpflichtige dies nicht tut, trägt er jedoch das Risi ko, dass das Finanzamt die Besteu erungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann und des halb die Voraussetzungen für eine Schätzung erfüllt sind. Die Einlage der privaten Mittel muss als objektives Verhalten des Unternehmers für Dritte erkenn bar zum Ausdruck kommen. Die Aufzeichnungen müssen also so gehalten sein, dass es einem frem den Dritten möglich ist, den durch Kassensturz festgestellten Ist-Be stand anhand des Kassenbuchs zu überprüfen. Gerade bei Betrieben mit einem hohen Anteil an Barein nahmen ist eine zeitgerechte Auf zeichnung der Geschäftsvorfälle und eine ordnungsgemäße Kas senführung entscheidende Grund lage für die Gewinnermittlung. Unerheblich für den BFH ist, dass die Pflicht, die Herkunft von Einla gen nachzuweisen, in der Praxis zu einer weitreichenden Dokumen tation über Quellen des privaten Vermögens führen kann. Eben so unbedeutend ist die weitere Verwendung des in den Betrieb eingelegten Betrags. Eine Vermö genszuwachs- und Geldverkehrs rechnung wird nicht gefordert. Für eine Hinzuschätzung der eingeleg ten Mittel zu den Betriebseinnah men reicht es laut BFH aus, dass durch die Verletzung der Mitwir kungspflicht keine ausreichende Sachaufklärung möglich ist. as Sozialgericht (SG) München hat in mehreren Entscheidun gen festgestellt, dass die gängige Praxis der gesetzlichen Kranken kassen, ihre Rückforderungsan sprüche gegenüber Kliniken mit Aufrechnung durchzusetzen, un zulässig ist. Im Abrechnungssystem der Krankenhäuser über stationäre Behandlungen haben die Kranken kassen zunächst innerhalb von drei Wochen die Behandlungskosten zu erstatten. Dann können sie eine Rechnungsprüfung durch den Me dizinischen Dienst der Krankenkas sen (MDK) einleiten. Ergibt diese Prüfung, dass die Ab rechnung fehlerhaft war, bringen die Kassen üblicherweise die aus ihrer Sicht unberechtigt gezahl te Summe in einer der nächsten Abrechnungen in Abzug. Dies ist dann problematisch, wenn der Rückforderungsanspruch von der Klinik bestritten wurde, meist also, wenn das MDK-Gutachten im Dis sens erging. Hier fehlen die recht lichen Voraussetzungen für eine Aufrechnung. Deshalb sieht das SG München den Rückforderungs anspruch als nicht fällig an und er achtet daher eine Aufrechnung für unzulässig. Das Gericht argumentiert dabei mit dem besonderen Vertrauensver hältnis zwischen Krankenhäusern und gesetzlichen Krankenkassen, das gerade das Bundessozialge richt immer wieder betont hat. Die ses Verhältnis ist von gegenseitigen Forderungen, aber auch gegen seitiger Erfüllung von Aufgaben geprägt. Dabei steht der schnelle Ausgleich der vom Krankenhaus in Vorleistung erbrachten Behand lung dem Interesse der Kassen an einer umfänglichen Rechnungs prüfung gegenüber. Aus diesem besonderen Verhält nis leitet das SG München die Ver pflichtung der Parteien ab, die dem Versicherten zu gewährende Be handlung möglichst wirtschaftlich und kostensparend zu erbringen. Dies führe dazu, Aufrechnungen nur mit unstrittigen Gegenforde rungen zu erklären. Ansonsten würde der Abrechnungsvorgang durch Hinzunahme anderer stritti ger Fälle erheblich verkompliziert und bezüglich unstreitiger Forde rungen der Krankenhäuser unzu lässig verzögert. Zudem entspreche es nicht dem besonderen Verhältnis der Parteien, wenn sich die gesetz lichen Krankenkassen dem grund sätzlichen Einvernehmen durch vorschnelle Aufrechnung entziehen wollten, anstatt ihre strittige Rück forderung mit der Klinik abzuklären oder gegebenenfalls mit Widerkla ge geltend zu machen. Das SG München hat einer Vielzahl von Fällen allein wegen der fehler haften Aufrechnung zugunsten der klagenden Krankenhäuser stattge geben, teilweise sogar ohne eine medizinische Prüfung des zugrun de liegenden Abrechnungsstreits einzuleiten. Diese Spruchpraxis wollen nun die gesetzlichen Kran kenkassen in der nächsten Instanz überprüfen. Derzeit sind verschie dene Verfahren am Bayerischen Landessozialgericht anhängig. Eine Tendenz lässt sich noch nicht abse hen, dass es letztendlich zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durch das BSG über diese weitrei chende Frage kommt, ist aus heu tiger Sicht wahrscheinlich. Vor einer gerichtlichen Auseinan dersetzung sind in jedem Fall die Voraussetzungen zu prüfen: Liegt eine Aufrechnung mit einer bestrit tenen Forderung vor? Denn nur hier ist diese auch zu beanstanden. Wer eine Klage anstrebt, muss die Aufrechnungsproblematik juris tisch sorgfältig darstellen. Dabei hilft am besten ein Fachanwalt. FAZIT: ” Im Streit um Abrechnun gen dürfen Kranken kassen keine bestrittenen Forderungen aufrechnen. Höhergerichtliche Entscheidungen zu dieser Problematik sind zu erwarten. Ecov i s med 1/2014 5 „Mini- und Midi-Jobs sind zusehends bei Arbeitnehmern sowie Arbeitgebern beliebt, steuerlich begünstig – und mit einer Menge Fallstricken versehen.“ „Sozialversicherung, Arbeitsvertrag, Kündigungsfristen oder Urlaubsanspruch: Bei der Einstellung von Mini- oder Midi-Jobbern muss eine Vielzahl an Regeln beachtet werden.“ Isabel Wildfeuer, Rechtsanwältin bei Ecovis in München, [email protected] Tobias Koch, Steuerberater bei Ecovis in München, [email protected] GERINGFÜGIGE BESCHÄFTIGUNG Mini oder Midi: Was Arbeitgeber wissen müssen Rund sieben Millionen Menschen arbeiten in Deutschland als Mini- oder Midi-Jobber. Seit diesem Jahr gelten neue Regeln – einfacher geworden ist dadurch jedoch nichts. D amit Sie steuerlich und recht lich auf der sicheren Seite sind, klärt die Redaktion von „ECO VIS med“ die wichtigsten Fragen im Gespräch mit Isabel Wildfeuer, Rechtsanwältin bei Ecovis, und To bias Koch, Steuerberater bei Ecovis. Es gibt zwei Arten geringfügiger Beschäftigung: Mini- und Midi-Jobs. Welches sind die Unterschiede? Bei einem Mini-Job beträgt das Arbeitsentgelt regelmäßig im Mo nat nicht mehr als 450 Euro. Ein Midi-Jobber arbeitet hingegen mo natlich für einen Verdienst, der in einer bestimmten Spanne darüber liegt, nämlich zwischen 450,01 Euro und maximal 850 Euro. Der gravierende Unterschied: Bei den Mini-Jobbern muss der Arbeitge ber für die Sozialversicherungsbei träge und eventuell auch für die Lohnsteuer nur eine Pauschale ab führen. Diese Möglichkeit besteht bei den Midi-Jobbern nicht. Für den Arbeitgeber ergeben sich beim Midi-Jobber keine Unterschiede zu einem regulär Beschäftigten. Auch die Höhe der Lohnsteuer errechnet sich wie üblich individuell anhand der Kriterien der Lohnsteuerkarte und wird im Lohnsteuerabzugsver fahren abgeführt. Mehr zu Lohnsteuer und Sozialversicherung unter www.ecovis.com/ mini-midi-jobber Können sich Mini- und MidiJobber von der Sozialversicherung befreien lassen? Mini-Jobber können sich auf An trag, der beim Arbeitgeber einge reicht werden muss, von der Ren 6 Ecov i s med 1/2014 tenversicherungspflicht befreien lassen. Der Arbeitgeber bleibt aber unabhängig von der Befreiung des Arbeitnehmers zur Abführung der Rentenversicherungsbeiträge ver pflichtet. Midi-Jobber haben hin gegen keine Möglichkeit, sich von der Sozialversicherung befreien zu lassen. Was ist zu beachten, wenn Familienangehörige mit Minioder Midi-Job eingestellt werden? Gelten besondere Regeln? Bei der Beschäftigung von Fa milienangehörigen müssen die abgeschlossenen Verträge dem Fremdvergleich standhalten. Das bedeutet, dass zum einen der ver tragliche Inhalt dem entsprechen muss, der auch mit einem Frem den vereinbart worden wäre. Zum anderen muss der Vertrag auch tatsächlich umgesetzt werden. Es muss also sowohl der Arbeitsplatz überhaupt bestehen als auch die Lohnauszahlung zum üblichen Zahlungszeitpunkt erfolgen. Können Mini- bzw. Midi-Jobber auch einen Arbeitsvertrag verlangen? Ja, auch Mini- und Midi-Jobber haben nach dem Nachweisgesetz das Recht, bis zum Ende des ers ten Beschäftigungsmonats einen schriftlichen Arbeitsvertrag zu er halten. In diesem ist neben dem Namen und der Anschrift der Ver tragsparteien der exakte Beginn des Arbeitsverhältnisses, bei be fristeten Arbeitsverhältnissen die Dauer der Befristung sowie der Ar beitsort und eine kurze Charakteri sierung der zu leistenden Tätigkeit aufzuführen. Außerdem muss der Arbeitsvertrag Regelungen über die Höhe des Arbeitsentgelts, den Umfang der Arbeitszeit, die Kün digungsfristen und die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs ent halten. Muss der Arzt als Arbeitgeber bei unbefristeten Verträgen bestimmte Kündigungsfristen einhalten? Dem Mini- bzw. Midi-Jobber kann grundsätzlich unter Wahrung einer Kündigungsfrist von mindes tens vier Wochen zum 15. oder zum Letzten eines Monats gekün digt werden. Sobald das Arbeits verhältnis länger als zwei Jahre andauert, hat der Arzt als Arbeit geber längere Kündigungsfristen einzuhalten. Bei mindestens zwei Jahren Beschäftigung beträgt diese einen Monat, bei mindestens fünf Jahren zwei Monate. Die Kündi gungsfristen erhöhen sich dann kontinuierlich mit zunehmender Beschäftigungsdauer. Eine Aus nahme besteht, wenn ein außeror dentlicher Kündigungsgrund vor liegt. Beispiel: Bei einem Diebstahl kann der Arzt seinen Mitarbeiter fristlos, also ohne Einhalten einer Kündigungsfrist, kündigen. Mehr zum Thema Kündigung finden Sie in ECOVIS med, Ausgabe 4/2013, Seite 2–3 oder unter www.ecovis.com/med Haben geringfügig Beschäftigte auch einen Anspruch auf bezahlten Urlaub? Ja. Obwohl sie nur wenige Stun den im Monat arbeiten und somit viel Freizeit haben, steht auch ih nen bezahlter Urlaub zu. Denn arbeitsrechtlich sind Mini- und Midi-Jobs Teilzeitarbeitsverhält nisse. Und nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz dürfen Teilzeit beschäftigte nicht aufgrund ihrer verkürzten Arbeitszeit benachtei ligt werden. Diese Arbeitsverhält nisse sind daher rechtlich einem Vollzeitarbeitsverhältnis gleichge stellt. Der gesetzliche Urlaubsan spruch der Mini- und Midi-Jobber beträgt nach dem Bundesurlaubs gesetz mindestens 24 Tage bei ei ner 6-Tage-Woche. Sind weniger Arbeitstage wöchentlich verein bart, dann wird der Mindesturlaub entsprechend reduziert. Dabei ist ausschließlich relevant, an wie vie len Werktagen der Arbeitnehmer pro Woche arbeitet; irrelevant sind die Stunden pro Tag. Und wie sieht es mit einem Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall aus? Auch hier ist nach dem Teil zeit- und Befristungsgesetz der Mini- bzw. Midi-Jobber dem Voll zeitbeschäftigten gleichzustellen. Im Krankheitsfall hat er also einen Anspruch auf Lohnfortzahlung bis zu sechs Wochen. Das Entgelt ist für die Tage fortzuzahlen, an de nen der Mitarbeiter eigentlich zur Arbeitsleistung verpflichtet wäre. Dieser Anspruch entsteht aller dings – wie bei allen Beschäftigten – erst nach vierwöchiger Dauer des Arbeitsverhältnisses. Unter welchen Voraussetzungen kann der Arbeitgeber auch Einmalzahlungen wie Urlaubsoder Weihnachtsgeld leisten? Wie wirken sie sich aus? Einmalzahlungen sind auch bei geringfügig Beschäftigten möglich. Allerdings ist zu beach ten, dass die Einkommensgrenze insgesamt auf keinen Fall über schritten wird. Einmalzahlungen, zum Beispiel Weihnachtsgeld, die zu je 1/12 in die Berechnung des Monatseinkommens eingehen, k ö n n e n d a z u f ü h re n , d a s s d i e 450-Euro-Grenze im Jahresdurch schnitt überschritten wird. Die Jah resvergütung wäre dann allein auf grund der Sonderzahlung höher als 5.400 Euro – und damit würde das Beschäftigungsverhältnis versi cherungspflichtig. Geringfügige Beschäftigung gibt es auch in Privathaushalten. Gelten hier spezielle Regeln? Wird ein Mini-Jobber im Privat haushalt beschäftigt, reduziert sich die Belastung für den Arbeitgeber. Der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung und Kranken versicherung beträgt jeweils nur 5 Prozent. Hinzu kommen noch die Beiträge für die gesetzliche Un fallversicherung und die Umlage verfahren. Außerdem findet bei Beschäftigung im Privathaushalt ein sogenanntes Haushaltsscheck verfahren statt. Ärzte als Arbeitgeber sind ver pflichtet, per Einzugsermächtigung die Pauschalbeiträge für die So zialversicherung im sogenannten Haushaltsscheckverfahren durch die Mini-Job-Zentrale abbuchen zu lassen. Bei dem Haushaltsscheck handelt es sich um ein Formular, mit dem die geringfügig Beschäf tigten für die Sozial- und Unfall versicherung an- und abgemeldet werden. Dies ist deshalb notwen dig, w eil im Pr ivat hausha lt a u s verwaltungsökonomischen Grün den im Gegensatz zu den Arzt praxen keine Betriebspr ü f u n g durchgeführt wird. TIPP: ” Wenn Sie mehr zu Mini- und Midi-Jobs wissen wollen, lesen Sie im Internet die Langfassung des Interviews unter www.ecovis.com/ mini-midi-jobber Ecov i s med 1/2014 7 „Der Gesetzgeber hat die Verschwiegenheitspflicht mit dem stärksten ihm zur Verfügung stehenden Mittel, nämlich der Androhung von Geld- oder Freiheitsstrafe, geregelt.“ „Werden bei einer Plausibilitätsprüfung Auffälligkeiten festgestellt, drohen nicht nur Honorarrückforderungen, sondern schlimmstenfalls auch staatsanwaltliche Untersuchungen.“ Nadine Arbasowsky, Rechtsanwältin bei Ecovis in München, [email protected] Dr. Isabel Häser, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Ecovis in München, [email protected] Serie: Die ärztliche Schweigepflicht Plausibilitätsprüfung Reden ist Silber, schweigen ist Gold Achtung vor den Konsequenzen! Die ärztliche Schweigepflicht ist eine der Berufspflichten des Arztes und Basis für ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis – Tragweite und Ausmaß sind jedoch nicht immer bekannt. Wer einer Plausibilitätsprüfung unterzogen wird, sollte dies nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Konsequenzen können existenzgefährdend sein. Ärzte haben nach ihrer Berufsord nung und dem Strafgesetzbuch über alles, was ihnen in ihrer Eigen schaft als Arzt anvertraut wird, zu schweigen. Die Verletzung dieser Pflicht hat weitreichende Konse quenzen. Die neue Serie soll einen umfangreichen Überblick über die verschiedenen Aspekte des Themas Schweigepflicht verschaffen. FAZIT: ” Besprechen Sie sich mit Ihrem Anwalt, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie Auskunft erteilen dürfen oder nicht. Nächste Folge: Schweigepflicht und Praxisverkauf 8 Ecov i s med 1/2014 Inhaltliche Reichweite Die ärztliche Schweigepflicht um fasst alle Tatsachen, die dem Arzt im Rahmen seiner beruflichen Tä tigkeit bekannt werden. Der da durch geschützte Bereich ist sehr weit auszulegen. Hierzu zählen insbesondere die Umstände, die sich auf den Gesundheitszustand und die familiären, beruflichen so wie finanziellen Verhältnisse des einzelnen Patienten beziehen. Die Rechtsprechung sieht bereits den Namen des Patienten und die Tat sache, dass sich dieser überhaupt in ärztlicher Behandlung befindet, als schutzwürdig an. Die Verschwie genheitspflicht gilt auch bezüglich Geheimnissen, die der Arzt vom Pa tienten über Dritte erfährt, sofern der Patient an deren Geheimhal tung ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat. Dies gilt beispielswei se bei einem positiven HIV-Test des Ehegatten oder bei Drogenkonsum eines Kindes. Das ärztliche Berufsgeheimnis gilt im Rahmen der Ausübung des Be rufs, aber nicht, wenn der Arzt als Privatperson in seiner Freizeit auf tritt. Die Abgrenzung ist nicht im mer ganz einfach. Befindet sich der Arzt beispielsweise auf dem Golf platz und wird er als Freund über eine Krankheit informiert, unter liegt er nicht der Schweigepflicht. Wird er dort jedoch als Arzt um Rat gefragt, ist er zur Verschwiegenheit der ihm bekannt gewordenen Tat sachen verpflichtet. Personelle Reichweite: Kollegen Die ärztliche Schweigepflicht gilt gegenüber jedem Dritten, auch gegenüber anderen Ärzten sowie gegenüber Kollegen in einer Praxisgemeinschaft und für nicht ge meinsam angestelltes Personal. Dort müssen zwingend getrennte Patientenkarteikarten geführt und sichergestellt werden, dass keine Einsicht in die digital aufgenom menen Patientendaten möglich ist. Davon ausgenommen ist nur der Fall der gemeinsamen Behandlung des Patienten, da der Patient den Behandlungsvertrag mit der Ge meinschaftspraxis abschließt und von einem stillschweigenden Ein verständnis zum Einblick und Aus tausch der Patientendaten durch alle Ärzte auszugehen ist. Personelle Reichweite: Familienangehörige Die Geheimhaltungspflicht gilt ge genüber allen Familienangehöri gen des Patienten. Auch gegenüber Eltern von Minderjährigen, wenn die Kinder einsichtsfähig sind – also die Lage selbstständig beur teilen können. Es wird vermutet, dass bei Jugendlichen über 15 Jahren Einsichtsfähigkeit vorliegt. Bei Hera usgabe der Patienten unterlagen an Dritte ist erforder lich – wie in allen anderen Fällen auch – eine schriftliche Schweige pflichtentbindungserklärung des Minderjährigen einzuholen. Liegt Einsichtsfähigkeit hingegen nicht vor, muss eine Schweigepflicht entbindungserklärung der sorge berechtigten Eltern vorliegen. Zeitliche Reichweite D i e ärz tl i c he Sc hweigepf licht wirkt über den Tod des Patienten hinaus fort. Der Arzt darf daher grundsätzlich Erben, A n g e h ö r i gen oder Dritten nach dem Tod eines Patienten keine Auskünfte erteilen oder Krankenunterlagen herausgeben. Davon ist dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Arzt zu dem Ergebnis kommt, dass seitens des verstorbenen Patienten eine mutmaßliche Einwilligung für die Offenbarung der Patientendaten vorliegt. Diese wird zum Beispiel für den Fall angenommen, dass die Testierunfähigkeit des Ver storbenen mithilfe der Patiente nunterlagen festgestellt oder ein Behandlungsfehler durch die Er ben des Verstorbenen geltend ge macht werden soll. V iele Ärzte bemerken anfangs gar nicht, dass sie einer Plau sibilitätsprüfung unterzogen wer den. Häufig beziehen sich die Ein leitungsschreiben nämlich zunächst nur auf ein Quartal und werden als „Abrechnungsprüfungen“ betitelt. Die häufigsten Aufgreifkriterien für die Prüfung sind dabei Auffälligkei ten in den Tages- oder Quartalszei ten oder zu viele gemeinsame Pati enten bei Praxisgemeinschaften. In der Regel erhält man eine freundliche Information, dass die Abrechnung auffällig sei, und man möge doch hierzu Stellung bezie hen. Wer nun „frei von der Leber weg“ ausführlich Stellung nimmt, hat den ersten Fehler häufig schon gemacht. Denn den meisten ist nicht klar, dass hinter der „Ab rechnungsprüfung“ immer der Verdacht eines möglichen Abrech nungsbetrugs steht. Rechtzeitig Rat einholen Wichtig ist daher zunächst, sich selbst einen Überblick zu verschaf fen, warum es zu den Auffälligkei ten kommt. Viele Ärzte hegen Be denken, bereits in diesem Stadium einen Rechtsbeistand einzuschal ten, da sie befürchten, damit würde man suggerieren, dass man „etwas zu verbergen habe“. In Anbetracht der drohenden Maßnahmen sollte jedoch in jedem Fall rechtsanwaltli cher Rat eingeholt werden, be vor eine Stellungnahme abgege ben wird. Gelingt es nämlich nicht, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung auszuräumen, kann dies nicht nur zu erheblichen Honorarrückforderungen führen. Leider bleibt es nämlich nicht bei dem in den Anschreiben genann ten einen Quartal, sondern es darf bis zu vier Jahre zurück geprüft werden. Neben der Bereinigung des gege benenfalls entstandenen finanziel len Schadens gibt es einen umfang reichen Katalog weitergehender Maßnahmen, den man bereits zu Beginn des Verfahrens im Auge haben sollte. So wird regelmäßig bei festgestellter Implausibilität ein sogenanntes Disziplinarverfahren bei der jeweiligen Kassenärzt lichen Vereinigung (KV) durchge führt, um den Betroffenen künftig zur Einhaltung seiner vertragsärzt lichen Regelungen anzuhalten. Zulassungsentzug kann drohen Sollte das Ergebnis sein, dass die Pflichtverletzungen oder Verstö ße gegen vertragsärztliche Re gelungen derart schwerwiegend sind, dass die Geeignetheit des Arztes zur weiteren Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nachhaltig infrage gestellt wer de muss, kann sogar der Entzug der Zulassung beantragt werden. Auch die Einschaltung der Staats anwaltschaft (insbesondere beim Verdacht von Abrechnungsbetrug) nimmt immer häufiger zu. Vielen Ärzten ist die Regelung des § 81a Abs. 4 des Fünften Sozialgesetz buches unbekannt, wonach die je weilige KV die Staatsanwaltschaft unverzüglich unterrichten soll, wenn die Abrechnungsprüfung ergibt, dass ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlung mit nicht nur geringf ügiger Bedeutung für die gesetzlichen Krankenversiche rungen bestehen könnte. Auch die Durchführung von Berufsgerichtsbzw. Approbationsentziehungs verfahren können die Folge einer Plausibilitätsprüfung sein. Regionale Unterschiede Die Handhabungen der Durch führung der Plausibilitätsverfah ren sind regional äußerst unter schiedlich. Teilweise wi rd d e n Ärzten durchaus ein Vertrauens vorschuss eingeräumt. In ande ren Bezirken agiert man bereits im Anfangsstadium mit massiven Unterstellungen und Druck, de ren es sich zu erwehren gilt. Häu fig besteht die Hauptarbeit darin, vorgefertigte Meinungen sachlich und mit guten Argumenten zu beseitigen. FAZIT: ” Nicht jede Plausibilitäts prüfung führt zu existenzbedrohenden Konsequenzen. In jedem Fall sollten aber bereits zu Beginn alle Aspekte der Angelegenheit bis zum Ende durchdacht werden. Ecov i s med 1/2014 9 „Ermittelt die Staatsanwalt gegen einen Arzt, informiert sie nach Abschluss des Verfahrens unaufgefordert die Aufsichtsbehörde der Heilberufe.“ Marcus Bodem, Rechtsanwalt bei Ecovis in Berlin, [email protected] meldungen Arztstrafrecht Nach dem Strafurteil der Approbationsentzug Strafrechtliche Verfehlungen können sich entscheidend auf die kassenärztliche Zulassung auswirken und zum Widerruf der Approbation führen. W ird gegen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker strafrecht lich ermittelt, dann rücken von Anfang an auch die möglichen be rufsrechtlichen Konsequenzen ins Blickfeld. Es drohen sogar der Ent zug der Zulassung und der Wider ruf der Approbation. Dabei muss es sich nicht einmal um Verfahren handeln, die einen unmittelbaren Bezug zur ärztlichen Tätigkeit ha ben. Auch Steuerschulden kön nen im Einzelfall den Widerruf der Approbation begründen. Staatsanwaltschaft und Gericht bieten den Betroffenen häufig ei nen raschen Abschluss des Ver fahrens mit milder Bestrafung an. Nicht selten gehen die Betroffenen darauf auch ein – sie wollen ver ständlicherweise nicht lange auf der Anklagebank sitzen. Doch wer die berufsrechtlichen Konsequen zen übersieht, kann schnell vor dem Aus stehen. Denn das eigentliche Problem kommt nach dem Straf verfahren: Die Staatsanwaltschaft informiert unaufgefordert die Auf sichtsbehörden der Heilberufe über ihre Ermittlungen und deren Ab schluss. FAZIT: ” Weil sich strafrechtliche Verfehlungen entschei dend auf die kassenärztli che Zulassung auswirken und zum Widerruf der Approbation führen können, sollten Betroffe ne frühzeitig rechtliche Beratung suchen. 10 Ecov i s med 1/2014 Unregelmäßigkeiten bei der Über we i s u n g vo n P a ti e n te n , i n der Honorara brechnung, und in der Kooperation mit Dritten können dieselben Konsequenzen auslösen. Auch die Kassenärztlichen Vereini gungen (KV) sind befugt, den Ap probationsbehörden und Kammern wie Ärztekammern, Kammern für Psychologische Psychotherapeuten und Zahnärztekammern personen bezogene Daten zu übermitteln. Dies gilt für alle Daten, von denen sie im Rahmen ihrer Aufgabenerfül lung – etwa im Rahmen von Wirt schaftlichkeits- oder Qualitätsprü fungen – Kenntnis erlangt haben und die approbations- bzw. be rufsrechtlich von Bedeutung sind (§ 285 SGB V). Dafür unterhal ten die Verbände der Ersatzkassen sogar eigene „Ermittlungsabtei lungen“, die eng mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammenar beiten. Derartige Ermittlungen können, sofern sie vom Gericht für zutref fend befunden werden, erhebliche Folgen nach sich ziehen. In seiner Rechtsprechung hat das Bundes verwaltungsgericht (BVerwG) die Ansicht untermauert, dass allein die in einem rechtskräftigen Straf urteil getroffenen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage der gerichtlichen Beurteilung der Wi derrufsvoraussetzungen gemacht werden können. Anderes gilt nur dann, wenn sich „gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellun gen“ ergeben. Neue und eigene Ermittlungen der Behörden und Gerichte finden in diesem Fall also gar nicht mehr statt (BVerwG 18. August 2011 – 3 B 6.11; OVG Lü neburg 19. Juni 2013 – 8 LA 79/ LA; BVerwG 27. Januar 2011 – 3 B 63.10). Solche gewichtigen Anhaltspunkte sind nur dann ge geben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die für den Betroffenen zu einer günstigeren strafrechtlichen Entscheidung ge führt hätten. Wer in solchen Situationen mit Be dacht strategisch handelt, kann ne gative wirtschaftliche Konsequen zen erheblich mindern, wenn nicht gar vollständig vermeiden. Daher ist der schnelle Abschluss des Straf verfahrens häufig eher von Nach teil für das berufsrechtliche Verfah ren und nicht zwingend immer im Interesse des Betroffenen. Ein erheblicher Zeitraum, der zwi schen der vorgeworfenen Verfeh lung und einem nachfolgenden tadellosen Verhalten liegt, ist regel mäßig zugunsten des Betroffenen zu berücksichtigen. In Einzelfäl len kann es jedoch geboten sein, den laufenden Betrieb einer Praxis zeitnah auf einen Dritten zu über tragen. Doch auch das muss vorbe reitet werden, zumal hier die ver schiedensten Optionen denk- und machbar sind. Behörden und Gerichte prüfen, ob der Betroffene das erforderliche Ansehen und Vertrauen trotz der festgestellten Verfehlungen zurück erlangen konnte. Ein Grund dafür kann vorliegen, wenn die Berück sichtigung aller Umstände erwar ten lässt, dass die selbstständige Berufstätigkeit des Betroffenen das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nicht mehr nachhal tig erschüttern kann (vgl. BVerwG 15. November 2012 – 3 B 36.12). Die Erfüllung dieser Voraussetzun gen muss für Behörden feststellbar sein. Auch deswegen empfiehlt es sich, frühzeitig, nämlich schon zu Beginn der ersten Ermittlungen, eine strategische Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen. Die BWA richtig lesen – und davon für die Praxis lernen Viele Ärzte und Zahnärzte lesen ihre Betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) nicht oder nicht richtig, da der tatsächliche Nutzen der BWA nicht erkannt wird. Meist fällt der einzige Blick nur auf das vorläufige Ergebnis. Dabei kann die BWA – richtig interpretiert – ein wesentlicher Erfolgsbaustein für die Praxis sein. Doch wie liest man sie richtig, die BWA? Der erste Schritt, um die Zahlen und die Entwicklung der eigenen Praxis zu analysieren, ist der BWA-Vorjahresvergleich. In einem zweiten Schritt sollten dann regelmäßige Vergleiche mit dem Branchen durchschnitt erfolgen. Denn um die eigene BWA besser einschätzen zu können, sind Vergleichswerte – im Idealfall von vergleichbaren Praxen mit den gleichen Schwerpunkten und der gleichen Größe – essenziell. Der direkte Weg zum Erfolg führt schließlich über eine individuelle Umsatz- und Kostenplanung für zwei bis drei Jahre und einen regelmäßigen Soll-Ist-Vergleich. Bei der Erstellung solcher Planungen können Unternehmens- und Steuerberater unterstützen. TIPP: ” Mehr zum Thema BWA erfahren Sie in unter www.ecovis.com/bwa Haftung eines Physiotherapeuten Viele Urteile, die sich mit der Haftung von Physiotherapeuten befassen, gibt es nicht. Bemerkenswert ist jedoch der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz (Az. 5 U 693/12 vom 2.1.2013) in dem die Sorgfalts anforderungen in der Physiotherapie geregelt werden. So müssen die konkreten physiotherapeutischen Übungen dem Alter und der Fertigkeit des Patienten angepasst werden. Der Physiotherapeut muss darüber hinaus hinterfragen, ob eine Medikamenteneinnahme des Patienten die Durchführung beeinträchtigt und sicherstellen, dass die Patienten den beabsichtigten Übungen auch tatsächlich gewachsen sind. Andernfalls haftet er für den Schaden, der dem Patienten durch die fehlerhafterweise durchgeführte Übung entsteht. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ist jedoch dann nicht haftungsrelevant, wenn die vor Behandlungsbeginn durchgeführte Befragung nichts am Übungsplan geändert hätte. Strafe für nicht gemeldete Krebserkrankung In vielen Bundesländern sind Krebserkrankungen meldepflichtig. Alle Ärzte, die Krebserkrankungen in diesen Bundesländern behandeln oder diagnostizieren, egal ob ambulant oder stationär, müssen diese melden. Tatsächlich tun das viele nicht. Durch eine geplante Einführung von Strafen soll dies zukünftig verhindert und eine flächendeckende Erfassung von Ersterkrankungen im jeweiligen Krebsregister des Bundeslandes erreicht werden. Das vorsätzliche, aber auch fahrlässige Unterlassen der Meldung einer Krebserkrankung stellt dann in Zukunft eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Umset zung erfolgt im Einzelnen pro Bundesland. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel will diesen Verstoß mit einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 Euro ahnden lassen. Im April dieses Jahres wurde zudem ein Bundesgesetz zum Aufbau der bundesweiten klinischen Krebsregister verabschiedet – das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister“ (KFRG). Die Struktur der einzelnen Krebsregister war bisher in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Zukünftig gelten einheitliche Vorgaben. Ziel ist es durch einheitliche Maßstäbe die Behandlung von Tumorerkrankungen zu verbessern. Es ist daher wohl absehbar, dass die Meldepflicht sowie Sanktionen bei einem Verstoß bald bundesweit eingeführt werden. FAZIT: ” Ärzte müssen einer in ihrem Bundesland bestehenden Melde pflicht bei der Diagnose und Behandlung von Krebserkrankungen unbedingt nachkommen. Zum einen, um zukünftig drohende Strafen zu verhindern, zum anderen um die flächendeckende Registrierung und somit die bestmögliche Behand lung der Patienten zu ermöglichen. Ecov i s med 1/2014 11 ECOVIS – Das Unternehmen im Profil Ecovis ist ein Beratungsunternehmen für den Mittelstand und zählt in Deutschland zu den Top 10 der Branche. In den mehr als 130 Büros in Deutschland sowie den über 60 internationalen Partnerkanzleien arbeiten etwa 4.000 Mitarbeiter. Ecovis betreut und berät Familienunternehmen und inhabergeführte Betriebe ebenso wie Freiberufler und Privatpersonen. Ärzte, Gemeinschaftspraxen sowie Medizinische Versorgungszentren, Krankenhäuser, Pflegeheime und Apotheken sind unter den von Ecovis beratenen verschiedenen Branchen stark vertreten – über 2.000 Unternehmen aus dem Bereich Gesundheit/Medizin zählen zu den Mandanten von Ecovis. Um das wirtschaftliche Handeln seiner Mandanten nachhaltig zu sichern und zu fördern, bündelt Ecovis die nationale und internationale Fach- und Branchenexpertise aller Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Unternehmensberater. Jede Ecovis-Kanzlei kann auf diesen Wissenspool zurückgreifen. Die ECOVIS Akademie ist zudem Garant für eine fundierte Ausbildung sowie eine kontinuierliche und aktuelle Weiterbildung. Damit ist umfassend gewährleistet, dass die Mandanten vor Ort persönlich gut beraten werden. Adressen und Berater Ihrer Ecovis-Kanzlei finden Sie unter www.ecovis.com/standorte IMPRESSUM Herausgeber . ECOVIS AG Steuerberatungsgesellschaft, Ernst-Reuter-Platz 10, 10587 Berlin, Tel. +49 (0)89-58 98 266,Fax +49 (0)89-58 98 280 Konzeption und Realisation . EditorNetwork Medien GmbH, 80805 München Redaktionsbeirat . Tim Müller (Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht), Kathrin Witschel (Steuerberaterin). ECOVIS med basiert auf Informationen, die wir als zuverlässig ansehen. Eine Haftung kann jedoch aufgrund der sich ständig ändernden Gesetzeslage nicht übernommen werden.