PDF-Datei ( 270 KB)

Transcription

PDF-Datei ( 270 KB)
17.03.2008
Praktikumsbericht CDA
von Mira Schönegge
Coro de Angeles
Die Schule Coro de Angeles in Granada betreut vormittags von 7:30 bis 11:00 Uhr die Kinder
des Preescolar, das heißt im Alter von 3 5 Jahren. Nachmittags von 13:00 bis 17:00 Uhr
kommen die Kinder der Primaria von 6 8 Jahren. Unter ihnen ist auch ein Integrationskind
mit motorischen Problemen, das im Rollstuhl sitzt. Außerdem gibt es unter den betreuten
Kindern ein weiteres Kind mit Downsyndrom.
Vormittags kommen insgesamt 145 Kinder (78 Jungs, 67 Mädchen), die in 6 Klassen
aufgeteilt werden und von 6 Lehrerinnen unterrichtet werden (Maria Elena Martinez, 39;
Guissel Salinas, 27; Marling Potoy, 18; Zaida Velarde, 27; Martha Gomez, 24; Auxiliadora
Ruiz, 38). Nachmittags arbeiten nur 3 Lehrerinnen mit 50 Kindern (27 Jungs, 23 Mädchen).
Tagesablauf
Da meine Arbeit in der Schule sich auf den Vormittag beschränkt hat, kann ich vor allem
darüber berichten. Der Ablauf eines Tages sah so aus: Die Schule ist ab 7:30 geöffnet. Die
Kinder werden in dem Zeitraum von 7:30 bis 8:30 von ihren Eltern in die Schule gebracht.
Seit Februar zahlen sie beim Eintreten 1 C$ Essensgeld an eine der Lehrerinnen. Je nachdem
was Maria Elena anordnet, singen entweder alle Kinder gemeinsam im Schulhof die
Nationalhymne und danach weitere Kinderlieder, oder jede Lehrerin allein mit ihrer Klasse
im Klassenraum. Bei den Kindern des III Nivel (5 Jahre alt), bei denen ich größtenteils in der
Klasse war, werden danach entweder Abschreibübungen gemacht oder Bilder gemalt. Bei
den Kindern des I und II Nivel wird ebenfalls gemalt, wobei dabei oftmals alles drunter und
drüber geht. Die Kinder laufen dann auf dem Schulhof herum und spielen. Nach Ermessen
von Maria Elena, meist gegen 9:30 Uhr, wird zur Pause gerufen. Aus dem Büro wird ein
Rollwagen geholt, auf dem Wassereis, Chips, Nüsse, Tajadas, seit Beginn des neuen
Schuljahres auch manchmal Melone zum Verkauf bereitliegen. Die Pause dauert ca. eine
halbe Stunde, manchmal auch länger, und wird ebenfalls von Maria Elena beendet.
Danach wird mit den Übungen fortgefahren. In meiner Klasse habe ich nach der Pause mit
den Kindern autogenes Training in Form einer Fantasiereise gemacht und anschließend
gemalt, währenddessen hat sich Maria Elena um die Vorbereitung des Essens gekümmert,
das es seit Schuljahresbeginn in der Schule wieder gibt. Zwischen 10:15 und 10:45 wird dann
gegessen und danach werden die Kinder im Eingangsbereich in Reihen aufgestellt um auf
ihre Eltern zu warten, was meist ein großes Chaos ist.
Insgesamt ist es schwierig, einen exakten Ablauf des Tages wiederzugeben, weil vieles
variiert, manchmal anders gehandhabt wird oder etwas Neues ausprobiert wird. Dies
geschieht eigentlich ausschließlich durch Aufforderung und unter Angaben von Maria Elena.
Essen
Zu dem Essen, was in den Pausen verkauft wird, habe ich seit Schuljahresbeginn eine
deutlichere Verbesserung beobachtet. Nachdem es letztes Jahr noch Lutscher, Marmelade
und jede Menge bunter Chips gab, wird momentan häufiger Melone angeboten und die
Auswahl der Chips ist deutlich reduziert. Wassereis gibt es nach wie vor.
Seit Februar wird jetzt auch wieder Essen in der Schule ausgeteilt, das heißt Reis, Bohnen
und ein Kleks Crema dazu. Da die Schule kein Geld für Gas hat, kocht eine Mutter das Essen
zu Hause und bringt es dann in der Schule vorbei. Nach den Osterferien wird der Schule aber
wieder ein von Frankfurt gezahlter Gastank zur Verfügung stehen. Reis und Bohnen werden
alle 40 Tage geliefert und vom MED (ministerio de educación) finanziert.
Meiner Meinung nach ist die Essensregelung in der Schule nicht sehr sinnvoll. Da die Kinder
schon um 11:00 Uhr abgeholt werden, essen sie meist noch zu Hause zu Mittag. Außerdem
haben viele gar keinen Hunger, da sie sich kurz davor in der Pause schon mit Süßigkeiten
vom Pausenverkauf, sowie mit von den Eltern mitgegebenem Proviant vollgestopft haben. Es
nimmt viel Zeit in Anspruch, die für andere Aktivitäten besser genutzt werden könnte. Einige
Eltern haben sich zusätzlich beschwert und bestimmt, dass ihre Kinder nicht mehr mitessen
sollen, da sie angeblich davon Durchfall bekommen haben, was auf die mangelnde Hygiene
beim Austeilen und Abspülen der Teller zurückzuführen sein könnte.
Finanzen
Die Lehrerinnen, von denen eine erst 18 Jahre alt ist, haben noch keine fertige Ausbildung,
nehmen aber jedes zweite Wochenende an weiterbildenden Seminaren in Jinotepe teil, die
als Studium anerkannt werden. Ihr Gehalt vom MED beläuft sich auf 500 C$ pro Quartal, sie
verdienen sich aber zusätzlich Geld durch den Verkauf von Chips und Wassereis in den
Pausen und die Beiträge der Eltern.
Der zu zahlende Monatsbeitrag pro Kind beträgt 20 C$, wird aber laut Maria Elena nur von
50% der Eltern übernommen. Außerdem wurde seit Beginn des neuen Schuljahres am 04.
Februar 2008 ein zusätzlicher Tagesbetrag von 1 C$ pro Kind pro Tag eingeführt, der als
Essensgeld betrachtet wird.
Die Direktorin wird vom MED (Ministerio de Educación) bezahlt und verdient 2500 C$ pro
Monat. Sie hält sich nur nachmittags in der Schule auf. Leitende Funktion in der Schule hat
deshalb Maria Elena („la Gata") inne.
News
Seit Beginn des neuen Schuljahres gibt es wieder einen Elternbeirat, der aus 5 Mitgliedern
besteht, die sich in der Regel 3 Mal pro Monat treffen. Sie sind für die Organisation von
kleinen Festen und Veranstaltungen zuständig, die als Nebenverdienst dienen sollen.
Eine neue Regelung des MED besagt, dass jetzt jeden letzten Freitag im Monat eine
Versammlung aller Lehrerinnen von Granada stattfinden wird, in der sie eine Evaluierung der
Fortschritte in der Arbeit mit den Kindern abliefern müssen, sowie genauere Angaben von
Seiten des Ministeriums dazu bekommen. So findet auch ein Austausch unter den
verschiedenen Lehrerinnen statt. Das MED hat außerdem vor kurzem ein kostenloses
Lernbuch mit Übungen zum Erkennen von Formen und Lernen von Farben für die Kinder des
III Nivel herausgegeben, mit dem jetzt gearbeitet wird.
Meine Arbeit
Aufgrund meiner anfangs noch sehr lückenhaften Spanischkenntnisse, habe ich zuerst
einmal nur zugeschaut im Unterricht. Sehr bald hatte ich ein Bild davon, wie der Unterricht
in der Regel abläuft. Maria Elena pflegte die Arbeitsaufträge zu geben und mich dann mit
den Kindern allein zu lassen, ohne Anweisung über weitere Schritte. Nach einigen Wochen
fing ich deshalb an, mir eigene Arbeitsaufträge zu überlegen und Spiele auszudenken. Die
autoritäre Stellung Maria Elenas und ihre ständige Überwachung ließen mir jedoch eigentlich
nur wenig Raum meine eigenen Ideen auszuführen. Zudem wäre es schwer gewesen, ihr zu
vermitteln, dass ihre Abwesenheit mir die Arbeit mit den Kindern erleichtert hätte, da sich
die Kinder auf mich als Lehrerin einstellen sollten und nicht immer sie als Ansprechpartnerin
sehen sollten.
Jeden Montag und Donnerstag kam der Musiklehrer für 1 2 Stunden in die Schule. Mit ihm
hat die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert und die Kinder haben uns als Lehrerteam gut
angenommen. Wir haben zusammen gesungen, während er auf dem Keyboard begleitet hat,
Rhythmusspiele mit Orf Instrumenten und Händeklatschen gespielt. In der Weihnachtszeit
haben wir Weihnachtslieder geübt, was in dem sonnig warmen Ambiente Nicaraguas ein
sehr besonderes Erlebnis für mich war.
Zusammenfassend bestand meine Arbeit in den ersten drei Monaten darin, die Kinder
während der Arbeitsaufträge zu begleiten, mit ihnen zu malen, zu kneten und zu singen,
ihnen Abschreibübungen aufzugeben oder sie während der Pausen zu betreuen.
Problematisch hierbei war, dass sich Maria Elenas und mein Aufgabenbereich oft zu sehr
überschnitten hat, wodurch meine eigenen Gestaltungsmöglichkeiten etwas eingeschränkt
waren.
Im Dezember fand die Verabschiedung meiner Klasse statt. Mit einer großen Prozession und
einem Fest wurde der Übergang der Kinder von der Preescolar in die Primaria gefeiert.
Im neuen Schuljahr ab Februar habe ich wieder mit den Kindern des III Nivel gearbeitet.
Allerdings habe ich Maria Elena deutlicher gesagt, welchen Teil des Unterrichts ich
übernehmen werde und wie viel Zeit ich dazu benötige. Mir kam die Idee eine Art autogenes
Training in Form von Fantasiereisen zu machen, da die Kinder anfangs extrem unruhig und
laut waren. Dafür stellte ich die Bedingung, dass jeder im Raum entweder teilnehmen oder
rausgehen müsse, wodurch ich in Abwesenheit von Maria Elena arbeiten konnte. Nach den
Fantasiereisen erteilte ich die Aufgabe, das „Gesehene" zu malen, wobei sehr schöne Bilder
entstanden sind. Generell beinhalteten die Fantasiereisen die Begegnung mit verschiedenen
bunten oder einfarbigen Pflanzen und Tieren, denen die Kinder nach ihren eigenen Ideen
Namen geben und sich ein Gespräch mit ihnen vorstellen sollten. Außerdem gab es danach
einen Teil, der gezielt der körperlichen Entspannung galt und damit endete, dass ich die
Kinder mit einem Rückenstreicheln wieder ins Klassenzimmer zurückholte. Dabei kam es
allerdings auch vor, dass ich eines der Kinder tatsächlich aufwecken musste.
Mein Eindruck war, dass letztendlich ca. ein Drittel der Kinder, vor allem Mädchen, in der
Lage waren, den Übungen konzentriert zu folgen. Diese waren dann auch fähig, während der
gesamten „Reise" die Augen zuzulassen und danach zu beschreiben und aufzumalen, was sie
in ihrer Vorstellung erlebt haben.
Desweiteren habe ich mit den Kindern Ratespiele zum Thema Hör , Tast , und
Geschmackssinn gemacht. Dabei sollten die Kinder zum Beispiel mit verbundenen Augen die
Unterschiede zwischen den Geschmäckern Bitter, Süß und Salzig erfahren oder mit dem
Rücken zur Klasse die Stimme ihrer Klassenkameraden wiedererkennen oder geknetete
Formen wie Quader, Dreiecke oder Würfel erraten.
Mein Unterrichtsanteil ab Februar war wesentlich höher als vorher und ich hatte einen viel
besseren und engeren Kontakt zu den Kindern. Die Kommunikation mit Maria Elena lief gut.
Trotz meiner zum Teil sehr kritischen Meinung ihrer Erziehungsmethoden und unserer
unterschiedlichen Umgangsform mit den Kindern haben wir einen guten Weg gefunden uns
gegenseitig höflich aber mit einer gewissen Distanz zu begegnen.
Der Abschied von den Kindern ist mir sehr schwer gefallen. Mich hat es sehr berührt, mich
am Ende meiner Zeit von ihnen so akzeptiert und anerkannt zu sehen. Bei unseren kleinen
Raufspielen im Schulhof ist dann auch schon mal das ein oder andere weiße Hemdchen
dreckig geworden, aber wir haben uns durchgekitzelt bis alle auf einem Haufen lagen und
aus vollem Herzen gelacht. Bis eine der Lehrerinnen, von Maria Elena geschickt, alle Kinder
angeschrien hat und mit Strafe gedroht hat. Zu mir haben sie eigentlich nie etwas gesagt
oder mich kritisiert, aber ihre Blicke sagten manchmal genug.
Hierbei möchte ich nochmal auf die Problematik zu sprechen kommen, die der
unterschiedliche kulturelle Hintergrund und die verschiedenen Umgangs und
Erziehungsformen mit sich ziehen. Ich sah meine Aufgabe nicht darin, den Lehrerinnen über
die Schultern zu sehen und sie in ihrer Arbeit mit den Kindern zu beurteilen oder zu
korrigieren, auch wenn es sehr viele Situationen gab, in denen mir ihr Handeln nicht
einleuchtete. Trotzdem habe ich versucht, dieser Rolle der europäischen Belehrenden gezielt
aus dem Weg zu gehen. Allerdings wollte ich meine eigene Umgangsform auch nicht an die
hier vorherrschende angleichen, was zum Teil gar nicht so einfach war. Die Kinder waren
größtenteils einen so barschen Tonfall gewöhnt, dass sie alles andere einfach überhört
haben und eine ruhig und nett formulierte Aufforderung nicht wahrgenommen haben. Auf
höfliche Umgangsformen, sprich „Bitte" und „Danke" habe ich stets bestanden, wobei dieser
Versuch der Erziehung oft daran gescheitert ist, dass Maria Elena schon vor mir gehandelt
hat, während ich auf das Wörtchen „Bitte" gewartet habe. Dies kam häufig beim
Ausschenken von Wasser vor, da die Kinder immer nur kommen und sagen: „Gib mir
Wasser!". Während ich ihnen also freundlich erklärte, dass es sich für den anderen viel
netter anhört, wenn man den Satz mit einem „Bitte" und „Danke" ausschmückt, hatte Maria
Elena ihnen manchmal schon das Glas in die Hand gedrückt.
Ich hoffe, dass die Lehrerinnen in meiner Art mit den Kindern umzugehen, eine Alternative
zu der ihrigen erkennen konnten. Ob sie davon für die Zukunft etwas annehmen wird oder
nicht ist schwer zu beurteilen. Ich habe aber an dem versteckten Lächeln Marlings über mein
Herumtollen mit den Kindern erkannt, dass sie mein Handeln zumindest nicht ablehnt. Sie ist
allerdings trotzdem weitgehend an die traditionellen Umgangsformen gebunden, deren
Entwicklung nur langsam vorangeht.
Für mich war die Arbeit im Coro de Angeles nicht immer einfach aber rückblickend eine
wunderbare Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Zukunftsweisend…
Sollte zukünftig wieder jemand daran interessiert sein, ein Praktikum im Coro de Angeles zu
machen, möchte ich folgende Ratschläge geben. Es sollte mindestens 4 Monate dauern (und
nicht in den Ferien liegen, die von Anfang Dezember bis Ende Januar gehen). Es wäre besser,
dem/der Praktikant/in nach einer kurzen Eingewöhnungszeit ein eigene kleine Klasse
zuzuteilen, damit die Kinder sich auf ihn/sie einstellen können und man nicht mit den
anderen Lehrerinnen in Konflikt kommt. Hierzu müsste man sich über den Lehrplan
informieren, könnte dann die Themen aber eigenständig den Kindern nahebringen. Es sollte
im Vorhinein klar angekündigt werden, dass der/die Praktikant/in eine eigene Gruppe von
Kindern übernehmen wird, damit sie dann von Anfang an auch als Kollegin der anderen
Lehrerinnen angesehen wird.
Voraussetzung für den/die Interessierte/n: Es ist wichtig, viel Interesse und Spaß an der
Arbeit mit kleinen Kindern zu haben, eigenständig und eigenverantwortlich arbeiten zu
wollen und sich dieser Aufgabe gewachsen zu fühlen.
Ausbildung oder andere berufliche Vorkenntnisse können natürlich hilfreich sein, sind neben
dem Schulabschluss aber nicht unbedingt erforderlich.