Zeitungsartikel Recherche der Carl-Schurz

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Zeitungsartikel Recherche der Carl-Schurz
CO2-Reduzierung auf Bulgarisch
Die Zarenstadt Veliko Tarnovo stellt auf umweltfreundliche Energiegewinnung um.
Kaputte Rohre, undichte Leitungen, Bierflaschen aus Plastik und sogar ein toter Vogel in
der Ecke – seriös wirkt das Blockheizkraftwerk in Veliko Tarnovo nicht.
Doch das Kraftwerk versorgt 40% der ehemaligen Zarenstadt in den nordöstlichen
Hügeln Bulgariens umweltfreundlich mit Wärme und Strom. In den letzten Jahren, seit
dem EU-Beitritt des Landes, wurde das Kraftwerk auf Erdgas umgestellt. Bis dahin
wurde es mit Masut, einem Überrest von verbranntem Erdöl, beheizt, dessen C02Emissionen ca. 280 g/kWh betragen. Erdgas hingegen hat nur Emissionen in Höhe von
199 g/kWh und ist damit ein umweltfreundlicherer Brennstoff.
Eine weitere Verbesserung soll es geben, wenn künftig mit Biogas, erzeugt aus Altobst
oder Stallmist, geheizt wird.
„Die Luft hat sich in den letzten zwei Jahren bereits sichtbar verbessert“ erklärt Konrad
Watrin, EU-Lehrer am Fremdsprachengymnasium in Veliko-Tarnovo. Auch die Effizienz
des Kraftwerks ist nicht zu verachten: mit seinen 84% kommt es dem Optimalwert von
90% erstaunlich nahe. Die Effizienz ist der Prozentsatz an Energie, der tatsächlich zum
Heizen etc. genutzt wird und nicht auf dem Transportweg verloren geht.
So weit so umweltfreundlich.
Die Einhaltung der Vorschriften wird jedoch bulgarisch leicht genommen:
vorgeschriebene Schutzkleidung - wie Ohrenschützer, Helm und Handschuhe - trägt trotz
der übergroßen Warnschilder niemand und Eindringlinge tierischer Natur werden nicht
beachtet. So sind streunende Hunde zwischen laufenden Maschinen keine Seltenheit.
Und das obwohl man die Verantwortung für etwa 7000 Wohneinheiten trägt.
Für das leibliche Wohl der Arbeiter ist allerdings gesorgt: Die Mitte der großen Halle
bildet ein auf Steinen stehender, alter Container, in dem Kochplatten und kleine Öfen
vorhanden sind. Auch die leeren Bierflaschen in vielen Ecken lassen auf eine sehr
gemütliche Arbeitsatmosphäre schließen.
Das Kraftwerk vertreibt den Strom nicht selbst, sondern über Energieversorger wie dem
aus Deutschland operierenden Unternehmen Eon. Diese verkaufen den Strom an die
bulgarischen Verbraucher weiter, wobei der Preis etwas günstiger ausfällt als die EUVorgaben es vorschreiben.
Ein eigentlich EU-weit vorgeschriebener Rauchgasfilter fehlt, obwohl er für dieses
Kraftwerk unbedingt notwendig wäre. „Zu teuer“ heißt es. Der Hauptingenieur im Werk,
Nikolai Nikolov, spricht ungern über den fehlenden Filter, welcher die Umgebung vor
Feinstaubbelastung schützen sollte. Auch im Winter 2008/2009 – während der Gaskrisewar kein Filter vorhanden. Es wurde wieder mit dem umweltschädlichen Masut geheizt
und schwarze Wolken stiegen aus den Schornsteinen des Kraftwerks. Anwohner erzählen
von verpesteter Luft wie in Zeiten der Gründung des Kraftwerkes 1986.
Ob bei einer erneuten Krise ein Filter eingebaut werden würde? „Nein“ sagt der Dipl.
Ingenieur und legt den Zeigefinger auf die Lippen. Auch die Fragen nach den kaputten
Leitungen und Rohren wird wie so oft (an diesem Tag) nur ausweichend beantwortet:
„Das sind die alten Leitungen, die sind gestoppt und werden repariert“ Doch warum
trotzdem Flüssigkeiten aus ebendiesen Rohren tropft bleibt ein Geheimnis.
Von Marie-Jeanne Semnar und Marie-Luise Herrlein
“Warum benutzt ihr hier Plastikbecher?“
Nervös runzelt „la dame en rouge“ mit grünen Absichten die Stirn. „Die vielen
Überflutungen der letzten Jahre haben den Müll in die Flüsse geschwemmt“, sagt sie. Die
Diplomingenieurin Elena Grigorova, komplett in rot gekleidet, versucht die
Umweltprobleme in Bulgarien, speziell in ihrer Stadt Veliko Tarnovo, darzulegen. Sie
klammert sich an ihre vorbereitete Präsentation und greift zu einem Plastikbecher, um
einen Schluck Wasser zu trinken – und das im Umweltamt RIEW Veliko Tarnovo.
Veliko Tarnovo ist eine Stadt im nördlichen Balkangebirge, es leben 71.275 Einwohner
in der etwa 240km von Sofia entfernten Stadt.
Der Besucher wundert sich und erhält folgende Erklärung für das ungewöhnliche
Geschirr: „schon letztes Jahr wollte man den hohen Verbrauch von Plastik in der
Bevölkerung verringern, ich denke, die Zeit wird kommen, in der dies eingeführt wird,
im Moment haben wir diese Etappe noch nicht erreicht“,so Elena Grigorova und nippt
noch einmal an ihrem Plastikbecher.
Elena Grigorova schaut im offiziell wirkenden Presseraum des Umweltamts RIEW
Veliko Tarnovo herum. RIEW – Umweltinformations- und Bildungszentrum des
regionalen Umwelt- und Wasseramtes – bereitet die Durchführung der Gesetze für
Umwelt und Gewässer vor und ist für die Region Veliko Tarnovo zuständig. Es soll ein
höherer und komfortabler Lebensstandard erreicht werden, indem man den EU-Normen,
wie z.B. den Abfall zu trennen oder die Abgase versucht zu verringern folgt, erklärt
Elena Grigorova.
Bereits vor 10 Jahren wurde ein Projekt gestartet, das mit US-Geldern finanziert wurde.
Innerhalb jenes Projektes hat man begonnnen, farbige Abfalltüten zur Trennung des
Mülls zu verteilen. Nach einiger Zeit wurde es allerdings abgebrochen. „Aus
Geldmangel“, wie Elena Grigorova sagt. Bulgarien will nun andere Wege zur
Müllvermeidung und Umweltentlastung gehen: Zukünftig, so Elena Grigorova, soll der
Abfall sofort vebrannt werden. Die Mülldeponien könnten dann geschlossen werden.
Außerdem werde auf mehr Ordnung in der Stadt wert gelegt. Jetzt werden die Straßen
regelmäßig gereingt. Und es werde für mehr Mülleimer in der Stadt gesorgt werden.
„Die Trennung des Mülls war nur ein erster Testlauf“, weicht die Leiterin des RIEW den
kritischen Fragen der Journalisten aus. Weiterhin werde die Abfallentsorgung in Veliko
Tarnovo zu den größten Umweltproblemen der Stadt gezählt.
Es sei schwierig für Bulgarien die vorgeschriebenen Umweltnormen der EU einzuhalten.
Die Diplomingenieurin erklärt, dass Bulgarien zum Beispiel nur zwei Recyclingdepots
besitzt. Daher bestehe keine Möglichkeit zur Trennung des Mülls, besonders bei der
Weiterverarbeitung des Plastiks, sagt sie.
Um das Umweltbewusstsein der Bevölkerung zu stärken und diese in die Verbesserung
des Ökosystems einzubinden, gibt es verschiedene Maßnahmen. Zum Beispiel führte das
Umweltamt Geldstrafen gegen die Verschmutzung in der Öffentlichkeit ein. Wer seinen
Dreck in die Landschaft wirft, muss blechen. Viel Müll landet im Fluss. Dieses Vorhaben
scheiterte jedoch an der bulgarischen Polizei. Der Aufwand der Kontrollen war höher als
die Einnahmen, heißt es.
Ein anderer Ansatz sei schon Kindern die Umweltprobleme nahezubringen. Zum Beispiel
werden laut Elena Grigorova an Schulen und Kindergärten Filme über die Umwelt
gezeigt. Zum Aufklärungprogamm gehöre auch, dass regelmäßig Umweltexperten
Schulen besuchen, in denen sie den Schülern Ratschläge zum besseren Umgang mit der
Umwelt im Alltag geben. So erreiche man Kinder und Jugendliche. Die Expertin weiß
selbst, dass es schwierig ist, die Erwachsenen zu belehren. Sie nähmen Umweltthemen
nur schwer an. Deshalb liegt Bulgariens Hoffnung zur Verbesserung der Umwelt und zur
Lösung der Umweltprobleme bei der jüngeren Generation. Bis sich etwas verändert, kann
es also noch Jahrzehnte dauern. Die Zukunft zur Verbesserung der Umwelt in Bulgarien
liegt in den Händen der Kinder und Jugendlichen.
Von: Luise Reitbauer, Svenja Carlson, Mario Angelov, Makda Isaak, Patrick Bayer, Dana Wollmann, Lisa
Zeyen
Bemühungen gegen den Klimawandel dürfen keine Grenzen kennen
Im „Joint Implementation Mechanism“ geht es um die Umsetzung von
Klimaschutzprojekten in anderen Ländern. So wird unter anderem den osteuropäischen
Ländern geholfen, ihre Treibhausgasemissionen zu senken und gleichzeitig mit
neuartigen Technologien zu unterstützen. Die Industriestaaten erhalten zudem ein
anrechenbares Reduktionszertifikat. Es ist wichtig, dass alle Staaten ihren Beitrag zur
Senkung von CO2 leisten, egal wo, Hauptsache es wird etwas verändert. Also ist dies
eine gute Alternative, um Treibhausgasemissionen zu senken, zudem unterstützt man
noch die beteiligten Länder in ihrem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung. Das
Beispiel Veliko Tarnovo beweist, dass es klappen kann. Denn wenn Dänemark nicht in
das Blockheizkraftwerk investiert hätte, würde heute kaum 40 % der Bevölkerung Veliko
Tarnovos umweltfreundlich mit Wärme und Strom versorgt werden können.
Von Makda Isak
Umweltschutz als Freifahrtsschein für Industriestaaten
Es sind nur ein paar schwache Lösungsansätze festgehalten im Kyoto-Protokoll, welches
als Rettungsversuch gegen die globale Erderwärmung gehandelt wird.
Vor allem der „Joint Implementation Mechanism“ des Kyoto-Protokolls hat es den
Industriestaaten angetan. „Lieber den einfachen Weg wählen und sich so vor
Veränderungen im eigenen Land drücken“ denken sich diese. Während sie sich nach
günstigen Umweltprojekten umsehen, die sie im Ausland umsetzen, kann häufig von
Nachhaltigkeit keine Rede sein.
So haben die Länder, wie zum Beispiel Bulgarien, im Prinzip nichts davon, das Motto
„Hilfe zur Selbsthilfe“, nach dem angeblich gearbeitet wurde, kann nicht verwirklicht
werden, da sie kaum Mittel zur Entwicklung von eigenen Umweltschutzprojekten haben.
In Wirklichkeit dient dieser Mechanismus also nur den Industriestaaten, die nach anderen
Auswegen suchen und sich so von teuren Umstellungen im eigenen Land „freikaufen“.
Von Svenja Carlson
Karikatur von Marie-Luise Herrlein