frühbehandlung des morbus parkinson mit rasagilin (azilect)?

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frühbehandlung des morbus parkinson mit rasagilin (azilect)?
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arznei-telegramm® 2012; Jg. 43, Nr. 8
> 2, anamnestisch Insult), wenn die Einnahme von Dabigatran für „längere Zeit” unterbrochen werden muss. Die Angaben zu der „längeren Zeit” bleiben aber vage und scheinen
sich vor allem auf die präoperative Periode zu beziehen. Die
genaue gewichtsadaptierte Dosierung des Heparins wird
ebenfalls nicht konkretisiert.3 Wann und wie Heparin in dieser Situation für ein Bridging eingesetzt wird, wird man somit
nach Abschätzung des individuellen Risikos für Embolien einerseits und Blutungen andererseits entscheiden müssen.
Uns erscheinen diese Konsensus-Empfehlungen recht gut
nachvollziehbar. Sie dürften auch auf Rivaroxaban übertragbar sein mit der Besonderheit, dass die Pausierungsintervalle
wohl nicht an die Nierenfunktion angepasst zu werden brauchen. Dennoch sind systematische Untersuchungen und Dokumentationen zum optimalen perioperativen Management
der neuen oralen Antikoagulanzien unabdingbar.
 Aussagekräftige publizierte Erfahrungen zum perioperativen Management mit den neuen oralen Antikoagulanzien
Dabigatran (PRADAXA) und Rivaroxaban (XARELTO)
finden wir nicht.
 Empfehlungen dazu basieren derzeit im Wesentlichen
auf den entsprechenden Erfahrungen mit Cumarinen sowie
auf den pharmakokinetischen Basisdaten der beiden Neuerungen, vor allem die Halbwertszeit und die renale Elimination.
 Bei Eingriffen mit geringem Blutungsrisiko wie Zahnextraktion sollten beide Mittel in Analogie zu den Empfehlungen bei Cumarinen im Allgemeinen beibehalten werden.
 Wenn ein Eingriff die Unterbrechung der oralen Antikoagulation erfordert, müssen Rivaroxaban und Dabigatran mindestens 24 Stunden vorher abgesetzt werden. Anders als Rivaroxaban muss das hauptsächlich renal eliminierte Dabigatran bei eingeschränkter Nierenfunktion bereits zwei** bis vier Tage vorher abgesetzt werden.
 Empfehlungen zum Bridging mit Heparin bei längerer
perioperativer Einnahmepause sind bisher vage. Das Wann
und Wie eines Heparinbridgings muss daher bei den neuen
Mitteln individuell nach Blutungs- und Thromboembolierisiko entschieden werden.
1
2
3
Bayer: Fachinformation XARELTO, Stand Mai 2012
Boehringer Ingelheim: Fachinformation PRADAXA, Stand Juli 2012
WELTERMANN, A. et al.: Wien. Klin. Wochenschr. 2012; 124: 340-7
FRÜHBEHANDLUNG DES MORBUS
PARKINSON MIT RASAGILIN (AZILECT)?
Bei einer 55-jährigen Patientin wurde ein idiopathisches PARKINSON-Syndrom diagnostiziert. Der neurologische Kollege empfiehlt wegen
des frühen Stadiums die Behandlung mit Rasagilin (AZILECT). Ich hatte
bis jetzt noch nichts mit dem Medikament zu tun und war von der Nebenwirkungspalette doch sehr beeindruckt. Was können Sie mir zur
Wirksamkeit und zum Nutzen-Risiko-Verhältnis mitteilen?
Dipl.-Med. W. PLETZ (Facharzt für Allgemeinmedizin)
D-08626 Adorf/V.
Interessenkonflikt: keiner
Für den Monoaminooxidase-B (MAO-B)-Hemmer Rasagilin (AZILECT) sahen wir bei Markteinführung 2005 aufgrund fraglich klinisch relevanter Wirksamkeit und möglicher Kanzerogenität keinen Stellenwert in der Behandlung
des Morbus PARKINSON im Frühstadium (a-t 2005; 36: 71).
Seitdem wurde hierzu die doppelblinde randomisierte
ADAGIO*-Studie publiziert, in der untersucht wird, ob die
Erkrankung durch frühzeitige Behandlung mit Rasagilin
langsamer fortschreitet. Eingeschlossen sind 1.176 im Mittel
62 Jahre alte Patienten mit maximal 18 Monate zurückliegender Erstdiagnose eines unbehandelten Morbus PARKINSON,
die eine leichte Symptomatik und keine Gleichgewichtsstörungen haben (Stadium I oder II nach HOEHN und YAHR)
und nach Einschätzung der Prüfärzte auch innerhalb der
nächsten neun Monate keine symptomatische Therapie be*
ADAGIO = Attenuation of Disease progression with Azilect Given Once-daily
**
Korrektur nach Drucklegung: ein bis vier Tage
nötigen würden. In vier Studienarmen nehmen sie täglich
entweder von Anfang an für 72 Wochen die hierzulande zugelassene Tagesdosierung von 1 mg Rasagilin oder aber 2 mg
ein, oder 1 mg bzw. 2 mg erst im Anschluss an eine 36-wöchige Plazebophase. Auf eine krankheitsmodifizierende Wirkung soll nur geschlossen werden, wenn drei primäre Endpunkte positiv ausfallen: Zwischen Woche 12 und 36 müssen
die Beschwerden unter Rasagilin weniger zunehmen als unter
Plazebo. Nach 72 Wochen müssen sie sich gegenüber dem
Ausgangswert durch die frühzeitige Therapie weniger verschlechtert haben als bei verzögerter Behandlung. Und zwischen Woche 48 und 72 dürfen sie in den bereits von Anfang
an mit Rasagilin behandelten Gruppen nicht stärker zunehmen als bei den zunächst mit Plazebo behandelten. Die Beschwerden werden mittels der 0 bis 176 Punkte umfassenden
UPDRS*-Skala gemessen.1,2
Signifikante Effekte in allen drei Endpunkten finden sich
der Publikation zufolge nur für die frühzeitige Behandlung
mit 1 mg täglich. Innerhalb von 72 Wochen nimmt der
UPDRS-Score bei frühem Therapiebeginn im Mittel jedoch
nur 1,68 Punkte weniger zu als bei verzögertem Beginn.1 Der
Unterschied gilt als klinisch nicht relevant.3,4 Im Rahmen eines Antrags auf Ausweitung der Zulassung bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA stellt sich zudem heraus, dass diese Auswertung post hoc modifiziert wurde. Bei
Analyse gemäß ursprünglicher Planung findet sich auch in
diesem Endpunkt kein statistisch signifikantes Ergebnis.5 Einstimmig kommt das Beratergremium der FDA zu dem
Schluss, dass hinreichende Belege dafür fehlen, dass Rasagilin
das Fortschreiten der Beschwerden bei Morbus PARKINSON
verzögert.6
Zur symptomatischen Initialtherapie eignen sich sowohl
Levodopa (in MADOPAR u.a.) als auch Dopaminagonisten.
Während Levodopa besser wirksam ist, sind Dopaminagonisten einerseits mit geringerem Risiko später motorischer Störwirkungen, andererseits aber mit häufigeren neuropsychiatrischen Störwirkungen verbunden (vgl. a-t 2006; 37: 46-8).
Den älteren, seit 1986 im Handel befindlichen MAO-B-Hemmer Selegilin (SELEGILIN AL u.a.) stufen wir wegen schwacher Wirksamkeit7 als Mittel der Reserve ein.
 Eine Verzögerung des Fortschreitens eines Morbus PARKINSON durch frühzeitige Behandlung mit dem MAO-BHemmer Rasagilin (AZILECT) ist nicht belegt. Wir raten
weiterhin von der Anwendung ab.
(R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
R 1
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3
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5
OLANOW, C.W. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 1268-78
OLANOW, C.W. et al.: Mov. Disord. 2008; 23: 2194-201
SHULMAN, L.M. et al.: Arch. Neurol. 2010; 67: 64-70
SCHRAG, A. et al.: Mov. Disord. 2006; 21: 1200-7
FDA: Peripheral and Central Nervous System Drugs Advisory Committee
Meeting Background Package, 17. Okt. 2011; http://www.fda.gov/download
s/AdvisoryCommittees/CommitteesMeetingMaterials/Drugs/Peripheraland
CentralNervousSystemDrugsAdvisoryCommittee/UCM275474.pdf
6 FDA: Summary Minutes of the Peripheral and Central Nervous System
Drugs Advisory Committee Meeting, 17. Okt. 2011; http://www.fda.gov/do
wnloads/AdvisoryCommittees/CommitteesMeetingMaterials/Drugs/Periphe
ralandCentralNervousSystemDrugsAdvisoryCommittee/UCM284387.pdf
M 7 TURNBULL, K. et al.: Monoamine oxidase B inhibitors for early Parkinson’s
disease. The Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand 8. Nov. 2011
RABATTVERTRÄGE
UND ARZNEIMITTELREGRESSE
Wenn auf einem Kassenrezept (z.B. AOK) Olanzapin 7,5 mg N2 verordnet wird, kann ich laut SGB V zwischen den Rabattvertragsartikeln frei
wählen, z.B. OLANZAPIN 1A PHARMA (52,96 € für 56 Tabletten) und
etliche weitere Generika sowie das Original ZYPREXA (361,03 € für
56 Tabletten). Diese freie Auswahl kann ich mir nur so erklären, dass die
tatsächlich vereinbarten Preise zwischen der AOK und dem Hersteller Lilly in Höhe der Generika liegen. Welche Preise werden denn dem Arzt auf
sein Budget berechnet?
*
UPDRS = Unified Parkinson´s Disease Rating Scale: Skala zu kognitiven Funktionen, Verhalten, Stimmung, Aktivitäten des täglichen Lebens und Motorik.
Die Teilskala der UPDRS zu Therapiekomplikationen (bis 23 Punkte) wird in
der ADAGIO-Studie nicht berücksichtigt.
vor
Warenzeichen in
Österreich
und Schweiz
(Beispiele)
Levodopa,
z.B. in
Levodopa +
Benserazid:
MADOPAR
„ROCHE”
(A)
MADOPAR
(CH)
Rasagilin:
AZILECT
(A, CH)
Selegilin:
JUMEX
(A)
SELEGILINMEPHA
(CH)