Grundlagen der Kontaktlinsen-Praxis - DOZ

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Grundlagen der Kontaktlinsen-Praxis - DOZ
A N PA S S U N G
Jane Veys, John Meyler und Ian Davies
Grundlagen der Kontaktlinsen-Praxis
Teil 11 – Kontaktlinsen-Pflege
Jane Veys, John Meyler und Ian Davies beschreiben
die verschiedenen Komponent en moderner P flegesysteme und zeigen auf , weshalb auch hierbei die
Compliance beim Kontaktlinsen-Tragen eine wichtige
Rolle für die Augengesundheit spielt.
Heutzutage g ibt es eine g roße Auswahl an K ontaktlinsenPflegemitteln. Welche Kontaktlinsen-Pflege im Einzelfall zum
Einsatz kommt, hängt von Kontaktlinsen-Typ und -Material ab
sowie von pat ienten- b zw. kundenspezifisc hen F aktoren.
Dieser Beitrag möchte einen allg emeinen Überblick über die
wichtigsten A spekte der K ontaktlinsen-Pflege und die Eig enschaften der P flegemittel liefern . Es werden jedoc h keine
Markeneigenschaften im Det ail behandelt . Ein umfassender
Überblick darüber findet sich in der Literatur. [1,2]
■ Bestandteile des Pflegesystems
Es g ibt P flegesysteme als Mehrz wecklösungen in EinFlaschen-Systemen oder mehrere Flaschen mit verschiedenen
Lösungen für unt erschiedliche F unktionen. Manc he P flegesysteme er fordern mehrere Reinig ungsschritte, bei anderen
darf der Schritt des „Reibens“ ausgelassen werden. Die Grundschritte lassen sich wie folgt beschreiben:
Reinigen/Reiben
Bei diesem Sc hritt werden Ablag erungen und andere P artikel von der Ober fläche ent fernt. F ür g ewöhnlich g eschieht
dies, indem man die Kontaktlinse auf die Handinnenfläche legt
und mit dem Fing er abreibt . Die mec hanische „Reinig ung“
erfolgt durch Abreiben der Kontaktlinse mit einer sterilen Kochsalzlösung. Die Verwendung einer speziell zusammeng esetzten Lösung , die mit einem die Ober flächenspannung reduzierenden Ober flächenreiniger ( z. B . P oloxamer 40 7, Tyloxapol) oder mit Cit rat versetzt ist , erleichtert jedoch das Ent fernen von Ablagerungen.
Andere K ontaktlinsen-Pflegemittel beinhalt en Chemikalien
wie Isopropyl-Alkohol oder weisen mikroskopisc h kleine P artikel mit einer leic hten Sc heuerfunktion auf. Nic ht alle Oberflächenreiniger sind g leich wirkungsvoll. Beim Reinig ungsvorgang entfernt man außer den Partikeln auch Mikroorganismen
von der K ontaktlinsen-Oberfläche. Damit st ellt die Reinig ung
auch einen wic htigen Desinfekt ionsschritt dar . W ährend es
über die g enaue Anzahl von Bakt erien, die beim Reinig ungsvorgang ent fernt werden , unt erschiedliche Meinung en g ibt,
stimmen die Exper ten überein, dass eine Log -Reduktion von
1 bis 4 stattfindet. Die Reinigung ist besonders für die Entfernung von Ac anthamoeben-Zysten und Trophozoiten von der
Oberfläche formstabiler und weicher Kontaktlinsen wichtig.
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Abb. 1: Reiben und Abspülen sind wichtige Schritte
im Rahmen der Kontaktlinsen-Pflege
Das Reiben ist der Sc hritt, den Kontaktlinsen-Träger bei der
Pflege am häufig sten auslassen (Abbildung 1 ). Um eine höhere Patienten- bzw. Kundenzufriedenheit zu erzielen , haben
die Hersteller die Zusammensetzung der Reinigungslösungen
verändert. Dadurc h soll die er forderliche Rate der Bakt erienreduktion auch ohne Reiben erreicht werden. Während diese
Pflegemittel sic h wac hsender Beliebt heit er freuen, werden
Bedenken laut, denn besonders im Falle von Silikon-Hydrogellinsen ist das Reiben der K ontaktlinse für die Ent fernung von
Lipidrückständen wichtig. Ironischerweise wird für die meisten
Pflegemittel, die ein Reiben der K
ontaktlinse über flüssig
machen, weit erhin ein „Abspül- Schritt“ als T eil der t äglichen
Pflegeroutine empfohlen.
Abspülen
Das Abspülen der Kontaktlinse ist ein int egraler Bestandteil
des täglichen Reinigungs- und Desinfektionsprozesses. Durch
die Kombination von Reinigen und Abspülen werden 99 Prozent der auf der K ontaktlinse befindlic hen Mikroorg anismen
entfernt. Durc h das Abspülen werden auc h loc kere P artikel
und Rückstände der Reinigungslösung entfernt, die ansonsten
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beim Aufsetzen der Kontaktlinse den Tragekomfort beeinträchtigen könnt en. Für eine effizient e Bakt erienentfernung durc h
Abspülen benötigt man bedeutend mehr Zeit, als die meisten
Kontaktlinsen-Träger routinemäßig dafür verwenden.
Desinfektion
Die Desinfektion bewirkt das Abtöten von Mikroorganismen,
aber nicht zwangsläufig auch die Inaktivierung von Bakteriensporen. Sie stellt einen äußerst wichtigen Schritt bei der Pflege
sowohl weic her als auc h formst abiler K ontaktlinsen dar . Es
wurde fest gestellt, dass eine mang elhafte Desinfekt ion wesentlich zur Ent stehung mikrobieller K eratitis beiträgt. Die Internationale Organisation für Normung (I SO) hat aktiv an der
Entwicklung von Normen zum T esten und Klassifizieren von
Kontaktlinsen-Produkten mit gewirkt. [3] Die akt uelle Norm –
ISO 14729 – set zt primäre und sekundäre Maßst äbe für die
Desinfektion, basierend auf ausg ewählten T estorganismen,
nämlich drei Bakterien- und zwei Pilzarten, wie in Tabelle 1 aufgeführt. Die Acanthamoeba wird in dieser Norm derzeit jedoch
nicht berüc ksichtigt. Eine Desinfekt ionslösung muss dafür
sorgen, dass die Kontaktlinse auch bei ihrer Aufbewahrung frei
von Mikroorganismen bleibt und ihre F euchtigkeit aufrechterhalten wird . Die akt iven Best andteile der Desinfekt ionsmittel dienen g leichzeitig als Konservierungsmittel für das ang ebrochene Pflegemittel.
• Puffer funktion zwischen Kontaktlinse und Fing er zur Reduktion von Verunreinigungen beim Aufsetzen.
Proteinentfernung
Die im T ränenfilm vorhandenen Prot eine dring en in die
Matrix weicher Kontaktlinsen ein und bleiben sc hon Minuten
nach dem Aufset zen sowohl an formst abilen als auc h an
weichen Kontaktlinsen locker haften. Mit der Zeit können diese
Proteine sich stärker an die K ontaktlinse anlagern und denaturieren. Denat uriertes Eiweiß führ t zu einer Minderung des
Tragekomforts, der Sehqualität und der g enerellen Zufriedenheit, und kann auc h atopische Reaktionen wie kontaktlinsenbedingte papilläre K onjunktivitis und Röt ung der Aug en hervorrufen. Prot einablagerungen kommen häufig er bei Hydrogellinsen als bei weichen Silikon-Hydrogellinsen vor.
Früher wurde die Prot einentfernung durc h spezielle T abletten durchgeführt. Diese beinhalten Enzyme, meistens Subtilisin, welc he die V erbindungen z wischen den Prot einmolekülen angreifen, so dass diese von der Kontaktlinse abgespült
werden können. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese
Art von Prot einentfernung nur für akt ive Prot eine g eeignet
ist. Sobald das Prot ein denat uriert, veränder t sic h seine
chemische Zusammenset zung, und die Enz yme können die
Moleküle nicht mehr zersetzen. Sollte eine Proteinentfernung
notwendig sein, muss diese regelmäßig durchgeführt werden.
Zu Mehrz wecklösungen für weic he K ontaktlinsen werden
vermehrt Inhaltsstoffe zur Entfernung von Proteinen wie Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) oder Citrate beigegeben, um
die Prot eine während der Einlag erung zu ent fernen. Das Integrieren der Proteinentfernung in den Reinigungsvorgang und
der vermehr te Einsat z von Aust ausch-Kontaktlinsen hat zum
Rückgang der separaten Proteinbehandlung geführt.
■ Eigenschaften von Pflegemitteln
Tab. 1: Leistungsanforderung gemäß ISO 14729: Pa=Pseudomonas
aeruginosa, Sa=Staphylococcus aureus, Sm=Serratia
marcescens, Ca=Candida albicans, Fs=Fusarium solani.
*Kombinierte Reduktion um mindestens 5 Log, wobei bei
jeder Bakterienart mindestens 1 log Reduktion vorlag.
Sterilisierung
Die Sterilisierung ist die vollst ändige Entfernung von Mikroorganismen, inklusive Sporen. Alle weichen Kontaktlinsen werden bei der Herstellung standardmäßig sterilisiert, bevor sie in
den Handel kommen. Die Sterilisierung erfolgt normalerweise
im Autoklaven, wobei das Produkt für eine best immte Dauer
auf eine fest gelegte Temperatur erhit zt wird ( normalerweise
für 30 Minuten auf 115-118°C).
Benetzungsmittel und Oberflächenreiniger
Der Gebrauc h von Benet zungsmitteln dient e bei formst abilen K ontaktlinsen ursprüng lich dazu , den Spont antragekomfort zu erhöhen . Benet zungsmittel hat ten drei Haupt anwendungsbereiche:
• Minimierung des anfäng lichen Diskomfor ts beim Aufsetzen der K ontaktlinse, indem es als Gleit mittel z wischen
Kontaktlinse und Hornhaut fungiert.
• Förderung der g leichmäßigen Verteilung des Tränenfilms
auf der Kontaktlinse beim Aufsetzen.
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Alle K ontaktlinsen-Pflegemittel, die ent weder direkt oder
indirekt mit dem Aug e in Berührung kommen , müssen c hemisch und physiologisch verträglich sein, um für den Kontaktlinsen-Träger den Tragekomfort zu gewährleisten und die Gesundheit der Augen zu erhalten. Es ist wichtig, die allgemeinen
Eigenschaften der Pflegemittel gut zu kennen, um dem Patienten bzw. Kunden auch alternative Produkte empfehlen zu können, sollt e dieser spezielle Besc hwerden haben . Die Eig enschaften und die Wirksamkeit von P flegemitteln können sic h
mit der Zeit ändern. Deshalb sollten alle Lösungen vor Ablauf
des Halt barkeitsdatums aufg ebraucht werden . F olgende allgemeine Eigenschaften müssen berücksichtigt werden:
Tonizität – die durchschnittliche Osmolarität des menschlichen Tränenfilms bet rägt 320 mmol/kg mit einer Sc hwankungsbreite zwischen 300-350 mmol/kg. Das entspricht einer
0,9 -prozentigen Kochsalzlösung. Im Idealfall sollt en Kontaktlinsen-Pflegemittel eine dem T ränenfilm ähnlic he T onizität
aufweisen, um Beschwerden zu vermeiden, falls die Kontaktlinsen mit Lösungsrückständen aufgesetzt werden. Mit wachsender Lösung s-Tonizität verring ert sic h der T ragekomfort
und die Häufig keit von Bindehaut -Hyperämie st eigt. St udien
haben gezeigt, dass die Veränderung der Lösungs-Tonizität zu
Beschwerden und Hyperämie führ t. Hingegen gibt es keinen
Zusammenhang zwischen der Verwendung von Pflegemitteln
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mit erhöht er T onizität und dem Auft reten von Hornhaut stippung. Das lässt darauf sc hließen, dass mangelnder Tragekomfort und Hyperämie wirksame „frühe W arnsignale“ sind ,
die vor der Hornhautschädigung auftreten. [4]
Der pH -Wert – d . h . das Maß für die W asserstoffionenKonzentration b zw. das Säure-/ Basen-Gleichgewicht der Lösung – sollt e für einen ang enehmen Tragekomfort zwischen
pH 6,6 und pH 7,8 und so nah wie möglich am durchschnittlichen pH-Wert der menschlichen Tränenflüssigkeit (pH 7,45 ±
0,16) lieg en. Es sei darauf hing ewiesen, dass Tränen keinen
statischen pH-Wert aufweisen und wie alle Körperflüssigkeiten
täglich variieren können . W enn man die Aug en läng er
geschlossen hält, ändert sich auch der pH-Wert der Tränenflüssigkeit. Das Aug e ver fügt über Puffersubst anzen, die in der
Lage sind, den pH-Wert des Tränenfilms relativ stabil zu halten,
auch wenn Lösung smittel mit einem zu hohen pH -Wert verwendet wurden. Um jedoch vorübergehende Beschwerden zu
vermeiden, sollt en P flegemittel eing esetzt werden , die dem
neutralen pH-Wert des Auges am nächsten kommen. Die pHWerte der einzelnen Lösung en sind unt erschiedlich und es
kann bei manc hen K ontaktlinsen-Trägern zu Besc hwerden
kommen. [5] Zwei häufig ver wendete Puffer bei K ontaktlinsen
sind Borat und Phosphat.
Viskosität – Subst anzen, welc he die Viskosit ät beeinflussen, können der Lösung beig egeben werden , um ihre „Zähflüssigkeit“ zu reg ulieren. Das am häufig sten ver wendete
Mittel zur Erhöhung der Viskosit ät ist Met hylzellulose. Diese
kann einem Benet zungsmittel beig emengt werden , um die
Anhaftungsdauer zwischen Benetzungswirkstoff und Kontaktlinse zu verläng ern. Sie kann auc h den künst lichen Tränen
beigegeben werden , um die Anhaft ungsdauer z wischen der
Lösung und dem Aug e zu erhöhen . Auc h die Viskosit ät von
Oberflächenreinigern kann im Hinblick auf die Anhaftungsdauer erhöht werden.
Desinfektionsmittel – sobald ein Behält er mit K ontaktlinsen-Lösung geöffnet wird, ist die Lösung der Verunreinigung
durch Mikroorg anismen ausg esetzt. Deshalb müssen alle
Lösungsmittel, ausgenommen jene in kleinen Packungen, die
für den einmalig en Gebrauch gedacht sind, haltbar gemacht
werden. Die Aufgabe des Konservierungsmittels ist, Mikroorganismen ab zutöten. Die Chemikalien , die zur K onservierung
von K ontaktlinsen-Pflegemitteln ver wendet werden , können
auch bei Desinfektionsmitteln zur Abtötung von Mikroorganismen eingesetzt werden. Die Wirksamkeit der meist en Desinfektionsmittel beruht darauf, dass sie die Zellwand der Bakt erien zerstören. Bedauerlicherweise ist ein Mittel, das die Wand
von Bakt erienzellen zerst ören kann , auc h in der Lag e, die
Wand von Epit helzellen anzugreifen und Prot eine zu denat urieren. Bei der Zusammenset zung von Desinfekt ions- oder
Konservierungslösungen muss ein Gleic hgewicht g efunden
werden: Einerseits müssen sie stark genug sein, um viele Bakterien abzutöten, andererseits jedoch mild genug, um für das
Auge nicht toxisch zu sein oder den Prot einfilm auf der K ontaktlinse nicht zu denaturieren.
Früher wurde versucht, dieses Gleichgewicht durch den Einsatz von Chemikalien wie Chlorhexidin und Thiomersal (auch:
Thimerosal in den U SA) in sehr niedrig er K onzentration zu
erreichen. Diese St rategie war nur hinsic htlich der passiven
Konservierung er folgreich, denn die bakt erizide Wirkung der
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Lösung war nicht hoch genug, um als Desinfektion zu dienen,
und führ te zu vermehr ten at opischen und t oxischen Reaktionen. Lösungsansätze gehen in die Ric htung von Chemikalien wie Polyhexanidbiguanid oder Polyquaternium-1 als Hauptdesinfektionsmittel in Mehrz wecklösungen. Diese Chemikalien sind haupt sächlich aufgrund ihrer g rößeren Molekularstruktur weniger toxisch für das Auge als vormals verwendete
Konservierungsmittel.
Trotzdem interagiert jede Pflegemittellösung auf spezifische
Art und Weise mit dem Auge und dem Kontaktlinsen-Material.
Manche Kombinationen von P flegemitteln und Kontaktlinsen
können Hornhaut stippungen (Abbildung 2) verursac hen.
Dieser Effekt kann durch den Wechsel zu einem anderen Pflegemitteln oder einem anderem K ontaktlinsen-Material reduziert werden.[6, 7, 8]
Abb. 2: Diffuse punktförmige Stippung aufgrund schlechter
Kompatibilität von Kontaktlinse und Pflegemittel
Es wird vielfac h die Meinung ver treten, dass es wic htig ist ,
einen Reinig ungsschritt in den rout inemäßigen Umg ang mit
diesen Produkten zu integrieren, um die Desinfektionswirkung
und die Ent fernung von loc keren Ober flächenpartikeln und
Lipiden zu optimieren. Die meisten Mehrzwecklösungen enthalten Tenside wie z. B. die am häufigsten verwendeten Poloxamere. Bei den einzelnen Mehrz wecklösungen variier t die
Konzentration des Konservierungsmittels, die Ar t des Tensids
und des Puffers, so dass auch ihre Wirksamkeit unterschiedlich
ist. W asserstoffperoxid ist ein sehr wirksames Bakt erizid, da
der freiwerdende Sauerstoff organische Ablagerungen oxidiert
und dadurch zersetzt. Wasserstoffperoxid ist aber für das Auge
toxisch und führ t bei einer K onzentration von mehr als
100ppm [9] zu Beschwerden und Bindehaut-Hyperämie (Abbildung 3). V ersuche, diesem Problem zu beg egnen, g ründen
auf der Tatsache, dass Wasserstoffperoxid sich relativ leicht in
Wasser und Sauerstoff zersetzt: H202 <-> H20 + 1/2 02.
Abb. 3: Akute Reaktion mit Augenrötung nach dem Aufsetzen
einer Kontaktlinse, die ohne Neutralisation direkt aus
dreiprozentigem Wasserstoffperoxid genommen wurde
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Bei Lösungsansätzen, die zur Vermeidung der Toxizität entwickelt wurden, wird die Kontaktlinse zuerst zur Desinfektion in
eine Wasserstoffperoxidlösung gelegt. Nach einer bestimmten
Zeit wird ein Katalysator zugegeben, der das Peroxid in Wasser
und Sauerstoff spaltet. Nach mindestens zehn Minuten enthält
die Lösung nur noc h minimale Meng en an nic ht zerset ztem
Wasserstoffperoxid, sodass die K ontaktlinse besc hwerdefrei
aufgesetzt werden kann.
Derartige Syst eme bring en bei den Bemühung en um das
Gleichgewicht zwischen Effizienz und Toxizität einen weiteren
Aspekt ins Spiel: die leichte Anwendbarkeit. Wie im Folgenden
noch gezeigt wird, gilt allgemein: Je einfacher ein Pflegesystem
in der Anwendung ist , desto wahrscheinlicher ist es, dass der
Patient bzw. Kunde es richtig anwendet. Da die früheren Peroxid-Systeme kompliziert in ihrer Anwendung waren , wurden
sie von vielen Kontaktlinsen-Trägern abgelehnt. Als die Anwendung solcher Systeme einfacher wurde, wie z. B. durch die Einführung von „Einst ufen-Systemen“, wurde jedoc h gleichzeitig
die relat ive Wirksamkeit der P flegemittellösungen g egen
Mikroorganismen geringer. Denn die Kontaktlinsen waren dem
Wasserstoffperoxid kürzer ausgesetzt.
Wasserstoffperoxid-Systeme verändern auc h die pH -sensiblen Parameter der K ontaktlinsen. Werden weiche ionische
Kontaktlinsen in eine Wasserstoffperoxid-Lösung gegeben, reduziert sic h der Rüc kflächenradius der opt ischen Zone wie
auch ihr Gesamtdurchmesser bedeutend. Diese Veränderung
kann rückgängig gemacht werden, sobald die Lösung , in der
die Kontaktlinse liegt, neutralisiert wird. Es kann jedoch bis zu
einer Stunde dauern kann, bevor die Kontaktlinse wieder ihre
korrekten Sitzcharakteristika aufweist. [10]
Daher klagen 20 Prozent der Kontaktlinsen-Träger über mangelnden Tragekomfort wenn sie Kontaktlinse bereits 20 Minuten nach der Neutralisierung wieder aufsetzen. Das ideale Pflegesystem sollte also ein Gleichgewicht zwischen der Wirksamkeit gegen Mikroorganismen, der Toxizität und der Anwenderfreundlichkeit/Compliance aufweisen (Abbildung 4).
■ Begleitumstände
Händewaschen
Bevor Patienten bzw. Kunden ihre K ontaktlinsen berühren ,
sollten sie ihre Hände gründlich mit Seife und Wasser reinigen
und mit einem sauberen fusselfreien Handt uch abt rocknen.
Seifenspender mit par fümfreier ant ibakterieller Seife sind
Seifenstücken vorzuziehen , da let ztere leic hter kont aminiert
werden. Um eine V erunreinigung durc h Seifenrüc kstände zu
vermeiden, müssen diese g ründlich von den Händen abgespült werden , bevor man die K ontaktlinsen berühr t. Der
Kontaktlinsen-Spezialist hat gegenüber seinen Patienten bzw.
Kunden eine Vorbildfunktion, indem er sich die Hände wäscht,
ehe er die Handhabung der K ontaktlinsen demonstriert (Abbildung 5).
Abb. 5: Indem man dem Patienten bzw. Kunden eine gute Hygiene
samt Händewäsche vorführt, lässt sich die optimale
Vorgehensweise am besten vermitteln
Abb. 4: Erforderliches Gleichgewicht für ein
erfolgreiches Pflegesystem
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Pflege des Kontaktlinsen-Behälters
Ebenso wic htig wie die Reinig ung von K ontaktlinsen und
Händen ist die Sauberhalt ung des K ontaktlinsen-Behälters,
der eine häufig e Quelle für bakt erielle Verunreinigungen ist
(Abbildung 6). Die Verunreinigungen nehmen zu, wenn Bakterien, die läng ere Zeit am K ontaktlinsen-Behälter haft en, zu
einem Biofilm werden , der die Wirkung der P
flegemittel
vermindert. Unt ersuchungen erg aben, dass 50 Pro zent der
Kontaktlinsen-Behälter bakteriell verunreinigt und vier Prozent
von Amöben befallen sind. Die Lösung muss täglich aus dem
Behälter ausg eleert werden . Dieser sollt e mit einer frisc hen
Desinfektionslösung ausgespült und anschließend luftgetrocknet werden. Es ist wic htig, das Gefäß t rocknen zu lassen , da
sich Mikroorg anismen in einer t rockenen Umg ebung nic ht
vermehren können. Wenn es erneut für die Aufbewahrung der
Kontaktlinsen verwendet werden soll, muss es vollständig mit
frischer Lösung gefüllt werden – und nic ht, wie es häufig aus
Bequemlichkeit vorkommt, nur aufgefüllt werden.
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Laut dieser Darst ellung g ibt es viel mehr Mög lichkeiten,
Anweisungen nic ht Folge zu leist en, als sie einzuhalt en, insbesondere wenn der Patient bzw. Kunde es für eher unwahrscheinlich hält, dass das Nichtbefolgen Konsequenzen hat.
Es ist allgemein bekannt, dass viele Kontaktlinsen-Träger die
Anweisungen nic ht befolg en. Es ist aber g enauso bekannt ,
dass die meisten von ihnen der Meinung sind, sie würden es
tun. Der best e Weg herauszufinden, ob sic h der Patient bzw.
Kunde an die Anweisungen hält, ist es, ihm offene Fragen über
sein P flegeverhalten zu st ellen. Daraufhin sollt e man ihn
bitten, vorzuführen , wie er sic h verhält . Die Bedeut ung der
offenen F ragestellung wurde in dieser Serie immer wieder
betont. Auf die Frage „Pflegen Sie Ihre Kontaktlinsen richtig?“
wird man wahrscheinlich keine negative Antwort bekommen,
aber die Aufforderung „Zeig en Sie mir , wie Sie mit Ihren
Kontaktlinsen umg ehen, wenn Sie sie vom Aug e nehmen“
wird aufschlussreichere Informationen liefern.
Abb. 6: Die Kontaktlinsen-Träger vergessen oft die Hygiene
des Kontaktlinsen-Behälters
Viele Hersteller haben die Kontaktlinsen-Behälter neu konzipiert und ein mechanisches Rührelement integriert. Seit Neuestem werden Behälter mit einer antimikrobiellen Substanz auf
Silberbasis beschichtet, die speziell ent wickelt wurde, um die
Verunreinigung zu reduzieren und die Entstehung des Biofilms
zu verhindern. [11]
Im Idealfall sollt en jene K ontaktlinsen-Träger, die ihre K ontaktlinsen häufig austauschen, mit den Kontaktlinsen auch den
Kontaktlinsen-Behälter wec hseln – mindest ens jedoc h alle
drei Monat e. Manc he K ontaktlinsen-Spezialisten empfehlen
auch eine wöc hentliche mec hanische Reinig ung mit einem
mit Kontaktlinsen-Reiniger befeuc hteten Wattestäbchen, wodurch der Biofilm entfernt wird.
Leitungswasser
Kontaktlinsen und K ontaktlinsen-Behälter sollt en nie in
Berührung mit Leit ungswasser kommen , da dieses in vielen
Ländern als eine der Hauptquellen für Ac anthamoeba identifiziert wurde. T räger formst abiler sauerst offdurchlässiger
Kontaktlinsen (RGP ) können auc h für kont aktlinsenbedingte
Acanthamoeba-Infektionen [12] anfällig sein und sollten deshalb
besonders ac htsam sein . T räger formst abiler sauerst offdurchlässiger K ontaktlinsen sollt en zumindest vermeiden ,
die Kontaktlinse direkt vor dem Aufsetzen mit Leitungswasser
abzuspülen.
■ Compliance
Der wahrscheinlich wichtigste Aspekt bei der KontaktlinsenPflege ist das Befolg en der Anweisung en für das sic here Tragen von K ontaktlinsen. Das V erhalten des K ontaktlinsen-Trägers ist sowohl in der K ontaktlinsen-Praxis als auch in der Allgemeinmedizin ein Thema . Einen her vorragenden Überblic k
darüber bietet die Literatur. [13,14]
Das Modell zum „Glauben an die eig ene Gesundheit “ [15]
kann durc h ein Flussdiag ramm darg estellt werden . Es illustriert, wie der K ontaktlinsen-Träger die Ent scheidung t rifft,
Anweisungen zu befolgen oder nicht (Abbildung 7).
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Abb. 7: Das Modell des „Glaubens an die eigene Gesundheit”
nach Becker und Maiman, zitiert von Soko [15]
Es wurden viele Unt ersuchungen über die versc hiedenen
Aspekte des Patienten- bzw. Kundenverhaltens in Bezug auf die
Einhaltung von P flegehinweisen durchgeführt. Diese Unt ersuchungen unt ermauern das bereit s g enannte Modell , wonac h
sich der Fehlsichtige der tatsächlichen Vorteile seines Handelns
bewusst sein muss , um sic h an best immte Anweisung en zu
halten. Dieses Gefühl kann auch verbal verstärkt werden. Kontaktlinsen-Träger reag ieren posit iv auf die Anerkennung des
Kontaktlinsen-Spezialisten, wenn sie eine Anweisung oder eine
Handlung ric htig ausführen . Diese Best ätigung sollt e im R ahmen der Nac hkontrolle er folgen. Der K ontaktlinsen-Spezialist
sollte auch die besten Methoden kennen, um dem Kontaktlinsen-Träger die Folgen mangelnder Compliance zu veranschaulichen. P atienten b zw. K unden reag ieren mit einer höheren
Bereitschaft zur Compliance wenn sie von dem KontaktlinsenSpezialisten gewarnt werden, dass die Kontaktlinsen ohne richtige Reinigung und Pflege z. B auf den Augen kratzen könnten.
Weniger effektiv ist der Hinweis, dass sie so eine Infektion vermeiden können. Denn bei letzterem halten die KontaktlinsenTräger die Konsequenz für unwahrscheinlich. Untersuchungen
haben ergeben, dass Patienten bzw. Kunden eher bereit sind ,
Anweisungen zu befolg en, die ihrem Tragekomfort als ihrer
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Sicherheit dienen . Abbildung 8 zeig t die Erg ebnisse einer in
London unter Studenten durchgeführten Studie über die Häufigkeit mangelnder Compliance. [16] Beinahe 30 Prozent der Probanden haben ihre weichen Kontaktlinsen nach dem Absetzen
nicht desinfiziert. Anhand der zu diesem Thema durc hgeführten Untersuchungen zeigt sich: Die Bereitschaft zur Compliance wird geringer, je jünger ein Patient bzw. Kunde ist und je länger er die Kontaktlinsen trägt. Des weiteren nimmt die Compliance ab bei K ontaktlinsen-Trägern nac h F olgeanpassungen,
bei Patienten bzw. Kunden, die Kontaktlinsen über eine längere
Zeit tragen oder solc hen, die Kontaktlinsen eher aus kosmet ischen denn aus therapeutischen Gründen tragen.
Abb. 8: Häufigkeit mangelnder Compliance bei
einer Population von Studierenden [16]
Tab. 2: Systematischer Problemlösungsansatz
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Die Compliance lässt auch mit der Komplexität der Pflegesysteme nac h. Das V erhalten des F ehlsichtigen kann jedoc h
mittels wiederholter Anweisung durch den Kontaktlinsen-Spezialisten bei jeder Nachuntersuchung verbessert werden.
■ Problemlösung
Tabelle 2 st ellt allg emeine Probleme dar , die durc h Veränderungen und Anpassungen des Pflegesystems gelöst werden
können. Der Lösungsansatz ist einer, der in der gesamten Serie
immer wieder befür wortet wurde: Isoliere die Ursac he des
Problems und ändere jene K omponente im K ontaktlinsen-/
Pflegesystem, die das betreffende Element beeinflusst.
■ Zusammenfassung
Kontaktlinsen-Pflegemittel spielen eine immer wic htigere
Rolle für den g enerellen Er folg beim Tragen von K ontaktlinsen. Die K enntnis ihrer Eig enschaften und Wirkung en kann
dem Kontaktlinsen-Anpasser helfen , sowohl das ric htige System für den einzelnen Patienten bzw. Kunden wie auch das
jeweilige K ontaktlinsen-Material auszuwählen , und alle Probleme zu lösen , die mit dem T ragen von K ontaktlinsen zusammenhängen.
■ Wichtigste Punkte
• Alle K ontaktlinsen, sowohl weic he als auc h formst abile,
müssen nac h dem Abnehmen g ereinigt und desinfizier t
werden, falls sie wieder getragen werden sollen.
• Das für den jeweilig en P atienten b zw. K unden g ewählte
Pflegesystem richtet sich nach Kontaktlinsen-Typ, Material,
Austauschzyklus, T ragemodalität und P atienten- b zw.
Kundenprofil.
• Reiben und Abspülen sind g eeignete Maßnahmen , um
Fettablagerungen von Silikon-Hydrogellinsen zu entfernen
und die Desinfektion bei allen Kontaktlinsen zu verbessern.
• Die sorgfältige Unterweisung des Patienten bzw. Kunden in
Bezug auf die richtigen Reinigungs- und Desinfektionsverfahren sowie eine laufende Beurteilung während der Nachkontrolle sind der Schlüssel zu einer guten Compliance.
• Vorführen, was g ute Hyg iene prakt isch bedeut et. Im R ahmen der Nac hkontrolle, sollt e der P atient bzw. Kunde g ebeten werden , seinen rout inemäßigen Umg ang mit dem
Pflegemittel genau zu zeigen.
• Die K enntnis des K ontaktlinsen-Spezialisten über die
wichtigsten Eigenschaften der Pflegemittel und möglichen
Wechselwirkungen mit best immten K ontaktlinsen-Typen
ist wic htig, um einem P atienten b zw. K unden, der
bestimmte Beschwerden hat, Alternativprodukte anbieten
zu können.
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JBCLA, 1993; 16:3 105–11.
Autoren:
Jane Veys ist Director Clinical Education für The Vision Care InstituteTM von Johnson & Johnson Vision Care. John Meyler ist
Senior Director Professional Affairs bei Johnson & Johnson Vision Care für Europa, Mittleren Osten und Afrika. Ian Davies ist
Vizepräsident des The Vision Care InstituteTM von Johnson &
Johnson Vision Care.
Dieser Ar tikel wurde von Johnson & Johnson Vision
Care unt erstützt, erst mals veröffent licht im Opt ician
vom 11. Januar 2008.
Danksagung
Die Autoren danken Lyndon Jones für Abb. 2, 3 und 6.
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